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Im Grunde ist Herr von Hartmann, wie Hegel, Panlogist und Pantheist. Das Bewußtsein macht zwar manchmal dumme Streiche; allein da der einzige Inhalt alles Willens die Idee, die unbewußte Idee aber all eins ist, so kann für Dummheiten nicht sehr viel Raum übrig bleiben! Es ist das Hauptverdienst Herrn Bahnsens, dieser Alleinheit gegenüber die Individualität und die Dialektik des Wirklichen zu betonen, was ihm freilich bereits früher einmal von seinem Gegner die Zurechtweisung zuzeg: Unberechtigt und überfliegend wird der Pluralismus, wo er sich anmaßt, das Reich des jenseit der Erfahrung liegenden Wesens mit seiner phänomenalen Zersplitterung inficiren zu wollen, dessen urewige und unentäußerliche Einheit in unnahbarer Hoheit thront." Die „unnahbare Hoheit" dieser „urewigen und unveräußerlichen Einheit" ist allerdings noch unzugänglicher, als der japanesische Mikado, welcher sich wenigstens einmal im Jahre dem Volke zeigt. Hans Herrig.

Belgien.

Das Tagebuch der Baronin Crombrügghe während des

deutsch-französischen Krieges. *)

Schon in vierter Auflage liegt dies Buch der Erinnerung einer großen opferwilligen Zeit vor uns; die Verfasserin hat es mit einer sehr bescheidenen Vorrede begleitet und versichert, daß sie tief beschämt worden sei durch den unerwarteten Erfolg ihres Tagebuchs. Sie schrieb es mitten in den Drangsalen des Krieges und seines traurigen Gefolges von Tod und Krankheit. Daß sie nichts an den Aufzeichnungen geändert hat, nachdem sie wieder in geordnete Verhältnisse trat, ist gewiß nicht zu tadeln, denn gerade die Eindrücke des Augenblicks sind wichtig und durften nicht verwischt werden.

Die Baronin von Crombrügghe gehört zu den vornehmsten Kreisen in Brüssel; ihr Gemahl war früher belgischer Gesandter beim Bundestag in Frankfurt, wo die geistreiche und warmherzige Frau noch in gutem Andenken steht. Ihr langjähriger Aufenthalt daselbst hat ihr Verständniß für Deutschland wesentlich erleichtert und augenscheinlich ihre Sympathie dafür erweckt. Obgleich sie in ihrer edlen Eigenschaft als Krankenpflegerin durchaus keinen Unterschied zwischen den streitenden Parteien macht, wird es doch bei jeder Gelegenheit deutlich, daß sie für die Deutschen, die sie ganz richtig und vorurtheilsfrei beurtheilt, eine Vorliebe hat.

Mit einer Anzahl gleichgestimmter Damen machte sich die Baronin gleich beim Beginn des Krieges auf, um als Krankenpflegerin in den Feldlazareten zu wirken. Anfangs stießen sie auf Mißtrauen bei den deutschen Sanitätszügen, die sich unter Leitung der Johanniter den Schlachtfeldern näherten, und es ist mancher bekannte Name mit einer Klage darüber in das Tagebuch eingetragen. Doch ist die Baronin billig genug, einzusehen, daß man gegen belgische Hülfe mit Recht Verdacht auf deutscher Seite hegen konnte, da sie es selbst erlebte, wie ein Volkshaufe in Verviers auf die aus Paris verwiesenen Deutschen mit Steinen warf und überall in Belgien damals Sympathien für Frankreich laut geäußert wurden.

*) Journal d'une Infirmière pendant la guerre de 1870-1871. Bruxelles chez Claassen, Rue de la Madelaine, 86.

Nach einigen von ihrer liebevollen, wirksamen Pflege abgelegten Proben, gelang es den belgischen Damen sehr bald, fich allgemeines Vertrauen und sogar Dankbarkeit zu erwerben. Es ist ein Danksagungsschreiben des Fürsten Hohenlohe im Tagebuch abgedruckt, woraus dies deutlich hervorgeht. Das gute Einvernehmen mit den Johannitern stellte sich so vollständig her, daß die Baronin sie immer scherzweise „Liebesonkel“ als Geber der Liebesgaben nannte.

Die verwundeten Soldaten redeten sie ebenfalls in ihrer Muttersprache an und sagten oft zu ihrer großen Freude: „Lieb Mütterlein." Den französischen Blessirten wurde sie freilich nicht minder nüglich und werth, da sie französisch mit ihnen reden konnte. Die Besiegten hatten damals noch die feste Ueberzeugung von der Unüberwindlichkeit Frankreichs und geriethen in lebhaften Zorn, wenn die kluge Baronin sich leise Zweifel erlaubte.

