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„Majestät“ anredete. Sofort wendete sich Dom Pedro lebhaft zu seinem Sohne, indem er sagte: „Damit du es weißt, mein Kind, es giebt hier nur eine Majestät, das ist Viktor Hugo." Er hat sich selbst viel poetisch beschäftigt, Sonette sind gelegentlich bekannt geworden. Eine seiner legten litterarischen Arbeiten ist eine Uebersegung des Lukrez ins Portugisische gewesen. Weniger bekannt dürfte sein, daß Dom Pedro im Jahre 1856 Richard Wagner, der damals gerade aus Deutschland verbannt worden, einlud, nach Rio de Janeiro zu kommen, um dort „Tristan und Isolde“ zu vollenden und aufzuführen. Späterhin hat er Wagner in Bayreuth besucht. — Leidend kam der Kaiser nach seiner Abdankung nach Europa. An den Folgen der Influenz ist er in der Nacht zum 6. Dezember in Paris verstorben. Höher geachtet und tiefer betrauert von Freunden wie Feinden hat noch nie ein vertriebener Monarch geendet. Es giebt einzige Erscheinungen in der Weltgeschichte. Er ist eine. B. S.

Gustav von Loeper, der Goetheforscher, ist am 13. Dezember in Berlin gestorben.

In Paris starb im Alter von 74 Jahren der Direktor der städtischen Arbeiten Alphand, dem die französische Hauptstadt zum großen Teile ihre planvolle Ausgestaltung zur schönsten modernen Hauptstadt verdankt. Das Bois de Boulogne und das von Vincennes sind durch ihn in jene prächtigen Parks umgewandelt worden, die Parks des Buttes-Chaumont und von Montsouris hat er neu geschaffen und den Champs-Elysées das neuzeitliche glänzende Aussehen verliehen. Fast alle die prächtigen Squares der Seinestadt und zahlreichen Promenaden hat er anlegen lassen; neue breite Straßenzüge in den lichtarmen Vorstädten, viele Prachtbauten, wie die beiden Börsen, die Pépinièren, der Bahnhof Saint-Lazare u. a. m. die Umgestaltung der Friedhöfe sind sein Werk. Während des Krieges 1870/71 leitete er den Bau der neuen Befestigungen. Das mustergiltige ästhetisch vollendete Kleid der Ausstellungen von 1867, 1878 nnd 1889 war Alphands Werk. Während 37 Jahren wirkte er so für die Verschönerung von Paris, und vieles, was sich an den Namen des Baron Haußmann geknüpft, ist vielmehr das Werk Alphands, den man freilich vielfach nur als rechte Hand jenes angesehen, während er doch der eigentliche schöpferische Kopf war, und die ausführende Hand dazu. Alphand war der moderne Lenôtre, ein dekoratives Genie und ein Verwaltungstalent ersten Ranges.

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In Königsberg i. Pr. starb am 8. Dezember der gründliche Kenner und Schilderer ostpreußischen Volkstums, der Rektor a. D. H. Frischbier. Auf dem Gebiete, auf welchem er als erste Autorität anerkannt werden muß, hat er eine große Reihe von Arbeiten veröffentlicht: Preußische Sprichwörter, Preußische Volkslieder", Preußische Volksreime und Volksspiele", Preußisches Wörterbuch" und eine Anzahl kleinerer in Zeitschriften erschienener Arbeiten. Eine Fortseßung seiner preußischen Volksreime erscheint noch in diesen Lagen in der Altpreußischen Monatsschrift". Sein unvollendet gebliebenes Preußisches Wörterbuch" wird von dem auf dem Gebiete der heimischen Volkskunde bekannten Apotheker Sembrzyski in Königsberg fortgeseßt.

Am 11. Dez. ist der Tiroler Geschichtsforscher Professor Albert Jäger in Innsbruck gestorben, im Alter von 90 Jahren. Er ist der Verfasser einer dreibändigen Geschichte der landständigen Verfassung Tirols" und eines Werkes über,,Tirol und den bayrisch-französischen Einfall von 1803.

Der ausgezeichnete Geolog Dr. Julius Wilhelm Ewald ist am 12. Dez. im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben. Ein langjähriger Reisegefährte und Freund Lepold von Buchs gab er cine Gesammtausgabe von dessen Schriften heraus. Neben zahlreichen in den Abhandlungen der deutschen geologischen Gesellschaft erschienenen Aufsägen, ist vor allem wichtig geworden seine geognostische Uebersichtsfarte zwischen Magdeburg und den am nördlichen Harzrande ge legenen Flögformationen der Provinz Sachsen.

Dermischteg.

Im deutschen Reichstag haben die Abgeordneten von Stauffenberg und Siegle einen Antrag eingebracht, den mangelhaften Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigentums betreffend; namentlich weist der Antrag auf die mangelhaften Rechtsverhältnisse hin, wie fie zur Zeit noch in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Oesterreich-Ungarn bestehen. Vielleicht erinnert sich bei dieser Gelegenheit der hohe Bundesrat und der hohe Reichstag, daß die Schrift

steller auch sozusagen Staatsbürger sind, die auf den Schuß ihres legitimen Eigentums Anspruch haben. Bisher haben das jene beiden hochmögenden Körperschaften total ignorirt. Ueber den Schmalzzoll und ähnlichen erhabenen Dingen haben sie bisher die Litteratur als brod- und schmalzlose Kunst zu übersehen geruht. Wenn sich übrigenz die Herren Bundesräte und Deputirte für zu vornehm halten, sich mit dem Schuß des geistigen Eigentums zu befassen, so sei ihnen folgendes gesagt: Wenn es ein Zeichen der Vornehmheit ist, sich mit lächelnder Miene bestehlen zu lassen, so sind die Schriftsteller die vornehmsten Leute der Welt. Denn niemand wird so schamlos und ausgiebig bestohlen wie die Schriftsteller.

