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Unberufene Verbefferer von Schillers,,Jung- | ist Johanna verbrannt, da dringen die Franzosen ins

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frau von Orléans." Von Rich. Mahrenholy. Bekanntlich pflegt von unseren größten Dichtern kaum einer in Frankreich so mit allgemeinem Beifall genannt zu werden, wie Schiller, und in der Hauptsache verdankt er dies seiner „Jungfrau von Orléans," die von unseren Nachbarn im Westen als eine nationale Huldigung auf gefaßt wurde. Vordem, in den stürmischen Zeiten des Jakobinertums, hatten auch die Räuber und Fiestos Verschwörung dort lauten Widerhall gefunden, der nicht nur in Uebersetzungen, Bearbeitungen und Besprechungen seinen Ausdruck fand, sondern auch dem „Mr. Gilles, auteur de Robert chef des brigands" das unverdiente Diplom eines Ehrenbürgers der französischen Republik eintrug, welches erst nach jahrelanger Ablagerung an die schwer zu enträtselnde Adresse gelangte. Aber dieser Sensationserfolg ging mit den Tagen vorüber, wo die politische Friedhofs stille der napoleonischen Gewaltherrschaft an die Stelle des lärmenden, gewalttätigen Treibens der Schreckenszeit getreten war, die Jungfrau von Orléans" paßte dagegen vollkommen in die gegen England gerichteten Pläne des Corfen. So durfte denn neben der gottbegeisterten Prophetin von Domremy auch ihr deutscher Sänger mit ausdrücklicher Zustimmung des fränkischen Zwingherren gefeiert werden und ein Unterpräfekt von Bergeran, verfaßte im Jahre 1805 eine Tragödie Tod der Jungfrau von Orléans". Diese blieb freilich unbeachtet, aber vielen Effekt machte 2 Jahre später an dem Jahrestage der Befreiung Orléans ein gleichbetiteltes Feststück, dessen Autor jest längst in wohlverdienter Vergessenheit ruht. Wir würden ihn nicht aus seiner stillen Ruhe erwecken, wenn er nicht der erste unter denen wäre, welche das Werk unseres großen Nationaldichters durch Johann Ballhorn" zu verbessern gesucht haben. Mr. Dumolard so ist sein Name führt um Johannas dem Tode geweihte Person eine Streitscene auf, die wie eine unfreiwillige Parodie auf den Kampf der homerischen Helden um Patroklos Leich nam erscheint. Bischof Cauchon von Beauvais und Königin Isabeau wollen, daß die verhaßte Jungfrau auf dem Scheiterhaufen brenne, dagegen der Herzog von Burgund und der englische Führer Talbot möchten ihren jungfräulichen Körper vor Brandwunden bewahren. Zank und Streit wogen hin und her, da ersinnt Talbot ein originelles Mittel, um die Feindin seines Landes zu retten. Mit einer Galanterie, die man dem wilden Kriegsmann kaum zutrauen sollte, bietet er sich der stattlichen Jungfrau trotz seiner vorgerückten Jahre als Gatte an und ist überdies so rücksichtsvoll zu Gunsten eines jüngeren und schöneren Engländers zurücktreten zu wollen. Johanna weist die beiden wohlgemeinten Anträge entschieden zurück und ist nun für diese Welt verloren. Als sie auf dem Als sie auf dem Scheiterhaufen geendet hat, erscheint als verspäteter Rettungsbote noch Herzog Philipp von Burgund und versöhnt sich tränenden Auges mit seinem Lehnsherrn Karl VII. Das nannte man derzeit - eine Tragödie!

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Nicht ganz so komisch sind die Aenderungen, welche im Jahre 1809 ein Herr Maurie mit Schillers Tragödie, die ihm aus der Ueberseßung Cramers und Merciers bekannt war, vornahm. Johanna wird nach ihm in der Nähe deffelben Orléans, welches sie gerettet hat, von den Engländern gefangen genommen, Königin Isabeau erkennt die verhaßte Feindin und nennt den Wächtern Johannas Namen. Da weichen die beherzten Krieger erschreckt zu rück und schultern ihre Bajonette". Lionel bietet der Gefangenen Hand und Herz, um sie vor dem Tode zu retten, wird aber mit einem Korbe verabschiedet. Kaum

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englische Lager, triumphireud aber zeigt Isabeau auf den noch rauchenden Scheiterhaufen.