Von Saarbrücken zog die Baronin mit ihren Pflegeschwestern nach Met, wo die Schrecken des Krieges in so furchtbarer Weise aufgetreten waren. Lange vor der Belagerung durch die,,Preußen“, wie die Dame fortwährend die deutschen Heere nennt, hatten, nach ihrem Bericht, die französischen Generale die ganze Umgebung von Meh zerstört, alle Häuser und Dörfer niedergebrannt, Bäume umgehauen, Brunnen verschüttet u. s. w., um den Belagerern keine Anhaltspunkte zu lassen. Nach den drei AugustSchlachten war der Boden mit Leichen überfüllt und der Dunft der Verwesung erzeugte die furchtbarsten Krankheiten. Mehr als dreißigtausend kranke Soldaten lagen in Met; als die Belage= rung aufgehoben wurde, vermehrte sich diese furchtbare Zahl noch durch die Deutschen, die zu schwer verwundet waren, um weiter transportirt zu werden.

Frauen aus allen Ständen hatten die Pflege übernommen, doch reichten die Kräfte nicht aus und die nothwendigsten Stärfungsmittel fehlten. Die Baronin Crombrügghe sorgte zuerst für Errichtung von Kochheerden, wodurch die Ruhrkranken endlich mit heilsamen warmen Speisen versehen werden konnten. Eine vornehme Engländerin, Lady Pigot, erwarb sich ebenfalls große Verdienste um die Pflege der armen Soldaten und schloß sich den Anordnungen der Baronin Crombrügghe an. Es wurde gleich einem Feiertag betrachtet als die Damen ihren Pfleglingen zum erstenmal selbstgekochte Kartoffeln und warmes Fleisch darbieten konnten.

Von Mez kehrte die Baronin Crombrügghe Ende December nach Brüssel zurück, erhielt aber schon wenige Tage später eine dringende Aufforderung, nach Frankreich zu cilen, wo die NordArmee unter Faidherbe im Feuer stand. Die Schlacht von Saint Quentin war in Aussicht und die französischen Militärbehörden hatten Befehl erhalten, Ambulancen zu errichten. Die Baronin begab sich deshalb mit einigen Damen nach Cambrai, der alten Festungsstadt, die schon eine Rolle spielte in den Kämpfen zwischen Kaiser Karl V. und Franz I. von Frankreich.

Die Damen hatten in Cambrai, wo ihre Dienste so nöthig waren, erst eine polizeiliche Untersuchung zu bestehen, weil man sie für preußische Spioninnen hielt. Die Beleidigung des Mißtrauens verminderte indessen nicht ihre Opferwilligkeit, aber es schlich sich doch manche bittere Bemerkung über die Prahlerei und Selbsttäuschung der Franzosen in das Tagebuch der belgischen Baronin. Statt des erwarteten Sieges, fand ein fluchtartiger Rückzug statt, und General Faidherbe kam mit den Trümmern seiner Armee nach Cambrai. Die Beschreibung der Schreckensscenen, welche darauf in der unglücklichen Festung ausbrachen, mußten um so furchtbarer wirken, als die Belagerung auf's Drohendste in Aussicht stand. Die Beschreibung des Tagebuchs

dehnt sich freilich nur auf Einzelheiten aus, ist aber doch so drastisch und deutlich gehalten, daß wir sie unsern Lesern im Ori ́ginal empfehlen möchten, da uns hier der Raum fehlt, ste zu übersetzen. Nur eine Episode wollen wir hervorheben, da sie sich auf einen jungen Berliner bezieht, dessen Gefangenschaft in Cambrai bereits vielfach in öffentlichen Blättern besprochen worden ist: „Montag, den 23. Januar. Unsere Lage hat sich nicht geändert; die Kanonen der Festung lassen sich von Zeit zu Zeit hören, aber es ist eine Pause in den Geschüßfalven der Preußen eingetreten. Es war so eben eine große Aufregung der Bevölkerung bemerkbar, weil abermals ein Parlamentär ankam; diesmal wurde er vom Prinzen Albrecht gesendet. Er verlangte die Auswechselung eines gefangenen, verwundeten Preußen, der im MilitärLazaret liegt; er ist der Sohn eines reichen Banquiers in Berlin und dient unter den Uhlanen. (Dies war ein Irrthum, es muß heißen Garde-Husaren, die Uhlanen erhißten nun einmal die Phantasie der Franzosen so sehr, daß man sie überall zu sehen glaubte und sämmtliche Cavallerie dafür galt.) Von einem französischen Detachement Moblots überfallen, wurde er durch die Brust geschoffen und halbtodt nach Cambrai gebracht, wo er im Lazaret bleiben soll, troß der Bemühungen seines Vaters. Dies Lazaret liegt am äußersten Ende der Stadt, faft auf dem höchsten Punkt der Wälle und ist am meisten den preußischen Bomben ausgesetzt. Man hat dem Parlamentär erwidert, daß der Gefangene nicht ausgewechselt werden sollte, und im Fall eines erneuten Bombardements würde man ihn in die obere Etage des Lazarets bringen. Dasselbe ist außerdem vollgepfropft von Opfern der Blattern und des Typhus. Das Interesse, welches Prinz Albrecht für den jungen Mar Abel zu hegen scheint, wollen die Bewohner von Cambrai ausbeuten, um sich selbst mehr Sicherheit zu verschaffen. Einige derselben gehen so weit in ihren Vermuthungen, den jungen Mann für einen Sohn des Königs von Preußen zu halten, Andere sagen, er sei ein Pathe der Königin Augusta, an deren Protection sich seine Eltern gewendet hätten. Wieder Andere versichern, der Banquier Abel hätte so große Vorschüsse für die Kriegskosten geleistet, daß deswegen die Prinzen seinen Sohn befreien wollten. Jedenfalls glaubte alle Welt in Cambrai, daß man diesem jungen Manne zu Liebe das Bombardement bisher so mäßig betrieben habe, und daß man seinetwegen es ganz aufgeben werde. Dennoch gehen die furchtsamen Leute nicht anders aus, als mit ihren Federbetten auf dem Kopfe. Die Preußen verursachen mehr Furcht als Schaden!