Auch der Zeitungsschreiber" soll in der Aera Caprivi nicht nur, wie bisher, der Strenge, sondern auch der Milde des Gesezes teilhaftig werden. Ueber diese jüngste und ach, wir müssen es fagen sagen überraschende Wendung unserer Strafrechtspflege schreibt Landgerichtsrat Kroneder, der bekannte kriminalistische Autor, einen vortrefflichen Auffag in der Nummer 5') von Otto Arents „Deutschem Wochenblatt." Die Verantwortlichkeit für Handlungen, deren Strafbarkeit durch den Inhalt einer Druckschrift begründet wird, bestimmt sich nach den bestehenden allgemeinen Strafgeseßen. Ist die Druckschrift eine periodische, so ist der verantwortliche Redakteur als Täter zn bestrafen, wenn nicht durch besondere Umstände die Annahme feiner Täterschaft ausgeschlossen wird." So lautet § 20 des Preßgesezes, der lange die rigoroseste Anwendung fand. Der mildernde Zujag „wenn nicht besondere Umuände 2c.“ stand nur auf dem Papier, die Gerichte machten gar keine besonderen Umstände mit den Redakteuren und ließen kaum noch Krankheit als entlastenden Umstand gelten. Der zweite Straffenat entschied einfach, der Redakteur sehe die Möglichkeit, Artikel strafbaren Inhalts könnten in das von ihm redigirte Blatt Aufnahme finden, voraus und sei mit diesem Erfolge, wenn er eintrete, einverstanden. Noch strenger wurde aber § 193 des St.- gehandhabt, der obigem Saße als zweiter mildernder Umstand entgegenstehen sollte. Danach sollten die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen getanen Aeußerungen straflos fein. Die Anwendbarkeit dieses Paragraphen auf Preßvergehen wurde prinzipiell verneint. Wie sich diejenigen Redaktionen, die besonders häufig Gelegenheit hatten, nach § 20 zur Verantwortung gezogen wurden, halfen, ist bekannt: das famose Institut der Sigredakteure" wurde systematisch herausgebildet. Seit dem 6. Juni d. I. haben sich die vereinigten Straffenate des Reichsgerichts zu einer andern Auffassung bequemt, wonach sich die Vermutung der Täterschaft durchaus auf den Beweis vorsäglicher Veröffentlichung mit Kenntnis und Verständnis dės Inhalts gründen soll, und weiterhin auch auf den verantwortlichen Redakteur § 193 Str -G. unmittelbare Anwendung finden kann. Mit Recht bemerkt Kroneker, daß die drakonische Verfolgung der Presse allmälichur den Erfolg gehabt hätte, gebildete und kenntnisreiche Personen von diesem unentbehrlichen und hochbedeutsamen Faktor des öffentlichen Lebens fern zu halten. Wenn man sich nun endlich entschließt, der Presse die Rechtswoltaten zuzugestehen, die jeder Staatsbürger im Vollbesig der Ehrenrechte genießt, so hebt man das Niveau der Presse, womit man in erster Linie der salus publica gedient hat.

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In Nr. 11 der „Nation“ veröffentlicht Theodor Mommsen einen Auffaß über „Die Akten zu dem Säkulargedicht des Horaz“ und führt darin aus, daß die vor Jahresfrist in Rom aufgefundenen Aufzeichnungen über die Feier der römischen Säkularspiele, die Horaz in kaiserlichem Auftrag mit seinem ,,aline sol, curru nitido diem" besungen, das Können des Dichters als ein viel bescheideneres erweisen, als wir es uns bisher vorgestellt haben. Wenn Horaz nur ein schlechter Festdichte gewesen, so wäre ja das noch nicht sö schlimm.

Der berliner Akademiker Geheimrat Auwers teilt soeben das Resultat der deutschen heliometrischen Messungen bei den beiden legten Venusdurchgängen von 1874 und 1882 mit Danach ist die Sonnenparallare 8"880, mit einem Wahrscheinlichkeitsfehler von nur 2 hundertstel Sefunde, also beträgt die Entfernung der Erde von der Sonne 148 138 000 Kilometer.

Emil Abrányi, der Byron-llebersezer, hat Robert Hamerlings Epos in 6 Gesängen, Amor und Psyche" ins Ungarische übertragen.

In London ist eine Viktoria-Ausstellung eröffnet worden, welche die Errungenschaften des Zeitalters der Königin Viktoria, sowohl auf industriellen und technischen wie künstlerischen Gebieten vorführen soll.

