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zweigen schreibe ich vorzugsweise Bedeutung für das Verständnis der sozialen Fragen der Gegenwart und Zukunft zu, daneben aber mag man vieles andere treiben, was zur Anregung des Geistes und Läuterung des Herzens geeignet erscheint. Ja, um die höheren Erziehungsresultate zu erreichen, welche die sozialen Kämpfe der Gegenwart erheischen, wird man sicherlich den Beistand mancher anderen Disziplinen in Anspruch nehmen müssen.

Eine Schulung des Verstandes wird neben der Übermittelung positiver Kenntnisse absolut notwendig sein, und für diesen Zweck halte ich die Naturwissenschaften für besonders geeignet. Die Grundlage alles wissenschaftlichen Strebens ist die Liebe zur Sache, und diese zu erhalten und stets neu zu entzünden wird eine grundlegende Aufgabe der Schule der Zukunft sein. Eigenes Interesse an der Sache, nicht widerwillig ge= leistete Arbeit im Hinblick auf materielle Vorteile hat alle großen Fortschritte der Wissenschaft hervorgebracht, und diesen mächtigen Impuls sollte man bei der Erziehung in der Jugend stets lebendig erhalten. Nächst der Liebe zur Sache ist es besonders wichtig, dem jungen Manne jene Ehrfurcht vor den Tatsachen einzuflößen, welche die Beschäftigung mit den exakten Wissenschaften hervorbringt. Vor der Macht der Tatsachen muß er Liebe, Haß, Ehrfurcht und alle Sucht zu idealisiren, welche man gegenwärtig so eifrig pflegt, unterdrücken lernen. Eine Sache, die hart, bitter und häßlich ist, mit schönen Farben zu verkleistern, ist nicht Idealismus, sondern Lüge.

Der Idealismus der Gesinnung liegt nicht darin, daß man das Häßliche, Unreine, Traurige ignorirt und verschweigt, und die Welt durch rosige Brillengläser betrachtet, sondern darin, daß man sein Lebensblut daran sezt, das Schlechte zu bessern. Jener falsche Idealismus, der mit Phantomen spekulirt, wo er reelle Dinge abwägen sollte, führt überall zu Niederlagen und Mißerfolgen, besonders aber macht er in der Politik kläglich Fiasko. Wer die Tatsachen nach seinem Willen lenken will, muß sich bemühen, ihre Gesege zu ergründen; das gilt vor allen Dingen auch von den Tatsachen der Psychologie. Der Stoff, den der Staatsmann nach seinem Willen formen möchte, sind die Handlungen und Gefühle der Menschen. Auch für die Förderung einer psychologisch richtigen Beurteilung der menschlichen Natur kann die Schule das ihrige tun. Freilich nicht, indem man Kompendien paragraphenweise durchnimmt. Die Psychologie, auf welche es hier ankommt, ist nicht so sehr das Verständnis für die Empfindungs- und Denkweise des einzelnen Individuums, als vielmehr das Eingehen auf die großen Geseße, welche das Gefühlsleben der Völker beherrschen. Einen Einblick in diese Wissenschaft gewähren die Werke zuverlässiger Historiker, wenn sie den jungen Lesern von welterfahrenen und kenntnisreichen Männern erläutert werden.

Die Gewohnheit, scharf zu denken, richtige Schlußfolgerungen zu ziehen, kann man schwach beanlagten Köpfen faum einprägen. Aber es lassen sich manche Hindernisse hinwegräumen, welche auch die besten Köpfe verwirren. Wenn es möglich wäre, der Jugend ein tiefes, gewohnheitsmäßiges Mißtrauen gegen alle allgemeinen Urteile, gegen alle großen Worte, alle angestammten Gemeinpläge, furz gegen alles einzuflößen, was sie nur zu gern ohne Prüfung und ohne volles Verständnis acceptirt, so würde damit sicherlich schon viel zur Pflege rationellen Denkens getan sein.

Nichts ohne Prüfung für gewißz anzunehmen, blos weil es der oder jener versichert, weil es allgemein so gesagt wird, weil es irgendwo geschrieben steht, ist eine sichere Basis zur intellektuellen Schulung für Männer, welche die bestehenden Verhältnisse richtig beurteilen, und was Not tut, entdecken sollen

Eine so gewissenhafte kritische Haltung allem gegenüber was sich nicht genügend legitimiren kann, ist die beste Vorbereitung zur Pflege der moralischen Tugend der Wahrhaftigkeit. Die Wahrheit ist kein übler Bundesgenosse im Kampfe streitender Parteien, und wer sich den Sieg dauernd sichern will, muß sich unbedingte Wahrheitsliebe zur heiligsten Pflicht machen. Da die Wahrheit aber keine ein für allemal gegebene Größe ist, sondern täglich von neuem erforscht und von den verschiedensten Menschen entdeckt wird, so ist die erste Pflicht der Wahrheitsliebe, stets neuen Belehrungen sein Ohr offen zu halten. Neue Wahrheiten nimmt jeder gern und bereitwillig an, wenn sie ihm sympathische oder schmeichelhafte Resultate darbieten. Aber die Jugend sollte früh daran gewöhnt werden, auch unangenehme, verlegende Wahrheiten dankbar anzunehmen. der Geist der Toleranz schon in der Schule großgezogen wird, wird man später im politischen Leben niemals wieder zu der gehässigen und unwirksamen Taktik seine Zuflucht nehmen, die Wahrheit zu unterdrücken, indem man Leute, die andere Überzeugungen haben als wir, mit Gewalt mundtot zu machen sucht. Auch unsere heiligsten Überzeugungen und erhabendsten Ideale müssen im Feuer der Diskussion beständig geläutert und gefestigt werden. Bestehen sie diese Feuerprobe nicht, so sind sie des Schweißes und Blutes der Edlen nicht wert.

