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ihre Pension in Petersburg mittlerweile zu einer immer höheren Summe ansammle.

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ist

Was meinen Sie, Exzellenz," sagte einst, nachdem sie gefrühstückt hatten, der eine General zu dem andern, die Geschichte von dem Turmbau zu Babel wol wahr? Glauben Sie nicht, daß es blos eine Allegorie sei?"

„Gewiß, Exzellenz, glaube ich, daß es eine wahre Be= gebenheit ist, wie wäre es sonst zu erklären, daß es so viele verschiedene Sprachen auf Erden giebt?"

„Mithin muß auch wol die Sintflut eine wahre Begebenheit sein?"

„Natürlich, wie wäre denn sonst die Existenz der vorsintflutlichen Tiere zu erklären? Überdies erzählt ja auch die Moskauer Zeitung .

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Sie suchten nun wieder die alte Nummer auf, seßten sich in den Schatten und lasen das ganze Blatt von Anfang bis zum Ende; sie lasen wie man in Moskau, in Tula, in Pensa und in Rjäsan gegessen hatte und empfanden sonderbarerweise jest gar keine Beschwerden davon.

Wie lange dieses Leben gewährt haben mag, wissen wir nicht; schließlich aber wurde es den Generälen doch lang= weilig. Sie dachten öfters an ihre in Petersburg zurückgebliebenen Köchinnen und weinten sogar insgeheim.

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Wie mag es wohl jezt in der Podjátscheskij aussehen, Exzellenz!" fragte der eine General den andern.

„Ach, erinnern sie mich nicht daran, Exzellenz, ich vergehe fast vor Gram und Kummer!" erwiderte der andere General.

„Es ist ja recht schön hier, dagegen läßt sich nichts jagen; aber das Lämmchen sehnt sich doch immer wieder nach dem Mutterschaf; auch um die schöne Uniform ist's schade!"

"Ja freilich, eine Uniform der 4. Rangklasse ist kein Spaß die Goldstickerei allein fönnte einen schwindlig machen.“

Sie drängten nun den Mushik, daß er sie nach der Podjátscheskij schaffen solle. Und merkwürdig - der Mushik wußte sogar, wo die Podjátscheskij ist: er hatte dort Bier und Met getrunken und es war ihm wie es im Märchen heißt alles den Schnurrbart entlang gelaufen, leider aber nichts in den Mund geflossen.

Da freuten sich die Generäle und sagten: „Wir sind ja Generäle aus der Podjátscheskij!"

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-

„Und ich bin einer von jenen Sie erinnern sich wol? die in einem am Stricke hängenden Gestell sizen und die Fassade anstreichen; einer von denen, die wie Fliegen auf dem Dache herumkriechen; so einer bin ich!" antwortete der Mushik.

Und nun überlegte dieser Mushik lang und breit, wie er wol seinen Generälen, die ihm, dem Faulpelz, so gnädig waren und seine Arbeit nicht verschmähten, eine rechte Frende machen könnte. Und es gelang ihm, ein Schiff herzurichten; es war nicht eigentlich ein Schiff, aber doch ein Fahrzeug, auf dem man über den Ocean hinweg, bis dicht an die Podjátscheskij gelangen konnte.

,,Nimm dich aber ja in acht, Kanaille, daß du uns nicht ersäufft!" sagten die Generäle, als sie den Nachen sahen, der auf den Wellen schaukelte.

Fürchten Sie nichts, meine Herren Generäle, wir sind das schon gewohnt!" sagte der Mushik und machte alles zur Abfahrt bereit.

Er suchte weiche Schwanendaunen zusammen und bereitete den beiden Generälen ein Lager, dann schlug er ein Kreuz und ruderte von dannen. Wie sich nun die Generäle unterwegs fürchteten, wie sie vom Sturm und Unwetter litten, und wie sie den groben Mushik wegen seiner Faulheit schimpften, das kann weder erzählt noch beschrieben werden. Der Mushit aber ruderte immer zu und ernährte seine Generäle mit Heringen.

Endlich erblickten sie Mütterchen Newa und bald waren sie auch am herrlichen Katharinenkanal; da ist auch schon die große Podjátscheskij! Als nun die Köchinnen ihre Generäle so satt, rund und fröhlich wiedersahen, da freuten sie sich unbändig. Die Generäle tranken Kaffee und aßen Milchbrötchen dazu; dann zogen sie ihre Uniformen an und fuhren ins Rentamt; wieviel Geld sie dort zusammenscharrten, das kann man weder erzählen noch beschreiben.

Aber auch der Mushik wurde nicht vergessen; die Generäle schickten ihm ein Gläschen Schnaps und fünf Kopeken hinaus. Nun, Mushif, freue dich und sei lustig!

Deutsches Theater:

Theater.

Von

Frih Manthuer.

„Ehrbare Mädchen“ (Le vergini), Schauspiel in 4 Akten von Marco Pragá, deutsch von Otto Sommerstorff.

Berliner Theater: „Wehe den Besiegten", Schauspiel in 3 Akten von Richard Voß.

