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höchsten politischen Bedenken erregende Situation, welche die aus den Ereignissen der Jahre 1866 und 1870 hervorgegangene Verfassung des großen, einigen Deutschen Reiches für Holland angeblich geschaffen haben soll. Es liegt uns die Versuchung | nahe, diesen Artikel, der einer der vielen „Eclaireurs" ist, welche das chauvinistische Frankreich jezt nach dem Ausland entfendet, um einen Nachbarn Deutschlands nach dem andern gegen Kaiser und Reich mißtrauisch zu machen und sich als künftige Bundesgenossen zu gewinnen, hier zu analysiren und in seiner Gleißnerei und Unwahrheit aufzudecken. Wir wollen jedoch, da uns leicht von Dritten der Einwurf gemacht werden könnte, daß wir die Sache eben auch nur aus einem einseitigen, nationalen Standpunkte auffaßten, lieber, statt unserer, zunächst einen neutralen Nichtdeutschen in der Sache reden lassen. Das liberale belgische Blatt,,La Discussion" sagt in seiner Nummer vom 21. April Folgendes über den gedachten Artikel der R. d. d. Mondes:

„Es versteht sich von selbst, daß man in diesem Artikel alle gewöhnlichen Vorurtheile der heutigen Franzosen gegen Deutschland wiederfindet. Mit einer Widerlegung dieser Vorurtheile wollen wir uns nicht aufhalten; es wäre dies eine zu müßige und völlig überflüssige Arbeit. Der Verfasser zeigt jedoch neben dieser Schwäche eine nicht gewöhnliche Kenntniß der Menschen und Zustände in Nordniederland. Er giebt zu, daß Frankreich dort nicht gerade die Sympathieen der intelligenteren Männer besitzt, und obwohl ihn dies betrübt, so wundert er sich doch nicht darüber. Aber er möchte gern denjenigen die Augen öffnen, welche sich durch die Größe des neuen Deutschland haben blenden lassen, und er bemüht sich, ihnen nachzuweisen, daß die jeßige Verfassung des Deutschen Reiches den Ruin ihres Vaterlandes nach sich ziehen müsse. Das unersättliche Preußen, das sich bereits so vieler anderen Dinge bemächtigt habe, werde sicher einestages wünschen, sich auch die niederländischen Kriegs- und Handelshäfen anzueignen, und ruft der französische Hezer wer wird sich dem widerseßen können, wenn Preußen einmal zu diesem Entschlusse gelangt ist? Darum ist es nothwendig, daß Holland auf solche Gefahren vorbereitet sei und daß es, noch bevor sie wirklich eingetreten, dagegen auf das Aeußerste ankämpfe und sich eher in den Wellen des Meeres begraben lasse, als der Gewalt weiche.

„Diese Thesis ist nicht ohne Talent entwickelt und durchgeführt, aber welchen Werth hat sie im Grunde? Daß die Vereinigung aller deutschen Macht in Einer Hand ihre Gefahr für Holland habe, ist so selbstverständlich, daß es nicht erst mit solchem Aufwande von Gründen bewiesen zu werden brauchte. Jeder mächtige Staat bedroht in einem gewissen Sinne seine schwächeren Nachbarn, das ist sicher. Frankreich z. B. ist stets ein Gegenstand der Besorgniß für Belgien und die Schweiz gewesen, aber hat man darum jemals verlangt, daß Frankreichs Einheit aufzuheben sei? Es giebt große und es giebt kleine Nationalitäten, die sämmlich ihre Berechtigung für sich haben, ohne daß durch das Recht der einen das der andern negirt wird; jede constituirt sich in ihren natürlichen Gränzen. Italien hat alle Italiäner unter dem Scepter des Königs von Piemont, Deutschland alle Deutsche unter dem des Königs von Preußen geeinigt. Was ist einfacher und was gerechter, als dies! Ja, mit welchem Rechte sollte man sich der natürlichen und berechtigten Entwickelung einer Nation, die eine der ersten civilisatorischen Aufgaben unserer Zeit zu erfüllen hat, widersezen? Etwa bloß damit alle die Natiönchen rings herum von der Furcht befreit werden, sich einestages angegriffen zu sehen?

