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Frau Janikow. O, das würde sie in ihrer, Be-Kramer, kommen Sie her! scheidenheit nichtwagen. Zu Willy schaut sie auf wie zum Herrgott. Aber zwischen ihr und Kramer bandelt: || fich was an

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Kramer mit einem Heft. Albernheit!

Was ist geschehn?

Ach Gott"
Ach Gott nichts eine

Frau Janikow. Und wegen einer Albernheit erschrecken Sie inich alte Frau?

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Jim Lande mit seiner Weisheit? :

Ist der auch wieder

Frau Janikow. Kramer, Kramer, sind Sie noch immer auf ihn eifersüchtig?

Kramer. Nun wird Willh für unsereinen garnicht mehr zu haben sein.

Klärchen einen Teller mit Effen tragend, den ste auf die Ser. viette feßt. Guten Tag, Herr Kramer!®

Kramer plößlich strahlend. Guten Tag, Fräulein Klärchen!
Klärchen. Sie sehn ja so sonderbar aus?

Kramer. Ich?

Klärchen. Ihre Juugens haben Ihnen wohl wieder Hetlig zugesetzt?

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Man spricht von einem kritischen Talente, sogar von einem kritischen Genie. Damit ist ausgedrückt, daß diese Begabung eine künstlerische sei. Das ist nun auch unbestreitbar. Über ein Talent, das nichts weiter wäre als kritisch, das wäre wahrhaftig in anderem Sinne gesprochen, ein kritisches d. H. ein sehr bezweifelbares Talent.

Die Kritik ist nur eine Teilkunst, eine Teilauffaffung der Poetik, der dichterischen Veranlagung, sie ist nicht die schöpferische sondern die umschöpferische, nicht die gestaltende, sondern die ausgestaltende, die umarbeitende Veranlagung.

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Es giebt keinen Künstler, der sich nicht der Gesetze d. h. der Richtung und Begründung seines Schaffens bewußt wäre, freilich nicht während des Schaffens, das vollzieht sich naiv blizschnell soll sich blitzschnell, unbewußt, natv vollziehen. Aber wenn die Hiße der Schaffenstätigkeit vorüber, die Schaffenstat vor Augen liegt, dann meldet sich die Ueberlegung, die Prüfung, das Urteil. Das ist die Kunst der Selbsttritit. Koivo cerno heißt unterscheiden, und das Unterscheiden unterscheidet den Menschen vom Tiere, den Begriffsbildner vom Vorstellungsempfänger, den Instinkt von der Intelligenz. Der Gegensatz von naiv" ist nicht dasjenige, was Schiller sentimental nennt, sondern ist kritisch.

Κρίνω

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Je öfter nun ein Künstler geschaffen, je klarer er über sich, je mehr er mit sich ins Reine" gefommen ist, desto be wußter wird er über sich urteilen.

Vergleicht er nun die eigene Schaffenstätigkeit, die eigenen Schaffenstaten, mit denen anderer, so erweitert sich sein Urteil über alle Werke seiner Art.

Hierdurch wird er nicht blos Prüfer, sondern Lehrer, und dieses Prüfungs-Lehramt ist die Gabe, ist die Aufgabe des

Kritikers.

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Gar vielen unserer heutigen Schriftsteller denn mit diesen wollen wir uns hier beschäftigen wird vorgeworfen, fie besäßen weit mehr anempfindendes, kritisches als poetisches, selbstschöpferisches Talent.

Das ist wohl der Fall. Die Ursache aber ist folgende: Gleichwie sich in der Entwicklung des findlichen Geistes die Entwicklungsgeschichte des Volksgeistes wieder abspielt, so wieder holt sich auch die Entwicklungsgeschichte der Kunst in jener des einzelnen Künstlers.

Zur Zeit der ersten Entfaltung künstlerischer Fähigkeiten erscheint (besonders sich selbst) jedes Talent als eine Summe von Talenten der verschiedensten Art. Die griechischen Rhapsoden waren Dichter, Sänger, Schauspieler und Tänzer. Sophokles war der erste griechische Dichter, der in seinen Stücken nicht mehr auftrat. Die mittelhochdeutschen Dichter komponirten ihre Lieder selbst. Göthe war lange mit sich streitig, ob er nicht eher Maler als Dichter werden sollte.

ftreitig

So ist es auch der Fall bei modernen Geistern. Die meisten sind nicht nur episch, lyrisch, dramatisch, sondern auch kritisch und didaktisch empfänglich und schaffensfroh. Erst allmählich bildet sich ein Talent oder vielmehr eine Seite des Talents auf Kosten der anderen aus. Dies ist besonders bei der kritischen Seite der Fall.

