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welche Genée mit Recht betont, um dem Aesthetisiren in's Blaue hinein entgegenzutreten.

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kum kommt zu ihm zunächst, um sich auf edle Weise zu amüsiren, aber es geht nicht fort, ohne werthvolle Anregungen und Er| kenntnisse für das Leben mitzunehmen. – Auch dem vorliegenden Buche wünschen wir die wohlverdiente Popularität, welche sicher, zumal bei so billigem Preise und bei Genée's propagandistischer Thätigkeit Thätigkeit zur Zeit bereist er als Shakespeare-Apostel den Often, Danzig, Königsberg, Riga – nicht ausbleiben wird. Johannes Meißner.

Heue Erscheinungen der Tauchnik-Collection. Von der reichen Sammlung schöner und wohlfeiler, mit Verlagsrecht außerhalb Englands ausgestatteter Tauchniß-Ausgaben britischer Autoren die Zahl ihrer Bände ist jetzt bereits bis auf 1204 gestiegen find soeben folgende drei neue Werke poetischen, novellistischen und biographischen Inhalts erschienen: 1) The Poetical Works of Robert Browning. 2 vols. With the Portrait of the Author.

Was die Quellen betrifft, so werden weniger die Punkte hervorgehoben, in welchen Sh. denselben folgte, als worin er abwich, und das Lettere ist in der That interessanter und wichtiger für das Verständniß der besonderen Intentionen des Dichters. Außerdem finden wir jedes einzelne Stück seiner Entstehungszeit nach besprochen und die Hauptcharaktere ganz kurz entwickelt, in derselben klaren und unbefangenen Weise, welche ja schon Vielen aus Genée's Vorlesungen bekannt sein wird. Diesen Vorzügen gegenüber sind kleine Incorrectheiten nicht erwähnenswerth. Nur einen Fehler müssen wir besprechen, der dieser Schrift, ebenso wie schon der älteren, die Sympathieen mancher Männer von Bedeutung rauben wird. Wir meinen Genée's Art und Weise seine Quellen zu behandeln. Es ist ja selbstverständlich, daß dergleichen populäre Schriften auf dem Fundament einer Menge ganz- und halb-wissenschaftlicher Vorarbeiten Anderer ruhen und nicht zu verlangen, daß die Namen Aller, die mitgebaut oder auch verbaut haben, erwähnt werden aber man darf doch diejenigen, denen man selbst am meisten verdankt, wenn man einmal ihre Namen erwähnt, nicht bloß mit einer tadeludeu Nebenbemerkung abfertigen, wie es hier Delius, Herzberg, Ulrici, besonders auffällig auch in „Shakespeare in Deutschland" Albert Cohn und Anderen ergangen ist. Von der Gesammtheit der deutschen Shakespeare - Literaturlegenheit gehabt, auf diesen in Deutschland noch wenig bekannten, spricht Genée mit Geringschätzung gegenüber der englischen und doch ist er nachweislich in erster Linie durchaus den Arbeiten der Deutschen verpflichtet. Bald spöttelt er über die mühsamen Untersuchungen eines Philologen, bald bezeichnet er die ästhetischen und Charakter-Erklärungen als überflüssig und ist doch selbst ein Erklärer und ein vorzüglicher, der aber gerade darum das Gute in den Leistungen seiner Vorgänger und Mitarbeiter freudiger anerkennen sollte.

Ist indeß die ganze Shakespeare-Literatur nicht wirklich überflüssig? Wir können dieselbe in drei Arbeitsgebiete zerlegen. Erstens: das rein wissenschaftliche. Es bildet die Grundlage für die beiden Anderen, oder sollte sie wenigstens bilden. Zweitens: das ästhetische. Diese Arbeiten sind so wenig überflüssig, wie die Schönheitslehre überhaupt. Soll der Schönheitssinn unseres Volkes nicht verloren gehen, so muß er fortwährend an den besten Mustern gebildet werden. Sh.'s Werke aber find die höchsten Muster für die dramatische, das heißt, für die höchste menschliche Kunst. Drittens: Die Erklärung der Charaktere, und dieses Feld halten wir für das Wichtigste. Sh.'s Werke bietenwir wiederholen hier, was wir schon anderweitig mehrfach hervorhoben gleich den Naturwissenschaften eine positive Erweiterung des menschlichen Gesichtskreises. Während wir dort lernen. durch Erkennung der in der äußeren Natur waltenden Kräfte sie uns dienstbar zu machen, finden wir hier die innere Natur des Menschen aufgedeckt und werden durch Erkenntniß der inneren geistigen Kräfte befähigter, uns selbst und die Geschicke Anderer zu beherrschen. Solchen Gewinn aber kann man nicht aus der ein oder zweimaligen Lectüre eines Sh.'schen Stückes, man müßte denn selbst ein Genie sein, ziehen; die Anforderungen des praktischen Lebens andererseits gestatten den wenigsten Menschen, mehr Zeit darauf zu verwenden. Hauptaufgabe der Sh.-Literatur ist es daher, die Charaktere in ihren psychologischen Feinheiten für einen größeren Kreis von Gebildeten faßlich zu machen.

