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schütten sollen, um zur Verständigung und zur Fortbildung | einige Forscher, wir würden es niemals begreifen, weil es ihrer Ideale zu gelangen. Hierzu ist seit dem Beginn an sich unbegreiflich sei. dieses Jahres eine Vierteljahrsschrift The Monist mit derselben Tendenz getreten, aber mit der Bestimmung, weniger der gegenseitigen Aussprache zu dienen, als viel mehr förderliche Abhandlungen und Berichte über den wissenschaftlichen Fortschritt auf den Gebieten des Geisteslebens zu bringen. Wenn wir aber die beiden Journale genauer anschauen, so finden wir, daß sie noch einem andern Zwecke dienen, der darin besteht, daß sie deutsche, französische und englische Forscher der amerikanischen Lesewelt in ihren besten, dem angedeuteten Ziele dienenden Arbeiten zugänglich machen. Wir haben dort Namen des besten Klanges vertreten gefunden, aus Deutschland beispielsweise Gustav Freytag, Ewald Hering, Ernst May, Haeckel, Breyer, A. Weismann u. a., aus England Mar Müller, S. Romanes, aus Frankreich A. Binet und Th. Ribot, aus Italien Cesare Lombroso und viele andere Es handelt sich dabei im llebrigen nicht um Nachdruck, wie ihn so viele amerikanische Zeitungen üben, sondern um autorisirte Uebersetzungen, und viele dieser vorwiegend von den geistigen Erscheinungen in der Natur handelnden Arbeiten sind von der Open Court Publishing Company auch in Broschüren- und Buchform herausgegeben worden.

Forscht man dann weiter nach, aus welchen Personen diese so eifrig und unentwegt ihr hohes Ziel verfolgende „Gesellschaft" besteht, so findet man nur zwei Teilhaber genannt, Eduard C. Hegeler und Mary Carus, denen als Herausgeber der erwähnten Zeitschriften und Bücher Dr. Paul Carus zur Seite steht. Letzterer, der auch der eifrigfte Mitarbeiter seiner Zeitschriften und der dem gleichen Versöhnungszwecke dienenden Bibliothek ist und offenbar die Seele dieser ganzen Thätigkeit darstellt, ist natürlich ein Deutscher, der Sohn des kürzlich verstorbenen General superintendenten der Provinz Ostpreußen, und somit ein Sohn der Stadt Kants, des Philosophen, der einen ähnlichen Versöhnungsdrang für diese heute mehr als jemals auseinanderstrebenden Gebiete der menschlichen Geistestätigkeit befundete.

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Wir wollten dies zur richtigen Beurteilung des oben zitten nenen Buches vorausschicken, weil in der kurzen Vorrede desselben gesagt ist, daß von allen Ideen, deren Ausführung dem obengenannten Urheber und Beschüßer der Forschung nach einer Religion auf wissenschaftlicher Grundlage" am Herzen lagen, diejenige eines Buches über die Erkenntnis der menschlichen Seele als einer, nicht in der früheren Auffassung unsterblichen, aber im Unsterblichkeitsglauben geahüten Entwicklungsform den ersten Plaß einnahm. Und uns scheint, daß Herr Hegeler einen sehr scharfen Blick befundete, als er das Studium der menschlichen Seele als dasjenige Forschungsgebiet er fannte, auf welchem das Bündnis zwischen Forschen und Empfinden am ersten zu Stande kommen wird. Denn soviel auch bereits in genauester Zergliederung des Gehirns, in Ermittlung der Tätigkeiten seiner einzelnen Teile und Organe durch Reizung mit schwachen elektrischen Strömen festgestellt ist, so bleibt uns doch das harmonische Zusammenwirken dieser Teile, die Kombination dieser Empfindungen, die Entstehung der innern Anschauung und kausale Durch dringung derselben ein tiefes Geheimnis, vor dem alle Forscher sich beugen. Sie können nicht daran zweifeln, daß das Denken in diesem Organ auf natürlichen Vorausfebungen beruht, sie sehen es an bestimmte Bedingungen geknüpft, aber sie würden zu weit gehen, wenn sie behaupteten, die Geistestätigkeit zu verstehen, oder ihre Ansicht über das Zusammenkommen der innern Anschauung für mehr als einen bloßen Glauben gäben. Behaupten doch

Hier ist also ein Gebiet, auf dem sich Glauben und Wissen die Hand reichen, ein Feld, von dem jeder Wißbegierige, da es den Ursprung alles Wissens betrifft, soviel als möglich erfahren möchte. Wäre nun ein Buch, welches den gegenwärtigen Zustand unseres Wissens von Gehirn und Seele zusammenfaßt, vorhanden gewesen, so würde der Verfasser wahrscheinlich, wie er sagt, das seinige nicht geschrieben haben, denn er wollte im Wesentlichen eine solche Zusammenfassung vom vermittelnden, monistischen Standpunkte geben. Aber ein solches Buch war nicht vorhanden, weil die Wissenschaft von der menschlichen Seele noch im Werden ist, und die vorhandenen Anläufe zu einer Sammlung und Sichtung des mächtig angeschwollenen Rohmaterials in der Regel nur von einem einseitigen physiologischen, psychologischen, ethischen oder religiöjen Standpunkt geschrieben waren. Ein Versuch, die verschiedensten Richtungen der Seelenkunde, von der anatomischen Grundlage und den Fundamentalbegriffen an, bis zu den Problemen der von außen beeinflußten Seelentätigkeit übersichtlich vom neuesten Standpunkte zusammenzufassen, fehlte und ist hier mit einer Umsicht und Durchdringungskraft vollendet worden, die uns beweisen, das der Verfasser desselben, der Herausgeber so der rechten Stelle ist. vieler Druckschriften ähnlichen Ziels, der rechte Mann an