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Das Gesetz der Spezialisierung, zu deutsch: Teilung der Arbeit ist es, was hiezu drängt.

Wenn nun ein Dichter Monde, Jahre lang sich mit dem vergleichenden Studium anderer Werke abgiebt, so hat er eben feine Zeit, eigene zu schaffen. Dieser Mangel an Zeit wird endlich auch zum Mangel an Willen und Können, an Kraft und Kunst. Er verliert Phantasie und Naivetät, wird aber ganz und gar eindringen in die Geheimnisse der Form, der Kritik, Dann sagt man von einem solchen Schriftsteller, er sei wohl ein guter Kritiker, aber ein schlechter Poet.

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Der kritischste Kopf" von uns Deutschen, Lessing, bietet hierfür das sprechendste Beispiel. Er tut sich selbst Unrecht, wenn er sagt, daß er weder Schauspieler noch Dichter" sei. Er war beides, so lange er jung war. Seine Jugendlustspiele und Gedichte zeigen troballem weit mehr Freiheit, quellende Lust und Wärme als die später mühsam herausgepumpten" Arbeiten, sowohl die kritischen als die Vor- und Musterstücke dichterischer Technik.

Hierzu kommt, daß die Genießensfreude stärker wird als die Schaffensfreude; die Konsumption überwiegt die Produktion. Wir finden demnach hier nur ein Beispiel psychologischer. „Nationalökonomie".

Bei Leffing nun muß man sich erinnern, mit was für litterarischem Gesindel er sich herumschlug" gleich seinem König Friedrich II. Die langweilig trockenen Theologendispute, die er in Wolfenbüttel kritisch zu bearbeiten hatte, waren wahrlich wenig danach angetan, einen Dichter anzuregen.

Weit wärmere Kritiken als unser großer Nationalkrieger schrieb aber der junge Göthe. Die Frankfurter gelehrten Anzeigen" sind eine Fundgrube litterar-technischer Maximen. giebt es auch Kritiker von Gottes Gnaden, und ihr Gott Und so wie es Künstler von Gottes Gnaden giebt, so die Wahrheit. muß heißen, wie jener der Künstler: So ist auch das Talent des Kritikers was Zola von dem des Dichters sagt: une partie du monde vue par un coin du temperament.

Ja, Temperament, Energie, Consequenz, das ist litterarische Individualität, künstlerischer Charakter, darauf beruht seine Originalität, das Recht seiner Art, die Eigenart.

Bildet so die Kritik, als auf Können beruhend, eine Seite der Kunst, so ist sie zu gleicher Zeit als durch Kennen gehandhabt, ein Teil der Wissenschaft.

der Kritik bewahrten, waren die Aesthetit und die Philologie. Die Wissenschaften, welche das Recht und die Gefeße

Die erstere, die sich als Kunstwissenschaft par excellence bezeichnet, befaßt sich mit allen Künsten. Es ist aber unmöglich, daß, was als Ideal der Musik oder als das der Plastik bezeichnet wurde, auch das der Poesie set. möglich, daß diese über Zeit und Raum hinweggehobenen Gesebe in der vollen Darstellung des heißbewegten Lebens, der tiefbewegten Gegenwart welche wiederzuspiegeln doch die größte Kunst der Dichtkunst ist - Anwendung finden können. Es ist unmöglich, daß abstrakte Begriffe als Maßstäbe psychologischer, sozialer Conflikte angewendet werden können. Und nur jene Wissenschaft hat Wert, welche praktische, tatsächlich fördernde Bestimmungen giebt. Aber das ganze Studium aller aesthetischen Systeme wird keinen Künstler, keinen Dichter um ein haarbreit höher wachsen lassen.

