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an den Handelsvertrag; nebenbei kamen im Mittelalter Handel und Kontrakte von Italien zu uns, jest umgekehrt. Die Weltgeschichte schraubt zurück. Der Geist der Geschichte ist eine verdrehte Schraube. Jezt schraubt man schon alles, sogar mich. Also nach Süden. Die Magnetnadel muß fortan nach Süden zeigen, und wenn man den Nordpol den Südpol nennen müßte. Die Niederlande werden einmal ersaufen. Man verbündet sich nicht mit einer Wafferleiche. Das deutsche Zentrum ist Rom. Und sollte auch Italien einmal ersaufen, so bleiben wir durch die Alpen geschützt. Alpines. Der Nordabhang der Alpen ist Goethe, der Oberrhein, Frankfurt. Der Südabhang der Alpen ist Rembrandt, Kastanienwälder, das Dunkel, wenigstens bei Nacht. Im Hospiz vom St. Gotthardt reichen sich Goethe und Rembrandt die linken Hände. Rechte haben sie nicht. Oben stehen die Pfützen und wiffen nicht, ob sie nach Norden oder nach Süden fließen sollen. Versumpfung und Unentschlossenheit. Sie müßten nach Süden. nach Rom. Dort lebten Rembrandt, Langbehn, Tischbein. Tischbein ist ein römisch-deutsches Wort, Auch Stuhlbein ist südlich. Stuhlbein ist subjektiv in meiner Hand und objektiv am Schädel des andern. Der Subjektivismus wird Altuismus, und die Welt wird erlöst durch das südliche Stuhlbein im italienischen Stiefel, also durch Rembrandt. Auch Rembrandt ist Stiefel, der südliche Berliner sagt Stiefel. Man achte nur auf den Klang. Ein Profeffor leugnet den Gleichflang, natürliches Ohr hört aus Stiefel und Rembrandt dieselben Laute." Wenn einer parodiren wollte, so könnte er Rembrandt als Erzieher lustiger fassen. Aber ungefähr wie in den obigen Zeilen könnte Rembrandt über Langbehn oder Lang behn über Rembrandt geschrieben haben. Dabei will ich durchaus nicht leugnen, daß das vielgenannte Buch einige Vorzüge hat. Der Verfasser ist freilich ein Querkopf, und seine Taschenspielerkunststücke mit dem Namen Rem brandt sind einfach komisch. Doch legt er zu Zeiten den Ton in erfreulicher Weise auf das Gefühl, das in unserm alexandrinischen Zeitalter der gelehrten Welt verloren ge= gangen schien. Seine Kenntnisse sind gerade groß genug, um die Halbgebildeten aufzurütteln und bei ihnen hat er Erfolg gehabt. Um bahnbrechend und reformatorisch zu wirken, müßte der künftige Erzieher des deutschen Volkes etwas höher stehen als Herr Langbehn; er müßte das ganze Wissen seiner Zeit beherrschen, um es verachten zu können. Nur ein Herrscher, nur ein Fürst darf sich solche produktive Verachtung leisten. Solche Kerls waren Luther, Leffing und Bismark, welche denn auch die Scholastik, die Aesthetik und die Politik ihrer Zeiten in die Tasche steckten. Wer ihnen nur abgeguckt hat, wie sie sich räusperten und wie sie spuckten, der fann von ihnen einmal zur Tafel geladen werden, damit er ihre Tischreden sammle Und wenn er sich als Reformator verkleidet, jo kann die Maskerade eine Zeit lang beluftigen; aber der Karnevalscherz hört auf, wenn der Ernst beginnt. Fastnacht ist Diensttag, fönnte Langbehu sagen.

Sein Stil scheint ansteckend zu sein. Es ist so leicht, geistreich zu sein, wenn man keinen Humor hat, und wie langweilig find Wiße, über die Niemand lachen kann Langbehn ist krampfhaft geistreich, krankhaft wißig Er hält es für einen guten Einfall, wenn er dem grünen Tuch nicht grün ist". Er ist geistreich wie Wippchen, der Blut schwitzen mag bei seinen Sprachverdrehungen. Wer dann ebenso geistreich sein möchte und ebenso wenig Humor hat, der bewundert Langbehn als Erzieher.

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Das Beste am Rembrandt als Erzieher ist die Stimmung, man konnte den Verfasser für einen entgleisten Dichter halten. Und da er für einen Dramatiker zu wenig Gestaltungskraft befißt, für einen Erzähler zu wenig Natürlichkeit der Sprache, so mußte er als ein entgleister

Lyriker erscheinen. Man mußte auf seine Gedichte begierig sein. Zum mindesten ein Talent war zu erwarten. Darum glaube ich nicht, daß die „,40 Lieder eines Deutschen" im Ernste Schöpfungen des Herrn Langbehn find.