„Zugegeben, es sei die Möglichkeit einer Gefahr vorhanden

wird diese Gefahr wirklich einmal eintreten? Bei der Beantwortung dieser Frage machen sich die allerwidersprechendsten Conjecturen geltend. Wünscht Deutschland die Annectirung Hollands und wird es einestags suchen, diesen Wunsch zu erfüllen ? Jeder kann darauf nach seinem Belieben antworten, und alle Antworten haben gleichen Werth: es sind reine Hypothesen und nichts weiter. Was Deutschland heute nicht will, das wird es vielleicht morgen wollen; die Zeiten ändern sich, und mit ihnen die Menschen und die Ideen. Wo ist die Politik, die es wagt, sich zum Bürgen für die Zukunft zu machen? Welcher aufrichtige, denkende Mensch hat nicht schon bei sich selbst unerwartete Metamorphosen der Ansicht erkannt? In keinem Falle aber kann man, wie uns scheint, Deutschland in diesem Augenblicke beschuldigen, das Gut Anderer zu begehren. Es hat sich in naturgemäßer Weise constituirt, ganz so wie es Italien ge than, indem es kleinere Staaten von gemeinsamer Nationalität mit einander enger verband, doch mit dem Unterschiede, daß es nicht zu der Heuchelei eines Plebiscites griff, das nur die kindlichste Naivetät als freien und entscheidenden Ausdruck der Wünsche der Bevölkerung zu bezeichnen vermag. Es ist demnach auch kein Schluß von der Vergangenheit auf die Zukunft zu ziehen; was es gethan, das mußte es thun, um sich zu erhalten.

„Wollte es seine Hand auf Holland legen, so würde es dadurch 'sehr unnüßer Weise die Sympathieen Europa's verscherzen, die ihm jezt mehr zu Theil geworden, als die Revue d. d. Mondes wohl glaubt. Es giebt für Deutschland ein viel sichereres Unternehmen, als die Eroberung der ihm benachbarten Länder, und das besteht darin, sie sich zu Verbündeten zu machen. Es ist sicherlich ebenso im Interesse der Niederlande, als in dem Deutschlands, die gegenseitigen freundlichen Beziehungen beider Länder mehr und mehr zu entwickeln. Sprachen von gemeinsamem Ursprung, Volkscharakter, Sitten und Tendenzen, die ungeachtet ihrer Verschiedenartigkeit, doch den alten germanischen Geist nicht verleugnen das Alles zieht die Niederländer zu ihren mächtigen Nachbarn. Sie begreifen dies sehr wohl, und wenn sie Recht haben, nicht annectirt sein zu wollen, so wissen ste gleichwohl, daß sie, jemehr sie in die Strömung des germanischen Lebens eintreten, um so sicherer eine glänzende Zukunft und eine unab hängige Eristenz vor sich haben."

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England.

Der Strike der ländlichen Arbeiter in England.

I.

Die Forderungen der Arbeiter.

Der Strike, welcher unter den ländlichen Arbeitern in der englischen Grafschaft Warwickshire ausgebrochen ist und sich mit reißender Schnelligkeit von dort durch acht andere Grafschaften verbreitet hat, ist eine neue Phase in der Geschichte der socialen Bewegung unter den Arbeitern, denn es ist das erste Mal, daß sich auch der ländliche Arbeiter von der in Europa grassirenden Krankheit der Arbeitseinstellung, die bisher auf den gewerblichen und Fabrikarbeiter beschränkt blieb, angesteckt zeigt. Die Erscheinung verdient eine um so größere Beachtung, als die Erfahrung lehrt, daß dergleichen Arbeitseinstellungen, ganz wie die Epidemien, sobald sie sich einmal gezeigt haben, nicht lokalisirt

bleiben und man erwarten darf, sie früher oder später an andern Orten unter gleichen oder ähnlichen Symptomen auftreten zu sehen. Es ist daher gerathen, auch diese Seite der Frage ehe sie eine brennende geworden, nach allen Seiten zu erörtern und als einen Beitrag hierzu bringen wir in einer auszüglichen Uebersehung zwei diesen Gegenstand behandelnde Auffäße aus der höchft gediegenen, achtungswerthen Pariser Revue politique et littéraire, herausgegeben von Eug. Yung und Em. Aglave.

In dem ersten Aufsaße heißt es nach einigen einleitenden Worten: „Bis jetzt ist diese Arbeitseinstellung nur noch ein sociales Phänomen, denn es hat nicht den Anschein, als ob die Politik etwas damit zu thun habe, das aber um so außerordent- | licher ist, je weniger man sich dessen versehen hätte. In die Maffen der ländlichen Bevölkerung ist die Aufklärung noch nicht gedrungen, und so erregt es wirklich Staunen, eine rohe Bevölkerung sich gleichzeitig erheben zu sehen wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf — um die Arbeit zu verweigern, sofern dieselbe nicht in einer Weise bezahlt wird, daß der Arbeiter leben kann. Wohl hat die Noth gerade in England die ländliche Bevölkerung schon öfter zum Aufstande angestachelt, aber diese ebenso schnell vorübergehenden wie furchtbaren Erhebungen machten sich Luft in Mord und Brandstiftung, verübt gegen einen oder einige allzu harte Pächter oder Eigenthümer, und dann trat wieder Ruhe ein. Ganz anders ist es diesmal. Die Pächter und Eigen- | thümer sehen sich einer ländlichen Arbeiter-Bevölkerung gegenüber, die entschlossen ist, nicht eher nachzugeben, als bis man ihre gerechten Forderungen erfüllt hat. Wahrlich, dieses große Meeting unter den Kastanienbäumen des Plazes von Wellesbourne, wo sich Tausende friedlich um ihr Oberhaupt, Arch, Arbeiter gleich ihnen, versammelten, hat etwas Imposantes. Er hat sie hierher berufen, belehrt sie über ihre Rechte und giebt ihnen die Mittel an, sie in geseßlicher Weise zur Geltung zu bringen. Die Landleute hoffen auf Erfolg. Sie täuschen sich vielleicht; es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß ein so wichtiger Strike beendigt werde, ganz ohne ihre Lage zu verbessern.