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Weise bei der Sache genannt, es hieß wieder, ich sei eine preußische Spionin. Ein Haufen Weiber lief zum Stadthause und verlangte eine Doppelwache für den kostbaren Gefangenen. Der Unterpräfekt kam zu mir und nahm ein förmliches Verhör mit mir vor und gab mir schließlich den Rath, nicht mehr in das Lazaret zu dem jungen Kranken zu gehen, weil ich wahr. scheinlich dann vom Pöbel insultirt werden würde. Ich machte ihm dagegen Vorwürfe, daß man so wenig discret auf dem Telegraphen-Amt gewesen ist; hätte man meine Depesche verschwiegen, wie es sich gehörte, so wäre der Lärm gar nicht entstanden. Zum Unglück kam auch noch ein Arzt aus Brüssel, Dr. Rey, wegen Mar Abel hier an; ich bat ihn, so rasch wie möglich wieder abzureisen. Die Lage des jungen Mannes wird immer gefährlicher durch diese vielen Versuche, ihn zu befreien oder für ihn zu sorgen. Herr Abel schickte mir abermals Geld für unsere Ambulance; ich mußte ihm statt des Dankes sagen lassen, daß sein Sohn nicht ausgeliefert werden kann bis sich die Volksstimmung seinetwegen geändert hat. Augenblicklich würde sogar ein Befehl des Kommandanten selbst nicht binreichen, um ihn frei zu machen. Er ist ein liebenswürdiger Jüngling, heiter und muthig; mit großer Dankbarkeit rühmt er seine gute Pflege. Seine Brustwunde ist fast ganz geheilt. Ein komischer Vorfall ereignete sich neulich in seinem Gefängniß: die Schildwache, die für ihn persönlich haften muß, war ein Herr de Try, ein Virtuose auf der Violine, der es liebte, sich mit dem jungen Manne über Musik und die Berliner Oper zu unterhalten. Er ließ sein Gewehr draußen stehen und saß plaudernd am Bett des kostbaren Gefangenen als die Ablösung kam, und weil sie ihn nicht auf Posten fand, verhaftete."

Mar Abel mußte allerdings länger als man dachte in Cam brai bleiben, aber es ging ihm zulezt dort recht gut; man behandelte ihn mit großer Achtung, entließ ihn aus dem Lazaret und erlaubte ihm, in der Stadt bei Bekannten zu wohnen, nachdem man ihm das Ehrenwort abgenommen, nicht zu entfliehen, was denn ein deutscher Soldat auch niemals bricht. Mit der Baronin Crombrügghe blieb er noch längere Zeit in freundlichem Verkehr und Briefwechsel; ste schickte ihm auch ihr Tagebuch, in welchem er so vielfach vorkömmt, nach Berlin.

Sie verharrte bis zum Frieden auf ihrem Poften als Jnfirmière und erwarb sich um Cambrai noch ganz besondere Verdienste, indem sie nach Saint Quentin fuhr und dort in den überfüllten Lazareten die Söhne der Bürger von Cambrai aufsuchte, sie pflegte oder mitnahm und ihren Familien zurückgab, in denen man die meisten schon verloren und verschollen glaubte. Die Baronin Crombrügghe erzählt bei dieser Gelegenheit ein merkwürdiges Beispiel von deutscher Gutmüthigkeit und franzö sischer Hartherzigkeit. Ein sächsischer Militärarzt, Dr. Huthmann, war unermüdlich thätig, um den humanen Zweck der belgischen

„Ich habe wieder einen Brief von Herrn Abel aus Berlin erhalten; er bittet mich flehentlich seinen Sohn in unsere Ambulancen zu übernehmen, aber ich werde mich wohl hüten, das zu beantragen; man würde mir den berühmten Gefangenen unter keiner Bedingung anvertrauen. Ich habe jedoch an den preußischen Gesandten Herrn v. Balan in Brüssel telegraphiren lassen, damit er den Eltern von Max Abel den Trost giebt, daß ich sie | Pflegerinnen zu fördern; er ging mit ihnen an alle Lagerstätten immer mit Nachrichten versorgen will und ihren Sohn pflegen werde, wenn es mir der Kommandant erlaubt. Ich habe Mar Abel bereits mehrfach besucht und ihn leidlich wohl gefunden; er ist noch immer der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. In der Kirche sizen oft stundenlang alte Mütterchen, die für seine Erhaltung beten, weil sie in ihm das Unterpfand der Sicherheit für Cambrai sehen.