Im Jahre 1814 wurde von einem Grenobler Litteraten, M. Avril, ein patriotisches Trauerspiel, „Der Triumph der Lilien" aufgeführt, deffen Heldin Johanna war. Da es seinem weichen Herzen wehe tat, Johanna auf dem Scheiterhaufen sterben zu lassen und er auch Schillers opernhaften Schluß nicht nachahmen wollte, so erfann er folgendes Auskunftsmittel. Nach der Salbung Karls XII. zu Reims, will die schöne Agnes Sorelle Johanna an Dunois oder an Lahire - wer, gilt ihr gleich anbringen, die keusche Jungfrau schwankt vor solcher Versuchung einen Augenblick, dann aber verkündet fie, daß ihre göttliche Mission erfüllt sei und sie daher zum Trone Gottes zurückkehren müsse. Hierauf läßt sie ihre Fahne zur Erde finken, sie selbst fällt auf die Standarte nieder, eine Wolke umhüllt sie und als der Der Erzbischof von Reims vertraut dem Könige kraft Nebel sich zerstreut hat, ist die Jungfrau verschwunden. seines geistlichen Amtes, daß Johanna als Engel des Lichtes neben Gott ihren Plaß eingenommen habe. Wehe dem Kezer, der an solcher Offenbarung zu zweifeln wagt. Als Gottesstreiter für die Unschuld Johannas, welche der eigne Vater auf geistliches Zureden hin der Zauberei beschuldigt, führt uns Herr Alexander Sounet in einer 1825 erschienenen Tragödie - den Herzog von Burgund vor. Leider geht dieser als Besiegter aus dem Kampfe hervor und seine Protegirte muß nun den Scheiterhaufen besteigen, aber inmitten der Flammen ist sie noch in der Stimmung, feierliche Alexandriner herzusagen und ihre Fahne theatralisch zu schwenken. Der geschichtliche Philipp von Burgund möchte schon zu der idealen Rolle, welche ihm Schiller zuweist, den Kopf verwundert geschüttelt haben, als Gottesstreiter um eines Mädchens willen würde sich dieser Don Juan von Flandern allzulächerlich erschienen sein.

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Aber um Haupteslänge hat ein gewisser Hédonville seine unfreiwillig komischen Vorgänger übertroffen. wollte im Jahre 1829 die Jungfrau in ihrer wahren geschichtlichen Gestalt auf die Bühne bringen, aber Wollen und Vollbringen sind bekanntlich zwei grundverschiedene Dinge. Hédonville erdichtet eine Eiferfersuchtsszene zwischen Dunois und dem englichen Herzog Bedford, der aus Haß gegen den Rivalen die unglückliche, zwiefach begehrte Johanna den Flammen überliefern will, troßdem sie dem schönen, fränkischen Kavalier einen Korb in aller Form gegeben hat. Aber bald berent er diesen grausamen Vorsatz und läßt seinem Untergebenen, dem Grafen Warwick, seine Willensänderung melden. Warwick beruft sich darauf, daß das Todesurteil bereits mit dem königlichen Siegel versehen sei. Bedfords Abgesanter entgegnet mit wißigem Wortspiel: Das Siegel der Liebe hat es noch nicht erhalten. Der Herzog erscheint nun selbst und will Johanna sehen, da hört er einen tosenden Lärm und inmitten desselben verkündet ein Herold in pomphaften Versen, daß Johanna bereits mit den Flammen ringe.

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Mit den Tragödiendichtern wetteiferten die Librettoverfasser um den Vorrang der Lächerlichkeit, stets von dem unglücklichen Streben, unfren ihnen wohl bekannten Schiller zu überbieten und zu verbessern, geleitet. Nur zwei Beispiele statt vieler. 1865 wurde in Paris eine Oper von Méry und Duprez gegeben, der die Schiller'schen Szenen zwischen Lionel und Johanna als Vorlage gedient haben. Der liebeskranke englische Ritter stiehlt sich als verkleideter Mönch in das Vertrauen der Jungfrau und entdeckt dabei, daß diese ihn wieder liebe aber Johanna, als sie Lionel erkennt, entreißt ihm sein Schwert. Nun haben ihre Feinde verwünschten Anläß, sie áls Rückfällige

anzuklagen, weil sie wieder die Waffen genommen habe, Lionel opfert sein Leben, um sie zu erretten, die Jungfrau endet auf dem Scheiterhaufen.