,,Betrachten wir nun diese Lage wie sie heute ist und gleichzeitig die von den ländlichen Arbeitern aufgestellten Forderungen.

In England ist der Bauer noch fast gänzlich der Leibeigene des Grundbesizers und seine Lage ist in keiner Weise mit der des Arbeiters in den Städten zu vergleichen. Der Pächter oder Gutsherr zahlt ganz nach seinem Gutdünken dem ländlichen Arbeiter seinen Lohn, theils in Geld, theils in Naturalien. Er vermiethet dem Arbeiter eine Cottage, allerdings zu einem sehr billigen Preise, trägt aber Sorge, in den Vertrag eine Clausel zu sehen, welche dem Vermiether eine fast unumschränkte Macht über den Miether giebt, nämlich das Recht, ihn mit einer acht tägigen Kündigungsfrist aus dem Hause zu entfernen. Der Lohn der ländlichen Arbeiter in Warwickshire, wo der Strike begonnen hat, beträgt 12 Schillinge die Woche, und dabei werden in dieser Grafschaft die Arbeiter noch mit am besten bezahlt. Für diesen Lohn muß während sechs Monate des Jahres durchschnittlich zehn und während sechs Monate vierzehn Stunden gearbeitet werden, und mit dieser Summe hat der Arbeiter seine und die Bedürfnisse seiner oft sehr zahlreichen Familie zu bestreiten, deren Kost❘ denn auch gewöhnlich nur aus trockenem Brod und Häring besteht. Die Arbeiter verlangen jetzt 16 Schillinge pro Woche, die Arbeitgeber bieten 14 und der Strike dauert fort.

„Wie bei allen Arbeitseinstellungen, entstehen auch bei dieser zwei Fragen: Hat site Aussicht auf Erfolg? Und welche Consequenzen werden sich im Falle des Erfolges daraus ergeben? Die Lage des ländlichen Arbeiters ist so schlecht, daß er eigentlich)

nichts zu verlieren hat. Er ist gewohnt, von nichts zu leben, fürchtet weder für sich, noch für seine Familie das workhouse, welches der Schrecken der städtischen Arbeiter ist; er kann faft mit Sicherheit darauf rechnen, in der benachbarten Stadt Arbeit zu finden, die ihn ernährt und wird außerdem noch von den Arbeiter-Corporationen unterstüßt, welche ein Interesse daran haben, daß die ländlichen Arbeiter besser bezahlt werden und kann daher so lange bei seinem Strike beharren, bis die Pächter die von ihm aufgestellten und für gerecht gehaltenen Forderungen bewilligen. Er weiß, daß gerade in seiner Schwäche seine Stärke liegt und er zieht Nußen daraus. Der Pächter im Gegentheil hat in den Ländereien seine Capitalien stecken, muß eine ungeheure Pacht bezahlen und ist daher genöthigt, koste es, was es wolle, die Arbeitskräfte herbeizuschaffen, welche gerade jezt zur Bestellung des Ackers unerläßlich sind; er wird daher nachgeben müssen. Der Strike hat darum alle Aussicht auf Erfolg, und die beste Garantie dafür liegt bereits in dem Zugeständniß von zwei Schilling, das die Pächter den Arbeitern, die sie bisher gewissermaßen als ihre Leibeigenen betrachteten, bereits gemacht haben.

"Welche Folgen wird aber diese Lohnerhöhung nach sich ziehen? Sind die Pächter in der Lage, sie zu ertragen? Ganz gewiß nicht. Der Ackerbau ist in England dasjenige Gewerbe, welches am wenigsten einbringt. Der Pächter gewinnt von dem angelegten Capital jährlich nicht mehr als sechs bis sieben Procent. Der Grundbesit befindet sich nur in wenigen Händen und der Pachtzins ist aus diesem Grunde ein außerordentlich hoher. Da die Aerndten nicht ausreichen, die Bevölkerung zu ernähren, so hat sich ein bedeutender Getraidchandel mit allen Ländern herausgebildet. England wird durch denselben mit 'Getraide überschwemmt und der einheimische Ackerbautreibende muß damit concurriren und zu billigen Preisen verkaufen können. Eine Erhöhung des Lohnes für die Arbeiter würde somit der Ruin für die Pächter sein, denn es ist sehr unwahrscheinlich, daß der Grundbesitzer die dadurch entstehenden Verluste mit tragen und durch eine Ermäßigung des Pachtgeldes seine Ein künfte schmälern wolle. Die Pächter werden somit verschwinden, um den Platz den ungeheuren Ausbeutungen des Bodens zu räumen, bei denen man mit Ackerbau-Maschinen im großen Maßstabe arbeiten wird. Damit stehen wir aber bei einer vollständigen Revolution, und unter welchen Bedingungen wird sich diese vollziehen? Wir neigen uns der Ansicht zu, daß die Tage des großen Grundbesitzes und der Majorate in England gezählt sind; die ungeheure sociale Arbeit, welche sich daselbst vollzieht, treibt mit aller Macht diesem Resultate zu, und der Strike der ländlichen Arbeiter, welcher mit jedem Tage größere Fortschritte macht, ist das Vorspiel einer neuen Ordnung der Dinge."