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Das zweite Dezemberheft der Revue bleue beschäftigt sich mit Theodor Fontane. T. de Wyzewa giebt eine sehr eingehende Würdigung des märkischen Dichters, dieses trok französischen Ursprungs vollendetsten Typus der preußischen Race." Eine besonders liebevolle Analysirung finden natürlich die realistischen Romane Fontanes, „Stine“ und „Irrungen, Wirrungen" find nach dem französirten Polen viel naturalistischer als Zola, als selbst Champfleurys Bourgeois de Molinchart oder Céards Une belle journée." Wie Fontane seine Liebesleute von den allergleichgiltigsten Dingen, die anscheinend nichts mit der verblüffend einfachen Handlung zu tun haben, sich unterhalten läßt, wie er überhaupt genau dem Leben entnommene Vorgänge in natürlichster Folge aneinanderreiht, ohne irgendwelche Absicht, ohne irgend welchen Nebengedanken Wichtiges neben ganz Belangloses stellt, keinem Vorgange besondere, erhöhtere Bedeutung beilegt, etwa in dem Bestreben, durch Hervorhebung der für die Handlung wesentlich erscheinenden Momente dieser Handlung ein erhöhtes, deshalb aber gekünsteltes, nicht mehr natürliches Relief zu schaffen, all das ist eine der Hauptregeln naturalistischer Kunst. Den einen Umstand unter dem Vorwande, er nur sei für die Handlung wesentlich, aus der Folge aller übrigen unwesentlichen Umstände herausgreifen und allein schildern wollen, hieße die Realität verlassen und ins Konventionelle verfallen. Kommt hinzu, daß Fontane die zweite Hauptbedingung des Naturalismus erfüllt, den freilich niemals als Tendenz sich aufdrängenden Bruch mit allemi Konventionellen, mit sogenannter quter Sitte und bürgerlicher Moral anscheinend unbewußt und unbeabsichtigt überall, in den einzelnen Figuren, in den kleinsten Umständen, zur Geltung bringt, so stellt fich der Roman Fontanes geradezu als das Ideal des naturalistischen Romans dar. Und doch ist er weit cutfernt vom französischen Roman. Ein Abgrund zwischen „Irrungen, Wirrungen“ und Theuricts ,.Soeurs Vatard". Fontane ist das ist das Wunderbare eigentlich nur mit Dickens zu vergleichen. Bei beiden ganz „banale Geschöpfe, denen der Dichter banale Gefühle verleiht, und die er in ebenso banalen Situationen sehn läßt; aber er liebt sie mit samt ihrer Banalität und wirft auf sie ein so zärtliches, so gleichmäßig helles Licht, daß die geringfügigsten Details ihres Sichgebens mit einer reizenden Klarheit uns erscheinen, wie die Zweige der Bäume im hellen Sonnenlicht.“ Diesen Figuren fehlt, um wahr zu sein, nichts, absolut nichts, und doch sind sie im Sinne der französischen Realisten unwahr, denn „zwischen diesen Figuren und dem Leser ist ein feiner Schleier, der ihn hindert, das Gemeine, Alltägliche an ihnen zu sehn“, es lebt und webt eine geheimnisvolle Poesie in den Romanen Fontanes, die sie von allen bekannten naturalistischen Romanen unterscheidet. Der Fontane-Studie folgt die Uebersetzung

eines Stückes aus des Dichters Kriegsgefangen", von welchem Werk Wyzewa sagt, daß er nicht begreife, wie es habe unüberseßt bleiben können, das voll unterhaltendster Anekdoten wie tragischer Gemälde ist und vor allem von einer staunenswerten Unparteilichkeit. Hätte Wyzewa, der Allerwelts-Interviewer, stets so gescheite und geistreiche Sachen über deutsche Litteratur geschrieben (der vorangegangene Auffaß über Nietzsche z. B. war geradezu jämmerlich) so würde er sich um die litterarische Annäherung von Deutschland und Frankreich die schönsten Verdienste erworben haben.

Etincelle im Figaro (bekanntlich die boshaft geistreiche Vicomtesse de Peyronny) läßt die 40 Unsterblichen der Akademie Revue pafsiren, wobei sie jeden mit mehr aristokratischer Launenhaftigkeit als Verstand glossirt. Ein Muster weiblicher Perfidie, die instinktmäßig das Richtige trifft, indem sie es zugleich übertreibt, ist ihre Karrikatur Hippolyt Taines. Da heißt es: Meister in der Kunst Haare zu spalten in 4, ja in 40 Teile. Aufmerksamer Sammler von allerlei fleinen Dummheiten und von Strohhalmen im Auge des Nachbarn. Ein unbestreitbares, unbestrittenes Talent, das aber drei Mikroskope braucht, um uns Dinge zu zeigen, die wir längst mit bloßem Auge gesehen haben. Derart in seine Theorieen verbissen, daß er den Leser langweilt; er hat oft Recht, aber vor lauter lächerlichen Kleinigkeiten merkt man es nicht. Das Atom ist ihm alles, und da er das Unendliche nicht in Partikel, das Ideal nicht in