Einen stärkeren Trumph spielte ein Herr Mermet in einer Oper aus, von welcher die Pariser Musikakademie sich irrigerweise einen großen Erfolg versprach. Aft I spielt in Domremy. Johanna grämt sich um Frankreichs Geschick. Ein gewisser Richard, in deffem Leibe die ver dammte Seele der Königin Isabeau rüht, kommt in Begleitung des Edelmannes Gaston von Met hinzu, lekterer verliebt sich in die Jungfrau. Aft II führt uns nach Chinon und macht uns mit Agnes Sorelles einschmeichelnder Liebenswürdigkeit bekannt. Schiller hat

hier das Beste geliefert. Mit Akt III erscheint jener Richard in Begleitung von Agnes, in deren Herzen neben Karl VII. auch Gaston von Met Raum gefunden hat und macht sie auf Jahanna eifersüchtig. In der Tat findet Agnes Gaston zu den Füßen der sanft entschlummerten Johanna. Der ritterliche Edelmann rettet aber die unschuldige Jungfrau, welche durch ihn in falschen Verdacht gekommen ist, vor Richards und Agnes' verderblichen Plänen. Karl will Johanna auch nach Befreiung von Reims nicht von sich laffen, die loyale Jungfrau gehorcht, erblickt aber hellseherischen Geistes ihren Scheiterhaufen auf dem Markte von Rouen. Damit endet die Oper.

Mit dem Jahre 1870 ist die Person Johannas auch von den französischen Theater-Dichtern immer mehr in die Bestrebungen des Chauvinismus hineingezogen und zum Rachegeiste ihres niedergeworfenen Vaterlandes gemacht worden. Daneben gestatten sich diese meist untermeist_untergeordneten Dichter starke Anleihen aus Schillers Drama, hüten sich aber in wohlweiser Selbsterkenntnis, vieles zu ändern und dadurch zu verschlechtern. So hat ein Herr Vignier in seiner unaufgeführt gebliebenen Légende de Jeanne Darc" (1870) auch die Figur des schwarzen Ritter wieder aufleben lassen, und die meisten seiner Senoffen haben sich die Rolle, welche Schiller der Agnes Sorelle giebt, zu Ruze gemacht. Erst neuerdings, im Jahre 1886 ist Herr Félir Hilaire auf den originellen Gedanken gekommen, jene Agnes, welche er Argine nennt, zur eifer süchtigen Rivalin und Verderberin der Jungfrau umzuwandeln. Damit die poetische Gerechtigkeit sich an der bösen Argine erfülle, muß ein entrüsteter Volkshaufe fie mit dem Tode bedrohen, als plößlich Johannas Geist vom Himmel herabsteigt und die Freundin zu der eigen tümlichen Strafe verurteilt noch weiter auf Erden zu leben.

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Mit den französischen Verbesserern unseres Schiller wären wir so in der Hauptsache fertig, leider aber können wir das bekannte Wort: „Wir Wilden sind doch bessere Menschen" nicht auf uns anwenden. Denn auch Deutsch land hat einen unberufenen Korrektor unseres Dichters aufzuweisen, er nennt sich Walther von Iffing und hat 1868 bei August Freyschmidt in Kaffel ein fünfaktiges heroisches Drama", Johanna d'Arc betitelt, drucken laffen. Darin erscheint der Ritter Baudricourt aus Vaucouleurs als sterblich verliebt in Johanna, leider wird er in seinem zärtlichen Zwiegespräche mit der Angebeteten von den Engländern gestört und niedergehauen. Ihrem Schmerze hingegeben, wirft sich Johanna auf den Körper des Sterbenden und ruft mit tragikomischem Pathos aus: Nein, nicht sterben. Sieh mich an. Du sollst leben, du mußt leben. Sieh doch, ich bins, Johanna, dein Mädchen, deine Freude. Hörst du mich? Ein Wort! Du sollst nicht sterben. Ein Wort!" Troß alles zärtlichen Flehens stirbt der wackere Baudricourt doch und Johanna wird nach Rouen geführt, um dort verbrannt zu werden. Da mit aber der Schluß von Schillers Tragödie an theatra

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Während sie in den beiden Nachbarländern versiechen zu wollen scheint, fährt die Ader der Dichtung in Norwegen fort so reich wie je zu fließen. In Dänemark, dem Geburtsland der jungnordischen Litteratur, erreichte fie schon in ihren erstgeborenen Repräsentanten: Jakobsen, Topsäe, Drachmann, ihren Höhepunkt, gleich einer Blume, die in Knospe und Blüte schießt in einer einzigen Nacht; die zweite Generation: Pontoppidan, Esmann, Bang, Nansen, bieten einen analogen Fall in ihrer eigenen Produktion dar, indem ihr erster Jahrgang ihr reichster war; und die allerjüngste Dichtergruppe, Stuckenberg, Vedel u. A. hat blos sporadisch, bleich und dünn ihre Eigenart verraten. Schweden scheint alle seine Kräfte darauf koncentrirt und sie alle damit erschöpft zu haben, Strindberg hervorzubringen; was neben und nach Strindberg hervorwuchs, trug überwiegend leere Aehren. Das arme Steinland Norwegen dagegen hüllt sich seit fast fünfzig Jahren in eine wahrhaft tropische Dichtungsvegetation. Aus dem tiefen verborgenen Volksurgrunde selbst springen Quellenadern hervor, eine neben der anderen, eine reicher als die andere, als wäre der Boden unerschöpflich und wolle ergiebig bleiben für unüberschauliche Zeiten. eine Schriftstellergeneration löst die andere ab, gleich voll von Kraft und Individualität, wie die frühere. Auf das Trio Björnsen-Jbsen-Lie folgte das Duo Kielland-Garborg und hinter diesen steht schon eine ganze Kohorte junger Männer, die alle Naturen aus erster Hand und Dichter aus erster Hand find.