Das italienische Stück wurde von der kleinen Gruppe der Ehrgeizigen, welche alles wenigstens mit einem Schlagwort voraus wissen möchten, als ein neues naturalistisches Werk ausgerufen. Der jugendliche Verfasser sei ein „Verist“, ein italienischer Hauptmann, mindestens ein Hauptmann aus den Abbruzzen. Als nun ein Drama über die Bretter ging, das mit der alten und bewährten französischen Technik eine einfache und wahre Seelenhandlung auf die Bühne brachte, da waren beide Parteien unzufrieden; die Pedanten des deutschen Naturalismus entsetzten sich über die alte Technik, und die älteren Zuhörer schüttelten ihre Köpfe über das Unbefriedigende des Ausgangs. Und hierin haben sie nicht einmal ganz Unrecht; unbefriedigend ist das Stück, unbefriedigend wie das Leben.

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Dem Verfasser war es offenbar in seinem romanischen Leichtsinn gar nicht um eine neue Theorie zu thun, sondern ganz einfach darum, vier Menschen, die ihm in ihrer Art gefielen, handelnd auftreten zu lassen, Mama Tossi und deren wundersame Töchter, Paolina (Fr. Geßner), Nini (Frl. Lehmann) und Selenc (Frl. Reisenhofer). Und ich stehe nicht an, in diesen vier Damen vorzügliche Porträte zu bewundern. Diese gute brave Mama, welche in ihrem Salon alle reichen jungen Leute von Mailand empfängt, ihre Gäste möglichst gut bewirten möchte, dazu aber nicht Geld, nicht Takt und nicht Moral genug hat wo haben wir sie doch gestern gesehen? Die älteste Tochter Paolina, die in früher Jugend von einem der Freunde des Hauses verführt worden ist, und die, eine ehrliche gute Natur, nur ihrer Buße lebt und etwas gouvernantenhaft in der umgebenden Zigeunerwirtschaft erscheint, die kennen wir natürlich nicht persönlich. Aber dann wieder die beiden jüngeren Schwestern, die mit allen jungen Herren F Verhältnisse anspinnen, durch Zeitungs

Litterarische Neuigkeiten.

inserate forrespondiren und den befreundeten Malern Modell stehen mit dem Kopf und was drum und dran hängt —, die aber troßdem raffinirt genug sind, sich niemals zu vergessen, und die darum unter ihren Bekannten „le vergini" heißen (jede andere Übersetzung als „die Jungfern" verbiegt den Gedanken), diese beiden Schwestern haben wir schon gesprochen, auch wenn uns der Zug nach dem Süden nicht bis Mailand geführt hat. Diese vier weiblichen Wesen also hat Marco Praga vorzüglich gezeichnet und es dabei verstanden, in Nini und Selene, so ähnlich sie einander sind, zwei verschiedene Charaktere zu geben.

Die dramatischen Scenen, welche sich in diesem Kreise ab spielen, sind ergreifend. Der junge Dario (Herr Barthel), der ein wenig sentimental von Berlin nach Mailand zurückgekehrt ist, verliebt sich leidenschaftlich in Paolina. Sie wird seine Braut, aber kurz vor der Hochzeit macht sie ihm ein freiwilliges Geständnis. Er ist zuerst völlig zerschmettert; aber bald kommt der schneidige Junge auf den guten Einfall: Paolina soll seine Geliebte werden; so könne ihnen allen geholfen werden, besonders ihm selbst. Da erhebt sich das arme Mädchen zu ganz stattlicher Höhe und ebenso selbstbewußt wie Nora, und mit mehr Recht als diese verläßt sie den Mann, der sie zärtlich wie eine Puppe behandeln will.

Das die einfache, wahre Handlung; und hätte der Dichter das bischen Fabel mit der Sardouschen Technik, die er recht gut beherrscht, auch innerlich zu formen verstanden, so hätten wir soweit das möglich ist einen italienischen Ibsen vor uns. Leider decken sich aber, wie die Aufführung lehrte, Stoff und Form noch nicht vollständig. Der satirische Einfall, daß die „vergini“ mit ihren gemeinen Mitteln ihre Ziele erreichen, wird allmälig fallen gelassen, und das Schicksal der verführten Paolina wird zur Hauptsache. Das läßt das eigentliche Drama erst gegen den Schluß des dritten Aktes beginnen und die Meinung aufkommen, die lustigen beiden ersten Akte seien eine überflüssige Einleitung gewesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Berfasser wirklich zu diskret war in der Andeutung des drohenden Schicksals; jedenfalls trifft ein Teil der Schuld das Theater, welches die Stimmung nicht in zwei so ungleiche Hälften hätte zerreißen lassen sollen. Ungenügend war diesmal die Darstellerin der guten Mama Tossi.

Marco Praga wurde vielfach hervorgerufen, wenn auch die Aufnahme des Stückes gegen das Ende an Wärme etwas nachließ. Hoffentlich findet es im Laufe der Wiederholungen langsam das Verständnis und die große Anerkennung, die es verdient.