Moleküle zerlegen kann, existirt es für ihn garnicht. Nach interessanten Büchern über den Positivismus in England, über England selbst, über Titus Livius und über die Intelligenz, dazwischen einige humoristische Reisebeschreibungen, ändert Taine plöglich seine Methode. Die Freidenker, deren Entzücken er bisher war, hielten ihn für einen der ihrigen; plöglich spielt er ihnen einen Poffen: geduldig sammelt er einige Tausend Dokumente, und mit einer anerkennenswerten Unabhängigkeit beweist er mit Hilfe seines Zettelkastens, daß die Revolution ein alberner Butsch gewesen ist. Ein tapferes und amüsantes Werk, diese „Ursprünge der französischen Revolution“. Pikant wie Memoiren. spannend wie ein Roman, fesselnd wie ein enthülltes Geheimnis, fordern sie eine unendliche Polemik heraus. Aber das Buch bleibt fest begründet auf seinem Kehrichthaufen von echten Dokumenten. Es ist eine historische Pyramide, eine pyramidale Historie. Laine ist nicht gut auf Napoleon zu sprechen gewesen. Er hat ihn mit der Genußfreude eines Menschenfressers in lauter fleine Stücke zerfeßt. Ich glaube nicht. daß er seinem Ruhme geschadet hat. Man wirft Taine viel Nachlässigkeit in seiner Toilette vor. Seine Kravatten sind freilich nicht à la Brummel, seine Hände wissen nichts von Mandelkleie und an seinen Kleidern haftet der edle Staub der ältesten Schmöker der Bibliotheken. Wie kommt es, daß also Laine, den doch die Kleinigkeiten so sehr interessiren, sobald fie der Geschichte oder der Philosophie angehören, sie verächtlich ignorirt, sobald es sich um seine Person handelt? Man wird unwillkürlich an die berühmte Anrede des Herzogs von Richelieu an den Herzog von Aumont erinnert, die mit einer kleinen Variation also lauten könnte: „Monsieur Taine, Gott hat aus Ihnen einen überlegenen Geist gemacht, die Sorbonne einen Preisgekrönten, die Normalschule einen Philosophen, die Akademie einen Unsterblichen, nun tun Sie ein übriges, lassen Sie sich Ihre Kleider bürsten!"

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Toni Stürmer. Eine Alltagsgeschichte in fünf Szenen von Cäsar Flaischlen. Berlin W. F. Fontane u. Co. 1892.

Das vorliegende Drama wird wol nicht leicht an einem unserer geschäftlich geleiteten Theater zur Aufführung gelangen. Dafür ist der Stoff denn doch gar zu heikel, und selbst für überzeugte Anhänger einer der neuesten Richtungen von der Bühne herunter schwerlich zu ertragen. Aber es steckt so viel Kraft in Sprache und Charakteristik, daß dem Verfasser ein Weg nach aufwärts vorausgesagt werden kann. Toni Stürmer geht daran zu Grunde, daß thr gewissenhafter Bräutigam zu zartfühlend ist, um nicht alle seine Hoffnungen und Wünsche hinauszuschieben. Das Stück ist voll echter Sinnlichkeit und unterscheidet sich dadurch vortheilhaft von dem krankhaften Erotismus, der seit einigen Jahren den Naturalismus ablösen zu wollen scheint.

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- J.

Grillparzers Frauengestalten von Dr. Ludwig Singer. Mit Illustrationen zu Grillparzers Werken von Franz Thiele. Sappho. Verlag von M. Breitenstein, Wien und Leipzig. Jedes Unternehmen, welches die einsame Größe Grillparzers der Leserwelt vertrauter macht, ist mit Freude zu begrüßen. Grillparzers Frauengestalten", wovon die erste Lieferung vorliegt, bringt feine Zeichnungen und populäre litterar historische Analysen, welche namentlich die gebildete Frauenwelt leichter für den herben Grillparzer gewinnen werden. Die beigegebenen Illustrationen werden diesen Zweck ebenfalls unterstüßen, aber sie sind, soweit wenigstens die erste Lieferung es erkennen läßt, nicht individuell, nicht lebendig genug, Grillparzers Sappho ist kein so lebloses Marmorbild, wie die Titelbildillustration uns einreden will. Der Zeichner wird wohl seinen Grillparzer richtiger treffen, wenn erst die modernen Gestalten aus Grillparzers österreichischen Dramen an die Reihe kommen werden.

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Theodor Körner. Erinnerungsblätter, gesammelt aus Anlaß der Wiederkehr seines 100. Geburtstages von der Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag. Prag 1892. Die dichterische Bedeutung Theodor Körners ist jüngst aus Anlaß seines Jubiläums ziemlich fühl beurtheilt worden, wo immer Kunstfragen im Vordergrunde standen. Jedesmal aber war auch der nüchternste Kritiker gezwungen und bemüht, dem Zauber dieser Persönlichkeit gerecht zu werden. Und dieser persönliche Zauber, der in den Freiheitskriegen die deutsche Jugend begeisterte, hat an Wirkung noch immer nichts eingebüßt. Wo immer die deutsche Jugend einen Kampf auszufechten hat, da ist es gut, den Namen Theodor Körner auf die Fahne zu schreiben. Die Lesehalle der deutschen Studenten in Prag, ein nicht genug zu fördernder Verein, der in den schlimmsten Zeiten slavischer Berfolgung tapfer und flug und unerschüttert das deutsche Wesen der ältesten deutschen Universität zu wahren gewußt hat, die alte Lesehalle hat nun zum Körnerjubiläum ein wertvolles Gedenkbuch herausgegeben. Dichter wie Paul Heyse und Staatsmänner wie Plener haben mit ihren Beiträgen nicht gekargt. Das Büchlein sei der deutschen akademischen Jugend bestens empfohlen.

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-r.

Sozialdemokratische Zukunftsbilder. Frei nach Bebel von Eugen Richter. Preis 50 Pfennig. Berlin, November 1891 Verlag Fortschritt", Aktiengesellschaft.