Welch ein Reichtum verschiedener Denk- und Forschungsgebiete zieht in unsern Gedanken vorüber, wenn wir dem Gange der flaren und durchsichtigen Darstellung folgen! Da kommen zunächst die Grundbegriffe des Empfindens nicht immer leicht erkennbare Grenze zwischen Wahrheit und Denkens, die Bildungsweise der Vorstellungen, die und Irrtum zur Erörterung, dann die physiologischen Fundamentalerscheinungen, in denen sich seelisches Leben bei den niedersten organischen Formen offenbart. Eine durch zahlreiche, den besten anatomischen, physiologischen, und entwicklungsgeschichtlichen Werken entlehnte Abbildungen Nervensystems und Gehirns der Wirbeltiere von den eincrläuterte Darstellung lehrt uns Bau und Wachstum des fachsten Formen bis zum Menschen, der den Abschluß der Reihe bildet, kennen; fie zeigt, wie wir eine geistige Entwicklung, welche mit der körperlichen Schritt hält, verfolgen können, und wie dabei eine immer vollkommenere Arbeitsleistung auch auf dem Gebiete der Geistestätigkeit erzielt wird. Die Anschauungen von Hißig und Fritsch), Golz und Ferrier, Munck und Erner über die Lokalisation der einzelnen Sinnesfähigkeiten und Geistestätigkeiten im Gehirn werden in lichtvollen Darlegungen vorgeführt, cin interessantes Kapitel über die Fortpflanzung, die ja den Geist nicht weniger als den Körper berührt, eingeschoben, das neue Feld der experimentellen Psychologie und ihrer Forschungen am gefunden und kranken, natürlich oder fünstlich eingeschläferten Menschen (Träumen, Hypnotismus, Somnambulismus, seelische und körperliche Beeinflussung, doppelte Persönlichkeit u. f. w.) gründlich abgeerntet, und mit Ausblicken auf die ethischen und religiösen Probleme des Seelenlebens geschlossen.

Wer da weiß, welche Dornen schon die Herausschälung des wahren Kernes der hypnotischen Forschungen, die kritische Behandlung der ethischen Probleme in fich birgt, wird dem Verfasser für seine überall klare, besonnené und maßvolle Behandlung Dank wissen. Sie würde schon ein nicht geringes Verdienst einschließen, wenn sie blos referirend und kompilatorisch wäre, aber sie ist durchweg fritisch gehalten, und nach vielen Richtungen mit neuen anregenden Gedanken wie mit einem geistigen Fermente durchsetzt, so daß man fremde Länder zu durchwandern glaubt und überraschende Aussichtspunkte erreicht. Dies

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gilt z. B. für die ganz originelle Theorie der GeschlechterEntstehung, die von einer Hypothese der Ergänzung ausgeht, wonach ein Mann, wenn es auf ihn allein ankäme, nur weibliche Nachkommenschaft, eine Frau nur männliche haben würde. Als Beispiel wird angeführt, daß eine unbefruchtete Bienenkönigin nur männliche Eier legt, aus welchen Drohnen hervorgehen, nach der Befruchtung dagegen weibliche, aus denen Arbeiterinnen und junge Königinnen entstehen. Freilich bringen im Gegensaße hierzu unbefruchtete Blattläufe Weibchen hervor und zwar durch eine Reihe von Generationen, so lange fie in Ueber fluß leben, und erst gegen Ende des Sommers treten auch wieder Männchen auf, mit denen Kopulation erfolgen kann. Auch in Bezug auf die älteren Erklärungen der Schmerz und Luftgefühle weicht Verfasser von seinen Vorgängern ab und verwirft die von Kant aufgestellte Lehre, daß Luftgefühle mit einer Steigerung, und Schmerz mit einer Herabminderung der vitalen Tätigkeiten ver bunden seien. Er führt als Gegenbeweise an, daß Hinfiechen und Sterben schmerzlos vor sich gehen könne, daß andererseits die Verdauung, welche doch die Lebenskraft erhöht, mit Unluftgefühlen, körperliche Anstrengung dagegen, obwol sie die Kräfte zur Zeit erschöpft, oftmals (z. B. beim Jugendspiel, Wanderungen und körperlichen Uebungen, Tanz, Sport u. f. w.) mit Lustgefühlen_verbunden sei. Luft sei vielmehr mit der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse, Unluft mit Störung derselben verknüpft; auch die woltätige Warnung" welche Schiller als Zweck des Schmerzes hervorhob, hätte hier Berücksichtigung verdient.