,,26. Januar. Schon wieder ein Telegramm wegen Mar Abel erhalten; man würde ihn abholen, heißt es darin. Ich war sehr ärgerlich, denn ich wußte, daß dies unmöglich sei; nie wird man den jungen Mann frei geben. Es entstand wieder ein allgemeiner Aufruhr in der Stadt; mein Name wurde auf unangenehme

der Franzosen, half ihnen mit Geld und Stärkungsmitteln, be sorgte Wagen zum Transport nach ihrer Heimat, und als es sich herausstellte, daß es eigentlich die Kriegsgefangenen der deutschen Armeen waren, sagte er zu der Baronin: „Geben Sie ihnen aur erst die Gesundheit wieder, dann werden sie auch gewiß bald die Freiheit erlangen. Aber ein Franzose, dem die humane deutsche Militärbehörde die Fürsorge über seine verwundeten Landsleute anheimgegeben hatte, widersezte sich plötzlich dem wohlthätigen Unternehmen; er behauptete, es sei gar nicht nöthig die Kranken in ihre Familien zurückzusenden, es entständen nur unnüze Weitläufigkeiten daraus, die meisten Leute würden dec sterben u. s. w. Man denke sich die Betrübniß der guten Baronin,

alle Opfer hatte sie also vergebens gebracht, die Wagen standen bereit, die Kranken harrten voller Freude des Transportes, und da zerstört ein übellauniger hartherziger Mann Alles mit einem einzigen Wort. Der gute sächsische Doctor aber verließ sie nicht, er lief zu allen Behörden und setzte es endlich durch, daß die Baronin mit ihren Kranken nach Cambrai abreisen konnte. Dort war die Freude groß und alle Bewohner brachten Erquickungen herbei zum Empfang ihrer Landsleute. Von einem jungen Soldaten erzählt das Tagebuch eine besonders rührende, wenn auch sehr einfache Geschichte; er war das einzige Kind seiner Eltern, die in der Umgegend von Cambrai auf einem kleinen Pachthof wohnten. Gesund und glücklich hatte er sie verlassen, sterbend kam er zurück. Seine Schönheit und seine Jugendkraft waren rührend im Erlöschen auf dem Todbette; die Eltern konnten nicht kommen, weil sie krank waren, aber sie hatten ein paar gute Nachbarn, die sich erboten, den sterbenden Sohn zu besuchen. Die Mutter gab ihnen in naiver Liebessorge schöne Aepfel, ein Töpfchen frische Butter und ein wenig Honig aus den eigenen Bienenstöcken zum Labsal ihres Lieblings mit. Als sie ankamen, fonnte er es nicht mehr genießen, er lag mit seinen schönen Locken und langem Barthaar, geschmückt mit Kränzen und Blumen, wie ein verklärter Märtyrer im Sarge. Die braven Leute schluchzten bei diesem ergreifenden Anblick, als wäre es ihr eigenes Kind. Das allgemein Menschliche, die Familienliebe, ist bei den Franzosen ebenso ausgebildet als bei uns.

F. v. Hohenhausen.

geschaffen, und die daran sich knüpfenden Folgen scheinen gleichwohl die Besorgniß zu rechtfertigen, daß die Mitarbeit Frankreichs an jener gemeinsamen Kultur-Arbeit uns lange Zeit fehlen werde. Um so dankbarer begrüßen wir es nun und um so tröstlicher ist uns der Gedanke, daß Ihr Vaterland in Folge des freien Aufschwunges, den es genommen, diese Lücke ausfüllen, ja mehr noch, als ausfüllen werde, da die Natur Ihrem Volke viele Gaben verliehen, die sie den Franzosen versagt hat".

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Den weiteren Inhalt dieses Heftes bilden eine Lebensskizze Giuseppe Mazzini's aus der Feder seiner Freundin Ludmilla Assing; ein trefflicher, gegen Deutschland sehr gerechter Artikel über den Fall und die Wiedererhebung Frankreichs, von Gaetano Negri; eine kritische Einleitung zu der indischen dramatischen Dichtung Mricchakatika", sowie eine Uebersetzung dieses Luftspiels aus dem Sanskrit, dessen vulgärer Titel „der Karren von Kreta" ist, von Michele Kerbaker; der lezte der „Osterbriefe“ von Fanny Lewald; die Vorrede eines großen biographischen Werkes, von Angelo de Gubernatis, das die zahlreichen berühmten Zeitgenossen Italiens (beginnend mit Manzoni, Gino Capponi, N. Tommasèo, Lambruschini, Carcano, A. Maffei, Cesare Cantu 2c. 2c.) umfassen wird; endlich mehrere Fortsetzungen von Artikeln früherer Hefte und zahlreiche literarische, artistische und wissenschaftliche Miscellen.