Im Berliner Theater wurde ein Drama von Richard Voß aufgeführt, „Wehe den Besiegten“. Ich muß darauf verzichten, meine Gedanken über die dichterischen Schwächen des Werkes hier mit gewohnter Rücksichtslosigkeit auszusprechen; denn auch der unmenschlichste Rezensent ist am Ende doch ein Mensch gewesen, bevor er das blutige Handwerk ergriffen hat, und die Freude über die Genesung eines hochstrebenden Mannes läßt die Grenzen dieses Strebens wohl einmal übersehen. Und da ist nur mit Staunen zu melden, eine wie starke theatralische Wirkung Richard Voß mit den vertrauten Gestalten aus der Legendenwelt Napoleons zu entfesseln vermochte. Ich hätte nicht geglaubt, daß der Spuk der nächtlichen Heerschau noch einmal heraufbeschworen werden fönnte; ich hätte geglaubt, ein Napoleon Bonaparte, der in den hundert Tagen an alte Liebesgeschichten erinnert würde und mit cinem plöglich auftauchenden erwachsenen Sohn in Gegensat käme, schickt sich mehr für ein Scribesches Lustspiel als für ein ernstes Drama; aber die Aufnahme im „Berliner Theater" (von den Darstellern zeichnete sich Fräulein Buße aus) stellte das Publikum auf die Seite des Dichters.

Englische Litteratur.

Bon

Professor Clarence Sherwood (Berlin).

Shakespeare vom Standpunkt der vergleichenden Litteraturgeschichte von Dr. W. Wez, Privatdocent an der Universität Straßburg i. E. 1. Band: Die Menschen in Shakespeares Dramen. Worms. Verlag von P. Reiß.

Auf dem Gebiet der Shakespeare-Litteratur ist ein neues Werk erschienen! Dieses Ereignis erweckt bei dem Publikum an und für sich weder Aufregung noch Begeisterung, denn unendlich oft ist schon dasselbe geschehen und ebenso oft mußte das betreffende Buch einer wolverdienten Vergessenheit anheim fallen. Voll Hoffnung ergriff man solch ein neues Werk, enttäuscht legte man es wieder fort, um beim nächsten Male dasselbe zu erleben. Mit großem und leider berechtigtem Mißtrauen betrachtet man daher eine neue derartige Erscheinung, und mit wenig Erwartung wir gestehen es offen begannen wir die Lektüre der vorliegenden Arbeit. Aber schon das Vorwort und die EinLeitung belehrten uns eines Besseren. Ihre Schärfe, ihre Schneidigfeit zeigte uns sofort, daß hier etwas Außergewöhnliches vorlag, mit jeder Seite steigerte sich unser freudiges Erstaunen und unser Interesse, und mit Freuden begrüßen wir nun den Shakespeare= Forscher, der fühn mit Althergebrachtem bricht und eigene Bahnen einschlägt, von dem wir eine wirkliche Förderung auf dem Gebiete auf das Zuversichtlichste erwarten können nein, schon erhalten haben.

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Ein großer Teil des Buches ist vorwiegend polemisch. Klar und scharf entwickelt uns der Verfasser seine Ansicht von dem, was eigentlich die vergleichende Litteraturgeschichte in engerem Sinne will und soll, und verlangt mit überzeugenden Worten ihre Trennung von der reinen Philologie, die ja nach Dr. Weß uns richtig erscheinender Meinung auch nicht ausbleiben kann, schon wegen der stetig wachsenden Ausdehnung beider Wissenschaften. Gerade deswegen aber ist jetzt die Verbindung der= jelben richtiger die angestrebte Verbindung so wenig nußbringend und oft geradezu schädlich für litterarische Forschungen. In wohlbegründeter Weise wird die angemaßte Bedeutung der Philologie auf dem Gebiete der Litteraturgeschichte zurückgewiesen und die rätselhafte Überschäßung philologischer Leistungen", ihre Kleinigkeitskrämerei, die überwucherung ihrer Details beklagt. (S. 20, 21, 27, 29, 30 Anm., 31.) Sehr selbstverständlich und doch der jeßigen Sachlage der Dinge nach sehr wichtig und notwendig erscheint uns die Bemerkung, daß der Litterarhistoriker selbst forschen und arbeiten soll und sich nicht damit zufrieden geben darf, die Forschungen anderer kennen zu lernen. (S. 32.) Dies ist leider nur zu oft der Fall und wird daher mit Recht in dem vorliegenden Buche gerügt, das überhaupt schon der vernünftigen und wichtigen Anweisungen zum Studium wegen vielen, sehr vielen zu empfehlen ist. Wie unzähligemale vertritt das Studium der Litteraturgeschichte das der Litteratur,“ ruft uns der Verfasser zu (S. 24), und man kann immer und immer wieder die Beobachtung machen, wie recht er damit hat. Wird die Philologie zurückgewiesen, so wird auf der andern Seite die Hilfe der Asthetik verlangt, die viele sehr mit Unrecht ganz wegfallen lassen. Sehr erfreut hat es uns, zu finden, daß endlich einmal ein Mann wie Taine ganz und voll von einem deutschen Litterarhistoriker gewürdigt wird. Auch eine scharfe und dabei immer wohlbegründete Polemik gegen frühere Arbeiten über Shakespeare findet man bei Dr. Web. So z. B. wird Bulthaupts Vorwurf, daß Shakespeare nicht genügend motivire, auf das Schlagendste widerlegt. (Man vergleiche hierzu S. 101-107.) „Es ist kein Paradoxon, wenn wir sagen, gerade diese lässige Motivirung ist die beste, ja einzig mögliche Motivirung für solche Handlungen, in ihr besteht zu einem guten Teile die Wahrheit der Schilderung." (S. 107.) 3u einer wirklich eingehenden Besprechung gebricht es uns leider an Raum, auch muß eben jeder selbst lesen und urteilen; auf einzelne uns besonders wichtig erscheinende Punkte aber wollen wir noch aufmerksam machen. Nicht zu übersehen ist zunächst die häufig ausgesprochene Ermahnung, daß der heutige Mensch möglichst von seiner Umgebung abstrahiren und versuchen muß, sich in die Ideen von Shakespeares Zeit einzuleben, da er sonst unmöglich zu einem wirklichen Verständnis des Dichters gelangen kann. Dies erscheint vielleicht dem unbefangenen Leser als etwas überflüssig, aber wenn er in den Arbeiten von berühmten Kritikern wie Bulthaupt, Gervinus und Eduard von Hartmann liest, so wird er schleunigst seine Meinung in diesem Punkte ändern. Einen