Sehr gut ist dasjenige, was der Verfaffer über die Gedankengemeinsamkeit der Menschheit von den ältesten Zeiten bis heute ausführt, indem er das ganze Geschlecht einem aus der Tiefe des Meeres emporwachsenden Korallenstock vergleicht, in welchem durch alle Teile daffelbe Leben pulsirt, obwol die lebenden Vertreter beständig absterben und neuen Generationen Platz machen, und wie er den festen Glauben der Vorzeit an eine persönliche Unsterblichkeit als die unentbehrliche Waffe im schärferen Kampfe ums Dasein betrachtet, die den Menschen kräftigte und stark machte, auch das Widerwärtigste zu ertragen. Wir dürften darin die Ahnung einer damals unerkennbaren Tatsache, nämlich der tatsächlichen Unsterblichkeit der im Laufe einer langen Entwicklung des Geschlechts erlangten Vollkommenheiten des Leibes und Geistes erkennen, die uns heute befähigen, den Gedanken tiefer zu faffen und in einer höheren Form weiter zu pflegen. Ganz unvermutet, aber treffend wird damit eine brennende Frage der Gegenwart, die Handelsbeziehungen Nordamerikas und der alten Welt in Parallele gestellt.

Das sind Träumer" sagt er, die da denken, Mitbewerbung sei die Wurzel alles Uebels und welche sich einen Zustand der Gesellschaft ausmalen, in welchem eitel Glück herrscht, weil alle Mitbewerbung unterdrückt ist. Es ist der Traum vom Schlaraffen lande, vom Reiche Utopia, wo das dolce far niente ein Paradies schafft, in welchem Menschen ohne Rückgrat leben, weil im Himmel, wo der Kampf ums Dasein ruht, kein Rückgrat erforderlich ist. Mögen sie sich aber hüten, daß ihre Träume sie nicht für die rauhe Wirklichkeit untüchtig machen. Es giebt eine andere Menschenklasse, welche ähnlich solchen Träumern nach einem Zu stande friedlichen Glückes strebt. Im Besize etlicher weltlichen Güter wünschen sie dieselben ungestört zu bewahren, ohne einem beständigen Daseinskampfe ausgesezt zu sein, der sie zwingt, allzeit bereit zu sein, um Mitbewerbern gegenüber zu treten und mit Sem Geiste der Zeit fortzuschreiten. Diese Leute fordern Schuß der nationalen Industrie, Verbände, Ringe und wie diese Veranstaltungen heißen.

Ein hoher Zolltarif und starker Zusammenschluß mag sicher lich für einige Zeit die Geschäftssorgen unserer Handelswelt_erleichtern, aber im längeren Verlauf wirkt das schwächend. Tat sächlich sind (auch nach Ansicht der größten amerikanischen EisenIndustriellen) hohe Hölle und Verbände sichere Zeichen von Schwäche. Vielleicht sind wir in die Notwendigkeit ver sezt, einen Handelskrieg gegen England oder ganz Europa zu

führen. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß, wenn ein Land Schutzölle einführt, es sich in einer Schulungszeit befindlich betrachten muß, wie ein zu erziehendes und zur Reife zu bringendes Kind. Das Ziel jedes Krieges ist ein ehrenvoller Frieden, der Zweck der Schulzeit das praktische Leben. Das Ziel eines Schutzolls muß seine Aufhebung in nicht zu ferner Zeit sein."

Es ist unmöglich, hier auf weitere Einzelnheiten einzugehen, aber ich hoffe, das Angeführte wird genügen, um auf das Buch eines originellen und auf dem Boden der Tatsachen bleibenden Denkers hinzuweisen, von dem ich wünschte, daß es in seiner umwundenen, den Dingen auf den Leib gehenden Weise ins Deutsche überseßt würde. Niemand könnte das besser fun, als der Verfasser selbst und ihm vor allem soll das hier mit ans Herz gelegt werden. Wir könnten ein solches dem philosophischen Phrasendrehen aus dem Wege gehendes Werk über Gehirn und Seele recht gut brauchen

Der Ausdruck des Persönlichen.

Von

Emile Zola.

Autorisirte Uebersetzung von Leo Berg.

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Ich kenne Romanschriftsteller, welche sehr sorgfältig schreiben, und die lange Zeit einen guten litterarischen Namen gehabt haben. Sie sind sehr fleißig und behandeln alle Gattungen mit derselben Leichtigkeit. Die Wendungen fließen ihnen alle von selbst in die Feder, fie arbeiten jeden jeden Morgen am Frühstückstische 5-600 Zeilen. Und ich wiederhole es, die Arbeit ist sorgfältig, die Grammatik wird nicht verlegt, der Ausdruck ist gut, und bei allem Respekt vor dem Publikum scheint der Autor hier und da sagen zu wollen: Niht wahr, das ist reizend geschrieben." Diese Romanschriftsteller haben mit einem Wort ganz den Anschein eines wahrhaften Talentes. Das Unglück ist nur, daß ihnen der Ausdruck des Persönlichen fehlt, und das genügt für immer, um sie zu mäßigen Schriftstellern zu stempeln. Sie mögen Band auf Band häufen, ihr starkes Talent gut oder schlecht anwenden, immer wird doch aus ihren Büchern ein fader Geruch aufsteigen, es sind nur halbgeborene Werke. Je mehr diese Autoren schreiben, desto schimmliger wird der Bücherhause, die Korrektheit ihrer Sprache, die Glätte ihrer Prosa, der Firniß ihres Stils kann für längere oder kürzere Zeit das große Publikum über sie täuschen, aber alles das genügt nicht, ihren Werken persönliches Leben einzuflößen, und schließlich verliert der Eindruck, den ihre Leser mit sich nehmen, immer mehr an Kraft. Sie machen eben nicht den Eindruck des Persönlichen und werden um so sicherer vergessen, als sie fast niemals einen so hohen Grad von Wirklichkeitssinn befißen, was die Sache noch verschlimmert.