Wir denken nächstens auf einen der vorerwähnten Artikel näher zurückzukommen.

Italien.

Dir Rivista Europea.

Das lehte (April) Heft der Rivista Europea bringt wiederum sehr erfreuliche Zeugnisse von den fortschreitenden Sympathieen des neuen Italiens für das neue Deutschland. Der Herausgeber der Rivista, Prof. Angelo de Gubernatis in Florenz, der seine wissenschaftlichen Studien zum Theil an deutschen Universitäten gemacht und seinen akademischen Lehrern die dankbarste Erinnerung bewahrt, theilt in diesem Hefte Auszüge aus drei an ihn gerichteten Briefen von Prof. Albrecht Weber in Berlin, A. J. Pott in Königsberg und Theod. Benfey in Göttingen mit, die übereinstimmend in der Ansicht sind, daß fortan Deutschland und Italien Hand in Hand die Wege der Wissenschaft, der Kultur und der Völkergeschichte wandeln werden. Weber spricht dabei die Hoffnung aus, daß sich Frankreich nach und nach wieder von seinem jezigen tiefen Fall erhebe, aber er bezweifelt, daß es die Kraft haben werde, durch gründliche Reformen der sittlichen und religiösen Versumpfung des Volkes einen Damm zu setzen. Pott schreibt: Deutschland begrüßt mit Freuden und wie könnten die Italiäner etwas Anderes von uns erwarten? Alles, was, von Ihnen über die Alpen her zu uns gelangt, Alles, doch natürlich mit Ausnahme von dem, was nach Ultramontanismus schmeckt, dessen man auch in Berlin und München satt zu werden beginnt", und Benfey fügt hinzu: „Der Fortschritt der Kultur in Europa stüßte bisher sich auf die gegenseitig sich ergänzende Thätigkeit des romanischen und des germanischen Geistes, und Germanen und Romanen werden lange Zeit noch die einzigen Hüter und Förderer der Civilisation bleiben. Die Kluft, die der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland

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England.

Die deutsche Shakespeare-Literatur.

Antikritik.

Nach mehrmonatlicher Abwesenheit von Deutschland finde ich in Nr. 11 des „Magazin“ eine Besprechung meines neuesten Buches: Shakespeare; sein Leben und seine Werke." Trotz des mir sehr schmeichelhaften Beifalls, den der Verfasser jener Kritik, Herr Joh. Meißner, meinem Buche zollt, kann ich doch denjenigen Theil der Kritik, der gegen meine Stellung zur deutschen Shakespeare-Literatur sich richtet, nicht unerwidert laffen. Herr Meißner bemerkt:

„Von der Gesammtheit der deutschen Shakespeare - Literatur spricht Genée mit Geringschätzung gegenüber der englischen."

Das ist nicht ganz richtig. Ich vertheidige nur die eng lische Kritik gegen offenbare Anmaßungen der deutschen; ich sage wörtlich:

„Was neben allerlei Absonderlichem die deutsche ShakespeareKritik Ausgezeichnetes geleistet, wie viel sie zur weitern Kenntniß und Würdigung des Dichters beigetragen hat, das brauchen wir dabei nicht zu verkennen. Aber wir können deshalb auch um so weniger das Verfahren vieler unserer Shakespeare - Gelehrten gutheißen, welche auf die englische Kritik mit Gering. schäßung blicken und dabei doch ganz und gar auf dem Ackerland bauen, das Jene uns zugewiesen haben.“

Der Kritiker beschwert sich ferner, daß ich diejenigen deutschen Gelehrten, denen ich selbst am meisten verdanke, nur mit einer tadelnden Nebenbemerkung abfertige; „besonders auffällig" sei dies schon in meinem frühern Buche („Gesch. der Shakespeareschen Dramen 2c.") gegen Alb. Cohn geschehen. Hiergegen habe ich anzuführen,

daß ich im Vorwort zu meinem genannten Buche Cohn's ,,Shakespeare in Germany" als das schätzenswerthefte Buch" be= zeichnete, welches dies Gebiet bisher berührt hat; während ich im Terte noch an zwei Stellen auf Cohn verweise. Daß ich einmal auch anderer Meinung bin, als Herr Cohn, wird mir wohl Niemand zum Vorwurf machen können.

Ebenso wenig wie jene Anschuldigung verstehe ich es, wenn der Kritiker außerdem noch die Herren Delius, Herzberg und Ulrici als Diejenigen nennt, denen ich besonders verpflichtet sei. In meinem ganzen Buche finde ich nur eine einzige Stelle, welche mir Anlaß gab, einen der Genannten zu citiren; ich that dies gelegentlich der Besprechung von Troilus und Cressida" mit einem Hinweis auf Herrn Herzberg und dessen „gründliche Abhandlung“ über die Troilus-Fabel. Außerdem aber habe ich wiederholt auf die trefflichen Arbeiten von Simrock und von Al. Schmidt, wie auch bei einzelnen Stellen auf H. Kurz, Gervinus, Hebler, Eitner, Tschischwiß und Andere hingewiesen.