Wenn

Nächst der Pflege der Wahrheitsliebe ist die des Mitgefühls gegen den Nächsten als eine Aufgabe der Schule, zu bezeichnen. Wenn irgendwo das Christentum cine Aufgabe zu erfüllen hat, so ist es hier. Der Glaube hat seine Wunder getan, jest drängen die Zeiten dazu, daß auch die Liebe die ihrigen tue. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" sollte über dem Tore jeder Erziehungsanstalt geschrieben stehen, und diese Lehre sollte den belebenden Hauch für den ganzen Unterricht der Jugend bilden. Aber dieser Sag wird, wie es scheint, in unseren Tagen nicht immer richtig aufgefaßt, und bedarf vielleicht eines zeitgemäßen Kommentars. Nicht das heißt unseren Nächsten lieben, wenn wir ihm im Gefühle unserer ungeheuer überlegenen Bildung und höheren Stellung hie und da ein kärgliches liches Almosen zufließen lassen. Wenn wir unsern Nächsten lieben wie uns selbst, so müssen wir ihn auch achten wie uns selbst, ihm dieselben Wohltaten, Freuden und Genüsse gönnen, wie uns selbst, kurz in ihm wahrhaft Unseresgleichen, unseren Bruder sehn. Wir sollten empfinden, daß seine Leiden und Freuden den unsrigen gleichwertig sind, daß seine Tugenden die unsrigen, trop unserer höheren Bildung oft weit übertreffen, und daß seine gedrückte Lage oftmals einen Heldenmut im Ertragen erfordert, der uns fremd ist. Man sollte die Jugend die Bücher der Geschichte unseres Vaterlandes durchforschen lehren, um alle die stummen, verschollenen Großtaten des Volkes ans Tageslicht zu ziehen, die Thaten ausharrender Arbeit, langmütiger Geduld, uneigennüßiger Vaterlandsliebe, aufopfernder Treue, welche die Hofhistoriographen nur so nebenbei als unwichtige Nebensachen mit ein paar flüchtigen Zeilen berühren, um die ganze Kraft ihrer Lungen und den ganzen Wiß ihres.

Gehirns auf die Verherrlichung irgend eines glorreichen Krieges zu verwenden.

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Als legte Aufgabe der Schulen der Zukunft möchte ich die Pflege des persönlichen Mutes aufstellen, freilich nicht jenes Mutes, den der Gladiator in der Arena, der Kavalier im Duell beweisen, sondern jener helden mütigen Gesinnung, welche alle Märtyrer für den Fortschritt des Menschengeschlechts ausgezeichnet hat. Jener Geist muß herangebildet werden, den weder die Ungnade eines Fürsten noch das Toben einer entfesselten Volksmenge in seinen Grundsäßen zu erschüttern vermag, den weder Ehrenbezeugungen noch Dotationen bestechen können, und der dennoch für Belehrung und bessere Er kenntnis stets empfänglich bleibt; jene große Entschlossen heit, welche sich ein für allemal dafür entschieden hat, unter dem Banner der Wahrheit zu fechten und zu fallen. Die Jugend ist für Heldentaten und Helden charaktere nicht unempfänglich und man könnte den tapferen ritterlichen Geist, der gesund empfindenden Knaben eigen ist, durch die Lektüre geeigneter Biographieen und Episoden aus der Geschichte ohne große Schwierig feit von jenen bluttriefenden Idealen großer Kriegshelden auf die Bewunderung reinerer Heldentaten für das Wohl der Menschheit lenken.

„Und diese zahme, moralische Dressur hälst du für eine geeigte Vorbildung zum Kampfe gegen die lernäische Hydra des Sozialismus? Schwerlich werden die besigenden Klassen durch solche meuschenfreundlichen Experimente zum Siege gelangen." Das kommt darauf an, wie man sich den Sieg vorstellt. Ich kann mir keinen anderen wahren Sieg über Mitbürger und Brüder denken, als den warmen Händedruck einer aufrichtigen und dauernden Versöhnung; und zu einem solchen Siege dürften die angedeuteten moralischen Ideale, wenn sie verwirklicht werden sollten, doch noch etwas beitragen.