Auf dem lettgenannten Arbeitsgebiete ist nun insonderheit R. Genée thätig. Er predigt in seinen Vorlesungen aus Sh. heraus Menschenkenntniß, praktische Lebensweisheit. Das Publi

Vol. I. A Soul's Tragedy. Luria.

Easter-day.

Men and Women.

Christmas-eve and

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Vol. II. In a Balcony. Dramatis Personae. Dramatic Romances.

Wir haben in diesen Blättern in lezter Zeit mehrfach Ge

durchaus eigenthümlichen, neueren englischen Dichter hinzuweisen. 2) Poor Miss Finch. A Novel. By Wilkie Collins (Author of ,,The Woman in White.") 2 vols.

Es ist dies die Geschichte eines blinden Mädchens, von dem Verf. der „Dame in Weiß", und zwar, was die Hauptperson betrifft, mit ergreifender psychologischer Wahrheit und hinsichtlich der Nebenpersonen mit echtem Humor und mit künstlerischer Charakteristik erzählt.

3) The Life of Charles Dickens. By John Forster. Vol. I and II. Die beiden ersten Bände dieser Lebensbeschreibung von Charles Dickens, aus der Feder seines ältesten Freundes John Forster, reichen bis zu des weltberühmten Novellisten und Humoristen ersten Aufenthalt in Nordamerika, im J. 1842. Es dürften also wohl noch zwei Bände des Werkes zu erwarten sein, das allgemein in England als eine pietätvolle, dem Leben des Dichters von Jahr zu Jahr, ja man möchte sagen: von Tag zu Tag folgende, die Entstehungs-Geschichte seiner Schriften, sowie seine Kämpfe und Triumphe trefflich schildernde Arbeit angesehen wird. Die Ausstattung dieser Tauchniß - Ausgabe ist vortrefflich. Sie bringt im ersten Bande eine Skizze des großen Bildes von Dickens, gemalt von Maclise, ein Facsimile seiner Namensunterschrift und eines Briefes von ihm aus der Schulzeit; der zweite Band bringt unter Anderem allerlei facsimilirte Erinnerungen an den Aufenthalt des Dichters in Nordamerika.

Italien.

La Rivista Europea.

Si pubblica in Roma e Firenze il primo d'ogni mese dal Professore
Angelo de Guberbatis.

Sommario delle materie contenute nel fascicolo dal 1. Marzo 1872:
Studio storico sull'arte Cristiana (L. Cecchi).

Di alcuni usi popolari Bolognesi (Carolina Coronedi-Berti).

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Die uns vorliegenden Studien über rumänische, bulgarische und ungarische Geschichte stellen vieles bisher Zweifelhafte und noch nicht Untersuchte in ein helleres Licht, sofern dies bei der großen Lückenhaftigkeit der Nachrichten über die ältere Periode. der rumänischen Geschichte möglich ist. Gegenüber der gänzlichen Kritiklosigkeit und der Prätensionen der rumänischen Historiker, welche, vor vorgefaßten der Nationaleitelkeit schmeichelnden Meinungen ausgehend, eine allen wirklichen historischen Notizen über die Wohnsize und die Geschichte der Walachen bis zum 13. Jahrhundert hin widersprechende Geschichte Rumäniens construirt haben, unternimmt es Herr Rösler, zum Theil ganz auf eignen, sehr fleißigen Forschungen fußend und die spärlichen Quellen scharfsinnig combinirend, die Anfänge der Rumänen, den Wechsel ihrer Wohnsize, die ersten staatlichen Gründungen derselben nördlich von der Donau Schritt für Schritt zu verfolgen; die Geschichtsforschung hat sicherlich mit diesem Werke für die Geschichte des unteren Donautieflandes und der angränzenden Gebiete einen großen, epochemachenden Gewinn gemacht. Die Form des Buches ist gewandt und klar; als Hauptresultate stellen sich folgende heraus.