Wenn ich subjektiv verfahren wollte nach der stummen Lehre Rembrandts, so würde ich die 40 Lieder" in Bausch und Bogen verwerfen. Ich habe aber ein Gedichtchen von sechszehn Zeilen darin gefunden, das nicht übel ist. Es ift Spiel des Windes" überschrieben und von Liebe ist darin die Rede. Ein bischen naturalistisch und prosaisch, etwa so wie Spinoza von der Liebe spricht. Aber Spinoza ist ja nach Langbehu die andere Halbfugel zur Halbkugel Rembrandt. Rembrandt ist nämlich auch eine Halbkugel.

Diese paar Verse also ausgenommen ist das ganze fleine Büchlein wirklich nur ein einziger Druckfehler, so hübsch es auch ausgestattet sein mag. Und ich frage, wer nicht an Friederike denfen muß, wenn er nur die ersten beiden Zeilen des ersten Gedichtes liest?

Schön ist, wer zu der klingenden Welt ·Regt die tanzenden Beine.“

Laffen wir die klingende Welt bei Seite. Warum soll ein kühner Dichter nicht ein altes Klavier, eine Ziehharmonika oder eine Regimentsmusik nicht die klingende Welt nennen? Die Dichter sagen so viel, was sie nicht verantworten können. Auch das Regen der tanzenden Beine ist nicht ganz einwandfrei. Denn wenn die Beine selber tanzen, braucht man sie ja nicht zu regen. Tanzt aber der ganze Mensch, dann sind es aber wieder nicht die langen Beine. Doch auch das nebenbei. 3ft aber wirklich jeder schön, der tanzt? Ist das nicht eine poetische Liecenz?

Doch es wäre pedanttsch, jedes Mal als Merker der begeisterten Dichterin auf die Finger zu sehen und zu hauen. Hier vier Zeilen, die für sich selber sprechen. Es ist von einer Quelle die Rede, wie die Ueberschrift sagt, was von der Ueberschrift sehr freundlich und sehr verständig ist Die Poesie aber lautet:

Sie labt den Blick, sie labt den Mund,
Sie fließt dahin so rein;

Sie muß für jedermann gefund
Und herzerquickend sein."

Oh Friederike!

Nicht von dieser allgemein beliebten Dichterin mag Sappho liebt solche Töne nicht. Aber ein weiblicher die schwüle Hochzeitsnacht" herstammen. Die schlesische Dichter mag doch dahinter stecken, denn zum ersten Mal seitdem ein Brautbett bejungen wird, ist zuerst vom Bräutigam die Rede.

„Siehst du den Bräutigam dort ruhn
Auf weichgetürmtem Pfühle?"

Ich will im Zitiren nicht fortfahren und nur be merken, daß die Dichterin schließlich für die Wonne der Liebe den Reim findet:

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Ich habe im kleinen Meyer nachgeschlagen, weil ich meiner Kenntnis nicht vertraute. Aber da steht es auch: Phrenesie, Gehirnaffektion mit Irrereden; Wut Frenetisch, wütend." Es ist traurig, aber so sind die Dichter, die andern.

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Es ist wol überflüssig, aber ich will doch ausdrücklich bemerken, daß an den entnommenen Beispielen auch nicht ein Komma geändert ist, daß sich das alles und mehr dergl. in den 40 Liedern tatsächlich findet. Und nun frage ich, ob das deutsche Volk wirklich dem Spaßvogel hereinfallen will, der den großen Erfolg von Rembrandt als Erzieher dazu benutzt hat, um seine Verse an den Mann zu bringen? Das ganze Büchlein ist nur ein schlechter Wiß.

Vielleicht aber irre ich mich doch. Vielleicht ist der querköpfige Reformator wirklich der Dichter der 40 Lieder. Dann weiß ich mich vor Verlegenheit nicht zu fassen und nehme ausdrücklich und feierlich alles zurück, was ich jemals gegen Friederike Kempner ausgestoßen habe.

Noch einmal Jan Neruda.

Von

Dr. Gustav Harpeles.*)

Die tschechische Litteratur darf für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, die erste gewesen zu sein, welche den Gedanken des Panflavismus, oder wie deffen Adepten *) Schon in Nr. 37 des Magazins hatten wir eine biographische und bibliographische Ausführung über den damals eben dahingeschiedenen tschechischen Dichter gebracht. Er, der einzige fast unter feinen litterarisch wirksamen Landsleuten, welcher sich über die bes chränkte Enge des nationaltschechischen Horizonts hinaus zu heben vermochte, dürfte eine ausführlichere Würdigung aus berufenster Feder verdienen. Je weniger eine deutsche Zeitschrift Grund hat, sich gerade mit den mittelmäßigen Leistungen zu befassen, wie man jenfeits des Erzgebirges böhmische Nationallitteratur nennt, um fo williger mag fie cine poetische Erscheinung würdigen, deren Echtheit über den Grad hinausgeht, welcher der tschechischen Poesie seit der Königinhofer Handschrift anzuheften pflegt.