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Gerade weil der positive Inhalt meines Buches bei dem geschäßten Kritiker so große Anerkennung gefunden, darf ich wohl hoffen, daß auch meine thatsächliche Berichtigung in diesen Blättern Aufnahme finden wird. Was das Verhältniß der deutschen Shakespeare-Kritik zur englischen betrifft, so erfordert dieser Gegenstand eine eingehendere Erörterung, zu welcher die Redaction dieser Blätter mir vielleicht gelegentlich das Wort gestattet. Dresden. Rudolph Genée.

Schweiz.

Schweizerische Lokalgeschichte.*)

So lebhaft auch bei uns in Deutschland das Lokalstudium der vaterländischen Geschichte betrieben wird, so gibt es doch ein Nachbarland, das uns hierin an Emsigkeit fast noch übertrifft, wir meinen die Schweiz mit ihren 22 Kantonen. Nicht zufrieden mit der Forschung über die Geschichte des Gesammtstaates regen sich allerorten Vereine und Gesellschaften zur Erforschung der Lokalgeschichte eines Kantons, einer Landschaft. Einen hervor. ragenden Platz unter diesen Lokalvereinigungen behauptet seit geraumer Zeit der Kanton Aargau. Seit zehn Jahren circa hat

sich in der Kantonshauptstadt in Aarau nun auch eine besondere historische Gesellschaft constituirt, die bekanntlich die urkundliche Erforschung der Vergangenheit des gesammten Kantons, sowie der einzelnen Städte und Landschaften zu ihrer Hauptaufgabe gemacht hat. Nachdem diese Gesellschaft bis zum Jahre 1866 5 Bände voll Abhandlungen und Urkunden-Sammlungen publizirt hatte, trat durch Verzug und anderweitige Inanspruchnahme der Rüstigsten unter den Forschern eine fünfjährige Pause in ihrer literarischen Production ein, die im vorigen Jahre durch das Erscheinen eines Doppelbandes beendet wurde. Von den zwei Bänden, die uns heute vorliegen, enthält der siebente einen reichen Münzkatalog des Kantons Aargau von dem Nationalrath Münch zusammengestellt; der sechste zwei größere Abhandlungen, die Reformation in Bremgarten vom Fürsprech Weißenbach und eine sehr eingehende Darstellung des Geschlechts derer von Halwil, besonders der Persönlichkeit seines denkwürdigsten Mit

*) Argovia. Zeitschrift der Historischen Gesellschaft (des Kantons Aargau. Bd. VI. und VII. Aarau, Sauerländer.

gliedes, des Hans von Halwil des Helden von Granson und Murten" vom Director E. Brunner und Biel. Beide Abhand lungen zeichnen sich durch die Klarheit ihrer Darstellung, durch die Wärme, mit der die Hauptpersönlichkeiten, in jener die des Reformators Heinrich Bullinger, des Nachfolgers Zwingli's, als Leutpriester am Münster zu Zürich, in dieser die des Hans von Halwil, gezeichnet sind, vortheilhaft aus und führen uns in anschaulicher Weise in jene Zeiten zurück, denen die Schweiz ihre Selbständigkeit auf politischem und religiösem Gebiet verdankt.

Außerdem enthält der Band eine reiche Urkundensammlung der Leutkirche von Aarau, unter dem Titel des Jahrzeitenbuches vom Rektor Hunziker publizirt, und eine kurze Notiz Theodor von Liebenau's über Leben und Tod eines Wiedertäufers zu Klingnau im Jahre 1525. Hoffentlich erfüllt sich die Befürchtung einer event. Auflösung der verdienstlichen Gesellschaft nicht. J.

Rußland.

Die Krim, von J. Remy.*)

Die taurische Halbinsel, welche vor achtzehn Jahren der Schauplatz einer so blutigen, weltbewegenden Katastrophe war, beginnt die öffentliche Aufmerksamkeit von Neuem auf sich zu lenken in Folge von Nachrichten, welche jüngst die öffentlichen Blätter in Betreff der Wiederbefestigung von Sewastopol durchliefen, und welche unlängst auch der Gegenstand einer Interpellation im englischen Parlamente waren. Es wäre in der That nicht gerade überraschend, wenn Rußland die besonders günstige Lage, welche ihm der deutsch-französische Krieg im Jahre 1870-71 geschaffen hat, auch zur Beseitigung jenes Artikels des Pariser Vertrages vom Jahre 1855, der ihm die Wiederbefesti. gung Sewastopols verbot, benußte, nachdem es ihm schon gelungen ist, jenen andern zweiten Hauptartikel dieses Vertrages, welcher Rußland die Unterhaltung einer Kriegsflotte im Schwarzen Meere untersagte, glücklich zu beseitigen. Wer sollte es daran hindern? Von seinen beiden großen Gegnern im Krimkriege ist Frankreich durch den jüngsten Krieg vollkommen außer Stand gesezt, den russischen Absichten irgend welchen Widerstand ent gegenzustellen. England allein war niemals fähig dazu, und dem Deutschen Reiche könnte unter den obwaltenden Umständen nichts unwillkommener sein, als in eine feindliche Stellung zu seinem östlichen Nachbar zu gerathen.