Nach einer Zusammenstellung der Nachrichten über die ursprünglichen Bewohner des Donautieflandes, die Geten, folgt die Darstellung der Geschichte der Dacier, ihrer Kriege mit den Römern, ihres Unterganges durch den Verzweiflungskampf mit Trajan. Die von diesen angelegte Provinz Dacia wird um 270 von Aurelianus wieder aufgegeben, gegenüber dem unaufhaltbaren Andrängen der

*) Die Rivista, Europea wird in ihrem nächsten Hefte den 14. und legten der „Osterbriefe" Fanny Lewald's, übersezt von Maddalena Gonzenbach, mittheilen. Diese Briefe sind in Italien mit außerordentlichem Intereffe gelesen worden. D. Red.

**) Rumänische Studien. Untersuchungen zur älteren Geschichte Rumäniens, von Robert Rösler. Leipzig, Duncker und Humblot, 1871. (363 Seiten.)

Gothen, Vandalen und anderer germanischen Stämme. Die Provinzbewohner des bisherigen Daciens erhalten das östliche Gebiet des oberen Möstens auf dem rechten Donauufer und Dardanien `zu Wohnsitzen; dasselbe erhält damit zugleich den Namen Dacianova oder ripensis oder schlechthin Dacia. Aus der Verwechslung des früheren und dieses neuen aurelianischen Daciens sind unendlich viele Irrthümer geflossen. Die Reste der Bevölkerung im alten trajanischen Dacien gehen spurlos in den Gothen unter. Damit fällt also die ganze Annahme, als wären die heutigen Rumänen directe Nachkommen der römischen Provinzialen Daciens, aus Siebenbürgen und Ungarn gewaltmäßig verdrängt und auf die heutige Walachei beschränkt. Im Gegentheil haben fie ganz allmählich sich auf dem linken Donau-Ufer von dem rechten her angesiedelt und so ihre jezige Heimat gewonnen. Dies wird mit Evidenz bewiesen durch Combination aller Stellen, welche bei griechischen und anderen Schriftstellern sich auf die Walachen und die anderen Völkerschaften im unteren Donaugebiete beziehen, und durch das vollständige Stillschweigen über im alten traja nischen Dacien ansässige Rumänen.

Heute wohnen noch durch die ganze vielsprachige Hämus-Halbinsel hin die Walachen, am stärksten vertreten unter den Namen Zinzaren oder Kußowalachen oder Macedowalachen oder Armani, in Pindos, in Macedonien und Thessalien; dieselben waren früher viel weiter verbreitet; jezt sind sie nur noch die Reste einer im allmählichen Aufsaugungs-Proceß begriffenen rumänischen Bevöl kerung von einst nicht geringer Zahl welche über das ganze Innere der Halbinsel verbreitet war. Nach der Zerstörung des gefährlichen Bulgaren-Reiches in Mösien, im Jahre 1019, durch den griechischen Kaiser Basilios II. tritt gegen 1100 die walachische Nationalität auf den Schauplay; sie begründet einen ucuen vereinigten Walachen- und Bulgarenstaat; diese mösischen Walachen sind die Reste der einstigen römischen Bevölkerung in den Donaustädten Mösiens, in Vereinigung mit denjenigen römischen Colonisten, welche aus Dacien ausgewandert vom dritten Jahrhundert an im Süden der Donau gewohnt haben;" Grundstock der Bevölkerung sind Slaven. Dieser neue Staat erringt seine Unabhängigkeit vom byzantinischen Kaiserthum in langen und harten Kämpfen (1190); niemals gelang es diesem dann wieder, seine Gränzen über den Hämus vorzuschieben.

Zwei Jahrhunderte später (1388) erlag der lezte König des walachischen Bulgariens dem Sultan Murad und der überlegenen militärischen Organisation der Osmanen. Die nun folgende Periode führt die mösischen Walachen in eine neue Heimat, die Macedowalachen in Thracien, Macedonien, Theffalien werden allmählich denationalisirt. Still und unmerklich, wie alle solche geschichtliche Ereignisse, ist die Invasion und Besißnahme der Walachei vor sich gegangen; das dünnbevölkerte Land mußte die Walachen aus der südlichen immer bedrohten Heimat anlocken; auch manche bulgarische Familie wanderte mit ein. Um 1360 wird von der Marmaros aus die Besiedelung der Moldau unternommen. „Aus dem langen Aufenthalt in Bulgarien erklärt sich auch die ausschließliche Herrschaft der bulgarischen Sprache in Kirche und Amt der Rumänen his in's 17. Jahrhundert;“ „alle Kultur, welche die Rumänen im 13. und 14. Jahrhundert besigen, ist eine bulgarisch-griechische." Vom Hirtenleben aber, das die Ueberbleibsel der mösischen Walachei geführt hatten, gingen sie in dem neugewonnenen Lande wieder zum ackerbauenden über; ste breiten sich dort aus und sind noch in dieser Ausbreitung begriffen; Siebenbürgen ist von ihnen das ganze Mittelalter hindurch frei geblieben und von Ungarn und Deutschen (dem deutschen Orden u. a.) colonisirt worden. Die kleine Walachei wurde ein unga