Glanzpunkt bildet die geniale Erklärung der berühmten und berüchtigten und fast immer falsch verstandenen Scene zwischen Richard von Gloucester und feiner späteren Gemahlin Anna. (S. 118-184.) Unmöglich, unmotivirt, unverständlich! haben die Erklärer sonst ausgerufen. Man lese in der vorliegenden Arbeit nach und man wird finden, wie einfach und wahr die Scene ist, durch die Shakespeare, der feinste aller Menschenkenner, so viel Anstoß erregt und Tadel hervorgerufen hat. Den besten Teil des Werkes bildet wohl das Kapitel „Die Liebe und die Frauen". Hier spricht ein Mann, der wirklich dazu berufen erscheint, uns die Gestalten des Dichters nahe zu bringen und in all ihrer Mannigfaltigkeit und Feinheit zu zeigen. In der ausführlichen Besprechung des Othello ist viel feine Beobachtung zu finden, aber wir können uns nicht entschließen, mit dem Verfasser den Jago als einen plumpen Intriganten anzusehen. Seine Mittel sind wohl oft plump, beruhen aber immer wieder auf der schärfsten Menschenkenntnis, und uns scheint, daß gerade durch die Wahl solch plumper Mittel, die doch so Großes bewirken, Jago seine grenzenlose Menschenverachtung gerade am deutlichsten zeigt. Den dicken Ritter Falstaff möchten wir nicht als einen Feigling betrachten und schließen uns hierin Morgans Ansicht (Essay on the diamatic character of Sir John Falstaff") an. Auch glauben wir mit Rötscher und Vischer im Gegensaz zu Dr. Web, daß Falstaff eine komische Figur nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst ist. Ebenso scheint uns die herrliche Gestalt des Percy Hotspur nicht genügend gewürdigt, und wir sind der Meinung, daß hier Gervinus' und Hazlitts Ansichten im Allgemeinen den Vorzug verdienen. Nur hingewiesen sei ferner auf eine Marotte des Verfassers, nämlich die, bei englischen Namen c mit k zu vertauschen. Klarence, Makbeth, Klifford haben für ein englisches Auge etwas komisches. Jm Anhang ist noch viel Bemerkenswertes zu finden. Geradezu föstlich ist die vernichtende Kritik, die der berühmte Philosoph Eduard von Hartmann wegen seiner allerdings kaum begreiflichen Schrift über „Romeo und Julia“ über sich ergehen lassen muß. Hier zeigt sich Dr. Weß als ein Polemiker allerersten Ranges, der mit Spott und Wiß dem Gegner in einer Weise beizukommen weiß, daß es eine wahre Freude ist.

Wird der Verfasser mit seinem Buch Erfolg haben? Wir glauben und hoffen es. Einen harten Kampf wird es aber seßen, denn er rüttelt gewaltig an althergebrachten Ideen, und besonders seine Angriffe auf die Philologie in der Litteraturgeschichte (wolbemerkt, nicht auf die Philologie an und für sich) werden in den weitesten Kreisen Anstoß erregen und werden auch heftige Entgegnungen veranlassen. Wer so angreift, weiß aber auch, daß das nicht ausbleiben kann, und wird gefaßt und mutig den Streit aufnehmen. Wir schließen mit der ausgesprochenen Hoffnung, daß der Sieg unserem Autor nicht ausbleiben möge.

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A South Sea Lover by A. St. Johnstor. Macmillan & Co., London and New York.