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Daß der Groll über die Zerstörung der alten Macht und Herrlichkeit Sewastopols in russischen Kreisen noch nicht verwunden ist. ist an sich begreiflich und wird durch das neueste Buch über die taurische Halbinsel: Die Krim in ethnographischer, landschaftlicher und hygienischer Beziehung von F. Remy be stätigt. Ueberblickt man diese felsigen Hügel", ruft der Ver fasser im Angesichte Sewastopols aus, „den herrlichen Hafen, das weite wundervolle Meer; gedenkt man der gewaltigen Macht, deren äußerste Vorposten diese Landzungen bilden; vergegenwär tigt man sich einerseits ihre Geschichte, andererseits die Zustände unserer Nachbarn dort drüben, jenseits der blaugrünen Fluthen nach Süden und Often so kann man sich, selbst unter dem drückenden Einflusse der Todesstille, der rings geisterhaft blicken. den Gräber, des Mangels an Verkehr, des Gedankens nicht er

*) Odessa und Leipzig, Emil Berndt, 1872.

wehren, daß dieses imposante Schweigen nur eine jener Pausen darstellt, mit denen die Geschichte ihr unaufhaltsames Walten zu unterbrechen pflegt; daß diese weit in den Pontus hinauszeigende Felsenhand noch mächtig eingreifen werde in das Geschick des wankenden Morgenlandes und sicher mit entscheidenderem Erfolge. Der letzte Krieg war eine gute Schule! Die Rächer, welche den hier lagernden Gebeinen entstehen, sie werden der vorgeschritteneren Zeit andere Mittel und Kräfte entlehnt haben und ihre Ziele erreichen. Daran zu zweifeln wäre Thorheit."

Uebrigens ist es vorläufig, wie offiziöse russische Stimmen den erwähnten Zeitungsnachrichten gegenüber berichtigend bemerkten, nicht auf eine Wiederherstellung der alten Festungswerke Sewastopols selbst abgesehen. Man wird sich vielmehr damit begnügen, Sewastopol nur so weit auszurüsten, daß es eine Kriegsflotte aufnehmen kann und es im Uebrigen in einen großen Handelshafen umwandeln. Die Befestigungswerke sollen vielmehr in der Weise angebracht werden, daß die ganze Cherson'sche Halbinsel, wie die „Mosk. Ztg." bemerkt, gegen eine Landung gedeckt sei. Zu dem Zwecke wird man sich mit mehreren Forts am Eingange der Bucht von Sewastopol, wie auch in Eupatoria und Balaklawa begnügen.

Ruffische Volkslieder.*)

Da die wenig bekannte russische Sprache selbst vielen Gelehrten Schwierigkeiten bietet, für die meisten gebildeten Laien aber ein darin verfaßtes Werk ein Buch mit sieben Siegeln ist, so müssen wir ein Unternehmen dankbar anerkennen, welches die Absicht ausspricht, die von russischen Gelehrten und Sammlern in Bezug auf russische Volkslieder und Volksleben gewonnenen Resultate in einer Weltsprache einem größeren Publikum zugänglich machen zu wollen. Doch leider ist es Herrn Ralston nicht gelungen, seine Absicht in Bezug auf eine Darstellung dieser Resultate klar auszuführen. Er giebt häufig die sich diametral widersprechenden Ansichten verschiedener Forscher, ohne selbst Beweise für die Richtigkeit einer bestimmten Annahme aufzustellen und so die Gegensätze durch eine höhere Einheit aufzuheben. Zuweilen vertröstet er bei solcher Gelegenheit darauf, daß er die betreffende Frage später, bei der Fortsetzung seines Werkes ausführlicher behandeln werde, aber dieses Verweisen auf unbestimmte Zeit, dieses Abwartenmüssen ruft ein höchst unbefriedi gendes Gefühl hervor, und wir hätten es vorgezogen, wenn der Herr Verfasser derartige philologische Fragen dann lieber so lange ganz unberührt gelassen, bis er sie erschöpfend behandeln konnte, Der Verfasser des obengenannten Werkes hat seine Reise wenn er sich gänzlich auf die einfache Darstellung des Thatdurch die Krim von Eupatoria angetreten. An die Schilderung | sächlichen und die klar daraus hervorgehenden Folgerungen beder klimatischen und Bevölkerungs-Verhältnisse dieses zur Zeitschränkt hätte. In dieser Beziehung bietet sein Buch reiches der Tataren-Herrschaft bedeutenden Ortes knüpft er eine Beschreibung der, neunzehn Werfte südöstlich von Eupatoria gelegenen Schlammbäder von Saki. Von Eupatoria begab sich der Verfasser über Sewastopol, dessen Dertlichkeit, Umgegend und historischer, namentlich an die jüngste Vergangenheit anknüpfender Bedeutung eine eingehendere Erörterung gewidmet wird, nach der interessanten Tatarenstadt Baghtschi-Sharai, welche ihm Gelegenheit zu einer Schilderung des bekanntlich immer mehr zusammenschmelzenden Tataren-Völkchens bietet. Auch der benachbarten Judenstadt Tschufut-Kalè wird ein Ausflug gewidmet. Besonderes Interesse flößt, nachdem der Verfasser wieder an die Südküste zurückgekehrt ist, die Beschreibung der Perlen dieses romantischen Flecks Erde, der berühmten Sommersize russischer Großen und der kaiserlichen Familie selbst, der vielgenannten Orte Alupka, Livadia, Jalta, Orianda, Nikita ein. Von dort kehrt der Verfasser über Aluschta nach dem Innern der Halbinsel zurück, besichtigt die Hauptstadt Symphoropol und beschließt seine Reise mit einem Besuche von Feodosia und Kertsch, welchem lesteren, wie Sewastopol, noch eine große, seiner bedeutenden Vergangenheit entsprechende Zukunft versprochen wird.