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es künstlerischer bezeichnen: der slavischen Renaissance" mit vollem Bewußtsein in Poesie und Litteraturgeschichte ausgesprochen hat. Johann Kolar hat zuerit in den dreißiger Jahren eine Schrift: Ueber die litterarische Wechselseitigkeit zwischen den verschiedenen Stämmen und in deutscher Sprache geschrieben; dann ist sie allerdings Mundarten der slavischen Nation" charakteristisch genug in fast alle slavischen Dialekte übertragen worden. Nun erst begann man von dieser Wechselseitigkeit zu reden, in der man das Heilmittel für alle Nöten des slavischen Stammes zu finden glaubte. Auch in seiner Dichtung: „Die Tochter Slavas" verherrlichte Kolar diesen Gedanken. Der Dichter wandert an den Ufern der Donau entlang und gedenkt des Untergangs des Slavenreiches, der jebigen Knechtung des Slaventums, für das es keine Hoffnung giebt, und er ruft aus: „Gott, o Gott, der du es immer wohl gemeint hast mit allen Völkern; auf Erden giebt es niemand mehr, der den Slaven Gerechtigkeit erwiesen! Wo ich auch hinkomme, überall hat die bittere Klage der Brüder mir die Freude meiner Seele getrübt; o du Richter über alle Richter, sage, wodurch ist mein Volk so schuldig? Ihm geschieht Unrecht, großes Unrecht, aber unsere Klagen und unseren Gram verschmäht die Welt und verlacht sie; aber nur darin laß mich deine Weisheit erleuchten, wer ist hier der Sünder? Der, welcher Unrecht thut oder der, welcher es erleidet?"

Das Erwachen des Nationalbewußtseins der tschechischen Nation wurde durch diese poetische Predigt gekräftigt. An Kolar und das von ihm besungene alte Slavien“ lehnte sich die tschechische Poesie in der Folgezeit an. Sie hat keine großen Genies hervorgebracht, aber achtbare Schriftsteller von Begabung, voйl patriotischer Gefühle und tatkräftigem Eifer. Das Programm für diese Dichtung hatte Kolar in festen Umrissen aufgestellt: „Das Kleinere muß immer dem Größeren, Höheren untertan sein, die Liebe der Heimat, der Liebe zum Vaterland. Die Ströme, Flüsse und Bäche ergießen sich in das Meer, die einzelnen Länder, Gebiete, Stämme müsssen in der Nation aufgehen, alle Slaven haben nur ein Vaterland." Aber diese nationale Idee führte zu einem übertriebenen Idealismus, zu einer verschwommenen Sentimentalität. Erst der Donner der Revolution von 1848 schreckte die Patrioten aus ihren panslavistischen Träumen auf, in die sich eine ganze Generation eingesponnen hatte. Ein neues Geschlecht trat auf mit neuen Wünschen und Idealen, mit praktischen Zielen. Man begann den alten, patriotischen Idealismus zu verspotten, die Traditionen des vorigen Geschlechts zu verleugnen, man erkannte, daß die Poesie selbständig werden müsse, daß sie kein Mittel sei zur Erreichung politischer Ziele, sondern ausschließlich Selbstzweck; daß sie ihren Inhalt zu allgemein menschlichen Ideen erweitern und als getreuer Ausdruck der Individualität erscheinen müsse.

Am Ende der fünfziger Jahre entstand eine neue Schule, welche in diesem Sinne ihre Tätigkeit ausübte. Wie so oft, gruppirte sich auch hier dieselbe um einen Almanach,Maj" der den Frühlingssturm ihrer Hoffnungen und Ideale ankündigte. Die Eigentümlichkeit dieser jungen Dichter bestand darin, daß sie die Poesie als reine Kunst ansahen. Das Objekt, deffen inneres Leben diese Poesie darstellen sollte, war nicht nur der Tscheche oder Slave wie früher, sondern der Mensch an sich. Dieses junge Geschlecht ging bei Shakespeare und Byron, bei Goethe und Victor Hugo in die Schule; es entwickelte eine reiche Tätigkeit in der Lyrik und dem Epos, im Drama und im Roman. Drei Dichter ragen aus dieser jungen Generation hervor, die der neuen tschechischen Litteratur die Wege geebnet haben: Halek,

Adolf Hejduk und Jan Neruda, dem diese Zeilen ge- | Hymnus hier folgen, den Neruda der Dichtung an sich widmet sind. gesungen hat.