risches Banat, regiert von einem Beamten (Markgraf, Herzog) des Königs, zeitweilig herrschte der Wojwode von Transalpinien, d. i. der großen Walachei, auch in diesem sogenannten Zevriner Banat. Bis zum Ende des ungarischen Reiches (1526) dauerte diese enge Verbindung mit Ungarn.

„Die große oder eigentliche Walachei dagegen fällt nach dem Ende der Herrschaft der Rumänen an Ungarn. Aber zugleich mit dem Anfang der ungarischen Oberherrschaft tritt daselbst ein Wojwode hervor, dessen Macht, von der Lage des Landes ungemein begünstigt, rasch anwächst, so daß sich sein Zusammenhang mit dem ungarischen Reiche endlich auf die Tributpflichtigkeit beschränkte." In dieses freiere Verhältniß kommt die Walachei nach dem Tode Ludwigs von Ungarn unter Sigismund, dem späteren deutschen Könige, doch nur um bald die Beute der Türken zu werden.

So stellt sich jezt Rumäniens Geschichte nach Röslers gründlichen Untersuchungen dar; mag diese nun den Rumänen passen oder nicht, sie werden sich einmal entschließen müssen, über ihre bisherigen Träume einer bald zweitausendjährigen Ansiedelung in Dacien diese kritische die wirkliche Geschichte darstellende Forschung zu sehen. Freilich, wie früher derjenige, welcher den Ungarn von ihrer Abstammung aus dem ungarisch - finnischen Stamm redete, als ein Hochverräther galt, so werden vielleicht auch jetzt die Rumänen, deren „an das Dunkel nationaler Vorurtheile gewöhnte Augen den mattesten Lichtstrahl, der von außen auf sie fällt, wirklich grell finden", „Fanatiker, welche durch Zahl ersehen, was ihnen an Geist und Kenntnissen abgeht", als „Sprecher der beleidigten Nation ihre Gefühle in heftiger Weise zum Ausdruck bringen.“

Außerdem giebt uns Rösler noch eine kritische und zugleich interessante Geschichte der Magyaren (d. i. Leute des Landes) bis zum Ende ihrer, die Kultur des Abendlandes gefährdenden Raubzüge, gegründet auf die Gesammtheit aller gleichzeitigen Chronisten der Rumänen (Griechen) und Franken, zum Theil auch Italiäner und Araber. Dem gegenüber steht die Schrift des anonymen Notars des Königs Bela, die ein völlig verschiedenes Bild entwirft, viel schmeichelhafter für die Ungarn und ihnen daher völlig glaubwürdig. Wer gegen ihn ist, ist ihnen ein „arroganter" Schriftsteller, ein „Schwäßer.“ Nun stellt sich aber heraus, „daß diese Geschichte des anonymen Notars unvereinbar mit den Nachrichten gleichzeitiger Schriftsteller ist und nichts bietet, was uns für den ungeschichtlichen Charakter seines Werkes zu entschädigen vermöchte. Nur eigene Erfindung konnte die magyarische Urzeit in jene Beleuchtung rücken, die seinem Wunsche gemäß darauf fallen sollte."

Wir empfehlen das Werk Allen, welche sich für rumänische und ungarische Geschichtsforschung interessiren, angelegentlichst. P. F.

Neuhebräische und jüdische Literatur.

Das hohe Lied Salomonis.*)

Für viele Theile des alten Testaments fehlt uns noch der Schlüssel, welcher uns den Vollgenuß ihrer hohen poetischen

*) Das Salomonische Hohelied überseßt und kritisch erläutert von Dr. H. Gräß, Prof. an der Universität zu Breslau. Wien, Wilhelm Braumüller. (219 S.)