Die Krisis im berliner Schauspielhause. Bon Friz Mauthner.

man

Schneller als ich es selbst ahnen konnte, ist die Prophezeiung eingetroffen, welche ich vor acht Tagen gewagt hatte. Die große Veränderung ist am legten Sonntag geschehen. Herr Otto Devrient ist nicht mehr Direktor des Königlichen Schauspielhauses; der Majoratsherr des Hauses Devrient ist muß wohl so sagen — mediatisirt worden. Da ich ihm sein Zeugnis 24 Stunden vor der Entlassung zu schreiben so kühn war, darf ich wohl jest darauf verzichten, dem allgemeinen Urteil über die Fehler seiner Amtsführung zuzustimmen. Er war als Kleinstädter auf seinem Posten unmöglich, weil er nicht jung genug war, in die großstädtischen Verhältnisse hinein zu wachsen.

Die Krisen der Königlichen Schauspiele stehen wahrscheinlich jezt vor einer Lösung, welche auf lange Jahre hinaus wirksam bleiben wird. Aber diese Lösung ist heute um vieles schwieriger, als sie etwa vor 15 oder 20 Jahren war. Damals besaß das Königliche Schauspielhaus zwar nicht das rechtliche, wohl aber das tatsächliche Monopol für die Aufführung litterarisch möglicher Drainen. Nur am Horizonte Berlins, im äußersten Norden und später im äußersten Osten, tauchten Unternehmungen auf, welche den ärmeren Volksklassen jener Gegenden den Schiller gegen bescheidenes Eintrittsgeld herunter spielen wollten. Und es ist ein lehrhaftes Zeichen der Zeit, daß in einem dieser Theater des Horizonts gegenwärtig die revolutionirenden Dramen Jbsens ge= geben werden.

Die lezte Zeit des Herrn von Hülsen war eine unaufhörliche Krise. Der alte Kaiser Wilhelm wünschte keine Personalveränderungen mehr, wenn sie für den Staat nicht von großer Wichtigkeit wären, und so durfte auf dem Gebiete der drama= tischen Kunst alles beim alten bleiben, d. h. rückwärts gehen. Die machtlosen Leiter der Hofbühne wechselten, der allmächtige Intendant, der übrigens seinen Künstlern ein lieber Herr war, blieb. Im Jahre 1879 war plößlich Aussicht vorhanden, den alten Laube für Berlin zu gewinnen. Die Briefe, welche er mir damals schrieb und welche nun vor mir liegen, zeigen deutlich den Gegensatz zwischen damals und jezt.

Er schrieb am 7. August: „Zum Ziele kommen wir da wohl nicht. Hülsen tut's nicht; jedenfalls kaum mit den Vollmachten, welche man dort braucht, um neu zu schaffen. Sehen wir eine Weile zu."

Dann am 11. August: „Ich weiß selbst noch nicht, lieber Freund, ob es für mich geraten wäre, auf meine alten Tage noch einmal umzusiedeln. Ich weiß nur, daß ich meine leßten Lebensjahre dazu anwenden möchte, an so wichtiger Stelle ein gutes Schauspiel zu errichten, welches durch gutes Beispiel dem ganzen deutschen Theater nüßen würde. ... Vor 12 Jahren scheiterte die Unterhandlung mit mir daran, daß er seine Vollmachten nicht abtreten könne. Was hat er damit geschaffen? Was hätte ich in 12 Jahren schaffen können!"

Ich habe persönliche Ausfälle weggelassen. Heinrich Laube hat, wie die inzwischen von Strakosch in der „Neuen Freien Presse" veröffentlichten Briefe beweisen, damals als Diplomat gehandelt und geschrieben. Er wollte Herrn von Hülsen durch. die Drohung, in der Friedrichstadt eine Konkurrenzbühne aufzutun, zur Nachgiebigkeit zwingen. Er dachte dabei zunächst an das damalige Stadttheater. In zweiter Linie nannte er mir die Friedrich-Wilhelmstadt, „wo Hoffmann wohl zu gewinnen wäre".

Als genau 10 Jahre später ein neuer Intendant dem Herrn Devrient alle gewünschten Vollmachten gab, war in die FriedrichWilhelmstadt das Deutsche Theater längst eingezogen und diesem hatte auch schon sein Schauspieler Barnay und sein Dichter Blumenthal je eine Konkurrenzbühne eröffnet. Die Schwierigkeiten wären auch für den alten Laube ungeheuer gewesen, für Herrn Devrient waren sie unüberwindlich.

Aber diese Schwierigkeiten betreffen doch in erster Reihe den Geldpunkt. Das Schauspielhaus war unter Hülsen die Goldquelle, aus welcher das kostspielige Opernhaus unterhalten wurde. Nun droht dem Opernhaus bekanntlich seit Jahr und Tag eben= falls ein Konkurrenzunternehmen. Die Schwierigkeiten würden unter solchen Umständen wachsen und die kaiserliche Unterstüßung der Hofbühnen würde ins Ungemessene gesteigert werden müssen. Es ist sonach wohl zu glauben, daß an hoher Stelle Vorschläge erwogen werden, welche die ganze Grundlage der alten Einrichtung der Königlichen Schauspiele umformen sollen.