Die

Der leßte und vielleicht, außer Hans Jäger, der fortgeschrittenste heißt Knut Hamsun. Er ist Bauernsohn aus Gudbrandsdalen, im Herzen Norwegens: er wuchs im Nordland auf, d. h. in der unmittelbaren Nachbarschaft des Nordpols, hungerte in der buchstäblichen Bedeutung des Worts in Chriftiania und verrichtete harte Körperarbeit als Auswanderer in Amerika. Ein absolut Verwunderung weckender Mensch ist aus diesen unsanften Wechseln hervorgegangen. Knut Hamsun hat mitten unter verrohenden Erlebnissen eine feminin- artistische Sensibilität bewahrt und ausgebildet; als Siebenundzwanzigjähriger in sein Vaterland zurückgekehrt, schreibt er eine satirische Schilderung Amerikas, in der er sich als geborener Geistesaristokrat offenbart, und eine Analyse des Hungers, in der die feinsten Instrumente mit einer Sicherheit und einer Grazie gehandhabt werden, die wunderlich gegen die groben Arbeiter hände absticht, die sie regieren.

II.

Knut Hamsun ist in seinem Buch: „Aus dem Aus dem Geistes leben des modernen Amerika" sicher der geistreichste Caufeur, der seit einer runden Jahrreihe vor das skandinavische Publikum getreten ist. Er fennt sein Amerika aus und inwendig, er hat es sichtbarlich in Herzen und Mieren studirt, überall mitgelebt, im Bostoner Salon, wie im Ansiedlerheim und im Wigwam der Indianer, und unterdeffen ein reichhaltiges Material ein reichhaltiges Material zur Charakteristik der Kultur des modernen Amerikas eingesammelt.

Sein abschließendes Urteil lautet dahin: die moderne amerikanische Kultur sei eine Ziffer ohne Wert. Das große Land ist geistig tot, sagt Samsun, und er variirt dieses Thema durch alle Schilderungen der speziellen Kulturgebiete. Wir Europäer find von den Yankees dupirt; Amerika hat uns mit seiner Elephantengröße imponirt; Amerika ist das Land der Reklame, und der Koloß ist die populärste Reklame auf der Erde. Man kann eine andere Meinung als der Verfasser hinsichtlich dieses kategorischen Schlußurteils haben und man kann ihm Unrichtigkeiten in den Details nachweisen; aber man genießt seine Blaudereien mit ihrem Geschmack von attischem Salz, wie man ein Bad im Meer in der Sommerhiße genießt. Er wirft mit seinen Worten und Einfällen um sich, wie der Jongleur mit seinen Kugeln. Er stellt die guten Yankees auf den Kopf und läßt sie sich drehen wie Kreisel; wäre nicht soviel Gutmütigkeit in seiner gewaltsamen Art, soviel Humor in seinem Hohn und im Grunde soviel Ernst in seinem Scherz, so wäre man versucht, ganz auf dieselbe Art mit Herrn Hamfun umzugehen. Es ist ein Zug in seinem Stil, der an Wirbelwind erinnert. man giebt sich ihm hin, wie an Gottes Vorsehung, obgleich man zuweilen um seinen Hut wie um seinen Verstand dabei zu kommen meint.

Die Wurzel und den Ursprung alles Uebels findet Hamsun in dem engbrüstigen Patriotismus der Amerikaner und in ihrer bornirten Verachtung für alles Fremde. Es giebt für sie ein Land: Amerika, was darüber ist, ist nicht vom Guten. Es giebt nirgends auf der Erde eine solche Entwickelung und so intelligente Menschen, wie in deni Lande Amerika. Es ist der Patriotismus, das Gefühl, allen Ausländern auf allen Konkurrenzgebieten überLegen zu sein, was das treibende Motiv in der Auswanderungsbeschränkung ist, also weder Uebervölkerung noch Mangel an unangebautem Boden. Und wie Amerika Menschen genug zu besiten glaubt, glaubt es auch einen überfließenden geistigen Reichtum zu besitzen. Es glaubt in feiner Hinsicht auswärtiger Impulse zu bedürfen, obgleich seine Kultur ein altes Gewand ist, das Europa längst abgelegt. Darum baut es aus allen Kräften an der chinesischen Mauer. Während die Schaßkammer mit Geld überfüllt ist, von dem man nicht weiß, was man damit machen soll, legt man einen Importzoll von 35% auf Kunstgegenstände. Die Yankees machen Anspruch als das modernste Volk der Welt auf allen Gebieten anerkannt zu werden; „ich könnte,“ sagt Hamsun, „Tag und Stelle auf den Prärien Dakotas nennen, wo mein Skalp in Gefahr war, weil ich Amerikas unmodernen geistigen Standpunkt entschuldigte."