Auf einem für Romane ungewöhnlichen Schauplaze spielen sich die Begebenheiten dieses Werkes ab, nämlich auf einer SüdseeInsel. Vom ersten Worte an zeigt sich die begeisterte Verehrung des Verfassers für das Land und die Leute, die er uns schildert, und in der Beschreibung der farbenprächtigen, riesenhaften Pflanzenwelt Polynesiens tritt diese auf das Vorteilhafteste hervor. Unwillkürlich regt sich in dem Leser der Wunsch, doch auch einmal diese Wunder der Natur anstaunen zu dürfen. Das beste was uns in dieser Hinsicht der Verfasser bietet, ist die Schilderung eines Orkans, der mit verheerender Gewalt über die Inseln hereinbricht, alles verwüstend, alles niederwerfend, was sich ihm in den Weg stellt. Dieselbe Bewunderung hegt aber Mr. Johnston auch für die Polynesier selbst, und hierin, glauben wir, werden ihm wohl wenige folgen, denn, wenn man auch nicht eben viel über dieselben weiß, so erscheint es doch etwas unglaublich, daß es solche Ideal-Menschen sein sollen, als welche sie uns hier geschildert werden. Es sei hier noch hingewiesen auf den Gipfelpunkt des ganzen Romans. Der Held der Geschichte, Christian North, ein englischer Matrose, soll als Opfer für die Götter in einen Lavasee geworfen werden, und wird nur durch den freiwillgen Tot seines Blutbruders Soma gerettet. In dieser Scene zeigt der Verfasser eine wirklich packende Darstellungsgabe, die den Leser mitten in die Handlung hinein zu versehen weiß und ihn zwingt, mit Christian North zu fühlen und zu leiden. Es ist aber nur in dieser einen Scene, daß uns die Personen des Romans so nahe gebracht werden. Im übrigen stehen wir ihnen fern und wir lesen von ihnen, ohne über ihre mannigfachen Schicksale in Aufregung zu geraten.

Leaves of a Life, by Montagu Williams, J. C. Macmillan u. Co., London and New York.

Wir haben hier keinen Roman vor uns, sondern die Erinnerungen eines Mannes, der ein langes und ereignisreiches Leben hinter sich hat, der mit vielen bedeutenden Männern im Verkehr gestanden, und der nun seine Mußestunden dazu verwendet hat, die wichtigsten Vorkommnisse seiner Laufbahn aufzuzeichnen. Mr. Williams ist heute eine er beliebtesten Persönlichkeiten in der londoner Gesellschaft und unter seinen Kollegen ein hochgeachteter Jurist. Auf der vornehmsten Schule Englands, Eton, erzogen, wurde er zuerst Lehrer, dam Offizier, dann Schauspieler, und wante sich dann erst der Jurisprudenz zu. Er heiratete ohne Wissen der Eltern eine Tochter des berühmten Schauspielerpaares Mr. und Mrs. Keeley, und, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, griff er zur Feder, wie so viele, und zwar mit Erfolg, wie so wenige. Er schrieb für verschiedene Zeitungen und verfaßte auch, meist mit Frank Burnand, dem Herausgeber des Bunch, zusammen, mehrere fleine Komödien, die ihrer Zeit mit Beifall aufgenommen wurden. Später, als seine Praxis als Rechtsanwalt sich ausdehnte, gab er dies jedoch auf und widmete sich ganz seinem eigentlichen Beruf. Das vorliegende Buch besteht denn auch zum größten Teil aus Schilderungen der Prozesse meist Kriminalprozesse bei denen Mr. Williams beteiligt war. Unter andern war er der Verteidiger des gefürchteten Mörders Charles Peace, von Lefroy, und vielen andern berüchtigten Verbrechern. In der ausführlichen Beschreibung dieser Ereignisse liegt aber auch der eine große Fehler des Buches, denn es wirkt, wenigstens auf den Laien, sehr ermüdend, eine Gerichtsverhandlung nach der andern durchlesen zu müssen. Eine Ausnahme bildet der Fall eines gewissen Louis Staunton, der mit seinem Bruder und dessen Frau und seiner Geliebten des Mordes an seiner Frau angeklagt und schuldig befunden wurde. Die Verurteilungsszene hat Mr. Williams uns mit wirklich seltener dramatischer Kraft geschildert, so daß man es bedauern muß, daß er seine litterarische Tätigkeit ganz aufgegeben hat. Für Engländer, und speziell für Londoner, eine höchst unangenehme Mitteilung ist die, daß seit 1877, wo den höchsten Detektivbeamten Londons Bestechlichkeit nachgewiesen wurde, die Detektivabteilung nie wieder systematisch reorganisirt worden ist. Da kann man sich allerdings nicht wundern, wenn solche Leute wie Jack the Ripper, der Whitechapel Mörder, der Gerechtigkeit entgehen.

*

*

Lady Baby by Dorothea Gerard. No. 2672 and 73 (2 Bde.) Tauchnitz Edition.

Eine sehr schwache Leistung! Der Konflikt ist selbst für einen englischen Damen-Roman sehr gesucht. Lady Baby ist verlobt mit einem sehr reichen Baronet und löst die Verlobung, weil der etwas fühle Liebhaber ihr nicht Gedichte vorträgt, und weil er täglich die Zeitung liest, was fein wahrer Engländer je unterLassen wird. Nach augenblicklich langweiligen Verzögerungen kommt das Paar natürlich wieder zusammen und alles ist am Schluß in schönster Ordnung. Lady Baby, die Heldin, ist eine von den allergewöhnlichsten verzogenen Backfischen, die auf die Schreiblust englischer Schriftstellerinnen einen geradezu unwiderstehlichen Reiz auszuüben scheinen. Nicht ganz schlecht ist hingegen die Figur der Maud Epperton, wenigstens im Vergleich zu den übrigen Personen. Eine verblüffende Naivetät verrät die Verfasserin in den vielen absprechenden Urteilen, die die heutige Roman-Litteratur sich gefallen lassen muß. Es scheint ihr gar nicht in den Sinn gekommen zu sein, daß es doch wenigstens möglich wäre, ihr Buch auch dazu zu rechnen.