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Es ist bedenklich zu dem vorliegenden Hefte Stellung zu nehmen, wenn man das Unglück hat, zu keiner der eingeschworenen politischen Parteien zu gehören. Eugen Richter hat eine neue agitatorische Schrift gegen die Irrlehren der Sozialdemokratie schreiben wollen und diese Absicht ist ihm ganz vorzüglich gelungen. Wenn seine Parodie auch mehr die Phantasien Bellamys als die Andeutungen Bebels trifft, so werden doch tausende von Lesern aus diesen Zukunftsbildern die Ueberzeugung gewinnen, daß dasjenige nicht gerade rosenrot auf Goldgrund aussehen wird, was auf dem großen Kladderadatsch Bebels folgen dürfte. Aber die Sozialdemokratie hat wie jedes Ding ihre zwei Seiten: die negative und die positive. An die positiven Utopien eines Idealstaates, in welchem ein Geschlecht von Engeln das goldene Zeitalter ohne Gold gestalten wird, daran glauben die meisten sozialdemokratischen Wähler selber nicht. In dieser Hinsicht wird Richters Broschüre auch von Arbeitern mit Vergnügen gelesen werden. Die negative Seite der Sozialdemokratie aber, ihre Kritik der bestehenden sozialen Verhältnisse, ist in der Parodie naturgemäß garnicht berührt; und kein konservativer Mann, der in unfern Staaten die beste aller Welten sieht, brauchte an den Zukunftsbildern den mindesten Anstoß zu nehmen. Das liegt nun einmal im Wesen einer Streitschrift und in dieser Hinsicht verdienen die Zukunftsbilder alles mögliche Lob.

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Deutschnationales Jahrbuch, 2. Jahrgang. Herausgegeben von Karl Pröll: Berlin. Verlag von Hans Lüstenöder. 1892. Die Bürger des Deutschen Reichs wissen nicht immer und nicht überall, daß außerhalb des geeinigten politischen Gebiets auch Deutsche wohnen, viele Millionen Deutsche, und daß viele Gruppen derselben in ihrem Volkstum arg bedrängt sind. Diesen Stammesgenossen eine hilfreiche Hand entgegenzustrecken, ist der deutschen Regierung in den meisten Fällen versagt. Und wir Deutschen sind von Natur nicht so chauvinistisch wie etwa Franzosen oder Italiener, wir fühlen unsere Ehre nicht gleich verlegt, wenn ein deutsches Dorf von Russen, Ungarn, Tschechen oder anderen lebhaften Völkern um seine Nationalität gebracht wird. Unter solchen Umständen wirft viel Gutes die kleine Gruppe von wackeren Chauvinisten, welche die Volksleidenschaft dort zu wecken suchen, wo Leidenschaftlichkeit wünschenswerth ist: in einer deutschen Familienangelegenheit. Einer der unermüdlichsten Vorkämpfer in dieser Sache ist Karl Pröll. Auch das vorliegende Jahrbuch ist aus diesem einen Gedanken heraus geschickt zusammengestellt und kann hier und im Auslande nur anregend wirken.

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Karoline von Scheidlein. Wenrich, Aus dem Irrenhause Dreizehn Erzählungen merkwürdiger Irrfinnsfälle Mit einem Vorworte von Fr. Schlögl. Verlag von A Bauer. Wien 1891. Diese dreizehn Erzählungen erschienen nach und nach im „Wiener Fremdenblatt. Die Zusammenstellung der einzelnen Auffäße in Buchform geschah zum ehrenden Andenken an die zu früh heimgegangene Verfasserin." Friedrich Schlögl giebt als Freund derselben dem Buch den „Gcleitsbrief". Verdienstvoller und mehr im Intereffe der verstorbenen Schriftstellerin wäre es gewesen, vor der Buchausgabe den Stil einer Kritik zu unterziehen und Wörter, wie: Uebertan, Neiderinnen, Gegenschwieger, Sodoniapfel, welche man in der deutschen Schriftsprache nicht anwenden kann, auszumerzen. ,,Das Buch will nicht in einem Zuge genossen werden“ bemerkt die Vorrede. Allerdings würde die Lektüre dann etwas eintönig und ermüdend, um so mehr, da die einzelnen Fälle nicht alle besonders interessant sind. Uebrigens ist das Buch zur Unterhaltung --wenn dieses Wort bei dem ernsten Vorwurf statthaft ist und nicht für wissenschaftliche Zwecke geschrieben.. Fleischel.

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Adolf Stern. Wanderbuch. Bilder und Skizzen. Dritte stark vermehrte Auflage. Quedlinburg und Leipzig, Schulzesche Hof-Buchhandlung. VIII. 330 Š. 8o.

Diese dritte fast um das doppelte vermehrte Auflage der vor einem Jahrzehnt erschienenen ersten hat einen reichen, glänzenden, farbenbunten Inhalt. „Anspruchslose Blätter, die Eindrücke, Erinnerungen und Anregungen sehr verschiedener Natur in möglichster Kürze", zeichnungen. Will man sie inhaltlich rubriciren, so kann man sie in drei nennt der Verfasser, ein Gelehrter und Poet zugleich, diese AufAbschnitten geben: I. Litterar- und kulturgeschichtliche Skizzen (Ober ammergauer Passionsspiel 1871 und 1880. Bayreuther Nibelungentage 1877. Auf allbekannten Pfaden (Lutherspiele in Erfurt und Jena. An Corona Schröters Grabe, Wartburg-Erinnerungen) 1884-1886. II. Naturbilder (Rhätische Wanderungen 1872; Herbsttage in Wallis 1877). Ill. Städtebilder aus Italien (Venezianische Bilder 1874; Römische Frühlingsbilder 1890).