Amerika hat eine Journalistik, die in einer Hinsicht die erste der Welt ist: im Neuigkeitsfach; in jeder anderen Hinsicht ist sie Spreu. Der Inhalt der Zeitungen dreht sich hauptsächlich um Geschäfte und Verbrechen. Wenn der Zeitungsjunge eine Feuersbrunst in Washington Avenue, Schlägereien in der 17. Straße, Schneesturm in Montana und Rotzucht in Massachusetts ausruft, so ruft er den Hauptinhalt seines Blattes aus. Und doch ist die Journalistik |

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der reine Gottesfegen gegen die schöne Litteratur, denn fic ist jedenfalls der genaue Ausdruck des Geschmacks und der Interessen der Nation. Die Schönlitteratur dagegen hat nichts von dem rötent Saft und Bluhmlaitf des Lebens: sie hat blbs Liebe ind Revolverschüffe. Sie ist Mondscheinpoesie und Banditenpoefie. Sie hinkt um zwei Entwickelungsphasen hinter Europas moderner Bitteratur her. Gegen Zolas „La terre" wurde ein Einführungsverbot erlaffen ebenso, wie jest gegen Tolstojs Krenzerfonate". In Minneapolis, einer Stadt von der Größe Leipzigs giebt es eine Buchhandlung, und in dieser Buchhandlung verkauft man dekorirte Geburtstagskarten", Verssammlungen in Goldschnitt, Detektivgeschichten, ein paar Notenhefte vom Yankee doodle" und "Home sweet Variationen der allervervollkommnetsten Tintenfäffer". home", den eligen Longfellow und alle möglichen Außerdem Lithographien von Washington, Oufel Toms Hütte" und General Grants Memoiren". Aber Herr Samsun will lieber eine Postille, als General Grants kalender arbeiten, als durch eine amerikanische DetektivMemoiren lesen und sich lieber durch den ganzen Adreßgeschichte. In derselben Stadt giebt es eine Bibliothek, die 15 000 Bände hat, und 26000 Dollars kostet. Diese Bibliothek hat genau das Inventar des Buchladens mit Ausnahme der Tintenfässer.

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Während die

Die zeitgenössische amerikanische Litteratur ist streng religiös und streng sittlich." Amerika hat Boston und Boston ist die Stadt der chriftlichen Jünglingsvereine und der Profefforenintelligenz und anderer Värietäten von Moder. Die amerikanische Litteratur weiß von keinem Geschlecht, sie weiß viel mehr vom jüngsten Tag und von der Spektralanalyse, als von den Geschlechtern. Zeitungen jeden Tag von Kriminalgeschichten und Notzuchtszenen überfließen, ist es in der schönen Litteratur beinahe verboten, nackte Stuhlbeine zu schildern. Es giebt allerdings verstümmelte Uebersehungen von Zolas Romanen, aber sie werden nicht in den Buchläden verkauft, sondern in den Zigarrenbuden mit anderen „Spezialitäten“ und Artikeln für Herren."

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Als typische Repräsentanten der besseren amerikanischen Litteratur behandelt der Verfasser ausführlich Walt Whitman und Emerson. Er nennt den ersteren einen unartikulirten Dichter und den letzteren einen litterarischen Postillenverfasser. Darin hat er wohl nicht so Unrecht. Aber warum nicht lieber Bret Harte, Mark Twain, Henry James jun. schildern? Und warum nicht lieber Edgar Poe charakterisiren, statt mit Stecknadelstichen den armen schläfrigen Longfellow zu beunruhigen?