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Die Philologie verfährt ohne jeden aesthetischen Maßstab. Ihr ist die Dichterindividualät und Originalität gleichgiltig, fie fragt nur nach Quellen und Motiven. Ihr einziger Standpunkt ist der, schriftstellerische Werke als Produfte vorhergegangener schriftstellerischer Werke und Ideen zu kennzeichnen. Sie verfolgt den Bruderzwist von Karl und Franz Moor bis auf das Kain- und Abel-Motiv, sie registriert Belege und Erstanwendungen von Werten und Figuren mit statistischer Apathie, sie ist mit einem Wort nichts anderes als Encheiresin poesis.

Dabei vergißt fie eben ganz und gar, daß der Dichter nicht nur Produkt sondern auch Faktor seiner Zeit ist, daß der Dichter niemals ein Copist ist, nicht der Natur oder des Lebens, am allerwenigsten aber der seines Vorgängers, und daß si duo idem faciunt non est idem, daß das Leben, das Vorbild der Kunst sich eben tausendfältig wiederholt, und von verschiedenen Dichtern verschieden ausgestaltet werden muß eben nach der verschiedenen Auffassung, dem Gesichtspunkte

dem Brechungsexponenten". Dieser Brechungsexponent, dieser | ,,coin du temperament" fümmert aber die Philologie nichts. Freilich ist es naturgemäß, daß auch Aesthetik und Philologie - wie wenig sie auch in Dichters Lande gehen, dennoch zu manchen Beobachtungen kommen können, die einigen Wert haben. Darauf aber kommt eben jeder, der fich mit dem Studium dichterischer Werke befaßt.

Dieselben aber in ihrer praktischen Verwendbarkeit auf zufinden ist Sache des Kritikers von Gottes Gnaden. Wie wird nun die positive, praktische Kritik vorzugehen haben, um wissenschaftlichen und künstlerischen Wert zu haben? Sie wird mit einem Worte induktiv sein, nicht deduktiv wie die Aesthetit, sie wird nicht eine Lehre von den Stoffen geben wie die Philosophie, sondern eine Lehre von den Kräften. Sie wird die Eigengefeße jedes Werkes an ihm selbst vorlegen, fie wird, was die positive Naturgeschichte tut, am Dbjekte demonstriren“ oder, wie Zola seine Werke Experimentalromane" nennt, wird der Kritiker Experimentalkritiken" schreiben, und zwar bedeutet Experiment" hier nicht „Versuch", wie man Zola meistens mißkennt, sondern Beobachtung". Ein Kanon der Kritik wird sich deshalb ebenso wenig aufstellen lassen, wie sich eine Lehre aufstellen ließe, welche vorschreibt, wie die Naturprodukte, also Tiere und Pflanzen, sich zu entwickeln haben. Auch das Reich der Kunst hat seine Descendenzstufen, seine evolutionäre Entwicklung, seine „Anpaffung“ und „Zuchtwahl“, seine „Integration" und „Diffe renzierung".

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Diese Specialgesete“ zu bestimmen ist eben die Aufgabe der Kritik.

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In Taine, in Bourget, in Brandes haben wir solche Vorkämpfer einer Wissenschaft, einer Kunst der Kritik.

Und so wird jeder Kritiker von Gottes Gnaden, was man als „Kriterion" des Kritikers bestimmen darf, in jeder Kritik ein allgemeines Geseß auffinden und nennen können; er wird wissenschaftlich suchen und künstlerisch finden, auf diese Weise dem Dichter vorarbeitend, ihn belehrend, verbessernd, ihm die künstlerische Zuchtwahl erleichternd.

So wird auch der Künstler keinen besseren Freund haben als den Kritiker; der echte Kritiker wird aber deshalb auch die Afterkritiker noch heftiger befehden als Afterpoeten, denn jene sind die wahren Schädlinge der Litteratur.

Spielhagen, Beyse, Freytag und Raabe
in französischem Urteil.*)

Von G. A. von Suttner. Den Ehrenplay in seinem Buche über die zeitgenössischen deutschen Romanciers räumte Herr de Morfier Spielhagen ein; dann folgt Paul Heyse, hierauf Gustav Freytag und schließlich Wilhelm Raabe.