Eigentlich geht aber die finanzielle Seite der Hoftheaterfrage die Öffentlichkeit herzlich wenig an. Und auch die Einmengung in die künstlerische Seite der Frage ist ein historisches Recht, welches sich in sehr merkwürdiger Weise entwickelt hat. Die Kunstinstitute der europäischen Höfe find unter den politischen Veränderungen der lezten 100 Jahre nicht gleichmäßig weiter verwaltet worden. Während die Gemäldegallerien zum Teil vollständig in den verantwortlichen Besiz des Staates übergegangen sind, hängen die Hoftheater überall mehr oder weniger wirklich vom Hofe ab. Und eine Pflicht, mit diesen Hofinstituten den edlen Aufgaben des nationalen Dramas zu dienen, ergiebt sich darum nur aus dem Noblesse oblige. Daher kommt es, daß die Krone vollkommen frei die Wahl von Männern treffen kann, welche dann im höchsten Maße der öffentlichen Beurteilung unterliegen. Der Leiter einer großen Bühne wird direkt und indirekt vielleicht noch häufiger kritisirt als der deutsche Reichskanzler.

Unsere Zeitungen haben die Beschäftigung mit dem Theaterwesen aus stillen und politischen Zeiten herübergerettet, und es giebt Blätter, welche nicht nur jedem neuen Drama, sondern auch jeder neuen Phase in der geheimen Besehungsgeschichte des Stückes einen Teil ihres Raumes widmen. So wird auch in den nächsten Wochen über die Persönlichkeit des neuen Direktors in Berlin wenigstens nicht weniger geschrieben werden, als über einen neuen Minister.

Soviel scheint gewiß, daß der kommende Mann aus dem Kreise derer hervorgehen wird, die ihren Beruf verfehlt haben. Es wird nicht ein junger Beamter oder Offizier, sondern entweder ein Schauspieler oder ein Schriftsteller sein. Selbst= verständlich werden auch die nötigen Namen schon genannt. Ich halte es aber für falsch, die Minderwertigkeit von braven Männern zu behaupten oder zu erweisen, welche um das Amt eines Hoftheater-Direktors nicht offiziell kandidiren. Darum lassen sich die Forderungen, welche an den fünftigen Direktor zu stellen wären, nur allgemein an einem Ideal zusammenstellen.

Die erste Bedingung wäre: der Leiter derjenigen Bühne, welche die erste Deutschlands werden soll, muß eine litterarische Persönlichkeit sein. Ob er augenblicklich gerade litterarisch tätig

ist, darauf kommt es ja nicht an; er kann sich bei der Volkszählung meinetwegen als Professor, als Geheimrat, als Schauspieler, als Dichter oder sogar als Journalist gemeldet haben. Er darf nur in litterarischen Dingen kein Blageur sein, er muß da auf der Höhe stehen. Der Hoftheater-Direktor von Berlin muß ferner eine vornehme Natur sein, damit in dem unausbleiblichen Konkurrenzkampfe die Würde des Hauses nicht neuen

Schaden leide. Ich glaube nicht mit dieser Bedingung auch

adelige Herkunft gefordert zu haben. Der kommende Mann muß ferner in geistiger Beziehung vorurteilslos und frei denken, weil das deutsche Drama von jeher die geistige Freiheit zum Aus gangspunkte und zum Ziele hatte. Er muß einen seltenen Geschmack besitzen, um sich in den Schöpfungen der Gegenwart von keiner unglücklichen Mode mit fortreißen zu lassen. Er muß ein organisatorischer Kopf sein und bis zu einem gewissen Grade auch ein geschäftskundiger Mann, um gegenüber seinen Kollegen nicht den kürzeren zu ziehen. Er muß ein Charakter sein, um seine Macht nicht von allen Seiten verringern zu lassen, und doch konzilianter Weltmann genug, um bei Hofe bestehen zu können. Und zu alledem muß er lebendiges Theaterblut in den Adern haben, weil er sich sonst zu jeder anderen leitenden Stellung ebenso gut eignen würde, wie zu der eines Hoftheater-Direktors. Gefordert wird also nichts weiter als: Litteratur, Vornehmheit, Geistesfreiheit, Geschmack, Organisationskraft, Geschäftskenntnis, Charakter, Schmiegsamkeit und Theaterblut. Ich fürchte, so viele sich auch auf dieses Programm hin melden würden, die Auswahl wäre nicht groß. Die Menschen täuschen sich so häufig über ihre eigene Natur.

Liebe und kornpreise.

Von August Strindberg.
(Schluß.)

„Kannst du dir denken, Erdbeeren für 1 Krone 50 die Kanne, zu dieser Jahreszeit!"

Ludwig, Ludwig, wie soll das enden?"

„Pah, aber auf welche Bedingungen!“

„Laß uns jezt nicht über Geschäftssachen sprechen! Waren die Erdbeeren nicht gut? Wie! Würde es nicht schmecken, ein Glas Sherry hinterher zu trinken? Was beliebt? Lina! Geh nach dem Laden und hole eine Flasche Sherry. Pah! Echten!"