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Schönheiten eröffnet, und es ist weit mehr ein unbestimmtes Ahnen, ein ungeklärtes Fühlen, welches uns zur Bewunderung dieser Poesteen stimmt, als eine klare Einsicht in den Plan des Ganzen und in das Detail, wie sie uns bei den Griechen durch die vielen philologischen Hülfsmittel ermöglicht ist; nur bei einzelnen Oden des Pindar geht es uns ähnlich, daß troß der mangelhaften Kenntniß des Einzelnen unwillkürlich die Großheit des Ganzen sich aufdrängt. Die Räthsel, welche die alt testamentliche Exegese stellt, üben deshalb eine lebhafte Anziehung auf die Forscher; wir wollen Klarheit über den innern Zusammenhang von so viel Schönheit und erhabener Geistesfülle; wir wollen die Nebel scheuchen, welche sich zwischen uns und die alten Autoren stellen. Unleugbar ist durch die gemeinsamen Bemühungen so vieler hervorragenden Gelehrten schon Bedeutendes erreicht worden. Die fehlende philologische Tradition macht es indeß schwer, sowohl bei der Eruirung des richtigen Tertes, wie bei der Feststellung der Urheber, der Ursachen und der Abfassungszeit der einzelnen Werke etwas absolut Gewisses und Unumstößliches zu leisten; es ist nicht die schmale Straße des unbedingt Wahren, sondern die zu deren Seiten sich ausdehnenden weiten Gränzgebiete des Wahrscheinlichen, auf denen die Forscher sich bewegen; der Hypothese ist ein weiterer Spielraum gegeben, da uns ein philologischer Apparat von Handschriften, von literarischen Notizen fast vollständig fehlt, und wir würden ganz im Dunkeln tappen, wenn nicht hier und da noch die alten Versionen uns ein wenn auch mattes Licht aufsteckten. Die Hypothese auf diesem Gebiete ausschließen, hieße der Bibelkritik ihren Lebensnerv unterbinden; ohne die Mithülfe origineller, kühner und geistreicher Combinationen kämen wir nicht gar zu weit in dem Verständniß der Bibel. Wie hoch sich der Bau der Hypothesen thürmen dürfe, ohne in Gefahr zu gerathen, daß er in sich zusammenbreche, das ist hauptsächlich eine Sache gesunden, wissenschaftlichen Taktes. Ewald geht schon bei der Feststellung nebensächlicher Daten oft weiter, als im Gebiet des Wahrscheinlichen einem Führerlosen erlaubt ist; und Hißig vollends, Ewald's allzugelehriger Schüler, vernichtet viele seiner so außerordentlich) geistvollen Vermuthungen, indem er sie in's Kleinliche ausmalt. Ihm genügt es nicht, die Abfassungszeit eines Psalms auf ein Jahrhundert oder ein Jahrzehend festzusehen, sondern er weiß, wo möglich, Tag und Stunde zu bestimmen; und woher? aus einigen, einem unbefangenen Blick oft ganz harmlosen Worten.

Herr Prof. Gräß nun weist in seinen exegetischen Forschungen die Hypothese nicht zurück; sowohl für Tert- als höhere Kritik nimmt er sie willig in Anspruch; sein scharfer erfindungsreicher Geist läßt ihn bei den schwierigsten Problemen nicht im Stich; wo einem Andern disparate zusammenhanglose Stücke zu sein scheinen, da weiß er die Fäden aufzufinden, welche sie verknüpfen; mag die Kluft noch so groß sein, seine Hypothese baut die Brücke, welche hinüberführt. Wer freilich allzu solide ist und gar nichts aufs Spiel seßen will, der darf sich auf eine solche Brücke nicht wagen; aber dann mag er nur getrost darauf verzichten, jemals über diese Kluft zu kommen. Wie Vieles wird auch in diesem neuesten Grätz'schen Buch über das Salomonische Lied den Aengstlichen zu kühn, zu unmotivirt, den Gläubigen zu frei, den Freisinnigen zu gläubig erscheinen. Aber auch hier gilt's, wer nicht wagt, der hat nichts. Was ist das hohe Lied, wenn wir es, so wie es uns vorliegt, betrachten? Im besten Falle ein zerschlagener Diamantschmuck, aus dem uns wohl der einzelne Stein eutgegenleuchtet, aber das herrliche Geschmeide, zu dem der Künstler die Steine gereiht hat, erkennen wir nicht. Um ein Beispiel aus der modernen Literatur herauszugreifen, jede einzelne Stelle aus der „Braut