Wie ernst Herr von Morfier seine Aufgabe nimmt, beweist der Umstand, daß er nicht allein die Werke jener Dichter, über die er schreibt, eingehend studiert, sondern daß er auch den bemerkenswertesten Schriften, die über besagte Dichter handeln, seine volle Aufmerksamkeit geschenkt hat; so nennt er beispielsweise die Brüder Hart, 2. Ziemffen, A. Strodtmann, Georg Brandes, die Georg Brandes, die verschiedenen Verfasser deutscher Litteraturgeschichten, J. Bourdeau und Andere, kurz, von ihm kann man mit Recht sagen: il connait ses auteurs und zwar ebenso seine einheimischen wie die fremden der Gegenwart und Vergangenheit.

Spielhagen giebt ihm Gelegenheit zu einem kleinen Kursus in der deutschen Litteraturgeschichte des 19. Jahr hunderts. Um nämlich den großen Romancier und seine

*) Vgl. den ersten Artikel über Morsiers Buch in Nr. 47 des Magazins,

Art_vollends zu würdigen, sieht er sich bemüßigt, etwas zurückzugreifen und seinen Landsleuten ein Bild vom litterarischen Deutschland aus der Zeit des napoleonischen Druckes und der den Befreiungskriegen folgenden Reaktion vorzuführen. Mit bereten Worten schildert er die schwere Not der Freiheitsfänger, das Philistertum, die Gleichgiltigkeit des Volkes dem dichtenden Enthusiasten gegens über. Während ein einziger Wehruf von seiten jenter erschallt, die den Druck der Feffel nicht zu tragen ver mögen, während die Besten in der dumpfen Atmosphäre der Kleinstaaterei ersticken, dampfen die frommen Spieß bürger aus ihren Pfeifen, laffen den Herrgott eintent guten Mann sein und genießen mit gemütlichem Behageit und gewohnter Pietät die Busennadel-Dichtungen jenter Afterpoeten, deren Vorgänger den roi soleil" befungen und deren Nacheiferer heute noch den Parnaß unsicher machen, so oft ein hohes, höheres öder höchstes Jubiläum in Sicht ist, das ihnen wieder ein Geschmeide mit Namenszug in Brillanten einzutragen verspricht.

und die Truglieder eines Fallersleben, Herwegh, Pruß, Dann beginnt es von Westen her dumpf zu rollen, Freiligrath, Sallet hallen von Berg zu Berg, von Tal zu Tal: „Der Kampf hat begonnen und der Sieg wartet nicht: es heißt die Herzen heben, die Seelen entflammen, die Kämpen in die Schlacht führen. Ihre Strophen find der Schrei der Leidenschaft, jeder Vers muß einen Mann aufwecken. Ihre Lieder sind Glanztaten und die Bürgergarden werden sich bald um das Vaterland verdient gemacht haben. Es sind dies leidenschaftliche Seelen, die nicht anderes handeln und schaffen können, als inmitten des politischen und sozialen Aufruhrs; ftolz und frohgemut im Schoße des revolutionären Wirbels find sie in der Tat, wie man sie benannt hat, die echten Sturmvögel!

Wieder folgt eine Zeit der allgemeinen Erschöpfung und der Reaktion, aber die vom Winde in alle Weltgegenden getragenen Samenförner sind aufgegangen und die Saat, die mit der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches zur Reife gelangte, war von jenen Dichterheroen gefäet: „Indem man nur die großen politischen und friegerischen Taten sieht, vergißt man zu sehr, daß diese Taten nichts anderes waren, als die Ausführung sehr alter Ideen, die dem Volke hundertmal gepredigt worden und nach und nach in den Geist der Nation eingedrungen

waren.

Ihre Dichter und Denker sind es ebensosehr wie Herr von Bismarck, die das gegenwärtige Deutschland gemacht haben. Jeßt, da das große Ziel erreicht ist, da das Vaterland ein einiges und starkes ist, haben die Schriftsteller das Feld frei und verbreiten sich nach allen Seiten, ihren verschiedenen Talenten die Zügel schießen lassend; aber seit 1813 bis 1871 find sie es, die deutschen Dichter, die immer die ersten auf der Bresche waren dem Feinde gegenüber und die beharrlichsten auf den öffentlichen Pläßen, um das Volk zu beraten und zu ermutigen. beraten und zu ermutigen. Sie haben gearbeitet und gekämpft, um die glorreiche Zukunft des Vaterlandes vorzubereiten, und nachdem sie im Joche gestanden, verdienten sie nun wahrlich in Ehren zu stehen!"