Nachdem er auf dem Salonsopha zu Mittag ge= schlafen, bat die Frau ihn einen Augenblick zu sprechen. Er dürfe aber nicht böse werden!

Böse? Er! Gott bewahr! Wirtschaftsgeld, kann mir denken!

„Nun ja! Das Krämerbuch war nicht bezahlt! Der Schlächter hatte gefordert, der Mietskutscher „lief“, es war mit einem Wort unausstehlich!"

„Nichts als das! Sie sollten morgen am Tage jeden Schilling haben! Wie unverschämt, solcher Lappalien wegen mahnen kommen! Jeden einzigen Schilling sollten sie morgen haben, und dabei einen Kunden verlieren! Aber jezt nichts mehr von dieser Sache. Wir wollen spazieren gehen. Kein Wagen. Wir wollen mit der Pferdebahn nach dem Tiergarten fahren und uns da ein bischen erquicken.“

Und sie fuhren nach dem Tiergarten. Als sie in Alhambra eintraten und ein cabinet particulier nahmen, flüsterten die jungen Herren im großen Saal.

Sie glauben, wir gehen auf Abenteuer. Wie amüsant! Wie närrisch!" Der Frau aber war es nicht ganz recht!

„Und die Rechnung hinterdrein! Wären wir stat dessen zu Hause geblieben, was hätten wir nicht alles für das Geld gehabt!"

Monate vergehen! Die Zeit rückt heran. Wiege und Kleidungsstückchen müssen angeschafft werden. Und noch so manches andere. Herr Ludwig ist den ganzen Tagaus in Geschäften. Die Kornpreise aber sind gestiegen. Die harten Zeiten rücken heran! Keine Überseßung, keine Korrektur. Die Menschen sind Materialisten geworden. Sie lesen feine Bücher mehr, sie kaufen Effen für ihr Geld.

Welch krasse, prosaische Zeit, in der wir leben! Die Ideale verschwinden aus dem Leben, und die Schneehühner werden nicht unter zwei Kronen das Paar verkauft. Die Mietskutscher wollen keinen Notar gratis nach dem Tiergarten fahren, denn sie haben auch Frau und Kind, und der Kaufmann will noch obendrein Bezahlung für seine Waren. O, was für Realisten!

Der Tag kommt, und die Nacht rückt heran! Er muß sich ankleiden und nach der Hebamme laufen! Er muß vom Krankenbett gehen, um die Gläubiger im

„Das wird famos gehen. Habe heute eine Über- Korridor zu empfangen. Und dann hält er seine Tochter segung bekommen !"

in den Armen! Da weint er, denn er fühlt die Verantwortung, eine Verantwortung, die schwerer ist, als

Du hast ja aber Schulden, Ludwig! „Bagatellen! Bagatellen! Wart' blos, bis ich seine Kraft sie tragen kann, und er giebt sich neue Vermeine große Anleihe gemacht!" sprechungen. Seine Nerven aber find in Unordnung. Er Deine Anleihe? Das wird ja eine neue Schuld?" hat eine übersehung erhalten, er kann aber nicht dabei

fizen bleiben, denn er muß unaufhörlich in Geschäften sollte sie in den leeren Zimmern! Nein, es war beffer auswärts sein. so. Sie hatte es ja gut!

Er stürzt hinauf zum Schwiegervater, der zur Städt gekommen ist, mit der frohen Neuigkeit.

"Ich bin Vater!"

Und nun fing der Ernst des grausamen Lebens an! Er wurde bei einer Morgenzeitung angestellt als Korrekturleser. Um Mitternacht sollte er auf dem Bureau

„Gut,“ sagt der Schwiegervater, „hast du Brot sein und um drei Uhr weggehen. Er durfte seinen für das Kind?"

"Für den Augenblick nicht. Schwiegerpapa, du mußt helfen!"

"Für den Augenblick, ja. Künftig aber nicht! Habe nicht mehr, als was sie und die anderen Kinder brauchen!"

Und jezt muß die Frau Hühner haben, die er selbst auf dem Heumarkt einkauft, und Johannisberger zu sechs Kronen die Flasche. Echt muß er sein!

Und die Hebamme bekommt hundert Kronen. „Weshalb sollen wir weniger geben als die Andern. Gaben sie nicht hundert bei Kapitäns?“

Bald ist die Frau wieder auf den Beinen. Ach, ganz wie ein kleines Mädchen ist sie wieder, die Taille so schlank wie eine Weide, ein bischen blaß, aber es steht ihr.

Plaz im Amte behalten, da es nicht zum Konkurs gekommen war, aber mit der Beförderung war's aus. Schließlich wurde es ihm erlaubt, seine Frau und Tochter einmal in der Woche zu besuchen, aber immer unter Bewachung. Und am Sonnabend mußte er immer die Nacht in einer Kammer neben dem Schwiegervater schlafen. Am Sonntagabend reiste er dann wieder zur Stadt, denn die Zeitung erschien am Montagmorgen.