Diese Romanschriftsteller schreiben den Stil, der gerade Mode ist. Sie gebrauchen die Wendungen, die ihrem Stuhl stände und ihnen zuflüsterte. Ich sage nicht, in der Luft liegen. Sie schreiben, als ob jemand hinter daß sie nur dem einen oder andern abschreiben, daß sie ihren Kollegen ganze Seiten stehlen, im Gegenteil, fie find so flüchtig und oberflächlich, daß man in ihren Sachen keinerlei kräftige Einwirkung bemerkt, nicht einmal die eines einigermaßen guten Vorbildes. Sie kopiren nicht, aber statt eines schöpferischen Geistes haben sie einen großen Vorrat von bekannten Wendungen, gang und gäben

Redensarten und eine eindruckslose Art des Durchschnitt | stils. Dieser Vorrat ist unerschöpflich, fie brauchen nur zur Schaufel zu greifen, um das Papier damit zu bedecken. Sieh da etwas und noch etwas! Immer, immer noch eine Schaufel falter Erde, womit sie die Spalten der Journale und die Seiten der Bücher ausfüllen.

Dagegen sehe man sich einen Romanschriftsteller an, der den Ausdruck der Persönlichkeit befißt, z. B. Alphonse Daudet. Ich greife diesen Schriftsteller heraus, weil er einer derjenigen ist, die am meisten ihre Werke selbst erleben. Alphonse Daudet hat wirklich ein Schauspiel oder irgend eine Szene, die er schreibt, erlebt. Da er Wirklichkeitssinn besißt, so wird er von dieser Szene gefesselt und beobachtet das Bild sehr genau. Jahre können darüber hingehen. in seinem Geiste haftet das Bild, es dringt nur im Laufe der Zeit tiefer ein. Es wird schließ- | lich sein Besitztum; der Schriftsteller muß es mitteilen, und was er gesehen und behalten hat, wiedergeben. So entsteht ein Naturprodukt, die Schöpfung eines originellen | Wertes.

Alphonse Daudet beschwört zuerst ein Erlebnis herauf, die Person mit ihren Bewegungen, die Gegend mit ihren Linien. Das muß er wiedergeben. Und jetzt läßt er die Personen spielen, belebt die Milieus und strengt sich an, seine eigne Persönlichkeit mit derjenigen der Wesen und selbst der Dinge, welche er malen will, zu vermischen. Er ruht nicht eher, bis er eins ist mit seinem Werke und zwar derartig, daß er in ihm aufgeht und es zugleich auf seine Weise sieht. Bei dieser innigen Vereinigung giebt es keine Verschiedenheit mehr zwischen der dargestellten Szene und der Persönlichkeit des Romanschriftstellers. Welche Details find absolut wahr, welche erfunden? Das wäre schwierig zu sagen. Gewiß ist nur das Eine, daß die Wirklichkeit es war, die den Austoß gab, daß in ihr die Kraft der Anregung lag, welche den Romänschrift | steller mächtig ergriff. Er ist darum der Wirklichkeit nachgegangen, hat die Szene ausgearbeitet und ihr gleicher weise ein Leben verliehen, das nur ihm, Alphonse Daudet, ganz allein eigen ist.

Das ganze Wesen der Originalität besteht in diesem persönlichen Ausdruck der wirklichen Welt, welche uns ungibt. Der Reiz der Daudetschen Werke, dieser tiefe Reiz, welcher ihm einen hohen Plaß in der modernen Litteratur errungen hat, kommt von dem originellen Beigeschmack, welchen er jedem kleinsten Stück eines Sates giebt. Er fann keine Tatsache mitteilen, keine Person einführen, ohne sich ganz in diese Tatsache oder diese Person, mit der Lebhaftigkeit seiner Fronie und der Anmut seiner zärtlichen Liebe hineinzuverseßen. Unter hundert Seiten erfennt man eine von ihm, weil seine Seiten eignes Leben in sich haben. Er ist ein Zauberer, einer jener bewegten Erzähler, welche, was sie erzählen, mit belebenden Gesten und berückender Stimme vortragen. Alles wird lebendig unter ihrer Hand, Alles empfängt Farbe, Duft und Ton. Sie weinen und lachen mit ihren Helden, sie sind vertraulich mit ihnen und geben sie wirklichkeitsgetreu wieder, so daß man sie vor sich sieht, so oft sie sprechen. Sollen solche Bücher das Publikum etwa nicht entzücken? Sie leben. Man schlage sie auf, und man wird empfinden, wie ihr Leben einem bis in die Fingerspitzen dringt. Das ist die Welt, wie sie wirklich ist und wie sie sich zugleich in einem Schriftsteller von köstlicher und tiefer Originalität widerspiegelt. Der Autor kann einen mehr oder weniger glücklichen Vorwurf wählen, er mag ihn mehr oder weniger erschöpfen, das Werk bleibt des halb doch um nichts weniger kostbar, weil es in seiner Art einzig sein wird, weil nur er allein ihm diese Abrundung, diesen Ton und dieses Leben geben konnte. Das Buch ist von ihm, das genügt. Man wird es eines