von Messina" zeugt von dem großen Dichter, der sie geschrieben hat; aber um wie viel schöner ist das Ganze, als die brillanten Stellen, einzeln betrachtet; und wir haben hierbei absichtlich zum Beispiel ein Poem gewählt, in welchem, bei vielen Schwächen der Composition, gerade um das Einzelne ein so eigenthümlicher Reiz sich webt. Herr Prof. Gräß stellt uns aus den disjecta membra des hohen Liedes ein Kunstwerk her; Tendenz, Zeit der Abfassung, das Zeitalter; für welches es geschrieben ist, in seinen Sitten und Unfitten, Alles tritt uns lichtvoll entgegen; in dem neuen Lichte scheint uns Alles voll Zweck und Zusammenhang. Es ist in der Griechenzeit entstanden, hellenischer Brauch hatte angefangen sich nach Judäa zu schleichen, Juden, die als Steuerpächter der Könige von Aegypten große Summen erworben, hatten Geld in's Land gebracht, und mit dem Gelde die Schwelgerei, die Zuchtlosigkeit des alexandrinischen Hofes; die Tänzerinnen, die Hetären verdrängten die sittsame schlichte Gattin aus der Gunst der Männer; da erhebt sich der Dichter und schildert die keusche, reine ideale Liebe, die Alles opfert und hingiebt, die aber nur zwischen einem Paare stattfinden kann. Es ist nicht erotische Poesie, wie die Theokrit's; für diesen rohen Sinnenreiz hatte Juda's heilige Sprache keinen Ausdruck, hatten seine Dichter, die nicht wie die Hellenen nur nach schöner Form, sondern nach idealem Gehalt strebten, keine Begeisterung; die Juden sind das Volk der Religion; was sie bilden, was sie dichten, ist im leßten Grunde religiös. So auch das hohe Lied; denn es gießt seinen Spott über die Verweichlichung, das Schwelgen des alexandrinischen Hofes und aller derer, die in dieser übertünchten Rohheit den Hochgeschmack des Lebens fanden. Salomo der Weibische, der Weiber ohne Zahl aber keine Liebe findet, ist das Urbild derer, die, obgleich sie stets dem Genusse fröhnen, doch den reinsten Genuß, wie seiner sich Hirt und Hirtin in einer Liebe erfreuen, welche jede Gefahr überwindet, entbehren müssen. So zeigt uns der Autor ein glänzendes Gemälde; jeden Zug weiß er sinnvoll zu deuten und der Grundidee einzuordnen, und was Schopenhauer von den Philosophen sagt, daß sie mehr den Künstlern als den Gelehrten gleichen, daß ihr Weltbild wie ein Kunstwerk uns auch dann erfreut, wenn wir ein ganz anderes im Kopfe tragen, das gilt im gewissen Sinne auch von einem so geistvollen Interpreten. Giebt die Gräß'sche Deutung die ursprünglichen Intentionen des Dichters wieder? Wir wissen, hervorragende Orientalisten haben dem Verf., der das Hebräische wohl besser versteht, als alle seine Fachgenoffen, ihre lebhafte Zustimmung geäußert; aber auch Männer, die ihm nicht beistimmen, werden gern seinem hohen Geistesfluge nachschauen und sich wenigstens zu dem Geständniß herbeilassen: Se non è vero è ben trovato.

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neue Ergebnisse geliefert, oder durch die Darstellung mittheilens. würdig geworden ist, oder nicht. Es scheint uns, als sei es der „Zeitschrift für den deutschen Alpen-Verein“*), redigirt von Dr. v. Mojsisovics, deren 2. und 3. Heft des zweiten Bandes vor Kurzem ausgegeben worden sind, völlig gelungen, derartige Mitarbeiter-Elemente fernzuhalten. Den anmuthendsten und weitaus größten Theil dieser beiden Hefte, bilden die Wanderungen in der Glockner-Gruppe“ von Carl Hoffmann und J. Städl, eine Reihe von 26 Auffäßen, die ein werthvolles Material in liebenswürdigster Darstellung bringen. Leider bemächtigt sich des Lesers dieser Wanderungen ein wehmüthiges Gefühl bei dem Gedanken, daß der eine Verfasser derselben, der bereits um die Alpenkunde hoch verdiente, und noch viel mehr versprechende Carl Hoffmann, bei Sedan den Heldentod für's Vaterland gefunden, nachdem er schon bei Wörth durch eine glänzende Waffenthat sich ausgezeichnet hatte. Der Kriegs-Berichterstatter Hermann Voget, sagte von diesem glühenden Verchrer der Alpenwelt, an deffen Sterbelager er in Bazeilles gestanden: „Kein Linien-Offizier that es ihm, dem Landwehr-Lieutenant, dem 23 jährigen Rechtspractikanten, an Kühnheit zuvor. Carl Hoffmann, mit Stolz dürfen wir Deutsche es sagen, war ein Typus der gebildeten deutschen Jugend, die unseren Heeren die gewaltige moralische Kraft geliehen, jene Kraft, der wahrlich ein großer Antheil an unseren Siegen gebührt;" und Professor Nußbaum aus München, der so viele Tapfere sterben sah, sagte von Hoffmann, welcher bereits am 2. September seiner Brustwunde erlag: „das sei der schönste Heldentod gewesen, den er je gesehen“. E. Kr.