So weit die Revue politique et littéraire, oie in ihrer folgenden Nummer einen Auszug aus einem vor kurzem erschienenen Werke von Syme, einem berühmten englischen National-Dekonomen, „Die arbeitenden Klassen von England" liefert (auf welches wir zurückkommen werden). Beide Artikel stimmen darin überein, daß der große Grundbesitz für England ein Krebsschaden ist, der immer drohender und bedenklicher hervortritt; während aber der französische Verfasser des ersten Auffahes auf eine totale Umwälzung hindeutet, läßt der Engländer, dem der zweite Aufsatz nachgeschrieben ist, den großen Grundbesizer doch schließlich in seinem Besißthum und verlangt allerdings auch durch ein ziemlich radikales Mittel Hülfe vom Staat. Wir wollen hier nicht die Frage erörtern, ob es denn nicht möglich wäre, auch die Grundbesitzer anzuhalten, daß sie ihrerseits zu einer gerechteren Ordnung der Verhältnisse beitragen, sondern möchten nur dar

auf aufmerksam machen, wie auch in Deutschland die Speculation geschäftig ist, den Grund und Boden immer mehr dem Ackerbau zu entziehen. Auch bei uns strömen Schaaren ländlicher Arbeiter in die großen Städte und vergrößern das Proletariat und die Wohnungsnoth; auch bei uns wäre es an der Zeit, durch Geseße einem Uebel Einhalt zu thun, welches neben dem Arbeiter ganz besonders den soliden, intelligenten Mittelstand, die Kraft und Stärke Deutschlands, drückt und zu zermalmen droht.

Italien.

Blüthen klaffischer Dichtkunft Italiens.

Nach Ed. Böhmer's,,Romanischen Studien."")

Die umfassende Weltanschauung des deutschen Geistes, welche der Unparteilichkeit aller echt wissenschaftlichen Strebung ihre lebendige Triebkraft verleiht, offenbart sich in der Gegenwart auf eine das Deutschthum ehrende Weise durch den Eifer, mit welchem, ungeachtet der gegen Frankreich d. h. gegen den Hauptvertreter des Romanenthums, bestehenden Spannung das Studium der romanischen Sprachen und Literaturen gepflegt und gefördert wird. Es könnte sogar fast scheinen, als wenn diese Pflege seit 1870 einen Aufschwung genommen habe. Denn nicht allein die alten gelehrten Zeitschriften und Specialorgane, welche diesem Studium gewidmet waren, haben rüstig und unbeirrt fortgearbeitet, sondern es ist auch kürzlich ein neues Organ hinzugetreten, das durch seinen bloßen Titel die Tendenz des Unternehmens unmittelbar kundgiebt. Der rühmlichst bekannte Professor der romanischen Sprachen an der Hochschule zu Halle, Herr Eduard Boehmer, hat, zunächst von Karl Witte, Justus Grion und Ad. Neubauer unterstüßt, die Veröffentlichung Romanischer Studien“ begonnen, die für das sich nunmehr selbständig aufthuende Fach den geeigneten Mittelpunkt bilden sollen. Nach den Proben, die das erste Heft aufweist, ist das neue Organ seiner Ziele würdig. Wir erlauben uns ein paar Andeutungen über den Inhalt.

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Michelagnolo Buonarotti, welchen eine falsche aber allgemein verbreitete, ihm selbst unbekannte Schreibweise zum Michelangelo gestempelt hat, wird uns von der Meisterhand Karl Witte's als Dichter, und zwar als Sonettendichter, vorgeführt. Dieser Künstler hat auch der holden Musenkunst der Lyra Spenden geopfert, Er, dessen Genius in der Architektur, in der Bildhauerei, in der Malerei Unsterbliches hervorgezaubert, ist der sinnigsten Gedankenfülle, der innigsten Empfindungslaute mächtig gewesen; sein Arm hat die ganze Welt des Schönen mit titanischer Allgewalt umfaßt und den sprödesten wie den zartesten Stoff sich dienstbar gemacht. Aber Michelagnolo der Dichter ist so wenig, als Michelagnolo der Baumeister den schlimmbessernden Uebergriffen des entarteten Geschmackes der Epigonen entgangen. Sein gleichnamiger Großneffe, Michelagnolo Buonarotti der Jüngere, unternahm 1620 eine Ausgabe der Dichtungen des Meisters, welche von Willkürlichkeiten stroßt und den Gedankenflug der Sonette oft auf das Gröblichste entstellt hat.