Dies Wanderbuch zeichnet sich vor anderen seiner Art aus durch die einzig schöne Darstellungsweise und feinsinnige Beobachtung. Form und Ausdruck, Stil und Empfindungsweise erinnern bei voller Selbständigkeit an Goethesche Schulung. Die Fülle des Geschauten. und Erlebten, sei es nun die buchengrüne, liebreizende Thüringerlandschaft mit ihrer Wartburg, sei es die ungeheure, maffige Alpenwelt oder die kunstgeschmückte Sonnenwelt Italiens, überall weiß Stern Stimmung und zwar immer die rechte zu erzeugen. Mag auch der eine Abschnitt dem anderen nachstehen (den relativ geringsten Wert haben die Naturbilder), so zeigt sich doch überall Sterns allseitige Kenntnis, feine Empfänglichkeit und geübte Darstellungskunst. Ganz musterhaft sind in ihrem schwermütigen Kontrast von Altem und Neuem, von Lebensfülle, Lichtglanz, Farbenpracht und den Schauern der leise und stetig abbrödelnden Bergänglichkeit die „Venezianisch n Bilder und „Römische Frühlingsbilder", die in ihrer Stimmungsfülle von Stern nach unserem Empfinden auf das Naturtreuste skizzirt worden sind. Dieses treffliche Wanderbuch wird gebildeten Stalinreifenden liebe, schöne Erinnerungen auf das Lebhafteste wecken. Dr. Paul Kühn.

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Prof. Henry Drummond. The greatest thing in the World; pax vobiscum; the changed life. (Leipzig, B. Tauchniß.)

Diese drei berühmten“ und in zahllosen Exemplaren auch in deutschen Uebersetzungen verbreiteten Auffäße enthalten nicht viel mehr als Traftätschengewäsch. Jeder Dorfpastor bei uns würde sich geniren, die abgestandenen Gedanken des englischen Herrn Professors seinen Zuhörern vorzusehen. Insofern sind sie denn freilich etwas ungewöhnfiches und werden ihren Erfolg wol verdient haben. Heiliger Paulus und heiliger Augustin, was giebt sich alles für eure Nachfolger aus! Den modernen Problemen, die sich auf die Religion beziehen, gegenüber bewahrt der Verfasser eine fröhliche, auf vollkommene Unkenntnis gestügte Unbefangenheit. Sein Christentum tricft von Liebe und Willensfreiheit. Die Lektüre ist ein würdiger Zeitvertreib für frömmelnde Nichtstuer, die sich mit dem gesunden Menschenverstand" des Engländers und mit seiner komfortablen Ehrbarkeit Probleme lösen“ lassen wollen. P. M.

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F. Max Müller. Three Lectures on the Science of Language and its place in general education delivered at the Oxford University Extension Meeting 1889. Chicago, The open Court Publishing Company 1890. Von den drei Vorlesungen über Sprachwissenschaft handelt die erste in Max Müllers klarer, jedem Gebildeten verständlicher und doch dabei auf strengster wissenschaftlicher Grundlage ruhender Weise von dem Unterschied zwischen Mensch und Tier und dem Wachstum der Sprache auf natürlichem Wege, von 4000 germanischen Würzeln

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Edmond de Goncourt, Outamaro. Le peintre des maisons vertes. Paris. Bibliothèque- Charpentier. 1891 L'art japonais du XVIII. siècle.

Nur der Name des Verfassers kann uns begierig machen ein Werk zu lesen, welches sich mit der japanesischen Kunst des 18. Jahrhunderts so eingehend befaßt, daß es in zwölf Vänden das Leben und die Werke von sieben japanesischen Malern und von fünf Lackirern, Töpfern und dergleichen zu geben verspricht. Wir in Deutschland stehen einem solchem Unternehmen, besonders wenn es ohne Illustrationen erscheint wie hier, fast ratlos gegenüber. Wir streiten noch darüber, ob Rembrandt die Bilder Rembrandts gemalt habe, wir haben von asiatischer Kunst nur eine vage Vorstellung und kennen auch nicht einen einzigen orientalischen Malernamen. Und da kommt ein Malerdichter von dem Feingefühl Edmond de Goncourts und giebt uns in einem stattlichen Bande die genaue Lebensbeschreibung des Malers Utamaro und dazu einen erstaunlichen Katalog seiner sämtlichen Werke. Goncourt behandelt seinen Utamaro mit derselben Gründlichkeit, mit der etwa Crowe, Pawallkaselli die italienischen Maler behandelt haben. Nur daß Goncourt überdies mit seinen Maleraugen mehr sieht als andere Beobachter und mit seiner unvergleichlichen Feder über alles Geschehene zu berichten weiß. Und in gleicher Weise will er die andern Japanesen wissenschaftlich entdecken. Es ist also ein Buch für einen fleinen Kreis von Kennern und Liebhabern. Goncourt, der in seinem 70. Jahre den crsten Band einer solchen Reihe veröffentlichte, erklärt in der Vorrede nicht ohne Wehmut, er denke garnicht daran, seine Arbeit zu Ende führen zu können. Es habe nur einen so starken Reiz für ihn gehabt, Neuland zu bearbeiten. Er beruft sich auf seine und seines Bruders Geschichte der französischen Gesellschaft im vorigen Jahrhundert." Natürlich hat das 18. Jahrhundert von Japan für uns Laien nicht dasselbe Interesse wie die Régence. Aber dem Dichter Goncourt ist es doch in hohem Grade gelungen, durch kleine kulturgeschichtliche Züge sein Buch für den Nichtkenner und Nichtliebhaber Japans zu beleben.

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Marime Du Camp, Théophile Gautier. Paris, Hachette. 1891. (,,Les grands écrivains français“).