- Musikalisches Conversations-Lexikon. Das im Verlage von L. Heimann begonnene, dann in den Verlag von Robert Oppenheim in Berlin übergegangene und von diesem rüftig geförderte „Musikalische Conversations-Lexikon“**) liegen jezt die beiden ersten Bände vor. Der Herausgeber, Herr Hermann Mendel, bekannt als Biograph von Meyerbeer und Otto Nicolai, hat sich mit den ersten und bedeutendsten Kräften auf dem Gebiete tonkünstlerischer Wissenschaft und wissenschaftlicher Tonkunft verbunden und ein Werk geliefert, von dem man, weit wir es bis jezt zu beurtheilen vermögen, wohl sagen kann, „es lobt die Meister"; daß aber die zu erwartenden Theile dem

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Anfange nicht nachstehen werden, dafür bieten eben die Namen der Mitarbeiter die sicherste Bürgschaft. Ausstattung und Druck des einem recht fühlbaren Bedürfniffe abhelfenden Werkes ist eine sehr schöne; zahlreiche Noten-Beispiele erläutern den Tert, ebenso find an geeigneten Stellen Illustrationen beige. geben. Wir wünschen dem Unternehmen den besten Erfolg und werden wohl noch Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen.

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ist es kaum zu verwundern, wenn Leser und Schriftsteller, Consument und Producent, sich einer Richtung zuwenden, in der in riesigen Dimensionen ein neues Kulturleben sich zu entwickeln scheint. Aber auch nur scheint: russische Geschichten sind jezt Mode, d. h. es ist Mode sie zu lesen und sie zu schreiben; sobald sich nun der Charakter jenes seltsamen Landes und Volkes treu in ihnen abspiegelt, können wir es uns kaum verhehlen, daß ein widerlicher Hauch der Krankheit uns daraus entgegen weht. Fäulniß vor der Reife scheint das Charakteristicum eines Volkscharakters zu sein, in dem das höchste Raffinement der äußern Lebensführung mit tief innerlicher Rohheit sich eng durchdringt. Der Verfasser des oben genannten sehr interessanten Romans (wenn nicht unter dem Pfeudonym ein neues Frauentalent sich verbirgt) hat das Verdienst, jene russische Eigenthümlichkeit durch feine, glücklich schattirte Ausführung seiner Hauptcharaktere lebendig zur Anschauung gebracht zu haben. Er handhabt sein russisches Material mit wohlthuender Sicherheit; seine Schule jedoch ist ganz deutsch. Schuld und Sühne erschien zuerst in einer unserer größten Zeitschriften: vielleicht irren wir, wenn wir jener stückweisen Veröffentlichung, welche ein nothwendiges Uebel dieser sonst so günstigen Verbreitungsart belletristischer Erzeugnisse ist, einen ungünstigen Einfluß auf die „Mache“ des Romans zuschreiben, dessen Katastrophen sich derartig auf die ganze Länge deffelben vertheilen, daß der Leser nicht recht zur Ruhe kommt.