So spricht ein Fremder, der kiaren, unparteiischen Blickes auf die Ereignisse zurücksicht. In Deutschland hat meines Wiffens niemand die Dinge so ins Auge gefaßt und jener gedacht, die in ihren Dichter-Visionen den Tag gesehen, an welchem das zersplitterte Deutschland wieder ein einiges Ganzes bilden würde. Ganz ein wenig sollte es der deutsche Schulmeister gewesen sein,

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der das zustande gebracht, und größtenteils aber jener einzelne, der heute grollt, da man einen anderen auf die Kommandobrücke gestellt hat. Aber daß damals die Kommandoworte ein Echo fanden, daß die Hände willig zugriffen, um die Segel zu entfalten, die Ruder in die Flut zu tauchen und dem Fahrzeuge die gewünschte Richtung zu geben, da mag doch wol der Geist im Spiele gewesen sein, der in der Luft schwebte, der seit Jahrzehnten leis vibrirende Klang der Lieder, der Mahuruf jener Männer, die in Wort und Schrift gepredigt: Werdet einig, werdet stark!" Dank dem französischen Kameraden, daß er uns darauf aufmerksam gemacht, — wir hätten es schier vergessen.

Hiermit wären wir unter seiner Führung bei der deutschen Nationallitteratur angekommen, als angekommen, als deren erster Vertreter Friedrich Spielhagen angeführt wird. Mit feinem Verständnisse zergliedert der Kritiker die Werke des Dichters; getreulich und mit gespannter Aufmerksamkeit folgt er ihm von allem Anfange an bis auf den heutigen Tag und sehr scharfsinnig ist die Parallele, die er zwischen Spielhagen und Heyse zieht, da er auf den Roman Kinder der Welt" zu sprechen fommt, in welchem letterer nur Seitenstücke zu den Schöpfungen Spielhagens zu liefern sucht. Ganz richtig; Spielhagen ist für das Breitangelegte berufen, für den vierbändigen Roman, in welchem er nach Lust und Bedürfnis seine Charaktere entwickeln, seine Philosophie, sein Wissen ins Treffen führen kann, und darin steht er unerreicht da. Wer sich ein Menschenleben hindurch der einen Sache gewidmet hat, der sozialen Frage, wer darüber immer wieder gegrübelt, studiert und dafür sein ganzes Ich eingesetzt hat, der wird nicht so leicht von einem anderen eingeholt oder gar überholt, der auch einmal in der Sache mitreden möchte; wer in italienischer Musik und Minnesang glänzt, darf nicht mit einem Male mit Gluck und Haydn wetteifern wollen, und so ist es auch in der Tat Heyse nicht gelungen, in der Spielhagenschen Art gleich Glänzendes zu leisten, wie in der Heysefchen, wenn auch die Tendenz der Kinder der Welt eine vorzügliche ist und wenn wir auch dem Dichter danken müssen, daß er seinen zahlreichen Anhängern ein Werk vorgesezt hat, aus dem sie heilsames und nüßliches lernen können. Sehr treffend sagt daran anknüpfend Herr von Morfier: Stellen Sie sich Octave Feuillet vor, mit dem Wortschwall eines Proudhon deklamirend!" ferner: „Spielhagen ist der berete Dolmetsch der großen Moral- und Philosophie Wahrheiten, der geschworene Gegner der Theorie Kunst für Kunst", die er für scheinheilig und unfruchtbar hält, der begeisterte und leidenschaftliche Apostel der sozialen Mission der Kunst.“