Maxime Du Camp war vertrauter Freund Gautiers, wie er in dieser furzen Monographie und in der Vorrede zur feuilletonistischen Histoire du romantisme" ausdrücklich betont. Er hat tro ehrlichen Strebens nach Wahrheit dennoch Gautiers Lebenswerk etwas rosig gezeichnet und namentlich seines Freundes Oberflächlichkeit als Tageskritiker nach Kräften beschönigt, indem er ihn als ein an den Pflug gespanntes Raffepferd vorführt. An manchen Stellen gefällt fich Du Camp in Weitschweifigkeiten, ohne den springenden Punkt zu zeigen, z. B. bei Gautiers Reisen Besser ist die Charakterisirung des Lyrikers Gautier, wie überhaupt der zweite Teil des Buches gegen den mit allerlei eigenen Erlebnissen, mit Aussprüchen von Berühmtheiten aller Rangstüf.n und Zeitalter, und mit allen möglichen Deflinationsformen des lieben Ich gezierten ersten Teil vorteilhaft absticht. Joseph Sarrazin.

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Maurice Reinhold von Stern, Aus dem Tagebuch eines Enthaltsamen. Aphorismen über die Alkoholfrage Dresden und Leipzig. E. Pierson.

Stern ist als Verfasser von leidenschaftlich glühenden Freiheitsgefängen, als Schöpfer von gedankengesättigten Liedern und timmungsvollen Naturschilderungen bekannt. So könnte es überraschen, demselben Mann in dem vorliegenden Büchlein als einem streng wissenschaftlichen, kritisch geschulten Dialektiker und gewanten Volkswirtschaftler zu begegnen. Wo solche verschiedenartigen Talente vereinigt find, darf man mit Recht auf eine ungewöhnliche Begabung schließen. Das ist bei Stern der Fall. Beweis dafür sind diese Aphorismen, in denen er die Alkoholfrage als eine allgemein-menschheitliche behandelt und mit Geist und Wiz, mit überzeugender Beweiskraft gegen den Genuß alkoholischer Getränke zu Felde zieht. Stern ist Abstinenzler strengster Observanz und erblickt in der Enthaltsamkeit einen mächtigen Hebel für unser gesamtes sittliches Leben, wie er andererseits dem Alkoholgenuß eine Vermaterialisirung der Idee und Veridealisirung der Gewohnheit zuschreibt. Die Abschaffung des Alkohols ist nächst der Lösung des seruellen Problems die allerelementarste Voraussetzung aller sittlichen und aller physischen

Verantw: Otto Neumann-Hofer, Berlin.

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Balduin Groller, Wenn man jung ist. Neue Novellen. Dresden und Leipzig. E. Pierson.

Es sind drei novellistische Darbietungen, die sich alle drei was Eigenartigkeit des Sujets und dessen psychologische Durchführung anbelangt nicht markant von der Durchschnittslektüre abheben; sie bewegen sich in herkömmlichen Geleisen und haften am Konventionellen. Von einem lebensvollen, warmblütigen, edlen Realismus ist in diesen drei Stücken der Sammlung nicht allzu viel zu spüren, trozdem Balduin Groller in der pro domo geschriebenen Vorrede behauptet, daß der Realismus auch seine künstlerische Ueberzeugung sei, seit er zu fabuliren begonnen und insbesondere seitdem er zum ersten Male die Feder angesezt habe, um für die Oeffentlichkeit zu schreiben. Und gerade weil er so tief durchdrungen ist von der Ueberzeugung, daß ein ersprießliches Kunstschaffen anders, als auf dem Boden des Realismus gar nicht denkbar ist, legt er großen Wert auf seine Zugehörigkeit zu den Bekennern derselben. Leider sind diese Worte bei dem Verfasser mehr Theorie; praktisch hat er fie in Wenn man jung ist“ nicht angewendet. Denn die albernen, monologisirenden Herzensergüsse im ersten Teile der Kleinen Gefälligkeiten", wie auch die läppischen Reden, Studentenstreiche und Bierreisen, die in der zweiten Novelle geschildert werden, sind nun und nimmer lebenskräftiger, farbenfatter Realismus Immerhin lesen sich alle Erzählungen ziemlich flott weg; denn Valduin Groller besitzt ein gut geschultes Erzählertalent und weiß anmutig zu plaudern. Aber das Buch hinterläßt keinen tiefen Eindruck auf Geist und Gemüt; wer es einmal gelesen hat, für den ist es abgetan. Adolf Wilhelm Ernst, Hamburg.

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Wilhelm Bornemanns Plattdeutsche Gedichte. Mit Federzeichnungen von Theodor Hosemann. Berlin. R. v. Deder. Johann Jakob Wilhelm Bornemann, der am 2. Februar 1766 zu Gardelegen in der Altmark geboren wurde, ließ 1810 seine ersten plattdeutschen Gedichte erscheinen, ist also in gewissem Sinne ein Vorläufer von Klaus Groth und Fritz Reuter. Seine Gedichte zeigen echte Volkstümlichkeit, drastischen Humor, sind wißig und spißig, wo sie es sein müssen, und stellenweise auch derb, ohne dabei ausfallend zu werden. Freurden von Dialektgedichten seien diese Poesien empfohlen. Adolf Wilhelm Ernst, Hamburg.

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Carl Spitteler, Fest-Spiel zur Eröffnung des neuen StadtTheaters in Zürich. 1891. Zürich. Druck von Zürcher und Furrer. 1891.