Tages klassifiziren, aber es wird doch nichts desto weniger ein eigenartiges Werk und eine wahre Schöpfung sein. Man kommt in Leidenschaft, man liebt es, oder man liebt es nicht; aber niemand bleibt gleichgiltig. Es handelt sich nicht mehr um Grammatik oder Rhetorik, man hat nicht nur ein Paquet bedruckten Papiers unter seinen Augen. Da haben wir einen Menschen, einen, deffen Geist und Herz bei jedem Worte mitschwingt. Man gibt sich ihm hin, weil er sich der Gefühle des Lejers zu bemeistern weiß, und weil er die Kraft der Wirklichkeit und die Allmacht des persönlichen Ausdrucks besigt.

Jest begreift man wohl die gänzliche Ohnmacht jener Romanschriftsteller, von denen ich vorhin sprach. Niemals werden sie die Leser ergreifen und sich ihre Neigung erhalten, denn sie fühlen nichts und geben auch nichts auf eigene Weise wieder. Man wird in ihren Werken umsonst nach einem neuen Eindruck suchen, der in einer ncuen Redewendung ausgedrückt wäre. Wenn sie hier oder da glückliche Wendungen finden, so tönen diese Wendungen, welche bei einem andern_so_lebendig_klingen, bei ihnen hohl; sie sind nicht der Ausfluß eines Menschen, welcher wahrhaft empfindet und das in einer kraftvollen Schöpfung wiedergibt. Und sie mögen sich noch so schön in Positur seßen, ausgezeichnet schreiben wollen und glauben, daß man ein schönes Buch aufertigt, wie man mit mehr oder weniger Sorgfalt ein Paar Stiefel macht, sie werden doch niemals ein lebendiges Werk zur Welt bringen. Nichts ersetzt den Wirklichkeitssinn und den persönlichen Ausdruck. Bringt man diese Gabe nicht mit, dann soll man lieber Krämer als Romanschriftsteller werden.

Ich habe Alphonse Daudet angeführt, weil sich mir dieses Beispiel sofort aufgedrängt hat. Aber ich hätte noch andere Romanschriftsteller nennen können, welche weitaus nicht sein Talent haben. Der persönliche Ausdruck tritt nicht notwendig in vollendeter Form auf. Man kann schlecht, inkorrekt und erbärmlich schreiben, und alles kann doch von einer wahrhaften Originalität im Ausdruck sein. Am schlimmsten ist nach meinem Dafürhalten im Gegenteil gerade jener saubere Stil, welcher bequem und weich dahinfließt, jêne Flut von Gemeinpläßen und bekannten Bildern, welche das große Publikum zu dem Urteil verleitet: „Das ist gut geschrieben." O, nein, das ist schlecht geschrieben, sobald das Werk kein eignes Leben und keinen eigenen Beigeschmack hat, selbst auf Kosten der Korrektheit und des Ebenmaßes der Sprache! Das größte Beispiel eines persönlichen Ausdrucks in unserer Litteratur ist St. Simon. Das ist ein Schriftsteller, welcher mit seinem Herzblut ge= schrieben, und der Werke hinterlassen hat, welche an Kraft und Lebendigkeit einzig dastehen. Ich habe gar kein Recht, ihn einen Schriftsteller zu nennen; er war mehr als das, denn er scheint sich gar nicht bemüht zu haben zu schreiben, und er kam plöglich zum höchsten Stil, zur Schöpfung einer Sprache und zum lebendigen Ausdruck. Bei unsern berühmtesten Schriftstellern merkt man das Rednerische, die Zustüßung der Phrase, ein Geruch von Tinte strömt von ihren Blättern aus. Bei ihm ist nichts von alledem; die Phrase ist ein Zucken des Lebens, die Leidenschaft hat die Tinte ausgetrocknet, das Werk ist der Aufschrei eines Menschen, der lange Monolog eines Mannes, der alles öffentlich erlebt

Stendhal affektirte damit, er lese, um den Ton zu finden, jeden Vormittag einige Seiten im Zivil-Geseßbuch, bevor er sich an die Arbeit mache. Man muß darin einfach einen Trotz sehen, mit dem er der romantischen Schule entgegentrat. Stendhal wollte sagen, daß für ihn der Stil nur der klarste und möglichst erakte Ausdruck der Idee sei. Nichts desto weniger besaß er den persönlichen Ausdruck im höchsten Grade. Seine Trockenheit, seine