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Und damit kommen wir wieder auf das Feld der Tendenz zurück, deren Wert und Notwendigkeit von gewiffer Seite merkwürdigerweise bekämpft und angefochten wird, obwohl die Tatsache unbestreitbar ist, daß jeder bedeutenden Dichtung, jedem Werke, das seine Zeit über dauert hat, eine Tendenz zu Grunde liegt. Daß Spiel hagen in allen seinen Büchern mit eiserner Konsequenz ein und dasselbe Ziel verfolgt, die Linderung des Elends in den unteren Schichten, die soziale Hebung der Plebs, das weiß wohl jedermann, der überhaupt den Namen des Dichters kennt, und daß dieser Dichter schon oft Prophet gewesen, wird gewiß niemand leugnen. Und daß dieses Elend zum großen Teil dadurch gelindert werden könnte, daß die erdrückenden Lasten, welche die Feindseligkeiten der Nationen verursachen, erleichtert würden, diese Zuversicht teilt der Dichter auch mit vielen anderen, welche den Ruhm der zivilisirten Völkerschaften nicht im gegenseitigen Aufreiben finden können. Er sagt es deutlich in

mehreren seiner Bücher, und an eine Stelle anknüpfend. fügt der Autor des französischen Werkes folgende be= merkenswerte Stelle hinzu:

„Und was jene betrifft, die es lieben, sich an anderen zu belehren und gerne die Welt durcheilen; jene, die gelernt haben, die verschiedenen Nationen zu kennen, zu lieben; jene, welche die Sprache kennen, die Geschichte, den gerechten Ruhm der verschiedenen Völker und die in allen Ländern Verbindungen, Freunde, manchmal Verwante haben; jene, die dem Denken leben, die von jedem Volke etwas gelernt haben, schulden jedem von diesem eine gerechte Dankbarkeit und fühlen für jedes eine innerliche Zuneigung; jene durch die abwechselnd und gleichzeitig irgend eine Seite ihrer Natur ganz Franzosen, Engländer, Italiener, Deutsche... im Gedanken und im Herzen sind, alle diese müßten am Tage, an welchem irgend ein betrunkener Soldat, irgend ein hirnloser Diplomat, irgend ein von seiner Allmacht berauschter Autokrat es verstanden, die Intereffen zu verlegen und den Krieg ausbrechen zu machen, ja, in Wahrheit, jene müßten, wenn sie den Mut hätten, feig zu sein, ihre Flinte hinwerfen und nach einem Lande wandern, (es giebt deren noch,) wo man sicher ist, sich nur gegen reißende Tiere schlagen zu müssen! Oh, wer wird heute noch den stolzen Mut haben, nach Seneca und Göthe zu sprechen: Ich bin Weltbürger! Wer wird es wagen, das erhabene Wort Schillers zu ergänzen, die falsche Auffaffung des Begriffes „Vaterland", wie die falsche Idee der Religion von sich zu weisen und zu rufen:

Zu welchem Vaterland ich mich bekenne?
Zu keinem.

Aus welchem Grunde?

Aus Vaterlandsliebe!

sie in Deutschland haben. Allerdings giebt es da drüben In Frankreich kennt man nicht die Novelle, wie wir Dichter, wie Manpassant, Coppée, Theuriet, Pierre Loti u. a., die uns prächtige Skizzen und,contes" geliefert haben, schichten, wie wir sie hier lieben und wie sie Paul Heyse aber sie unterscheiden sich doch in vielem von den Geto trefflich zu erzählen weiß.

Das Erzählertalent ist überhaupt in Deutschland zu Hause: „Jeden Abend, in ganz Deutschland, dort, gegen das Meer zu, in den großen verzweifelt einsamen Ebenen Pommerns oder Brandenburgs; hier, am verzauberten Ufer des alten Rhein, des Vater Rhein, deffen dunkle Fluten sich jede Nacht längs seines Laufes mit tausenden von Refleren bedecken; drüben noch, in dem kleinen, talversteckten Städtchen, in den Weilern, hinter den hundertjährigen Bäumen des Thüringer Forstes verschanzt, in einer verlorenen Bergmulde Schwabens oder Ober-Baierns, überall: in der kleinen durchräucherten Wirtsstube des Dorfes, in den alten hundertjährigen Tavernen Nürnbergs, in den Riesenkellern Dresdens oder Münchens, in den strahlenden Bierpalästen Berlins, jeden Abend in ganz Deutschland, in den Bräuhäusern und Kafés, am Tische, wo man fich täglich unter Freunden und Kollegen zu sammenfindet, in der Bierkneipe, um den Stammtisch, Pfeife oder Zigarre zwischen den Lippen, fißen die Biertrinker" und da hört man in der Regel die Frage: „Kennen sie die Geschichte?" Die Antwort: „Nein, erzählen sie mal", und nun geht es los. Bald ist es ein Vorkommnis im Orte selbst, ein Abenteuer, dessen Held eine bekannte Persönlichkeit, bald eine Zeitungsnotiz, bald ein Ereignis aus der Nachbarschaft oder jenseits der Grenze, bald eine einfache Anekdote, welche den Stoff zur

