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Katya. Wollen Sie helfen mir zu werden immer beffer in meine Kunst?

Stoneberg. Ich werde ehrgeiziger sein als Sie. Katya. Wollen Sie nicht haben Zorn, wenn ich mache Fehler in Leben und mit gute Wort mir sagen wie ich soll machen anders?

Katha (reicht ihm die Geige hin). Da.
Stoneberg. Was soll das? Sie geben sie mir

wieder?

Katha (wie in einer Vision unbeweglich. Habe ich ge= hört reden zu mir seine Stimme aus kleine, braune Ding und sagen gewaltige Wort. Von Sünde, die trägt nicht Stoneberg (neigt sein Haupt auf ihre Hände). Ich habe | Namien von Sünde, von Verbrechen, die trägt nicht Namen Ihnen nichts zu sagen. von Verbrechen, von Schande, die trägt nicht Namen von Schaude. Und will ich tun Sünde, will ich tun Ver

so werd' ich sein Ihre Weib.

Katya. So
Stoneberg (fällt in wortloser Bewegung vor ihr auf die brechen, will ich tun Schande.

Knie). Dank.

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ich fürchte mich,
Sie zu verlieren. Sie - Sie werden mein Weib?
Katha (langfam.) Meine Ehrenwort.
Stoneberg. Ihr Ehrenwort? Wiffen Sie, was
das bedeutet? Wissen Sies?

Katya. O ja.
O ja. Hab' ich jezt Ring an Finger.
Meine Ehrenwort.

Stoneberg (hält einen Moment stumm die Hand. Nimmt dann die Amati, giebt sie Katya). Ihr Brautgeschenk.

Stoneberg. Was geht in Ihnen vor? Um Gottes willen, sehen Sie mich an, einmal

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Katya. Ueber Glück stehen Ehre und meiner Ehre sein mehr wert als Menschenleben tausend Haben es gesagt gnädiger Herr zu mir, und sollen er haben nicht ge

Katha schreit auf, preßt die Geige in ihre Arme, küßt sie. sprochen für nichts. In namenlosem Jubel). Mein, mein!

Stoneberg (für sich, auf Katya blickend). Mein. Katya. O o die kleine, braune Ding, wie ich ihr liebe. Wird sie helfen mir, wenn ich suche rechte Ton für gnädige Herr. Werd' ich können spielen, wie ich habe geträumt seit Jahre. Werd' ich finden eine mal, eine

mal in meiner Leben Glück.

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Stoneberg (für sich). Welche Schönheit, welche Kraft! Ich liebe, ich fürchte sie. Aber ich lasse sie nicht. Und müßte ich um sie ringen mit ihr selbst. Katya. Hab ich einer großen Bitte an Sie. Kann nicht erwarten zu hören Amati. Möchte spielen Melodie erste, die habe ich gehört von Beethoven als kleine Kind. Wollen begleiten mich auf Klavier. Bitte! Bitte! Stoneberg. Kind, großes Kind! Wenns dir Freude macht (Katha zuckt leicht zusammen.) Aber ich kann den Saß nicht answendig.

Katha. Wird sein hier unter Noten. Sehen wol hier Beethoven.

Stoneberg (nimmt den Band, fezt sich ans Klavier, schlägt auf. Katha behält von jezt bis zum Schluß die linke Seite, zwar so, daß sie sich immer mehr der Beethovenbüste nähert).

Stoneberg. Ja, hier stehts.

Katya. Spielen immer zu. Geh ich schon mit. Aber Tempo zu schnell nicht. So. (Taftirt mit dem Bogen.) Stoneberg (spielt prüfend die ersten Tafte. So recht? Katya. Ja. Eins, zwei

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Stoneberg. Reden Sie nichts! Bitten Sie nicht! Feder Laut von Ihren Lippen macht mich unfähiger, Sie zu lassen. Ich könnte Sie sterben sehen, ehe ich Sie freigebe!

Katha (ganz gebrochen, fällt vor ihm auf die Knie). Seien Sie Erbarmen! Geben Sie mir wieder meine Ehrenwort ! Stoneberg. Nein.

Katya (hebt die gerungenen Hände zu ihm empor). Geben
Sie mir wieder -

Stoneberg. Nie, ich schwör' Dirs, nie!
Katha (springt auf). So muß ich brechen meine
Ehrenwort - mitten entzwei. (Stößt sich mit einer raschen
fleinen Bewegung den Dolch in die Brust.)
Stoneberg. Nicht — nicht
Katya (steht noch einen Augenblick aufrecht). Meine
gnädige Herr werden verzeihen mir. (Sinkt langsam an der
Beethovenbüste nieder.)

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Katya. Laffen doch! Ist Bestes für mich, sterben für meine Glauben. Hab' ich gespielt deiner Melodie doch gut. Nicht wahr doch gut. Nicht wahr milost pane? (Sie finft tot zurück) Stoneberg (beugt sich über fie, fällt dann vor ihr nieder). Katha, Katya!