Jan Neruda wurde am 10. Juni 1834 in Prag geboren. Er studirte daselbst Jura und Philosophie, widmete sich aber bald der Litteratur. Seine ersten Gedichte, unter dem Pseudonym „Janko Hovora“ gab er als Zwanzigjähriger heraus. Vier Jahre später erschien seine Sammlung Kirchhofsblumen". Zu derselben Zeit gründete er mit einigen jungen Genoffen den erwähnten Almanach „Maj". Schon als Student zeigte sich bei ihm einé lebhafte Wanderlust. Im Jahre 1863 unternahm er eine große Reise durch Europa, Klein-Asien, Palästina und Egypten. Die Frucht dieser Reise sind mehrere Sammlungen von Skizzen: „Arabesten", „Arabesten“, „Pariser Bilder“, Verschiedene Leute", „Bilder aus der Fremde". Nach der Heimkehr fand Neruda eine Stellung als Feuilletonist und Kritiker des Hauptblattes der jungtschechischen Partei „Narodny Listy“. In diesem Blatte veröffentlichte Neruda viele Genrebilder aus dem böhmischen Leben, die später unter dem Titel „Geschichten von der Kleinseite" gesammelt erschienen sind, und die von vielen für sein bestes Werk gehalten werden. Aber die journalistische Tagesarbeit füllte ihn nicht aus; daneben blieb er auch Lyriker, wie sein Buch der Verse“ und seine „Kosmischen Lieder“ beweisen und endlich zeichnete er sich auch durch seine Komödien Der Bräutigam aus Hunger“, „Verkaufte Liebe",,,Das bin ich nicht" und die Tragödie,,Franzesko da Rimini“ aus. In den letzten Jahren litt er an einer schweren Krankheit, die ihn aus diesem Leben abrief.

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Jan Neruda ist eine der interessantesten Erscheinungen in der modernen tschechischen Litteratur. Im Grunde genommen ist er der Einzige, der bis jezt auch in Deutschland genannt wurde, aber er verdient es, auch weiteren. Kreisen bekannt zu werden. Er hat sich als Schriftsteller auf allen Gebieten und überall mit Erfolg versucht. Die junge frisch aufstrebende tschechische Bühne verdankt ihm eine Reihe von liebenswürdigen, humorvollen und geistreich pointirten Lustspielen. Vorzüglich aber durch seine Lyrik und seine belletristischen Arbeiten gilt er als Reformator der tschechischen Litteratur. Er sprach die Forderung des litterarischen Fortschrittes zuerst aus, die Notwendigkeit neuen Formen Raum zu geben und stellte selbst Proben dieser neuen Manier auf." Seine Tendenz war die, die Dichtung seiner Heimat aus dem nationalen und panslavistischen Vannkreise in den Dienst der allgemeinen menschlichen Ideen überzuführen. Er ist der Vertreter der humanistischen Richtung in der tschechischen Poesie, eine Richtung, welche in den fünfziger Jahren allgemein war. An seinem Lebensabend aber mußte Neruda die Erfahrung machen, daß inzwischen ein neues Geschlecht aufgestanden war, welches über ihn hinausging, und sich wieder zu nationalen Tendenzen bekehrte; dieses nene Geschlecht wird durch das gebieterische Schicksal und die unerbittliche Wirklichkeit auf die Straße des Panflavismus gedrängt. Es glaubt, daß die Poesie nur dann mit der Liebe des Volkes verschmolzen wird, wenn sie aus demselben herausgewachsen und ihm entströmt sein wird wie ein eigner warmer Hauch“.

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Neruda ist aber Kosmopolit. Er hat sich den Dichtern der Weltlitteratur angeschlossen; unerschütterlich lebt in ihm der Glaube an die Weltmission der Dichtung und den priesterlichen Beruf des Poeten, ein Glaube, den er in seinen Kosmischen Liedern" erhabenen und begeisterten Ausdruck verliehen hat. Neruda hat das Glück gehabt, in Gustav Pamikovski einen treuen und verständnisvollen Interpreten seiner Ideen zu finden. Aus den von Pamikovski verdeutschten „Kosmischen Liedern" mag zur Charakteristik des Dichters jener prächtige und pathetische

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Dichter der Welt! Wer sänge es nicht, dein Lied?
Was drin erstirbt, was drin unsterblich blüht!
Es giebt kein Elend, das darin nicht bangte,
Es giebt nichts Schönes, was darin nicht prangte
und feine Morgenröte, keine Blüte,

Die nicht das Licht, den Duft darin versprühte;
Kein Vogelfehlchen, das darin nicht sänge,
Kein Kindeslächeln, das darin nicht klänge,
und keinen Kampf, der nicht darin erdröhnte,
Und kein Verzweifeln, das darin nicht stöhnte,
Und keine Sehnsucht, die darin nicht fluthet,
Und keinen Märtyrer, der darin nicht blutet,
Kein Herz, das nicht mit allem Hoffen, allem Zagen
Im Rhythmus deines Liedes müßte schlagen!