Geschichte liefert, kurz, erzählt soll und muß werden, das ist die Würze der geselligen Zusammenkünfte von unten hinauf bis zu den höchsten Kreisen. Seßte man sich doch Sette man sich doch beim Frühschoppen im Reichskanzler-Palais schließlich in die gemüthliche Ecke, um bei Pfeife und Zigarren den Erzählungen des Mannes zu lauschen, der wohl den | größten Vorrat an Erlebnissen und spannenden Situationen zur Verfügung hatte."

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Herr von Morfier besitzt ein schönes Talent, bei seinen Lesern Stimmung zu erwecken. Was er da zur Einleitung der Sache fagt, um auf die Erzähllust_der Deutschen zu kommen, ist sehr hübsch gegeben und es heimelt den Leser ungemein an, der sich tatsächlich in die geheizte Stube verseht fühlt, wo die kleine Tafelrunde mit Ändacht und Spannung der Dinge wartet, die einer aus ihrer Mitte zum Besten zu geben sich anschickt. Auch an die Kinderzeiten erinnert das einen, an die Dämmerungsstunden, in welchen das Licht von der Gaffe einen Schimmer auf die Decken wirft, den die Großmutter für den Schein des Christkindes" erklärt, um daran anknüpfend eine von ihren vielen Weihnachtsgeschichten der gespannt lauschenden Kinderschar vorzutragen.

Wer gut erzählen kann, ist in der Tat gern gesehen; es kommt dabei nicht darauf an, ein,,Causeur" zu sein, d. h. das Talent zu besitzen, eine gleichgiltige Begebenheit, durch wißige Bemerkungen und geistreiche Zutaten gewürzt, vorzubringen, sondern man zieht solche Mitteilungen vor, die ein interessantes oder lustiges Begebnis zum Gegenstande haben; der Erzähler braucht nur über eine gewisse Leichtigkeit der Rede und über Wortreichtum zu verfügen.

Lang darf die Geschichte auch nicht sein; man liebt Abwechselung und man hat nicht Zeit, Stunden hindurch den Zuhörer abzugeben. Nach vollbrachtem Tagwerke geht man frühzeitig zu Bett, auch der Kneipe widmet der rechtschaffende Bürger kaum mehr Zeit, als notwendig ist, um einen Maßkrug zu leeren und eine Pfeife zu rauchen, also heißt es sich kurz fassen und dabei seiner Erzählung doch eine Pointe zu geben wiffen. So will es auch zumeist der Leser, hauptsächlich der männliche, und so wollen es die Journale, die nie an Romane Mangel haben, jederzeit aber eine Novelle oder eine Novellette brauchen können und darum dürfte Paul Heyse so ziemlich von der Männerwelt gekannt und geschäßt sein, was heute viel zu bedeuten hat, da ernste“ Männer sich nicht gern mit leichter“ Lektüre abgeben. Was sie eigentlich so Ernstes treiben, daß ihnen die Beschäftigung mit Litteratur eine Friviolität scheint, darüber schweigt die Geschichte, aber wir müssen ihnen aufs Wort glauben, daß sie ernst, ganz ungeheuer ernst sind und daß wir Träumer in ihren Augen eigentlich auf einer Stufe mit den Seiltänzern stehen. Zum Glück hat sich in Herrn von Morfier ein Mann gefunden, der an diesem leichten