Und wenn er dann Abschied nimmt von Frau und Tochter, die ihn bis zur Gartentür begleiten, und er ihnen vom lezten Hügel aus noch einmal zuwinkt, fühlt er sich so elend, so unglücklich, so gedemütigt. Und sie erst recht!

Er hat ausgerechnet, daß er zwanzig Jahre brauchen wird, um seine Schulden zu bezahlen! Und Der Schwiegervater kommt zu ihnen und spricht was dann? Dann kann er doch noch nicht Frau und wieder allein zu Ludwig.

„Nun bist du so gut, mir eine Zeitlang nicht mit mehr Kindern zu kommen," sagt er, sonst bist du ruinirt. Lieben, das wollen schon alle jungen Leute, spielen, sich amüsieren, aber die Verantwortung!"

„Schwiegerpapa ist auch Materialist geworden! O, diese jämmerliche Zeit. Keine Ideale mehr!"

Das Haus war unterminirt. Die Liebe lebte, denn sie war stark, und das Gemüt der jungen Leute war weich. Das Exekutionswesen war aber nicht weich. Die Auspfändung stand bevor und es wurde mit Konkurs gedroht. Dann lieber Auspfändung.

Der Schwiegervater kam mit einem großen Riesenwagen und holte seine Tochter nebst Enkelin zu sich aufs Land, und verbot dem Gatten, sich zu zeigen, ehe er Brot hatte und seine Schulden bezahlt waren. Zu seiner Tochter sagte er nichts, wie er sie aber heimführte, war es ihm, als käme er zurück mit einer Verführten. Er hatte sein unschuldiges Kind einem jungen Herrn auf ein Jahr ausgeliehen, und nun hatte er sie zurück erhalten. Sie wäre schon bei ihrem Manne geblieben, sie konnte aber nicht mit ihrem Kinde auf der Straße wohnen!

Und Herr Ludwig mußte dableiben und zusehen, wie sein Heim geplündert wurde. Es war ja aber nicht seines, da er es nicht bezahlt hatte. Hu! Die zwei Herren mit den Kneifern nahmen die Bettstellen mit den Betten; sie nahmen die Kupferkasserolen und das Blechgeschirr; das Tischservice, den Kronleuchter, die anderen Leuchter, alles, alles! Und wie er da allein stand in den zwei Zimmern, o wie leer, wie elend war es. Hätte er sie nur gehabt! Aber was

Kind ernähren! Aber seine Hoffnungen? Reine! Wenn der Schwiegervater stirbt, stehen Frau und Kind mit leeren Händen da, und er wagt es nicht, ihre einzige Stüße aus dem Leben hinaus zu wünschen.

D, wie grausam ist das Leben doch, daß es den Menschenkindern nicht Nahrung verschaffen kann, da es doch allen anderen lebenden Wesen Nahrung giebt.

D, wie grausam, wie grausam! Daß das Leben nicht allen Menschenkindern Schneehühner und Erdbeeren geben kann! Wie grausam, wie grausam!

Litterarische Neuigkeiten.

Julius Weil: Unser Rudolf. Eine heitere Familienchronil. Berlin. Ecksteins Nachf. Mk. 1,50.

noch so selten, die liebenswürdige Arbeit eines echten Humoristen. Das hübsch ausgestattete Büchlein bietet, was leider bei uns Julius Weil zeigt sich hier in der liebevollen, harmlosen_Bestellung und den mancherlei feinsinnigen psychologischen Beobhandlung des Familienlebens, in der launigen, humorvollen Darachtungen verwant mit Salvatore Farina. In dem ganzen Büchlein ist nichts, was man anders haben möchte, vertraut wie alte liebe Bekannte stehen die einzelnen Figuren vor uns. Die Form der Darstellung ist sehr ansprechend und originell, die Schilderung im Einzelnen von intimem Reiz und ungesuchter Liebenswürdigkeit. Ein sehr erfreuliches Buch. Ph. St.

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Gedichte von Otto Sievers. Mit dem Bildnis des Dichters. Braunschweig. Goeriz. Mt. 2,70.

Der Dichter, dessen litterarhistorische Arbeiten und dramatische Versuche viel Anerkennung gefunden haben, ist, erst vierzig Jahre alt, im Juli 1889 verstorben. Man ward auf Sievers in weiteren Kreisen aufmerksam, als seine Bearbeitung des Schillerschen Demetrius-Fragments in Leipzig mit so großem Erfolge aufgeführt worden. Jeßt liegt aus dem Nachlaß des Dichters ein Band Gedichte vor, von denen der Herausgeber in seiner liebevollen Würdigung des Verstorbenen sagt: „es leuchtet aus ihnen mit seinem unverkennbaren lebensvollen Ausdruck bald milde

und weich, bald tiefernst und gedankenvoll, bald in Begeisterung leuchtend, bald in elegischen Träumen versunken das geistige Antlitz des Dichters entgegen". Die vorliegenden lyrischen Dichtungen sind in der Form meist vollendet, in der Stimmung ganz vorzüglich. Das gilt in gleichem Maße von den Balladen, in denen jedoch vielfach das rhetorische Element überwiegt. Noch vollendeter fast spricht sich des Dichters großes Können, die Tiefe seiner Empfindung und auf der anderen Seite sein tiefgreifender grübelnder Verstand in der Elegie und in der Allegorie aus. Durch alle Dichtungen aber geht ein feines Gefühl für Melodik und Rhythmus; auch wenn ein Gedanke, eine Wendung aus pessimistischer Stimmung geflossen, ist die Form von Wohllaut und leuchtender Schönheit erfüllt. Aus diesem Buche spricht ein großes Talent, das sich wohl noch manch wohlverdienten Erfolg errungen hätte.