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Mrs. Crokers Diana Barrington (Stuttgart. Engelhorns Roman-Bibliothek, 6. Jahrgang, Band 13 u. 14.)

ist die Geschichte einer jungen Dame, die, ganz in der Einsamkeit erzogen, plößlich in das rege gesellschaftliche Leben Indiens verjezt wird, wo sie sich natürlich öfters einigermaßen merkwürdig benimmt. Sie heiratet einen Offizier, Mißverständnisse, die fast zu einer Scheidung führen, treten ein, aber am Schluß löst sich alles in Wohlgefallen auf. Alles dies wird ganz hübsch erzählt und liest sich ganz leicht so recht ein Roman nach dem Essen zu lesen und hinterläßt durchans keinen Eindruck. Die Übersetzung ist im ganzen recht geschickt gemacht.

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494.

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Eine vor kurzem erschienene neue Ausgabe der Sonette*) bemüht sich in einer umfangreichen Einleitung neues Licht auf diese noch immer dunklen Fragen zu werfen.

"

Schon unter den früheren Erklärern, die ja teilweise zu den wunderbarsten Vermutungen in bezug auf Mr. W. II., den einzigen Erzeuger dieser Sonette" gelangten, fanden sich drei, Bright, Boaden und Brown, die zu der Ansicht gekommen waren, daß unter diesen Anfangsbuchstaben William Herbert, Earl of Pembroke, verborgen sei, derselbe, dem die Folioausgabe der Dramen von 1623 zugeeignet ist. Dieselbe Ansicht vertritt der Herausgeber dieser neuen Ausgabe und sucht dieselbe mit reichem Beweismaterial zu stüßen.

„Mr. W. H." ist, wie aus den Sonetten hervorgeht, ein durch körperliche Schönheit ausgezeichneter junger Mann, den der Verfasser in den ersten 17 Gedichten drängt, sich zu verheiraten. William Herbert, der älteste Sohn des Earls von Pembroke und später selbst diesen Titel führend, war 1580 geboren. Wir wissen, daß er von 1598 an in London wohnte. Ein Briefwechsel zwischen den Earls von Pembroke und Orford aus dem Jahre 1597 beweist, daß man beabsichtigte, den 18jährigen Jüngling mit der Tochter des Earls von Oxford zu verheiraten. Diese Verbindung wurde von dem jungen Edelmann wahrscheinlich zurückgewiesen, eine Ansicht, die gestützt wird durch die Zeile des 40. Sonetts:

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By wilful taste of what thyself refusest."

In London wurde der junge Mann mit dem auf der Höhe seines Ruhmes stehenden Dichter bekannt, was schon dadurch leicht möglich war, daß seine Residenz Baynards Castle dicht bei Blackfriars Theatre lag. Seine Mutter, die Gräfin von Pembroke, wünschte sehr, daß die beabsichtigte Heirat zu stande kommen möge; sie war eine Schwester Sir Philip Sidneys, des Arkadiadichters, und selbst eine Frau von litterarischem Geschmack, wie die folgenden Zeilen beweisen, die Spenser in bezug auf sie gedichtet hat:

They all (quoth he) me graced goodly well,
That all I praise; but in the highest place
Urania, sister unto Astrofell,

In whose brave mind as in a golden coffer,

All heavenly gifs and riches locked are;

More rich than pearls of Ind, or gold of Ophir
And in her sex more wouderful and rare.

Ist es unwahrscheinlich, daß eine solche Frau, die einen Dichter zu solchen Versen begeisterte, mit dem größten Genius der Zeit bekannt war, ihn vielleicht protegirte? War dieses so, so ist es auch verständlich, daß sie sich seiner bediente, um auf ihren Sohn zu wirken. Der Dichter suchte diese Wirkung in seiner Weise zu erreichen, indem er die Sonette an seinen jungen Freund richtete. Weisen nicht die folgenden Zeilen des 3. Sonetts darauf hin, daß die Gräfin in gewisser Beziehung zu den Sonetten steht?

Ist William Herbert der „W. H., so wird sich in seinem Leben, über welches viel überliefert ist, vielleicht ein Ereignis nachweisen lassen, welches mit dem oben angedeuteten identisch ist und auf welches das 40. Sonett Bezug hat.