Mit der Malerei und Skulptur steht es nicht besser als mit der Dichtung: schlechter Geschmack, chinesische Absperrung. Es giebt in Amerika 88 Kunstakademien mit 190 Professoren, die 3000 Schüler unterrichten. Außerdem malen alle Damen der Gesellschaft. Amerika hat eine Natur, die einen intelligenten Schönheitssinn hervorrufen müßte: eine Sonne, wie nirgends anders wo, weiße Sterne und rote Orkanwolken in den warmen Nächten des Sommers, und alle Farben und aller Duft und alle wunderlichen Laute der Prärienwelt stürmen über den Häuptern der Menschen hin. Aber alles das merken sie nicht, und unter den vielen Berufenen sind wenig Auserwählte. Ersteht ein wirklicher Künstler unter ihnen, so reist er nach Europa. Nur die Greise und die Dilettanten bleiben zu Hause. Und natürlich die Damen.

Die amerikanische Malerei dreht sich hauptsächlich um Effen. Ein Hauptinteresse gilt den Rahmen, deren Pracht man sich was fosten läßt. Solche Bilder werden von reichen Leuten als Speisesaaldekoration gekauft und eine wahre Industrie in gerupften Hähnen und rohen

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Rindskeulen ist dadurch hervorgerufen worden. Aber auch die Rindskenle erhält einen dekorativen Charakter, am liebsten bindet man ihr eine schöne Rosette an den Beinstumpf.

Die Skulptur glänzt mit Tieren: Kazen, Hunde, strengt man sich richtig an, so versteigt man sich bis zu einem Neger. Außerdem verwendet man die Skulptur als vorzügliches Annoncemittel im Dienst der Reklame. Hier steht eine Prachtgestalt von unvergleichlicher Schönheit: die Inschrift auf dem Sockel verkündet, so schön könne jedes Weib werden, das soundsoviele Flaschen Ayres Sarsaparilla trinkt. Weiter weg sieht man eine Gruppe: eine Frau, die einem halberwachsenen Jungen das Gesicht wäscht; ein Vers unterrichtet uns, so weiß, wie dieser Junge, könne jeder werden, der Seife aus Pears Seifenfabrik in Brooklyn gebraucht.

Die amerikanische Skulptur ist sittlich" im Superlativ. Kein nacktes spielendes Kind wird ohne Feigenblatt dar gestellt und Herr Hamsun ist überzeugt, stände Dubois Eva in Amerika, so hätte sie bald einen Magengürtel. Die Maler wagen es nicht, sich nackter Modelle zu bedienen!!! Auch auf dem Gebiet der Skulptur hausen die Damen in Schwärmen gleich Aegyptens Heuschrecken und verwüsten alle keimende Saat.

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Die Kunst, in der Amerika am höchsten steht, ist nach Herrn Hamsun die szenische. Amerika besißt nicht nur in der gröberen Komik Schauspieler von Rang, es hat auch seine großen Tragöden: Kean, Booth. Und selbst das tumultarische Leben auf den amerikanischen Bühnen da wird mit Lokomotiven, mit Dampfschiffen gefahren, auf Pferden geritten, die sich bäumen, mit Kanonen und mit Revolvern geschoffen ist ja nichts anderes als die direkte Versetzung der Umwelt auf die Szene. Aber die einheimische Dramatik ist erbärmlich, zusammenhangslos und finnlos. Die Amerikaner machen Schauspiele aus allem zwischen Himmel und Erde, sie könnten Schauspiele aus einem Adreßkalender, aus ein paar Hühnern, aus dem Suezkanal machen, fie könnten die Multiplikationstabelle dramatisiren. Der einzige Ausländer der gespielt wird, ist Shakespeare; er wird als Amerikaner betrachtet und sein Bild hängt über der Bühne zwischen denen Washingtons und Lincolns. Ibsens Gespenster" wurden allerdings auf amerikanischen Bühnen aufgeführt, aber mit verschiedenen, ebenso unbedeutenden, wie intelligenten Veränderungen, so z. B. daß Frau Alwing das erschütterte Publikum mit einigen wohl gewählten Schlußversen erbaut.

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Und Herr Hamsun fährt in seinem Zerstörungswerk unserer usionen fort: was ist wohl die gelobte amerikanische Freiheit? - Unfreiheit, Pöbelherrschaft, die Schafskopfweisheit der verfluchten, kompakten Majorität", der Despotismus der Freiheit. In erster Linie ist sie ohne Gleichgewicht und ohne Zusammenhang. Wenn ein Ausländer in Amerika ans Land steigt, nimmt man ihm das Meffer weg, daß er bei sich trägt und das er zu den hundert kleinen Verrichtungen des täglichen Lebens nötig hat; aber einen Revolver darf er in der Rocktasche tragen, denn der Revolver ist die nationale Mordwaffe. Sie ist weiter eine gezwungene Freiheit, eine vom Gesetz auferlegte Freiheit. 1868 war ein Mann Namens Fred Nicolls so leichtsinnig zu schreiben, er glaube an das Königtum. Die Folge war, daß Herr Nicolls eine Reise nach Mexiko unternehmen mußte; er ist noch nicht von da zurückgefehrt. Herr Nicolls war nicht frei genug, Herr Nicolls mußte nach Mexiko; die Anarchisten in Chikago waren zu frei, man hing fie auf (um der Idee willen). Was über oder unter Georg Washingtons sehr einfaches Gehirn geht, wird mit Landesverweisung oder am Leben bestraft." |