Dichter der Welt! Erhabenster der Geister,
Du bist der Dichter Gott und aller Meister,
Doch sei dein Lied von überirdischem Schimmer,
Was giebst du drin? Dich selbst, dich selbst nur immer.
Dem Loos des Dichters bist du nicht entgangen.
Wol flammen vor Begeisterung unsere Wangen,
Daß uns Ergriffenen fast die Sinne schwinden.
Wenn wir dein Lied nur lesend nachempfinden,
Troßdem ergriff es uns auch noch so sehr
Wir fühlten doch, der Dichter fühlte mehr!
Du aber teilst, sei deine Dichtung noch so groß,
Mit uns des Schaffens Pein und Lust - Der Dichter Loos.
Und was der Leser frägt, was in der Schaffensstunde
Der Meister einst für Schaffensqual empfunden?!“

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Schon aus dieser einen Probe sehen wir, in welcher Das war Richtung sich die Pocsie Nerudas bewegte. böhmischen Wäldern der Poesie erflungen war. Dieser ein anderer Ton, als der, der seit fünfzig Jahren in den Dichter hatte die nationale Form gesprengt und die Höhe mehr darauf, zu zweifeln und zu klagen und zu hoffen, des Weltbürgertums erklommen. Er beschränkte sich nicht er begnügte sich nicht mit den Phantasieen einer großen Vergangenheit und den Weissagungen einer glorreichen Zukunft, in seiner Dichtung schlagen die Pulse der Gegenwart, er hat sie mit modernem Geiste erfüllt; der Odem frischen Lebens zieht durch sein Lied. Diesem modernen Geiste singt er auch in den „Kosmischen Liedern“ einen begeisterten Dithyrambus:

Wie gefangene Löwen, so schlagen wir
An des Käfigs eiserne Stange;
Wir möchten zum hohen Himmel empor,
Doch hält uns die Erde gefangen.

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Von den Sternen erschallt eine Stimme zu uns: ,,So kommt doch!" mit höhnischem Gruße So kommt doch, ihr Wichte,

Ihr wollt doch empor? Hemmt euch die Schelle am Fuße?"

Verzeihe, o Mutter, du wirst uns zu klein,

Erde! Trot Hemmnis und Zügel

Wir kommen! Schon dient uns als Bote der Bliz,
Und der Dampf leiht dem Fuße schon Flügel.

Wir kommen, schon wächst unser Geist empor,

Fast droht uns den Busen zu sprengen

Sein fieberndes Sehnen, es faßt das All
Sein übergewaltiges Drängen!

Wir kommen, wir kommen! Es krachen schon

Die Fesseln all, die uns beengen,

Schon rütteln am Gitter, wir Löwen vom Geist,
Und wir werden den Käfig noch sprengen.“

Die moderne Weltanschauung, die Neruda gedankenvoll und formschön in die Sphäre der Phantasie zu heben suchte, feierte auch in seinen prosaischen Schriften ihren Triumph. Hier hat er sich allerdings nicht zu großen Schöpfungen aufgeschwungen. Sein Gebiet ist ein kleines, aber er ist im Darstellen ein großer Meister, so daß diejenigen vielleicht nicht Unrecht haben, die behaupten, daß das, was den Dichter am längsten überleben wird, seine feuilletonistischen Skizzen seien.

Neruda ist ein liebenswürdiger Maler des Kleinlebens seiner Vaterstadt; seine Geschichten spielen sämtlich auf dem Boden des goldenen Prag sich ab, vor allem in dem urältesten Teile der alten Königsstadt, den man die Kleinseite" nennt. Man muß die Kleinseite kennen, um Nerudas Geschichten zu verstehen. Sehr treffend schildert Karl Frenzel in seinen „Deutschen Fahrten" diesen Stadtteil folgendermaßen: „Die Klein seite Prags ist auf nur schmalen Räumen gebaut, der zwischen dem Fluß und dem Hradschin sich ausbreitet. In ihrem oberen Teil steigt sie die Anhänge des Berges hinan. Wenige Schritte über dem Brückenturm hinaus endet das geschäftige Leben, das uns in der Altstadt umrauscht. Eine gewiffe Stille, der aber die Erhabenheit Eine gewiffe Stille, der aber die Erhabenheit der wahren Einsamkeit fehlt, umgiebt uns. Läden und Häuser schauen ärmlicher, verfallener aus, als drüben. Die vielen Paläste mit hohen Fenstern und mit Skulptur geschmückten und Wappenschildern gezierten Portale erBrücken gleichsam die kleinen Bürgerhäuser in ihrer Nähe. Die Nostiz und Bagnog, die Lobkowiß und die Thuns, Maltheserprioren, die Windischgräß und die Wallensteins wohnten hier. Jezt haben sich die Verhältnisse geändert. Der Prager nennt die Kleinseite den Siz des Philister tums, wer schaffen und vorwärts will, zieht über die Brücke. Kleine verkommene Gärten hinter und neben den Häusern, abgelegen stille Pläße, menschenleere Gaffen, verleihen dem Ganzen dazu etwas dämmerndes, abenteuer liches, als wäre hier der geeignetste Ort für Liebesleid und Luft, aber auch für die dunklen Taten und Schauern der Romantif."