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L. N.

Geschichte des Deutschen Bolkes. Dargestellt von G. Dittmar. Bd. I. Heidelberg. Winter. Mr. 5,00.

Von dem auf drei Bände (in 15 Lieferungen) veranlagten Geschichtswerk liegt bis jeßt der erste Band, der bis zum Entscheidungskampf zwischen Kaisertum und Papsttum unter den Kaisern aus dem staufischen Hause reicht, also die Bemühungen der römisch-deutschen Kaiser um Aufrichtung eines Universalstaats, das Scheitern dieser Bestrebungen und die Aufrichtung der kirchlichen Weltherrschaft schildert. Der zweite Band, mit der Länderund Städtegeschichte einseßend, wird die Auflösung der Universalfirche und des deutschen Reichs darstellen, der dritte die Geschichte Deutschlands im Anschluß an die des brandenburgisch-preußischen Staates bis zur Gegenwart fortführen. Die Behandlung des Stoffes in dem vorliegenden Bande (566 Seiten) läßt erwarten, daß auch das Gesamtwerk sich von einseitiger Behandlung frei= halten wird. Durchweg ist der Zusammenhang der Geschicke Deutschlands mit dem Verlauf der allgemeinen Geschichte festgehalten, die Wechselbeziehungen sind klar und anschaulich betont, in sehr ansprechender Weise sind die treibenden Ideen berücksichtigt und so ein die Geschehnisse erhellender kulturhistorischer Hintergrund geschaffen. Mit Recht ist hier der Geschichte des arabischen Volkes eine eingehende Betrachtung gewidmet und dadurch Verständnis geschaffen für jene Blüte deutschen Geisteslebens unter den Staufen, welche den in mancherlei Kanälen dem Germanentum zugeflossenen arabischen Kulturelementen so viel verdankt. In anziehender Darstellung und gutem Blick zeigt Dittmar zum Schluß dieses ersten Bandes, wie gerade die Kreuzzüge das meiste dazu getan, die kirchliche Kultur des Mittelalters zu brechen und den Weg zu bahnen freier Entfaltung individuellen Lebens. -rg.

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Gustav v. Prielmayer: Der Bauer auf dem Kreuzhöfe. Leipzig. Barth. Mk. 5,00.

Eine Erzählung aus dem Berchtesgadener Lande, von starrköpfigen Bauern handelnd, aber ausnahmsweise nicht von Wilderern. Prielmayer erzählt fesselnd und spannend, mit geschickter Verwendung des Dialekts. Doch auch ohnedies wäre die Stimmung gut getroffen, nur muß der Verfasser noch mehr bemüht sein, hinter seinen Gestalten zu verschwinden und nicht zu erklären, was aus Wort oder Tat seiner Figuren sich selbst erklären müßte. Das Lokalfolorit, die Schilderung des Landschaftlichen, auch die knappe Charakterzeichnung sind recht gelungen; in der Schürzung des Konflikts macht der Verfasser die Leser freilich allzu sehr zum Mitwisser, so daß wir fühl bleiben, wenn auch die betroffenen Personen noch so schwer zu leiden haben. Die Unruhen über das Schicksal des im Gefängnis schmachtenden, peinlich angeklagten Lenze hätte auch die Leser ergreifen müssen, wenn sie der Autor nicht allzu sehr hinter die Koulissen hätte blicken lassen. Ph. St.

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Nataly von Eschstruth: Im Schellenhemd. Roman. Verlag von Herman Costenoble, Jena.

Die bei allen minniglichen Mägdelein deutscher Nation wohlgelittene Verfasserin führt ihre zarten Leserinnen in diesem zweibändigen Roman tief in die Vergangenheit zurück, in die Zeit Ulrichs von Hutten, da die Zigeuner noch als fahrendes geächtetes Gauklervolk das Land durchzogen und der Romantik des Aberglaubens reichliche Nahrung zuführten. Keine Sorte Romantik ist so alt und verblichen, als daß sie nicht noch den fleißigen schriftstellernden Gänseliseln Stoff zu schön eingebundenen Weihnachtsbüchern gäbe. Die Geschichte des Zigeunerjohnes Irregang, der im Schellenhemde" den Narren der schönen Walpurga spielen muß, während er sie liebt mit der düstern Glut einer wäldergeborenen Zigeunersecle, wirkt tief erschütternd