Wenn der Verfasser in diesen Prophezeiungen seine Stellung als russischer Unterthan nicht verkennen läßt, so verleugnet er doch andererseits seine deutsche Abkunft auch nicht, indem er mit Freuden die Spuren deutscher Betriebsamkeit und Kultur begrüßt, welche bis in diese fernen Gegenden vorgedrungen sind. Er vergißt nicht die, gewiß auch unseren Lesern interessante Thatsache hervorzuheben, daß zwei der bedeutenderen Gasthäuser | des jetzigen Sewastopol, Hotel Kist und Hotel Wezel, deutsche | sind; mit Bewunderung spricht er gelegentlich von dem „germanischen Riesen“, dessen neueste Thaten, seiner Ansicht nach, Alles verdunkelten, was seit 6000 Jahren in unsterblichen Liedern gefeiert worden sei, und mit Entzücken erfüllt ihn der Umstand, daß das einzige Bild im Kabinet der Tochter des Zaren in dem kaiserlichen Sommerpalais zu Livadia „Schiller, dem Hofe von Weimar seinen Don Carlos vorlesend" sei. K. B.

und interessantes Material. Da der Gesang das ganze Leben des russischen Bauern begleitet, jede besondere Begebenheit ihre speciellen Lieder hat, jedes sich stetig wiederholende Ereigniß, jedes Fest, jede Jahreszeit von eigens dafür bestimmten, zum größten Theil uralten Gesängen begleitet wird, so erhalten wir bei der Schilderung dieser Poesie einen tiefen Einblick in das ganze Leben des wahrhaft poetischen russischen Volkes. Gesang erleichtert die Beschwerden der Stunden der Arbeit, sowohl im Freien, Sonne und Wind, Regen und Frost ausgesetzt, wie in der drückenden Hütte beim schwachen Licht eines Fichtenspahns. Gesang erheitert die Puhe des Feiertags und belebt den Rundtanz wie die geselligen Vereinigungen. Die jüngere Generation wächst heran, und Gesang geleitet den einberufenen Sohn zum Heere, die verheiratete Tochter in das neue Heim, und trauert über den Kummer der Aeltern, die ihren Kindern vielleicht ein leztes Lebewohl gejagt. Dann kommt der Schlußact von Allem, und wenn die matten Augen auf immer geschlossen, und die müden Hände in Frieden gekreuzt sind, dann umschwebt Gesang die stille Gestalt und richtet leidenschaftliche Worte liebenden Flehens an ihr Ohr. Und selbst dann ist sein Walten noch nicht zu Ende, denn sowie jeder wiederkehrende Frühling die Erinnerung an die Vergangenheit mit frischem Hoffen auf die Zukunft wiederbringt, so erhebt sich Gesang von Neuem über den Gräbern der Abgeschiedenen, wenn die Dörfler nach der Sitte ihrer heidnischen Vorfahren ihr jährliches Todtenfest feiern.“

Die Lieder dieses lange geknechteten Volkes, das in hartem Kampfe der spröden Natur seinen geringen Bedarf abringen muß, haben meist etwas Monotones, Trübes, Gedrücktes, grau in grau, gleich den endlosen Steppen des weiten Zarenreiches. Um diese Gesänge in ihren eigenthümlichen Beziehungen verständlich zu machen, entwirft der Verfasser eine fesselnde Darstellung des russischen Volkslebens, worin der Bauer in so vielen alten

*) The Songs of the Russian People, as illustrative of Slavonic Mythology and Russian Social Life. By W. R. S. Ralston, M. A. London, Ellis & Green, 1872.

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