Das ist so recht der Schauplak für einen Dichter wie Neruda. Hier entfaltet seine Poesie ihre Schwingen. Dieses kleine Leben schildert er mit liebenswürdigem Humor, mit fein empfindendem Sinn für das Wahre und Edle, wie für das Lächerliche und Schlechte, mit scharfer Charakteristik, die aber niemand verlegt, sondern immer liebenswürdig und graziös bleibt.

Die Typen der Herren Richank und Schlegel, der Frau Ruß mit dem weichen Herzen, die bei allen Begräbnissen sich einfinden, des Herrn Adler, der sich seine Meerschaumpfeife angeraucht hat, des Doktor Weltverderber, des Wassermanns, des Herrn Adalbert, alle diese Typen und viele andere werden leben, auch wenn die Spornergasse, welche der Schauplak ihrer Tätigkeit war, längst dem Geiste der neuen Zeit gewichen sein wird.

Man muß den Humor in diesen kleinen Skizzen, diese Figürchen und Arabesten nur verstehen, man muß den Dichter in dieser kleinen abgeschiedenen Welt folgen, um zu begreifen, welchen Eindruck die kleinseitner Geschichten auf die Kreise machen mußten, welche dieses Leben in seiner vollen Blüte gekannt haben. Aber das ist ja eben der Segen alter, echter Poesie, daß sie auch untergegangenes Leben vor unseren Augen neu entstehen läßt. In diesem Sinne ist Jan Neruda ein echter Dichter. In der Tschechischen Litteratur wird sein Name unvergessen bleiben, aber auch in der allgemeinen Litteraturgeschichte ist ihm ein Ehrenplaß gesichert.

Aus Kaulbachs Biographie.

Von

Professor H. Müller.

Kaulbach in Mülheim*).

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Von Ems fuhr Kaulbach über Bonn (Hotel Bellevue), Ulm, Düsseldorf und Duisburg nach Mülheim a. d. Ruhr, wo er am 25. Juli glücklich eintraf. Dort hatte man mit großer Freude seinem Kommen entgegengesehen. Der Vater, der seit dem Winter immerwährend kränklich gewesen war, hatte sich, als die erste Nachricht von den Reiseplänen des Sohnes einen Monat vorher zu ihm gelangte, von Herzen darüber gefreut, daß Kaulbach nach in der Kölnischen Zeitung stand, nach Berlin, sondern verder Fertigstellung seines Jerusalem-Kartons nicht, wie es nünftiger Weise zur Ausspannung in ein Bad reisen würde, da er doch frank gewesen war. Er schrieb ihm auch später schon nach Ems ein herzliches Willkommen in der Heimat", wo er schon dafür sorgen wolle, daß er liebsten entgegengereist. Die gute Mutter, die noch immer nicht sobald wieder entwische und wäre ihm sogar am voll Seligkeit an ihren münchener Aufenthalt dachte, wo finden, um ihre Freude über die bevorstehende Ankunft sie das Jahr zuvor gewesen, weiß nicht genug Worte zu zu schildern, um so mehr, da des Sohnes Aufenthalt in Mülheim gerade in die Zeit fallen würde, wo bei Leonhards das am 4. Juni geborene Töchterchen getauft richtete seine Wohnung zur Aufnahme des lieben Gaftes werden solle. Dr. Leonhard endlich, der glückliche Vater, in seinem Hause so gut wie eben möglich ein und hielt Schreiner, Maurer, Anstreicher und Tapezierer in voller Tätigkeit, um den Schwager würdig zu empfangen. Frau Kaulbach schreibt ihrem Manne den schwer leserlichen Brief übersetzt ihn ins Deutsche", wie sie sagt, da es ein Krämerdes durch seine Praxis sehr beschäftigten Mannes ab oder latein sei, wobei einem der Augstschweiß ausbreche. Allenthalben ist woltnende Herzlichkeit und freudige FamilienStimmung über den lieben Besuch, den alle so von Herzen gern haben. Kaulbach berichtet darüber selbst, sowie auch über seine vorhergehenden Reiseerlebnisse vom 26. Juli 1846 von Mülheim an seine Frau:

„Meine geliebte Josefine!