Das Fest-Spiel Karl Spittelers mutet mit seinem PersonenVerzeichnis nicht eben erquicklich an. Apollo und seine Musen nebst andern toten Symbolen werden eingeführt und sogar Morpheus öffnet irgendwo seine Arme. Aber das ist diesmal wirklich nur äußerlich. Es wird wol selten ein Festspiel aufgeführt worden sein, in welchem eine solche Fülle geistreicher Gedanken in so knapper und wahrhaftiger Form auf den Hörer niederregnen. Je altmodischer die vorgeführten Masken sind, um so moderner ihre Sprache. Der Dichter seht sich mit den wichtigsten Kunstfragen auseinander und Achtung vor dem Publikum, wenn es alle feinen Anspielungen verstanden und unterschrieben hat. Wir kennen Karl Spitteler schon lange als einen Dichter von tiefem Wiß und würden uns freuen, fänden seine Gedichte, von denen manche in der Schweizerischen Rundschau erschienen sind, auch in Deutschland die verdiente Aufnahme.

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Jakob Bächtold, Mörike Storm Briefwechsel. Stuttgart
6. J. Göschensche Verlagsbuchhandlung. 1891.
Der verdienstvolle Jakob Bächtold überreicht in dem vorliegenden
Büchlein den Berchrern von Mörike und Storm einen Briefwechsel,
wie ihn nur gute und vornehme Menschen miteinander führen können.
Gefüllt wird die Sammlung vornehmlich von Briefen Storms, der
ein wenig geschwäßig alles ausspöttet, was er auf dem Herzen hat.
Mörikes feltene Briefe sind durch die Individualität ihres Schreibers
bedeutender, und es ist nur zu bedauern, daß der weitaus größere
von den Beiden so schreibfaul war. Die stärkere Macht Mörike
äußert sich besonders da, wo Storm schmerzbewegt und tränenselig
sehr viel über den Tod seiner Frau berichtet. Die kurze Antwort
Mörikes ist ergreifender als die lange Erzählung des Wittwers.
Immerhin ist dieser Briefwechsel ein hübscher Beitrag zur Geschichte
der halbvergangenen Litteratur. Namen wie Mommsen und Heyse
führen erfreulich zur Gegenwart herüber.

Verlag von F. & P. Lhmann, Berlin W., Körnerstr. 2,

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Gedruckt bei R. Eensch, Berlin SW.

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Erscheint jeden Sonnabend. — Preis 4 Mart vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazins“ entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. Preis der Einzelnummer: 40 Pfg.

60. Jahrgang.

*

Berlin, den 26. Dezember 1891.

Nr. 52.

Anhalt: ** Die gesellschaftliche Stellung der Schriftsteller. - Zola: Die auf den Roman angewante kritische Formel. Felix Poppenberg: Der weibliche Josef. Gustav Landauer: Ein Knabenleben, Novelle. Hanna Olsson: Nach jüngsten Mustern. Sonntagsfrauen. D. J. Bierbaum: Ratskellergelöbnis. Fri Mauthner: Richard Voß. Litterarische Neuigkeiten: Neuigkeiten vom

Büchermarkt.

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Litterarische Chronik.

Freie Litterarische Gesellschaft zu Berlin.

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Auszugsweiser Nachdruck sämmtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Machdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

An unsere Leser!

Wir ersuchen unsere geehrten Leser, ihr Abonnement auf das „Magazin für Litteratur" rechtzeitig zu erneuern.

Im neuen Jahrgang wird das „Magazin für Litteratur" mit erhöhten Mitteln und verstärkten Kräften feine Aufgabe verfolgen. Redaktion und Verlag werden in vereintem Bemühen bestrebt sein, im „Magazin für Litteratur" ein universelles Litteraturblatt zu erhalten.

Die beiden letzten Jahre haben viele hoffnungsvolle Anfäße zu einer litterarischen Preffe in Deutschland scheitern sehen. Das „Magazin für Litteratur" ist stehen geblieben, unerschütterlich, wie all die fechzig Jahre, die es hinter sich hat. Es wird auch ferner auf seinem Posten stehen bleiben, als ältestes litterarisches Organ Deutschlands mit jugendlicher Srische die geistige Bewegung des Jahrhunderts überschauen und, im Besondern, die litterarischen Kundgebungen der Kulturnationen in ihrer Gesamtheit verfolgen, das Neue fördernd, das Alte achtungsvoll wiederspiegelnd.

Das Magazin für Litteratur" ist das einzige Organ Deutschlands, welches das litterarische Leben der Gegenwart in encyclopädischer Vollständigkeit zu verzeichnen bestrebt ist.

Von größeren Arbeiten, die wir im nächsten Quartal veröffentlichen werden, nennen wir folgende:
Friedrich Nieksche, Ungedruckte Briefe und Aphorismen.

Victor Hehu, Priscilla, eine aus dem Nachlaß des klassischen Kulturhistorikers
vom Archivrat Dr. Theodor Schiemann edirte römische Novelle.

Hans Hopfen, Die Göttin der Vernunft, Drama.

Marco Praga, Die ideale Srau, Drama.

Giovanni Verga, Bei der Hausmeisterin, ein neues Drama des Verfassers

der Cavalleria rusticana.

Emile Zola, Neue theoretische Studien.

Serner werden unsere alten Mitarbeiter, deren vollständiges Verzeichnis sich auf der Rückseite des Umschlages befindet, fortfahren uns Beiträge zu liefern.

Bochachtungsvoll

Redaction und Verlag des „Magazin für Lifterafur“.

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