kurz angebundene, so einschneidende und eindringliche Rede wird ihm unter den Händen zu einem wunderbaren Werk- | zeug der Analyse. Man könnte ihn sich gar nicht anmutig schreibend vorstellen. Er hatte den Stil seines Talents, einen in seiner Inkorrektheit und auscheinenden Sorglofig= | feit so originellen Stil, daß er typisch geblieben ist. Das ist nicht der großartige Schwung St. Simons, der erhaben in seiner Gewalt auf Wundern und Trümmern einherfährt; das ist ein an der Oberfläche zugefrorener, in seinen Tiefen vielleicht sprudelnder See, der mit unerbittlicher Wahrheit alles, was sich an seinen Ufern findet, abspiegelt. Balzac wurde ebenso wie Stendhal der Vorwurf gemacht, er schreibe schlecht. Er hat gleichwol in seinen drolligen Erzählungen Seiten geliefert, die Kleinode an Ausfeilung sind; ich kenne nichts, was in der Form reizender erfunden und feiner ausgeführt wäre. Aber Aber man wirft ihm die schwerfälligen Einleitungen seiner Romane, die allzumassiven Beschreibungen, überhaupt den schlechten Geschmack an gewissen Uebertreibungen in der Darstellung seiner Personen vor. Es ist zweifellos, er hat eine schwere Hand, die zuweilen erdrückt. Auch muß man ihn in dem kolossalen Zusammenhange seines Lebenswerkes beurteilen. Man sieht dann einen heroischen Kämpfer, der sich mit allem, selbst mit dem Stil herumgeschlagen hat, und der hundertmal aus dem Kampfe siegreich hervor gegangen ist. Andrerseits verwickelt er sich freilich in ermüdende Phrasen, aber sein Stil ist doch immer eigentümlich und persönlich. Er knetet ihn, formt ihn und bildet ihn in jedem seiner Romane gänzlich um.

Unaufhalisam sucht er nach einer neuen Form. Man findet ihn immer wieder, in den kleinsten Säßen ist er der schöpferische Gigant. So ist er: die Schmiede dröhnt, er hämmert mit dem Schwunge seiner Arme auf seine Sprache, bis sie ihr Gepräge hat. Dieses Gepräge wird sie ewig behalten. Wie viel Schlacken auch dabei abfallen, es ist doch großer Stil.

Ich hatte nur die Absicht gehabt, durch Vorführung einiger Beispiele besser darzustellen, was ich unter dem persönlichen Ausdruck verstehe. Ein großer Romanschrift steller in unsrer Zeit ist derjenige, welcher Wirklichkeitssinn hat und die Natur mit Originalität wiedergiebt, indem er sie mit seinem eignen Leben lebendig macht.

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Wenn es auch keine absoluten Wahrheiten giebt, so haben wir doch als Entschädigung die periodische Durch schnittswahrheit, die Normalvernunft des Zeitalters, die herrschende Anschauung des Tages oder das sogenannte allgemeine Urteil. Der Mensch über oder unter dem Normaldurchschnitt wird für nicht recht klug" gehalten. nicht recht klug" gehalten. Galilei war demgemäß nicht recht klug, als er im Gegensatz zu dem allgemeinen Urteil damaliger Zeit annahm, daß die Erde sich um die Sonne drehe.*)

Jeder Durchschnittsmensch wird, wenn man ihm gegenüber einen neuen Gedanken ausspricht, einen AugenBlick zweifelhaft sein, ob er oder der Denker verrückt ist.

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Gewöhnlich nimmt er an, daß es der andere sei, denn jedes Individuum, welches nicht denkt, hat gerade darum den stärksten Glauben an sich. Es ist deshalb sehr leicht, für verrückt gehalten zu werden. Alles was vom Normalen abweicht, ist für den minder Gebildeten überspannt, und das Vergnügen, welches die Engländer infolge ihrer ungewöhnlichen Kleidertrachten oder ihres Auftretens, allen Kindern des Festlandes, den großen und den kleinen, bieten, ist aus der allerdings unmaßgeblichen Ansicht hervorgegangen, daß sie überspannt seien.

Die Kluft zwischen klugen und törichten Menschen ist in vielen Fällen nicht so groß, und neuere französische Schriftsteller haben vor fünf Jahren unter die Symptome des Wahnsinns die Grübeleien über ein Perpetuum mobile, über die Weltsprache gerechnet. Nichtsdestoweniger giebt es in Berlin ein Perpetuum mobile in Form einer Uhr, die in eine Mauer eingelassen, sich selbst durch den Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht 2c. aufzieht. und Volapük hat bereits so große Erfolge errungen, daß man in den münchener Konzerten in der Weltsprache singt, und daß es an der Universität in Wien von Prófefforen gelehrt wird.

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Es ist deshalb gefährlich, so ohne weiteres eine Sache verrückt zu nennen, besonders in unserer Zeit, die so schnell ausschreitet, daß heute eine Banalität ist, was man gestern als eine Utopie angesehen hat. Noch im vergangenen Jahre wurde in einem in Paris erschienenen Buche Du délire chez les dégénérés" (Ueber die Gemütskrankheiten der Entarteten) als Symptom des Wahnsinns angegeben: ungeselliger Geist, Neigung zum Vegetarianismus, Tierschuh, Ideen über eine Weltrepublik, Abrüstungspropaganda, das Streben der Weltverbefferer nach Gleichheit ut. s. w. Es kann nicht geleugnet werden, daß manches Verlangen unserer Weltverbesserer von Nervosität herrührt, von dem Mangel, dulden zu können, und daß ein großer Teil der leidenden Menschheit, die uns Neuropathen so viel Kummer verursacht, in die empfindsame Menschheit einrangirt werden müßte.