Nun wissen wir, daß im Jahre 1601 Mary Fitton, Ehrenfräulein der Königin Elisabeth, von einem unehelichen Kinde cntbunden wurde, dessen Vater, William Herbert, Earl von Pembroke, war. Was über das Äußere und über den Charakter dieser Dame überliefert wird, stimmt wol zu der Beschreibung der dark lady in den Sonetten. Bei beiden finden wir starke Leidenschaften, gepaart mit mächtiger Energie. Allerdings ist nicht nachzuweisen, daß Mary Fitton persönliche Beziehungen zu Shakespeare hatte, aber das ist sicher, daß sie Mitglieder der Shakespeareschen Schauspielergesellschaft kannte. Im Jahre 1600 nämlich widmete der Clown der Gesellschaft, William Kemp, ein Buch „Nine daies wonder“, „to Mistris Anue Fitton, Mayde of Honour to most sacred Mayde, Royal Queene Elizabeth." Da es nun aber nachgewiesenermaßen zu jener Zeit keine Anne Fitton unter den Ehrendamen der Königin gab, muß ein Irrtum in den Vornamen angenommen werden. Laß ein Schauspieler einer Ehrendame der Königin cin so frivoles Buch widmet, wie das genannte, erscheint auffallend, ist es aber in Anbetracht der Zeit nicht so sehr, läßt außerdem die Tatsache weniger wunderbar erscheinen, daß Shakespeare mit einer so hochgestellten Dame ein Verhältnis gehabt haben könnte. Die Gesellschaft des Dichters gab Vorstellungen am Hofe. Wie leicht konnte da eine Bekanntschaft entstehen. Die „dark lady" der Sonette wohut troß der nahen Beziehungen zu dem Dichter nicht mit ihm zusammen. Ist diese Lady mit Mary Fitton identisch, so ist das sehr erklärlich, da diese in ihrer Eigenschaft als Ehrendame im Palaste der Königin wohnen mußte.

Wir haben nur in großen Zügen das wiedergegeben, was der Verfasser auf Grund zahlreicher Dokumente, Briefe und anderer Beweismaterialien entwickelt hat. Wenn auch die Sicherheit, die der Verfasser für seine Aufstellungen beansprucht, nicht über jeden Zweifel erhaben ist, so ist denselben doch ein gut Teil Wahrscheinlichkeit nicht abzusprechen.

Die Ausgabe enthält außer den Abhandlungen über William Herbert und die dark lady noch andere, die auf die Erklärung der Sonette Bezug haben und ist mit drei Porträts ausgestattet, die den Earl of Pembroke in späteren Jahren, seine schöne Mutter und Mary Fitton darstellen.

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George Kennan. Zeltleben in Sibirien und Abenteuer unter den Korjäken und anderen Stämmen in Kamtschatka und Nordasien. (Berlin, Verlag von Siegfried Cronbach.)

Der Verfasser ist auch in Deutschland berühmt geworden durch die beiden Werke, welche die Barbarei in den sibirischen Gefängnissen der entseßten Welt enthüllten. Die harmlose Schilderung seiner ersten sibirischen Reise hätte ihn wohl kaum zu einem berühmten Manne gemacht, es wird sie aber niemand ohne den behaglichsten Genuß lesen. Der Verfasser war in den sechziger Jahren Mitglied einer Expedition, welche da oben irgendwo zwischen Kamtschatka und dem Nordpol eine neue Telegraphenlinie legen sollte. Die Reisen waren mit furchtbaren Gefahren und Entbehrungen verbunden, George Kennan ist aber so geschmackvoll, niemals den munteren Ton zu verlieren und sich niemals in bengalischer Beleuchtung zu zeigen. Den Afrikareisenden, welche sich bei jeder kleinen Jagdgeschichte selbst bewundern, wäre dieser bescheidene amerikanische Forschungsreisende als Muster sehr zu empfehlen.

Unter dem Titel: Henrik Ibsens Werke, herausgegeben von Julius Hoffory, ist vor einigen Monaten, während ich schwer erkrankt war, Ein Puppen

Thou art thy mother's glass, and she in thee Calls back the lovely April of her prime. Indessen die Sonette hatten nicht den gewünschten Erfolg. William Herbert heiratete nicht, dagegen machte er dem Dichterfreunde seine Geliebte abspenstig, diejenige Dame, die in den Geheim (Nora), Gespenster, Ein Volksfeind als Bd. Il von dichten als die dark lady gefeiert wird. Wer war diese dark lady?

Es giebt unter den Erklärern der Sonette solche, die überhaupt kein leibliches Wesen darunter verstanden wissen wollen, auf der andern Seite geht ein deutscher Erklärer und Überseßer

der Gedichte, und zwar Wilhelm Jordan, so weit, wirklich eine Mulattin oder Quadronin darin zu erblicken. Die erste Ansicht fällt bei näherer Prüfung der Gedichte in sich zusammen, die zweite ist geschmacklos.

*) Shakespeare's Sonnets. Edited with Notes and Introduction by Thomas Tylor M. A. etc. London, David Nutt.

Jbsens Modernen Dramen bei S. Fischer erschienen. Ich erkläre hiermit, daß ich die genannten Dramen weder herausgegeben habe, noch in der vorliegenden Gestalt herausgegeben haben würde, und daß ich in keiner Weise Herrn Fischer autorisirt habe, mich, wie es auf dem Doppeltitel des II. Bandes geschehen ist, als Herausgeber desselben zu bezeichnen. Berlin, Januar 1891.