Gestern Mittag bin ich glücklich hier angekommen, habe auch alle unsere lieben Verwanten im besten Wolfein angetroffen. Ich bin beim Schloffe Broich ausgestiegen,

*) Aus der demnächst erscheinenden Kaulbach-Biographie von Profeffor K. Müller geben wir, anknüpfend an die früheren Proven (vergl. Nr. 36 des Magazins) noch einige kleine Stücke.

habe den Wagen mit dem Gepäck voraus zu Leonhards, geschickt, um meine Ankunft zu melden, und bin dann zu Fuß langsam gefolgt, um dem „Stolz“ der Mülheimer, der Kettenbrücke, meine Bewunderung zu zollen. Es ist aber auch in der Tat ein herrliches Werk. Von da ging ich durch den kleinen Währgang zuerst zu unserm Stamm schloß. Den Kastellan des Schlosses, von Velbert, begrüßte ich zuerst. Er lag oben im Fenster und schmauchte sein Pfeifchen. Und wie ich nach altem Herkommen vom Fenster ins Zimmer hineinsah, saß der Vater auf dem Sofa und las, die Mutter war in der Küche beschäftigt. Den Jubel und die Freude im ganzen Hause könnt ihr euch besser denken, als wie ich mit Worten schildern. Die beiden Eltern sehen ganz wol und gesund aus, besonders die Mutter ist ferngesund. Nach einer Stunde kam Leon hard, dessen Ausschen dasselbe ist, wie bei seinem Aufenthalte in München, nur mit der wesentlichen Verbesserung, daß sein Bäuchlein etwas dicker ist, um uns alle zum Mittagstisch abzuholen. Auf halbem Wege kamen uns Leonhards Kinder, schön geputzt, entgegen. Hermann und Eugen sprangen voraus, um ihren Oheim zuerst zu begrüßen, dann folgten die drei Mädchen, Emilchen, Hedwig und Luischen. Die guten trefflichen Kinder haben mir sehr gefallen, besonders aber das kleine Luischen mit seinem Lockenköpfchen ist ein allerliebstes Persönchen. Ich war auch bald sehr bekannt und vertraut mit den Kindern, ste sprangen um mich herum, und sollte ich sie alle an der Hand führen und tausend Fragen zugleich beantworten: Warum meine Johanna dem Emilchen nie geschrieben habe, wie groß meine Maria, ob sie auch beide recht geschickt seien im Stricken, Nähen, Sticken, im Lesen, Schreiben, Rechnen, im Klavierspiel, im Artigsein und Folgsamjein." Da konnte ich denn überall die besten Antworten geben. An Leonhards Haus empfing uns Karoline. Sie war seit einigen Tagen aus dem Bette und obwol etwas bleich, doch sonst munter und wol. Montag soll die Taufe von dem gefunden netten Töchterlein sein. Von Mülheim, Leonhards Haus und meinen chönen Wohnzimmern will ich euch in meinem künftigen Briefe mehr erzählen. Nun noch einiges von der Reise.

20. Juli. Am Montag bin ich in einem Einspänner von Ems abgefahren, und bald nach meiner Ankunft in Koblenz habe ich einigen befreundeten Familien meinen Besuch gemacht. Zuerst dem alten de Lassauly, einem trefflichen, verdienstvollen Manne, der noch immer mit jugendlichem Eifer feiner Kunst ergeben ist. Von da den Familien Diez und Clemens, soliden Kaufleuten, inmitten ihres trefflich geordneten Hauswesens Die Leute kennen zu lernen, war mir auf die emser Komödie recht woltuend. Zum Mittagessen war ich bei einem reichen Kaufmanne Jordans, einen vorzüglichen Kaffee bekam ich bei Clemens in Gesellschaft der heiligen Frauen Maria Görres, Steingaß, Herrn und Fran Ströber. Diese schönen Heiligen versuchten ihre ganze Beredsamkeit, mich auch zu der Pilgerfahrt nach Aachen zu bereden, auf der sie eben begriffen sind, und nach ihrer Meinung sei das die beste, und für mich die geeignetste Nachkur des emser Bades. Zum Abendessen war dieselbe Gesellschaft bei Longarts eingeladen, wo bis 11 Uhr getafelt wurde. Du siehst, geliebte Josefine, nichts wie Effen und Trinken und fromme, erbauliche Gespräche führen ist die dermalige einzige Beschäftigung deines Mannes. Dienstag morgen fuhren die Pilgerinnen und meine Wenigkeit vom „Teufel im Joch" getragen und begünstigt vom herrlichsten Wetter nach St. Apollinarius, wo wir denn auf das Freund lichste von Degers bewillkommnet wurden. Ich fand den guten, edlen Deger in der Kirche hoch oben auf dem Gerüst in voller Tätigkeit, umgeben von seinen sehr schönen Arbeiten, und ich muß sagen, ich empfand die herzlichste,