*) Romanische Studien, herausgegeben von Eduard Boehmer. Heft I.: Zu italiänischen Dichtern. Halle, 1871, Buchhandlung des Waisenhauses; Rom, Turin, Florenz: Hermann Loescher. (162 S. gr. 8.)

Erst die 1864, sechs Jahre nach dem Hinscheiden des lehten Buonarotti, auf Alfred von Reumont's Anregung durch den Archivdirector Cesare Guasti zu Florenz veranstaltete neue Ausgabe, welche auf einer genauen Vergleichung der beiden Originalhandschriften des Dichters, der Florentinischen, früher im Familienbesitz der Buonarotti gewesenen und der im Vatican zu Rom aufbewahrten, beruht, gewährt einen richtigen Einblick in das dichterische Schaffen des großen Mannes. Der Bildhauer und der Architekt, zuweilen auch der Maler, verrathen sich in dem straffen Bau und dem bis auf wenige Ausnahmen ernsten, gehaltenen Ton der Sonette. Diese Dichtungsart dämpft unwillkürlich das Feuer der Leidenschaft, selbst da, wo der Verfasser nicht so durch und durch Künstler ist, wie Michelagnolo es war. Prof. Karl Witte hat in trefflichen Uebersetzungen charakteristischer Stücke der Guasti'schen Sammlung die Werkstatt dieses dichte. rischen Schaffens eröffnet und gleichzeitig erläutert. Besonders die Sonette auf die schöne und hochgebildete Vittoria Co. Ionna, verwittwete Marquise von Pescara, in welcher Michelagnolo das Bild erhabenster Weiblichkeit verehrte, die religiösen Betrachtungen des Meisters, Zeugnisse seiner unbefangenen, edlen und wahrhaften Frömmigkeit, und seine Verherrlichungen des künstlerischen Berufes, dem er in den verschiedensten Formen sich hingab, verdienen die denkende Aufmerksamkeit des Lesers. Obne aus dem Kreise der katholischen Ueberlieferung herauszutreten, hatte Michelagnolo jene Freiheit errungen, welche die Geister und Seelen aller groß angelegten Naturen den Schranken der Secten und der Tagesmeinungen entrückt. Die Predigten des Savonarola hat er in seiner Jugend mit Nußen gehört, allein es ist falsch, ihn dem Protestantismus zu überweisen.

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Da aus sehr nahe liegendem praktischen Grunde der Heransgeber der „Romanischen Studien“ die Dante-Forschung den Jahrbüchern der deutschen Dante-Gesellschaft überlassen hat, so war die Einleitung des neuen Organs mit den Dichtungen Michelagnolo's, des größten älteren Dante Verehrers, eine überaus glückliche. Was aber ein vorzügliches Lob des ersten Heftes dieser Studien bildet, ist die geistige Einheit des Inhalts. Es ist unschwer, den rothen Faden aufzufinden, der sich durch alle Spenden der romanistischen Koryphäen hindurchzieht. Die Seelen, stimmung, welche Italien in der zweiten Hälfte des Mittelalters und auf der Gränzscheide der Neuzeit bewegte, kann man auf diesen Blättern klar erkennen. Mag Dante principiell ausgeschlossen sein, der göttliche Hauch der divina commedia" durchwebt die Geistesblüthen der Bürger einer Zeit und eines Landes, die neben Ihm einen Petrarca, einen Rafaël, einen Michelagnolo geschaut haben. Eine Uebersicht über die Vatikanische Liederhandschrift Nr. 3793, welcher Proben von etwa 118 italiänischen Lyrikern des dreizehnten Jahrhunderts giebt und von Justus Grion genau beschrieben ist, zeigt uns den Uebergang zum Zeitalter der Renaissance", aber auch die ältesten Hervorbringungen des neuitaliänischen Genius, für den das dreizehnte Jahrhundert das erste seiner Zeitrechnung ist. Ueber Einen der Dichter dieser Lieder-Handschrift, nämlich über Chiaro Davanzati, hat Karl Witte eine ansprechend belehrende Notiz hinzugefügt. Hieran reiht sich sehr passend die Darstellung und der Ausdruck des Sonnengesanges von Francesco d'Assisi“, den Eduard Boehmer veranstaltet hat. Ein Lied des berühmten Stifters des Franciscaner-Ordens, dessen Wirken und Wanderfahrten der mystische Schleier des Wunderbaren magisch umwallt, ja in dem Liber conformitatum, in einer für Franz von Assisi maaßlos schmeichelhaften Weise mit dem Leben Jesu Chrifti auf Eine Stufe gestellt wird, reizt von selbst das Interesse des Lesers. Daß ein