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Ende.

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Die Freie Volksbühne" wird in nächster Zeit Hebbels Maria und Magdalena zur Aufführung bringen.

Das eigenartige geniale Gemälde Luzifer" von Franz Stuck in München ist vom Fürsten Ferdinand von Bulgarien angekauft worden.

Auch in Heiligenstadt im Eichsfeld hat die Polzei jezt die Aufführung der „Ehre" verboten.

Anstelle des kürzlich verstorbenen Akademieprofessors, des Historienmalers Theodor Grosse, soll der Freilichtmaler Frig von Uhde aus München nach Dresden berufen werden.

Circe wider Willen, ein modernes vieraktiges Schauspiel von Hans Hopfen, dessen Stück „die Göttin der Vernunft" übrigens nicht verboten worden ist, soll am 16. November im Stadttheater zu Hamburg zur ersten Aufführung gelangen.

In wenigen Tagen soll bei Senfft in Leipzig das Buch von Anton Rubinstein über Musik und Musiker erscheinen. Dasselbe bezeichnet in einer Vorrede als die fünf Musiker, welche d.r Verfasser am höchsten schäßt: Bach, Beethoven, Schubert, Chopin und Glinka.

Giacomo Vergas Volksstück „Bauernehre", dessen Stoff ebenso wie das Libretto zu Mascagnis Cavalleria rusticana der gleichnamigen Novelle des hervorragenden italienischen Dichters entnommen ist, hat in Frankfurt einen durchschlagenden Erfolg erzielt. Das Stück soll auch im Lessingtheater aufgeführt werden.

In einem der nächsten Hefte von „Vom Fels zum Meer" wird die Veröffentlichung eines neuen Romans von Paul Heyse beginnen. Mit demselben kehrt der Dichter nach zehnjähriger Pause zu seiner alten Kunstform zurück. Der Roman, der den Titel Merlin" führt, schildert in sieben Büchern das Schicksal eines Dichters, der im Gegensatz zu der herrschenden Weltanschauung der Modernen seinen alten Idealen treu bleibt.

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Graf Leo Tolstoj hat nach Lektüre von Bertha v. Suttners Roman Die Waffen nieder!" an die Verfasserin einen Brief geschrieben, in welchem er ihr seine Achtung vor diesem Werke ausdrückt. Er glaube freilich nicht, daß das Schiedsgericht ein wirksames Mittel sei, den Krieg abzuschaffen. Er sei eben dabei, eine Schrift über diesen Gegenstand zu vollenden, in dem er von dem einzigen Mittel rede, das nach seiner Meinung die Kriege unmöglich machen könnte. Indeffen, alle Anstrengungen, die von aufrichtiger Liebe zur Menschheit diktirt sind, würden Früchte tragen, und er sei überzeugt, daß der Kongreß von Rom ebenso wie der vorjährige in London sehr viel dazu beitragen werde, die Idee von dem flagranten Widerspruche zu popularisiren, welcher zwischen dem militärischen Zustande der Völker und den christlichen und humanitären Grundsägen besteht, welche dieselben bekennen.

Das Schauspiel „Irma“ von Adam Müller-Guttenbrunn das bei seiner ersten Aufführung auf der deutschen Bühne in Berlin Volkstheater" zu Wien keinen Beifall zu erringen. einen argen Mißerfolg erzielte, vermochte jezt auch im „Deutschen

Karl Millöders neue Operette „Das Sonntagskind" wird im Laufe dieser Saison im Theater an der Wien zum ersten Male aufgeführt werden. Das Libretto der Operette ist von Hugo Wittmann und Julius Bauer verfaßt.

Das großartige funsthistorische Museum in Wien, in dem alle kaiserlichen Kunstsammlungen, auch die berühmte der Belvedere und die Ambraser vereinigt sind, ist nunmehr vom Kaiser eröffnet worden.

Karl Bröll, der unermüdliche Kämpfer für das Deutschtum in Oesterreich, ist Schriftleiter und bisher Hauptmitarbeiter eines neuen Blattes: "Für das Deutschtum im Inlande. Organ des allgemeinen d'utschen Schulvereins." Möge das schöne Ünternehmen Erfolg haben.

In Prag wurde Anzengrubers „Viertes Gebot“ aufgeführt und warm aufgenommen. Herr Meery war Regisseur, der das herrliche Werk auch auf der Berliner Freien Bühne“, wo er seinen Siegeszug begann, einstudirt hatte.

Direktor Angelo Neumann hat für das deutsche Landestheater in Prag ein vieraftiges Schauspiel „Geschieden“ von Victor Léon zur Aufführung angenommen.

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Mascagnis neue Oper Freund Fri", die in Deutschland zuerst vom Berliner Opernhaus aufgeführt werden wird, errang bei feiner 1. Aufführung in Rom am 31. Oktober einen durchschlagenden Erfolg. Die lyrischen Partieen werden diesmal besonders gerühmt.