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Die Amerikaner find fleißige Kirchenbesucher und das ist der einzige Ausdruck für ihre Religiösität. Sie besigen keinen absoluten religiösen Glauben, noch weniger Fanatismus; andererseits aber sind fie nicht gleichgiltig gegen das, was Herr Hamsun das kirchliche Ober- und Unterleben nennt, d. h. die himmlischen und irdischen Angelegenheiten. Ihre Sinnesstimmung hält die Mitte zwischen wirklichem Glauben und Gleichgiltigkeit, es ist eine Gewohnheitsgläubigkeit. Der Pastor ist ein einflußreicher Mann auch in irdischen Dingen und man richtet fich danach. Der Krämer giebt ihm 10% Rabatt, die Eisenbahnverwaltung Billets zum halben Preise. Alle lieben den Hergott ungefähr wie Washington und damit könne der Hergott zufrieden sein, meint Herr Hamsun.

Amerikas Moral ist der Geldbeutel." Ingersoll darf in Amerika rundreisen und Gottlosigkeit à 1 Dollar per Billet predigen; denn Ingersoll hat großen Landbesit. Herr Bennet dagegen kommt ins Gefängnis, wenn er seine Freidenkerei verkündigt, denn Herr Bennet hat keinen Landbesit. Herrn Pearl Johnson sette man auch hinter Schloß und Riegel, als er sich einfallen ließ, daß einige Menschen polygamisch angelegt seien; denn Herr Pearl Johnson führte seine bescheidene Existenz in einer Dachkammer von New-York.

Amerika ist das gelobte Land der Damen. Wenn zwölf Männer und eine Dame in einem Elevator find, müssen die zwölf Männer die ganze Zeit über barhäuptig vor der einen Dame stehen. Ein Mann, der eine Frau hat, kann einen Chinesen vor Gericht zitiren, weil dieser in seiner Wäscherei ein paar Unterhosen an einer Stelle zum Trocknen aufgehängt hat, wo die Augen der Frau fie erblicken konnten. Die Beschäftigung der Amerikanerinnen ist: ihre Nerven zu pflegen, Kunstwerke zu malen, Onkel Toms Hütte" zu lesen, spazieren zu gehen, an Frauenfongreffen teilzunehmen, in der Kirche das Wort Gottes zu hören. Aber die Kinder? Ja, die Amerikanerinnen mehr bekommen haben wirklich zuweilen bis zwei Kinder sie nicht. Sie haben keine Zeit Kinder zu gebären.

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Der Yankee ist für Herrn Hamsun der Abkömmling vom Lumpenpack, vom Auswurf der alten Welt. Er ist von Geburt, von Natur Plebejer, der, wenn er auch Englands vornehme Etiquette nachäffen will, doch seiner Schelmen- und Lakaien Instinkt darunter bewahrt. Er fann in einem neuen Hut zu 15 Dollars und zugleich in ein paar Hosen gehen, die da keine Knöpfe haben, wo Knöpfe an Beinkleidern am wenigsten fehlen sollten. Er erinnert an einen Mann mit einem feinen Vornamen Meier. Da ist der Alphons im Hut und der Meier in und einen plebejischen Familiennamen, z. B. Alphons der Vorliebe des Kindes, des Wilden und des Plebejers den Beinkleidern. Die Damen pußen sich prahlerisch, mit für schreiende Farbenkontraste. Es ist Pöbel in Belzwerk, Böbel in Seide, Pöbel mit Gold für 20 Dollars in den Zähnen. Ein Herr geht mit einer Dame auf der Straße ins Theater, ohne Rock, ohne Weste, mit den radheit der Amerikaner, aber auch das ist Etiquette. Es Hosenträgern über dem Hemd. Man spricht von der ist Etiquette, nichts fürs Effen zu danken eine unfeine Etiquette.

Wonach die Amerikaner streben sollten, meint Herr Hamsun, ist eine Elite von Bildungsaristokraten hervorzubringen; statt dessen haben sie ein Mulattengestüt gegründet, das noch mehr verpöbelt und verdummt, was vorher schon ein Gottessegen an Rohheit und Dummheit war. Es giebt feinen einzigen Zweifler in diesem großen Land, keinen Lichtsucher, keinen aufrührerischen Geist; die Yankees wandern fröhlich in die superlative Barbarei.