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solcher Mann eine ganze Literatur von Verehrern und Nachahmern in seinem Gefolge haben mußte, war durch die Zeitumstände allein schon bedingt. Und so ist denn die FranciscanerLiteratur überaus reichlich ausgefallen und nicht am Wenigsten die lyrische in der Vulgärsprache des Volkes, d. h. im Italiänischen. Unmittelbar hinter seinen Meister hat Eduard Boehmer mit feinfühligem Takt den Franciscaner Jacopone da Todi geseßt, von dem er charakteristische Prosa-Stücke nebst Angaben über Manuscripte, Drucke und Uebersetzungen seiner Schriften mittheilt. Literar-historisch ist diese Studie Eduard Böhmers von hober Wichtigkeit; sie läßt die bibliographische Kenntniß und den Fleiß des gelehrten Philologen im schönsten Lichte strahlen. Jacopone da Todi, der Dichter der beiden Stabat mater, von denen freilich das Stabat mater dolorosa das Stabat mater speciosa an Ruhm weit überragt, hat zu den nächsten Schülern oder Jüngern des heiligen Franciscus gehört und durch den hohen Schwung seiner Geistesprodukte den Glanz des Meisters und des Ordens sehr wesentlich erhöht. Ja noch mehr! Viele der Schöpfungen des ,,Frater Jacobus de Tuderto" sind Denkmäler für alle Zeiten, ste sind in die Weltliteratur aufgenommen.

Ein würdiger Abschluß des schönen Heftes der „Studien" ist das Gedicht „Gottes Frieden“, nach Savonarola, von Karl Witte. Wir haben schon angedeutet, daß Michelagnolo, dessen Dichten die Hälfte des Heftes füllt, als Jüngling Predigten des Savonarola gehört hat. Hier empfangen wir nun in klangvoller Uebersehung das Che fai qui core des großen evangelischen Mönchs, der einen Augenblick im Begriff stand, Italien mit sich fortzureißen auf der Bahn der religiösen Reform-Bewegung! Auch hier bewährt Karl Witte seine Meisterschaft. Die beiden Schlußstrophen des herrlichen Liedes, das auf den Refrain:

„Was weilest Du bienieden?

Herz, schwing Dich auf zu Gottes Frieden"

gedichtet ist, lauten nach ihm:

Willst Du auf Erden weilen,

So leist auf Rub Verzicht.
Krieg wird Dich stets ereilen
Und Treue find'st Du nicht.
Drum wende Dich zum Licht,
Das uns der Herr beschieden.
Was weilest Du hienieden?

Herz, schwing Dich auf zu Gottes Frieden.

Ergreift denn Schwert und Spieße,

Ihr Feinde sonder Zahl;

Ich fürcht' euch nicht, denn süße

Dünkt Marter mich und Qual.

Viel bess'ren Schirm als Stahl

Hat Liebe mir beschieden.

Was weilest Du hienieden?

Herz, schwing Dich auf zu Gottes Frieden."

Wer dieses Lied des gewaltigen Savonarola einer ernsten Betrachtung unterzieht, wird eine gewisse Wahlverwandtschaft der überseßten Strophen mit Dichtungen unseres deutschen Angelus Silesius (Johann Scheffler) wohl nicht verkennen. Namentlich mit dem berühmten „Liebe, die du mich zum Bilde." Ein pantheistisch gefärbtes Christenthum spricht, wenn auch wunderbar schön, aus Beiden!

Trauttwein von Belle.

Palästina.

Philipp Wolff's Jerusalem.

Während die wissenschaftliche Erforschung des Gelobten Landes auch zu unserer Zeit hervorragende Gelehrte aller europäischen Culturvölker beschäftigt und in den Werken des Schweizers Tobler, des Franzosen Renan, des Engländers Warren wichtige Aufschlüsse über die Topographie und die Alterthümer dieses interreligiösen Gebietes zu Tage fördert, vermehrt sich mit der Erleichterung der Verbindungen die Zahl der Reisenden, welche sich Jerusalem und die erinnerungsreichen Stätten seiner Umgebungen zum Ziel eines Ausfluges erwählen. Neben Pilgern aller Religionen und Confessionen, die namentlich um die Osterzeit noch heute in großen Karavanen ihre Wallfahrt nach der heiligen Stadt richten, sind es auch nicht Wenige, die einfach als Touristen den palästinensischen Küstenstrich durchstreifen, um sich den Eindrücken seiner durch scharf ausgeprägte Gegensätze ausgezeichneten landschaftlichen Scenerie, dem eigenthümlichen Reize des orientalischen Lebens hinzugeben. Als ein schlichter und zuverlässiger Berather für solche moderne Kreuzfahrer verdient die soeben in neuer Bearbeitung erschienene Schrift eines württembergischen Geistlichen, des Dr. Philipp Wolff, über Jerusalem) empfohlen zu werden. Die Frucht eines wiederholten und längeren Aufenthalts in Palästina, giebt das durch eine beträchtliche Zahl von meist recht guten Landschaftsbildern in Holzschnitt gezierte Buch eine anschauliche und für den praktischen Handgebrauch eines Reisenden zweckmäßig eingerichtete Beschreibung des Landes und des dortigen Lebens.