S. I.....8.

Aus dem alten Hause am Johannisplake, so betitelt sich eine uns vorliegende novellistische Arbeit, welche der Verfasser wunderlicher Weise ein Seitenstück zu E. Marlitt's Geheimniß der alten Mamsell“ nennt. Wir sind keine Marlitt-Enthusiasten, haben in diesen Blättern schon wiederholt auf das Bedenkliche dieser Richtung hingewiesen und bedauert, daß ein so schönes Talent offenbar auf eine abschüssige Bahn gerathen ift; dagegen möchten wir E. Marlitt aber doch in Schuß nehmen, daß dieses Buch ein Seitenstück ihres „Geheimnisses der alten Mamsell“ sein soll. Die einzige Aehnlichkeit zwischen den beiden Arbeiten besteht darin, daß in beiden von einem Geheimniß die Rede ist, während es aber in dem Marlittschen Roman wirklich von entscheidendem Einfluß auf den Gang der Handlung ist, hat es hier gar nichts zu bedeuten, ist im Grunde gar kein Geheimniß, so daß der die Aufklärung enthaltende Brief verbrannt werden. kann, ohne daß dies nur die entfernteste Einwirkung auf das Schicksal der damit verknüpften Personen übte. Ein Roman oder eine Novelle könnte aber ohne ein Seitenstück des Marlittschen Romans zu sein, sich doch sehr gut als eine tüchtige, hervorragende bellettristische Arbeit erweisen; wir können dem „,alten Hause am Johannisplaye“ diese Stelle weder nach Inhalt, noch nach Darstellung anweisen; wohl aber können wir ihm das Zeugniß ausstellen, daß es sich über die Mittelmäßigkeit erhebt und nicht dem Schlage des ganz gewöhnlichen Leihbibliothek-Futters zuzuzählen ist. J. H.

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aber oft etwas zu phrasenreicher Sprache, die schließlich manierirt erscheint, wickelt sich die Erzählung ab und bringt eine gewiffe sociale Seite, die schon so mannigfache Bearbeitung und Darstellung gefunden, recht treffend zur Anschauung, nämlich die Unterdrückung der Fabrik-Arbeiter durch herzlose und geldgierige Fabrikanten. Wenn auch die Erposition des Ganzen nicht in allen Theilen der schaffenden Kunst gerecht wird und namentlich die verschiedenen, zur Durchführung des Grundgedankens nothwendigen Verhältnisse theilweise etwas erzwungen sind, so ift doch in recht plastischen Zügen die physische und geistige Noth der armen Fabrik-Arbeiter geschildert. Gleichwohl möchten wir dem wohlmeinenden Verf. rathen, sich künftig von allen romantischen Uebertreibungen fern zu halten und auch die Kehrseite der Medaille nicht außer Acht zu lassen.

„Von Oben“, ist der Titel einer kleinen Dichtung von Hermann Heine, der darin einige sociale Gedanken niedergelegt, deren wiederkehrender Grundgedanke Schiller's Wort: „Und der Segen kömmt von oben" ist.") Neue Gedanken sind es allerdings nicht, die wir hier finden; es sind die alten Gedanken der Religion der Liebe, denen man nur von Herzen wünschen kann, daß sie mehr und mehr Gemeingut werden. Der Verfasser schließt seine poetischen Ermahnungen mit folgenden Worten: Ift denn das große Räthsel unsrer Tage So schwierig für den menschlichen Verstand, Daß er für unsrer Zeiten größte Frage

Noch nicht die Antwort, nicht die Lösung fand?!
Die Liebe muß die Herzen ganz durchdringen,
Die jezt der Eigennuß und Hochmuth nährt;
Der Liebe kann das Werk allein gelingen,
Der Liebe, die den Haß in Liebe kehrt!
Von Oben muß zuerst die Liebe kommen,
Die wie ein Feuer durch die Herzen brennt;
Dann ist der schwere Bann hinweggenommen,
Der jezt die Herzen von den Herzen trennt!
Versuch' es nur, den Nächsten so zu lieben,
Wie Du Dich selber liebst, versuch' es nur,
'S ist Deine Pflicht, ist sie auch schwer zu üben,
Folgt doch der reichste Segen ihrer Spur!
Je mehr Du liebst, je höher stehst Du oben,
Je reicher ist der Segen, den Du giebst;
Kein größrer Segen ist Dir aufgehoben,
Als der, den Du erfährst, je mehr Du liebst!
Das ist die Lösung für die Lebensfrage,
Die in dem Drang der Zeiten sich gezeigt;
Nach Lösung ringt die Weisheit unsrer Tage,
Sie ist so schwer, und doch ist sie so leicht!

Literarischer Sprechsaal.

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In Kopenhagen ist kürzlich ein Briefwechsel aus der Zeit des ftebenjährigen Krieges zwischen einem berühmten dänischen Minister, dem Grafen Bernstorff, und dem französischen Minister, Herzog v. Choiseul, dem bekannten Schüßling der

*) Von Oben. Soziale Gedanken von Hermann Heize. Deffau, Ed. Heine. (12 S. in 12. Pr. 2 Sgr. 24 Er. 14 Chlr.)

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