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Dämmerstunde.

Skizze von Johannes Schlaf.

Dieses Nest und immer wieder nur dieses Nest! Ja wohl!... Denn dieses Nest ist die Welt, ist alles in allem; ebensogut wie ener Berlin da oder sonst ein Erdenflect!

Herrgott! War ich denn wirklich so naiv? Glaubte ich, es gäbe hier nur Blumen, Berge, Getreidefelder und Wiesenwässerchen? Ich könnte es mir hier im Grün und in der Sonne wohl sein lassen? Mich „erholen“ und — nur erholen?

Da lag ich und wußte besser Bescheid.

Aber es gab mich endlich doch ein wenig frei, das Entseßliche, Abscheuliche, das ich heute erleben mußte. Endlich! Bis hierher hatte es mich verfolgt in diese stille Dämmerstunde.

*) Den Roman Knut Hamsuns, der binnen kurzem auch dem deutschen Publikum zugänglich gemacht werden wird (er erscheint bei S. Fischer, Berlin) "Hunger" wird Herr Ola Hansson in der nächsten Nummer des „Magazins“ behandeln.

D. R.

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Wie wohltuend, wie beruhigend alles um mich her! Die Abendschatten wachsen. Dunkler und dunkler. An den Wänden schieben sie sich in die Höhe, oben über die Zimmerdecke und unten über die weißen Dielen. Verstohlene Lichter spielen wunderlich hinein.

Eine Lehne glänzt aus dem Dunkel auf. Goldig schimmert ein Stück Bilderrahmen. Die Gardinenkanten werden wunderliche Gesichter, die sich dehnen und zu= sammenziehen. Aus Licht und Dunkel wird um Schrank, Tisch und Stühle, überall um mich her ein stilles, geheimes Leben wach.

In zarten, opalfarbenen Ringen windet sich der Rauch meiner Cigarette hier vom Sopha durch die stille Dämmerung gegen das offene Fenster hin. Auf dem Tische dicht davor knistert und wispert es in den Papieren. Müde verebbt das Leben um mich her in die stille Nacht hinein.

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Ein fernes Hundegebell. Ein paar verzitternde Glockenflänge. Ein Ruf. Eine Fledermaus, die schwarz am Fenster vorüberflattert im zittrigen, weichen Fluge. Ein Nachtschmetterling, der gegen die Scheiben purrt. Ein Vogelruf. Das leise, leise Rauschen unten vom Garten her. Ein verlorener, hergewehter Blumenduft. Zwei Sternchen, silbern aufflimmerud in dem zartlila Stück Himmel, stet und still, oben zwischen den Gardinen. Und die köstliche, atmende Kühle....

Und die Schatten wachsen und wachsen. Und der Mond und die Sterne leuchten herein mit dem stillen Abglanz unbekannter Welten ́.

Abglanz

‚Ø Trost der Welt, du stille Nacht!

Jezt konnte ichs auch ertragen, wieder daran zu denken.

Es war mir nun wie traumhaft

Gegen vier Uhr am Nachmittag war es gewesen, als es draußen Lärm gab. Wie ich hinaussehe, wälzt sich schreiend und gestikulirend ein Knäul Menschen die Gaffe herab. Vorweg wackelt neben dem Schulzen, der ein sehr verlegenes und ärgerliches Gesicht aufgesteckt hat, der alte Wallehjer, der Dorfpolizist, in seiner verschossenen, grünen Uniform, das Gewehr über die Schulter gehängt, mit seiner großen Schirmmüße und seinem dicken, gemüt lichen Bauch.

Die hohe Obrigkeit sollte wohl wieder einmal Rat schaffen.

Schnaufend stolpert er vorwärts mit seinen kurzen Beinchen, umdrängt von der aufgeregten Menschenmasse, ganz verwirrt von den vielen Armen und groben Händen, die vor seiner friedlichen Schnapsnase umherfuchteln.

Und so quetschte sich der ganze Knäul, bunt und wirr, nebenan zwischen den grellweiß gestrichenen Türpfosten durch in den Hof des Koffsäten. Der Schweif Kinder hinterher, baarfüßig und strubbelföpfig, blieb draußen und umlungerte die Tür.

Ich warf schnell meine Feder zwischen die Papiere, griff nach meinem Hute und machte mich hinüber aus nun! auch aus Neugier .

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Wie ich auf dem Hofe ankam, drängte sich alles mit vorgeredtem Hals, dicht neben der Tür zum Wohnhaus, im Halbkreis um etwas herum. Bunte Weiberröcke; schmußige, erdfarbene Mannskleider; Hemdärmel, blendend weiß in der Sonne; zerfurchte, bronzebraun gebrannte,

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