auf die Herzen der reiferen weiblichen Jugend und nicht minder die Belehrung dieser wohledlen Jungfrau zur süßen Minne, welche dem ritterlichen Jörg von Jassa nach mannigfachem Kreuz und Leiden gelingt. Gleich herzzerbrechend und stilvoll ist die eingeflochtene Liebesepisode des verbannten Herzogs von Württemberg und der schönen und frumben Britta von Hardenau. Und das alles in einem Deutsch, dessen sich das normalste Hoffräulein nicht zu schämen brauchte. Nur finde ich den Titel für dies Meisterwerk der Gänselisel-Litteratur etwas zu naturalistisch. "In der Schellenkappe" hätte auch genügt und hätte als unbewußte litterarische Selbstparodie besser gewirkt. Die Erinnerung an ein so intimes Kleidungsstück, wie das Hemde, ist dagegen shocking. Hiervon abgesehen, ist der Nataly neuester Roman das weihnachtlichste aller Weihnachtsbücher. Die Eschstruth potenzirt mit Julius Wolff und Georg Ebers. Welch ein Comble! A. Bock.

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Der deutsche Frauenverein Reform“, der 1888 begründet wurde, hat seine Lebensfähigkeit unter anderem auch in der zweiten Generalversammlung bewiesen, die im Oktober dieses Jahres in Berlin abgehalten wurde. Die tapfere Vorkämpferin ihrer Schwestern, Frau Kettler, die auch in dieser Versammlung besonders hervortrat, legt in der angeführten Schrift mit dialektischer Schärfe und Gewantheit dar, was die gebildete Frau im Lebenskampfe als ihr Recht beansprucht. Zulassung zum Studium aller Wissenschaften und damit zusammenhängend die Ausübung der gelehrten Berufe, soweit dies heute praktisch durchführbar ist, das ist der Kern dieser Forderungen. Man wird theoretisch den Frauen nicht bestreiten können, daß sie ein Recht haben, sich nach Möglichkeit und Fähigkeit zu bilden und zu betätigen; aber eine Besserung der sozialen Verhältnisse, und zwar gerade des gebildeten Standes, ist in dieser neu erwachenden ungeheuerlichen Konkurrenz nicht zu erblicken. P. M..

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Bum Licht. Gedichte von Hermann Hango. (Adolf Bonz u. Ko., Stuttgart, 1890.)

Es ist schade um diese Dichtungen und noch mehr um den Dichter. Denn fast alles, was der Band enthält, ist der Form nach ganz wunderschön. Auch an poetischer Empfindung fehlt es nicht, und das ernste Streben nach der Vollendung tritt fast in jeder Zeile hervor. Aber damit ist auch das Lob erschöpft. Im übrigen scheint der Verfasser wie mit geschlossenen Augen an der ganzen neueren Zeit und ihren Gedanken vorübergegangen zu sein. Den Inhalt der Gedichte bildet ein Konglomerat von Pessimismus und sentimentaler Romantik. Über die Frage, was einmal sein wird, wenn es keine Menschen mehr auf der Erde giebt, zerbricht sich der Verfasser sorgenvoll den Kopf. Im Beinhaus betrachtet er die nackten Schädel und reflektirt darüber nach Hamletart. Seine Phantasie schildert die Schrecken der Sintflut und den Sieg der Liebe über den Todesgraus. Damit geht dann Hand in Hand eine krankhafte Abneigung gegen Zeitgeist und Gesellschaft. Der Verfasser hat eine förmliche Scheu, sich in den Geist der Zeiten" zu verseßen. Alles, was er aus der Vergangenheit herausgräbt, das wird subjektivirt, in das Romantische und Sentimentale überseßt und damit gefälscht. So leistet sich der Verfasser bei der Nacherzählung der biblischen Geschichte von Jesus und der Chebrecherin im Tempel einen schlechten Scherz. So verrät Judas den Meister, weil die Geliebte sich von ihm abwendet und Jesu dient! Und das alles in vollem Ernst! Diese abgedroschenen Weltschmerzphrasen, diese sentimentale Geschichtsfälschung ließ sich allenfalls in einer Zeit entschuldigen, in denen Byron blühte; aber heute verlangen wir doch etwas mehr Sinn für die Wirklichkeit, etwas mehr Achtung vor der Wahrheit. P. M.

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Buntes Laub. Gedichte von Maria Newack. (Adolf Bonz u. Ko., Stuttgart 1891.)

Die Verfasserin der vorliegenden Gedichte ist in allen Formen und Arten der lyrischen Poesie wohl bewandert. Die verschieden= artigsten Rythmen behandelt sie mit derselben Gewantheit und Sicherheit, wie die heterogensten Gedankengebiete. Besonders ihre Romanzen und Legenden werden ansprechen. Es vereinigt sich in ihnen geschickte Form mit behaglichem Humor und guter Lanne. Doch auch die Stimmungsbilder sind hübsch gedacht und durchgeführt. Alles in allem ein Beweis, daß auf dem so viel durchgeackerten Boden der alten Lyrik immer noch ein neues Blümchen oder ein fruchtbringendes Hälmchen wächst. P. M.

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