Auch wer das Werk nicht zu Reisezwecken in die Hand nimmt, wird diese einfache Schilderung des gegenwärtigen Zustandes von Palästina mit Interesse lesen. Sie verweilt, wie billig, vorzugsweise in der heiligen Stadt selbst und ihren unmittelbaren Umgebungen, verzeichnet aber mit Sorgfalt auch die entfernteren Punkte, so daß eine Uebersicht der ganzen Tour von Jaffa durch Judäa, Samaria, Galiläa und das Gebiet des Libanon bis nach Beirut gegeben wird. Ueberraschend ist die Zahl der Deutschen, welche sich beinahe in allen Orten des Landes, theils zu geistlichen oder wohlthätigen Zwecken an Kirchen, Schulen, Krankenhäusern, Hospizen u. dgl., theils als Geschäftsleute niedergelassen haben. Die neueste Zeit hat sogar bekanntlich an mehreren Stellen, namentlich in Jaffa und in Haifa am Fuße des Berges Karmel, Ackerbau-Colonieen von deutschen Einwanderern, vornehmlich aus Schwaben, entstehen sehen. Ob diese zumeist aus religiösen Motiven entsprungenen Pflanzungen feste Wurzeln schlagen und sich zu dauerndem Gedeihen entwickeln werden, scheint freilich einigermaßen fraglich. Wie Dr. Wolff versichert, kommt die türkische Regierung den deutschen Ansiedlern durch Landzuwendungen und mancherlei andere Einrichtungen in anerkennenswerther Weise entgegen.

*) Jerusalem. Nach eigener Anschauung und den neuesten Forschungen geschildert von Dr. Philipp Wolff. Mit 66 Abbildungen. Dritte, nach einer wiederholten Pilgerfahrt ganz umgearbeitete Auflage. Leipzig. J. J. Weber, 1872. (XIV v. 231 S.)

Nord-Amerika.

werden müßte, wenn öffentliche Beleidigungen des Verstandes und Geschmacks ebenso unter polizeilicher Aufsicht ständen, wie Vergehen gegen Sittlichkeit und Sicherheit. Könnte ich es be bewirken, so würde ich diesen bis zum Skandal verwegenen

Tabaksdampf, Frauentracht und die deutschen Editoren in Modeverrücktheiten nicht bloß durch Polizei, sondern auch durch

Amerika.

Nach Karl Heinzen's Schriften.

Uns sind zwei Bände von den gesammelten Schriften Karl Heinzen's, der zweite und fünfte, aus Boston (Selbstverlag des Verfassers) zugeschickt worden. Vermuthlich soll darüber Etwas in unserem „Magazin“ gesagt werden und zwar etwas Empfehlendes, Rühmliches. Wir haben in dieser Absicht zunächst thatsächlich die 418 Seiten des einen Bandes, wie Goldsucher, redlich und heroisch durchforscht und wirklich etwas gefunden, nämlich erstens den stärksten Tabak von Zorn gegen die ästhetische und gesundheitliche Sünde der Selbstvergiftung mit Nicotin und dann einen von amerikanischen deutschen Frauen mit Begeisterung angenommenen Antrag, der weiblichen Mode-Thorheit durch einfache und geschmackvolle Kleidung mit vereinten Kräften entgegenzuwirken. Der Zornausbruch gegen das aus den meisten männlichen Mundwerken, wie aus Schornsteinen qualmende Stinkkraut ist, nach meiner Erfahrung auf diesem Literaturgebiete, wirklich das Stärkste und Schlagendste, was seit König Jakob's Counterblast erschienen sein mag. Natürlich hilft es nichts, aber wir lesen doch einmal wieder in wahrhaft packender und Entsezen erregender Form, daß das Tabakrauchen durch kein Bedürfniß der Natur geboten, der Gesundheit des Geistes und des Körpers anerkannt schädlich und im höchsten Grade geschmack- | widrig sei, indem es den Geruch, den Geschmack und durch die Grimassen des ausübenden Rauchkünstlers, wie durch die sicht- | baren Spuren des Schmußes an Mund, Händen, Kleidern und Fußböden, auch das Auge jedes nicht künstlich abgestumpften Menschen auf das Widerwärtigste beleidige. Es ist wirklich schön von den deutschen Frauen Amerikas, aber tief beschämend für alle männlichen Wesen mit Nicotin-Stinkwürsten in der Physiognomie, dieses Verdammungsurtheil so energisch ausgesprochen zu haben. Wenn die männliche Menschheit diesem Antrage praktische Folge gäbe und die weibliche überall auf Fräulein Schwartenbach im Heinzen'schen Buche hörte, wären wir zwei der größten socialen, sittlichen und ästhetischen Verunstaltungen der Welt los. Fräulein Schwartenbach beweist:

Erstens, das Schöne ist immer einfach.
Zweitens, das Grelle ist niemals schön.