Prof. Dr. Julius Hoffory.

Verantwortlich: Otto Neumann-Hofer, Berlin. Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Köthenerstr. 30. Gedruckt bet Julius Eittenfeld in Berlin W,

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Erscheint jeden Sonnabend. – Freis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des magazins" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. → Preis der Einzelnummer: 40 Pfy. &~~

60. Jahrgang.

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Berlin, den 14. Februar 1891.

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Inhalt: Ludwig Pietsch: Wie man Schriftsteller werden kann. VI.
Hermann Sudermann als Romanschriftsteller.
von Gleichen. Froslav Vrchlicky: Zwei Gedichte.
Tode Verurteilten.

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Nr. 7.

Curt Pfüße-Grottewiß: Friedrich Helbig: Zur Geschichte des Problems des Grafen Armando Palonio Valdes: Der Traum eines zum Theater von Friß Mauthner: Tolstoj's „Früchte der Bildung“. - Wildenbruch's „Neuer Litterarische Neuigkeiten.

Herr". Ibsen's „Hedda Gabler“.

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Berichtigung.

Unbefugter Nachdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Wie man Schriftsteller werden kann.

Von Ludwig Pietsch.

VI.

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Bekanntlich verfiel er dem Wahnsinn und starb in geistiger Umnachtung. Unter jenen damals ausgestellten Gemälden Blechens war eines, und zwar eines der umfangreichsten und durchgeführtesten, welches ganz aus demselben romantischen Geist wie Ludwig Tiecks, mit unheimlichem Grauen am meisten gesättigte, phantastische Erzählungen, der blonde Elbert" und das von der alten Mechthildis in den Sieben Weibern des Blaubart" erzählte fürchterliche Märchen, herausgeboren erschien. Ich will nicht behaupten, daß heute seine Wirkung auf mich dieselbe sein würde, wie damals. Aber heute noch, wenn ich daran zurückdenke, rieselt mir ein eiskalter Schauer den Rücken herab, wie ich ihn damals bei der Betrachtung dieses Bildes empfand. És zeigt einen einsamen dunkeln Waldsee, der von ungeheuren kahlen Gebirgshöhen umgeben und wolkenhoch umragt wird. Ich weiß nicht, worin das Grauen eigent lich liegt, welches durch diese Scenerie verbreitet ist und von ihr ausgeht. Jeder von uns empfand es. Die Die seltsame spukthafte Staffage, welche völlig in dies Naturbild hineinpaßte, verstärkte nur jene Empfindung.

Ganz im Vordergrunde zwischen dem Gebüsch entdeckt man ein seltsames Monstrum, einen Zwerg mit unge heuerm Kopf und stumpfsinnig boshaftem Gesichtsausdruck; tiefer im Bilde an einer andern Stelle des See ufers das kleine Figürchen eines Schüßen, der auf dies gräuliche Gespenst anzulegen scheint, und durch weiten Zwischenraum von jenem getrennt das eines weiblichen Wesens, das angstvoll flehend die Arme gegen den

Zielenden erhebt. Die eigentliche Absicht des Malers ist nichts weniger als klar ausgesprochen. Aber diese Unbestimmtheit verschärft nur noch mehr den Charakter eines quälenden, beängstigenden Traumbildes, den das ganze Bild, darin jenen Tieckschen Erzählungen so ähn= lich, trägt.

Ich stand mit Lübke davor und redete mich mit ihm immer tiefer in die Stimmung hinein, in die uns das wundersame Werk unmittelbar verseßzt hatte. Es war, als blickte uns bereits der Wahnsinn daraus an, der schon, als er es malte, um des Meisters Haupt seinen düstern Fittig geschwungen zu haben schien. Ganz in unserer Nähe stand, in die Betrachtung des Bildes versenkt und ebenfalls davon ersichtlich aufs tiefste er= griffen und erregt, ein schlank gebauter, sich etwas gebückt haltender Herr von etwa 38-40 Jahren. Neben ihm zwei Damen, die eine stolz und hoch gewachsen, mit zugleich groß und fein geschnittenen Gesichtsformen und schönen ernsten grauen Augen unter breiten Lidern. Aus dem leicht geröteten, von einem dünnen blonden Bart auf den Wangen und unter dem Kinn umrahmten, mit einem nichts weniger als koketten und gepflegten Schnurrbart geschmückten, Antlig des Herren leuchteten ein Paar blaue Augen mit ganz eigentümlichem schwärmerischem Glanz, während er zu seiner schönen Begleiterin und der andern Dame an deren Seite sprach. Lübke begrüßte ihn wie einen guten Bekannten. mochte glauben, daß auch ich den Herren kenne, und unterließ es, uns einander vorzustellen. Dieser war ganz Feuer und Flamme von dem Bilde. Das RomantischDämonische, Grauenvoll-Spukhafte darin hatte eine sympathische Saite seiner eignen Seele berührt und in starke Schwingungen versezt. Ich gab meiner Ansicht von der ergreifenden Auffassung der Gebirgsnatur darauf Ausdruck in einigen Worten, die jenen lebhaft zu frappiren

Er

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