Maudsley, vielleicht der verständigste aller Irrenärzte, obwol auch er überall Wahnsinnige sieht, wo vielleicht gar keine sind (in ungehorsamen Kindern, unzu= friedenen Revolutionären, in ehrgeizigen und starken Naturen), hat die gewöhnlichsten Ursachen psychischen Wahnsinns vortrefflich erklärt: „Ein Individuum, das glüdlich leben will, muß entweder so geschmeidig seine daß es sich in allen Fällen zurechtfinden kann, oder auch stark genug, die Verhältnisse nach seinem Kopf zu lenken. Kann es weder das Eine noch das Ander, oder durch gesunden Menschenverstand und einflußreiche Stellung ein Kompromiß nicht zustande bringen, so wird es wahnsinnig, begeht Selbstmord, wird zum Verbrecher oder endigt im Armenhaus."

deutet, welches die Individuen derart verbindet, daß Der Verfasser hat damit das intime Band angejeder Versuch, sich aus seinem Kreis zu befreien, sich durch Wahnsinn bestraft. Ein isolirtes Leben kann streng o sind es Bücher oder eine große Sammlung von genommen nicht geführt werden. Hat man keine Menschen, Erinnerungen, mit denen man sich beschäftigen kann. Einsam mit seinen Ansichten dazustehen ist ebenso gefährlich wie überall Feinde zu haben, stets unterdrückt, gefesselt zu sein.

Gottesbegriff länger in dem isolirten Leben der LandDie Einsamkeit flößt Furcht ein, darum lebt der bevölkerung wie in den Volksmengen der Städte. Die Furcht ist eine Aeußerung des Selbsterhaltungstriebes; übertriebene Furcht eine Folge der Isolirung und die

erste Ursache zum Wahnsinn; argwöhnisches Wesen und Verfolgungsmanie wird mit Notwendigkeit erzeugt, wenn der Gesellschaftsmensch aus der schüßenden Umgebung herausgetreten ist. Aus Mangel eines Maßstabes, auš dem Unvermögen, die relative Größe seines eigenen | Ichs beurteilen zu können, entsteht dann sehr leicht entweder Ueberschäzungs- Größenwahnsinn oder Unterschäßungs-Mikromanie. Schließlich verliert das große Gehirn oder das Selbstbewußtsein jede Kraft, den Ge- | fahren zu begegnen, jedes Vermögen sie zu beurteilen, jede Beherrschung über die Triebe; und nun reagiren | die Bewegungs- und Gefühlsnerven auf die ersten Eindrücke. Falsche Verknüpfungen der Ursachen, irrige Vorstellungen, Schlußfäße ohne zureichenden Grund, Gesichts- und Gehörtäuschungen und endlich Tobsucht oder ständige Verteidigungsmanie, die sich in Angriffen Luft macht, stellen sich bald ein.

All diese Vorläufer kommen nun gesonderts und in geringem Grade bei allen Menschen vor, denn selbst wenn die Erziehung den Menschen zum Menschen gemacht, so ist gleichwol die Erziehung nur ein Anhängsel, das im Affekt einer stärkeren Leidenschaft wie ein loses Kleidungsstück herabfallen kann. Ein hoch- und vornehm gebildeter Mensch kann in einem Anfall von Zorn roh, pöbelhaft, gewalttätig werden, ja selbst ein Verbrechen begehen. Eine schwärmerische Natur fann eraltirt werden; Künstler und Schriftsteller können selbst Halluzinationen hervorrufen; der Krieger bewaffnet sich unter dem Einfluß seiner Furcht mit einem Mut, der nur die Rückseite der Feigheit ist und leicht in tierische Mordlust ausarten kann. Die Kluft ist darum nicht so groß, und viele werden erst infclge zu rascher Absperrung wahnsinnig. Und nicht immer scheint die Absperrung durch die Fürsorge für die Patienten veranlaßt zu werden, die in der Regel erst dann stattfindet, wenn das Ver halten des Patienten den Sutereffen der andern zum Schaden gereicht. Daraus ist zu folgern, daß der Frre erst dann unschädlich gemacht wird, wenn er gefährlich zu werden anfängt, und daß das Irrenhaus infolgedessen faktisch dasselbe wie ein Gefängnis ist. Die Gefahr hierbei ist, daß mancher Verbrecher, der mit dem Ver lust mehrjähriger Freiheit seine Strafe absiten würde, im Irrenhaus des Gebrauches seiner Verstandeskräfte beraubt worden ist. Man hat oft die Beobachtung gemacht, daß unvernünftige und bösartige Anverwante, um die Ehre der Familie zu retten, den Schuldigen ins Hospital schicken in der Hoffnung, daß sie bald von aller Verantwortung befreit und der Kranke entlassen sein würde, ohne Schaden genommen zu haben, sobald der Fehltritt vergessen ist. Jene allgemein angenommene Ansicht, daß der Irre im Gegensatz zum Verbrecher unzurech nungsfähig sei, war die Veranlassung zu manchen unliebsamen Hospitalsgeschichten, die jetzt wie früher im Schwange find. Aber die Aerzte für seelische Erkrankungen haben in der neueren Zeit die Tendenz gezeigt, Verbrecher und Irre in dieselbe Kategorie niedrigstehender Individuen zu rechnen, die beide unzurechnungsfähig sind, weil die Kraft, ihre Leidenschaften zu beherrschen, wenig entwickelt ist. Die Frage kann sogar entstehen, ob nicht der Verbrecher aus Not (der Dieb in vielen Fällen) weniger verantwortlich ist als der Wahnsinnige aus ungezügelter Genußsucht.