Zeugs" Gefallen findet und demselben Verständnis entgegenbringt, ja fogar offen und freimütig seine Bewunderung für einzelne Leistungen unserer Romandichter und Novellisten ausspricht. Heyses Talent als Erzähler hält er ebenso hoch wie das Spielhagens als Romandichter. Nicht ganz so sympathisch steht er Gustav Freytag gegen über, dessen Talent, wie er urtheilt, nichts gemein hat mit jenem göttlichen Fieberrausche des Genies, in welchem man den Zeiten vorauseilt und die Zukunft verkündet." Dabei giebt er aber vollkommen die Verdienste zu, die sich Freytag um die deutsche Belletristik als solcher erworben hat. Klarheit des Gedankens, Sicherheit des Urteils, liebenswürdige Heiterkeit, feinerer Spott und vor allem ein bewunderungswürdiger Geist der Schlagfertigkeit,

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dank welchem er zu rechter Stunde laut und mit Glanz das sagt, was jeder insgeheim für sich dachte, das find die Eigenschaften, die der französische Kritiker an dem Dichter der Ahnen ganz besonders hervorhebt. Immer findet er den Ton, welcher zur Zeit paßt, den „zeitgemäßen Ton" (Ludwig Salomon). Daher auch der Opportunismus, der allerdings in der legten Zeit einigermaßen über die Grenzen des Taktes ging.

Herr von Morsier macht uns auf einen französischen Freytag-Forscher aufmerksam, der bald nach Erscheinen von „Soll und Haben“ diesen Roman seinen Landsleuten in der Revue des deux mondes anzeigte und, wie so viele Forscher, mehr aus den Worten herauszufinden glaubte, als der Verfaffer hineingelegt haben wollte. Herr Saint-René Taillandier versicherte nämlich, den Grund warum Soll und Haben in Deutschland solches Aufsehen erregte, darin gefunden zu haben, daß besagter Roman gleichzeitig das personifizierte Deutschland und die deutsche ein Symbol enthalte: Anton Wohlfahrt sollte nämlich Bourgeoisie vorstellen! Und das Merkwürdige dabei war, daß die guten Deutschen zwar das Buch kauften, wie bisher keines gekauft worden war, aber dabei garnicht begriffen, wo der Hase im Pfeffer lag, denn keiner von den vielen Lesern, mit denen Herr Taillandier selbst gesprochen, hatte das Symbol so aufgefaßt, wie jener, der ganz einzig und allein Gustav Freytag verstanden hatte. Sonderbare Logik das! Das Buch erlebte so zahlreiche Auflagen des Symbols wegen, das jedoch nur eine Person herausgefunden, und diese Person war der Berichterstatter der Revue des deux mondes!

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Das Schlußkapitel des höchst interessanten Buches ist Wilhelm Raabe gewidmet, allein der liebenswürdige Humorist kommt dabei nicht so gut weg, wie seine Vorgänger, denn es ist in diesem letzten Abschnitte weniger von ihm die Rede, als voni Humor überhaupt und vom Verständnis der Deutschen für die Natur, vom Natursinn, der mehr oder weniger allen unseren Dichtern innewohnt. Eine Landschaft ist ein Seelenzustand, und wer keine Seele hat, steht der Natur gegenüber wie ein Blinder dem Lichtglanz." Wahr empfunden und eigenartig gesagt. Ueberhaupt befleißigt Herr von Morfier sich einer Sprache, die vollkommen bestätigt, welch großes Gewicht man in Frankreich der Rhetorik beilegt, und wenn er sich auch beklagt, daß man infolge deffen dem Denken weit weniger Aufmerksamkeit zuwendet, so mag er das für andere bedauern, nicht aber für sich selbst, denn in den 400 Seiten seines Buches finden sich der schönen Gedanken viele; und ihm dient die Schrift keineswegs dazu, „Gemeinpläge in schönes Gewand schönes Gewand zu kleiden". Was er über deutsche Litteratur sagt, hat vor ihm noch kein Franzose gesprochen, wenigstens nicht in so eingehender, unparteiischer, gerechter und verständnisvoller Art. und verständnisvoller Art. Und darum wiederhole ich: wir können ihm von ganzem Herzen erkenntlich sein, daß kommen ist, um unseren Dichtern und Denkern das Ehrener uns in echt kameradschaftlicher Weise entgegen gegeleite durch seine Heimat zu geben.

Hoffentlich ist diese erste Begegnung nicht die lezte. Allen, die mit aufrichtigem Sinne an der großen DichterRepublik hängen, kann es nur eine wirkliche Befriedigung sein, jenseits der Staatsgrenze solche Freunde zu finden.

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