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gerichtliche Processe, in welchen die ganze Garderobe der Verbrecherinnen zur Untersuchung käme, ein Ende zu machen suchen. Zunächst zöge ich vor die Schranken jene lichtscheuen Ladys, welche ihrem Kopfe dadurch eine möglichst unmenschliche Form geben, daß sie einen bis über die Augen reichenden, platten Deckel darauf befestigen und hinter dem Deckel eine von allen möglichen verdächtigen Bestandtheilen zusammengeseßte Haarbombe anbringen, die, wenn sie nicht Besorgniß vor einer Explosion erregt, doch jedenfalls auf eine widerwärtige Ladung schließen läßt. Noch schlimmer würde ich jene Ungeheuer behandeln, die sich in ätherische Wesen zu verwandeln glauben, indem sie sich mit der sogenanten „griechischen Biegung“ behaften. Eine schamlosere und abgeschmacktere Coquetterie mit der Haltung der Schamhaftigkeit ist noch nie getrieben worden. Sämmtliche Narrenhäuser der Christenheit haben keine ebenbürtigen Concurrentinnen jener Caricaturen der Weiblichkeit aufzuweisen, welche über die Maaßen interessant und mytho logisch romantisch zu werden glauben, wenn sie, dem Hohn jedes unentmenschten Zuschauers troßend, mit künstlich eingezogenem Leibe und bepackt mit einer vogelstraußartigen Anhäufung auf der hinteren Persönlichkeit, mit stelzenartigen Absätzen über die Straße trippeln, als hätten sie furcht barste Leibschmerzen, und dabei die Hände känguruartig voraus hängen, als fürchteten ste beständig auf die Nase zu fallen.

,,Eine dritte Sorte der geschmackspolizeiwidrigen weiblichen Erscheinungen nenne ich umgekehrte wandelnde Kohlköpfe wegen der auf ihrem Anzuge übereinander geblätterten Lappen. Was eigentlich ihr Kleid ist, kann kein Mensch sagen, denn sie tragen nichts als Kleidertheile, einen über den andern geschichtet, immer einer geschmackloser geformt und befestigt als der andere, womöglich jeder von einer anderen Farbe, so daß das Ideal des Anzuges in möglichst viel sinnlos gehäuften und gemischten Lappen zu bestehen scheint. Solchen Erscheinungen gegenüber schäme ich mich meines Geschlechts. Es ist, als bestände die ganze weibliche Beschäftigung und Bestimmung darin, sich mit möglichst geschmacklosem Tand und Lappenkram bepackt zur Schau, zum Hohne und zur Lüderlichkeit öffentlich auszustellen. Es muß etwas geschehen, um dieser Schande ein Ende zu machen. So lange die Frauen sich mit der Ehre begnügten, als bloße

Drittens, die Kleidung soll sich dem Körper, nicht der Körper | Zier- und Vergnügungspuppen gehätschelt zu werden, mochte es der Kleidung anpassen.

Viertens. Das Solide ist der beste Lurus.

gehen: je dümmer, desto besser. Niemand ist leichter zu benußen als ein Narr. Seitdem aber davon die Rede ist, daß die

sollen, ist es höchste Zeit, daß sie zunächst die Uniformen ausziehen, welche sie in dem bisherigen unwürdigen Dienste tragen. Unser Vorschlag soll gedruckt und möglichst an alle Modenärrinnen gesandt werden.“

Nach diesen Grundsäßen wollen die deutsch-amerikanischen | Frauen auch zu den Menschen gehören und als verständige Frauen und Mädchen sich kleiden und dafür Anhängerinnen | Wesen menschliche Rechte in Anspruch nehmen und ausüben werben. Vielleicht ist es einigen der wirklich gebildeten weiblichen Wesen in Deutschland möglich, ähnlich zu fühlen und zu wirken. Gründe genug auch des Selbstinteresses giebt es dafür, ökonomische und noch mehr verschönernde. „Ich halte es für eine ganz falsche Berechnung," sagt die Antragstellerin, wenn Mädchen glauben, daß sie durch auffallende und luxuriöse Trachten für die Männer anziehender werden, als durch einfachen und geschmackvollen Anzug. Ihre Verschwendung und Geschmacks-Verleugnung ist also auch in dieser Bezichung nuglos, sogar schädlich und abschreckend. Unser Geschlecht ist bereits im Verdacht, daß es den Verstand verloren habe oder immerwährend Maskenball feiere. Die jetzigen Trachten sind der Art, daß fast jedes Weib arretirt

Diese beiden starken und im Wesentlichen berechtigten Ausfälle gegen ein männliches und ein weibliches Hauptlaster sind die einzigen Weizenkörner in dem 418 Seiten füllenden fünften Bande, der den Titel führt: „Der deutsche Editoren - Congreß zu Cincinnati, oder das gebrochene Herz, von Karl Heinzen.“ Alles sociale, demokratische Phrasenspreu, voller Schimpf gegen Alles, was in der Welt überhaupt besteht; aber den Vorzug hat Heinzen: er schimpft und schändet stärker, origineller als seine

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