Eine andere Seite des Wahnsinns, vielleicht aus dem Grunde weniger beachtet, weil sie erst in neuerer Zeit beobachtet wurde, ist was ich den modernen Seelenmord und den psychischen Selbstmord nennen möchte. Ibsen hat scheinbar unbewußt das erstgenannte Phänomen in „Rosmersholm“ berührt.

Der Kampf um die Macht hat sich aus dem rein körperlichen (Gefängnis, Tortur, Tod) allmählich zu einem mehr psychischen, aber darum nicht minder grausamen, entwickelt In früheren Zeiten regierten die Despoten mit muskelstarken, eisenbepanzerten Männern, jest regieren die Majoritäten (oder die Minoritäten) mit Hilfe von Zeitungsartikeln und Wahlzetteln.

Früher erschlug man seinen Meinungsgegner, ohne ihn überführt zu haben, jezt schafft man eine Majorität gegen ihn, „überführt“ ihn, stellt seine Ansichten bloß, schiebt ihm Ansichten unter, die er gar nicht hat, beraubt ihn seiner Existenzmittel, versagt ihm soziales Ansehen, macht ihn lächerlich, mit einem Worte lügt und peinigt ihn zu Tode oder macht ihn verrückt, anstatt ihn zu erschlagen.

Die Worte zu Tode gequält", wahnsinnig ge= macht", totschweigen", „geboykottet", werden immer alltäglicher, und die kurzen, unschuldigen Worte verbergen wie die Burgverließe der Feudalherren. oder verraten ebenso viele und ebenso große Verbrechen

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Ein Beispiel. In der Stadt X wurde neulich ein bedeutender Schauspieler auf folgende Art totgemacht. Er hatte mit einem Theaterdirektor bei einer jungen Der Direktor verlockte ihn, einen äußerst vorteilhaften Dame rivalisirt und war von dieser bevorzugt worden. Kontrakt auf zehn Jahre zu unterschreiben. Im ersten Jahre erhielt das Opfer gar keine Rolle. Das Publikum glaubt, daß seine Kunst verblüht sei. Im zweiten Jahre wird ihm eine Rolle übergeben, die seiner Begabung nicht liegt, er macht Fiasko. Dann bekommt er überhaupt keine Rolle mehr. Er ist ein geschlagener Mann. hervor, den er sofort durch Reklame zu einer BerühmtDer Direktor zieht nun einen jüngeren Schauspieler heit stempelt, und an den er das Publikum gewöhnt, während der andere begraben wird. Nun bricht dieser seinen Kontrakt, zieht sich einen Prozeß auf den Hals, verliert als Kontrattbrüchiger sein Ansehen und erhält Verfahren ist übrigens für große Theaterdirektoren nichts kein Engagement mehr. Er ist totgeschlagen! Dieses ungewöhnliches, die oft den Stern eines konkurrirenden Theaters an sich locken, um ihn einzusargen", wie es in der Theatersprache heißt. Erinnert diese Methode nicht an Hinterhalt und Raub, wie sie in der guten alten Zeit praktisch ausgeführt wurden?

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Wie bekannt wirkt nichts so vernichtend auf den Denkmechanismus, wie getäuschte Hoffnungen, und eine hochentwickelte Form dieser Tortur kann Wahnsinn hervorrufen. Man verspricht und verspricht, schiebt auf und schiebt auf, bis das Opfer ohnmächtig scheint, und lebt man den Sterbenden durch ein neues Versprechen, wenn die Lebensgeister völlig zu schwinden drohen, bedas natürlich auch nicht gehalten wird, und so immerfort, bis nur noch ein Schatten des Opfers übrig bleibt.

Weit einfachere Formen, Leute zu Tode zu quälen, läßt ein oder zwei Manuskripte verloren gehen. In der können gleichfalls wie Bestandteile mit unterlaufen. Man Seele eines Schriftstellers entsteht dann eine Leere; die Linie ist unterbrochen, so daß die Leitung in Unordnung gerät; die Entwickelungskette ist durchbrochen, so daß er, wenn er das nächste Mal zur Feder greift, nicht weiß, was er geschrieben (und gedruckt wurde) und was nicht. Seine Verfasserschaft geht entzwei, er kann seine nach allen Richtungen umherirrende Gedanken nicht mehr sammeln.

Auf anderen intimeren Gebieten des sozialen Lebens wird der Kampf zwischen den Gehirnen ebenso hißig ge= führt. Eltern, die gewisse Anlagen ihrer Kinder unter| drücken, andere, die sich nur im ersten Ursprung zeigen, steigern wollen; Kinder, die das Leben ihrer Eltern

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