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innigste Freude, diesen guten Menschen so wol und gesund und heiter wieder zu sehen. Durch meine Ankunft wurde Deger auch veranlaßt, einige Tage die Palette und Pinsel ruhen zu lassen, und wir beschlossen, den morgigen Tag zu einer schönen Wasserfahrt zu benutzen. Nachdem die Bilgerinnen uns verlassen hatten, blieb ich noch bis spät abends mit Degers zusammen, wo vieles erzählt wurde, Erinnerungen aus Rom und München, und die Hoffnung wurde ausgesprochen, daß wir uns bald in München alle wiedersehen würden. wiedersehen würden. Auch von meiner lieben Johanna wußte die Frau Deger viele römischen Anekdötchen mitzuteilen. Ich erzählte ihr dagegen, wie groß und artig und geschickt Johanna und Maria sind. Den andern Morgen Mittwoch mieteten wir, Deger, ich und zwei junge Maler aus Düsseldorf, uns einen kleinen Kahn und fuhren stromabwärts nach Königswinter am Fuße des Siebengebirges, wo wir uns den Tag herumtreiben wollten. Es war ein herrlicher, herrlicher Morgen. Wir hatten ein kleines Segel aufgespannt, ein frischer, erquickender Wind trieb uns voran, und unsere vier bunten Sacktücher flatterten als Fahnen lustig im Winde, wozu unser Gesang aus voller Kehle sich recht gut machte. Wir hatten einige gute Flaschen Wein bei uns an Bord, die unserm Singorgan die gehörige Stimmung gaben. Fünf Dampfschiffe, die uns begegneten, begrüßten wir mit Jubel und Fahnenschwenken. Auf einem Schiff war sogar Musik, die bei unserm Gruß ein fröhliches Vivat ertönen ließ. So in der besten Laune und unter Gesprächen über Kunst und die schöne Natur, die uns von allen Seiten umgab, schwammen wir hinab, bis wir nach zwei Stunden am Städtchen Königswinter landeten. Von da ging es per Esel auf einem für die armen Tiere sehr mühsamen Weg hinauf zur Kapelle des Petersberges (einer von den sieben Bergen). Für uns vier arme Sünder aber war der Weg sehr erfreulich, wir kamen durch die herrlichsten Weinberge - das wird ein Weinjahr! Der Weinstock biegt sich unter der Last der Trauben - wir schwelgten daher im Vorgefühl zukünftiger Genüsse. Oben angelangt, begab sich Deger mit seinen Begleitern zuerst in das Gotteshaus, um anzubeten, derweilen ich mich an der schönen Landschaft labte, die sich vor meinen Blicken ausbreitete. Der mächtige Rheinstrom windet sich ernst und ruhig durch das fruchtbare Land, belebt mit unzähligen Dörfern und Städten, welches sich rechts im Morgenduft am Horizont verliert, dagegen links von dem Rhein und Ahrgebirge begrenzt wird. Nachdem jeder in seiner Weise Gott gedient hatte, stiegen wir wieder auf der anderen Seite des Berges hinab, wo wir um Mittag in der alten Abtei Heisterbach ankamen. Von der Hitze und dem entseßlichsten Hunger ganz schachmatt, brachte ein gut und reichlich bestelltes Essen unsere Lebensgeister bald wieder in Ordnung - und wie wir nun gar ein Mittagsschläfchen gehalten hatten, waren wir wie neugeboren, und wir sprangen umher wie die Lämmlein auf der Weide, es war recht lieb anzusehen.

Ich habe über den Brief von Guido herzlich gelacht, teile ihm das Nebenstehende mit. Der Neid des Guido tritt immer deutlicher hervor über meinen Künstlerruhm, der bis zu den Sternen dringt, sowol, als wie über mein vorteilhaftes alle Herzen bezauberndes Aeußere!!

So sehr wie ich Freude auf der Reise gehabt habe und hier in Mülheim bei den lieben Eltern und Geschwistern noch habe, so sehne ich mich doch sehr nach euch zurück. Ich habe dies Faullenzerleben von Herzen satt, der Teufel halte es länger aus. Vom ewigen Anschauen der Kunstwerke wird der Kohl nicht fett, selbst etwas machen können, ist unendlich angenehmer und geschmackhafter

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