Vor einiger Zeit wurden bekanntlich zwei Nummern des dänischen Blattes Kjöpenhavn, welche in ihrem Feuilleton die Uebersezung von Maupassants Roman Bel-Ami enthielten, wegen Verlegung der Sittlichkeit konfiszirt. Der Ueberseher, ein Herr Madsen, der damals in der dänischen Marine diente, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und zu einer zweimonatlichen Festungshaft und zu einer Geldstrafe von 40 Mark verurteilt. Jezt hat der dänische Justizminister die Konfiszirung der Uebersetzung, welche foeben in Buchform erschienen ist, und die gerichtliche Verfolgung Madsens anbefohlen.

Björnstjerne Björnson hat wieder einmal eine politische Meinung vom Stapel gelassen. Norwegen müsse die Freundschaft Rußlands eifrig suchen und ihm auf Wunsch auch wol einen cisfreien Hafen an der West-Küste einräumen. Darob große Entrüstung.

Die Review of Reviews, welche unter der Redaktion des ehemaligen Leiters der Pall Mall Gazette, des Herrn Stead hauptsächlich eine Uebersicht über alle Zeitschriften giebt, bereitet eine eigenartige Weihnachtsnummer vor. Dieses Dezemberheft wird eine große Reihe von Gespenstergeschichten und Berichte über spiritistische und mystische Begebenheiten, die zuvor genau auf ihre Wahrheit geprüft worden sind, zum Abdruck bringen. Die Review erläßt die Aufforderung, ihr dergleichen verbürgte Berichte zukommen zu lassen Ein Komitee wird dann die Mitteilungen prüfen und nur die veröffentlichen, welche absolut ernst und glaubwürdig zu sein scheinen. Viel Vergnügen!

Sullivans neue Oper „Ivanhoe“ wird am 6. November in London aufgeführt. Das Berliner Opernhaus hat das Stück gleichfalls angenommen.

Im Gymnase-Theater in Paris sollte demnächst das neue Werk von Alphonse Daudet, Le soutien de famille", aufgeführt werden, indessen hat der Verfaffer jezt in Uebereinstimmung

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mit Herrn Koning, dem Direktor des Theaters, sich entschlossen, das Stück erst im nächsten Jahre aufführen zu lassen und zunächst seinen Roman zu veröffentlichen.

Léon Hennique, dessen Duc d'Enghien einen so großen Erfolg im Théâtre libre erzielte, hat Daudet vorgeschlagen, mit ihm ein Stück zu schreiben, dessen Stoff aus einer Novelle Daudets entnommen ist und dessen Titel „La Menteuse" lauten soll.

Das Drama, welches die Rolle zweier ausgezeichneter Menschen, eines Mannes und einer Frau enthält, soll das dramatischste und leidenschaftlichste sein, was Alphonse Daudet seit der Sapho ge= schrieben hat.

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,La Menteuse" ist ziemlich fertig, wie aus den Zeilen eines soeben im Figaro (2. Nov.) veröffentlichten Briefes hervorgeht, den Daudet an den augenblicklich ein wenig unpäßlichen Victor Koning geschrieben hat:

„Haben Sie einen großen Erfolg mit Mon oncle Barbassou (ein Stück von Blavet und Carré, das nächste Woche im Gymnase aufgeführt wird)! Ich büffele alle Abende mit Hennique. Wenn Barbassou vorüber ist, werde ich Ihnen die drei Akte von La Menteuse vorlesen.

Von ganzem Herzen Ihr

A. D.
Vor allem, in Henkersnamen, seien Sie nicht krank!"

Der französische Schriftsteller Paul Alexis interviewt augenblicklich die Pariser Buchhändler wegen der Bücherkrisis und ver öffentlicht die Ergebnisse seiner Unterredungen im Figaro. Danach scheint es mit dieser Krisis nicht allzu schlimm zu sein. Im Gegen= teil find die Verleger mehr denn je daran, neue Werke in die Welt zu schicken. Wir haben schon neulich die nächsten Neuheiten auf dem französischen Büchermarkte nach dem Berichte von Paul Aleris angekündigt. Jest gesellen sich dieser Liste noch folgende hinzu:

Bei Hachette (A. Templier) Victor Duruy, Histoire de France; Brunetière Etudes critiques sur l'histoire de la littérature française, 4e série; in der Kollektion des grands écrivains: Mirabeau von Mezières; Châteaubriand von Lescure; Alfred de Vigny von Paléologue; Stendhal von Edouard.

Bei Treffe & Stock: I. K. Huysmans Là-Haut, das Gegenftück zu Là-Bas; Léon Hennique: L'âme antique, eine Studie über das alte Rom; Jean Ajalbert: Le Stage, eine Romanstudie über die juristische Welt; Kropotkine: La conquête du pain, eine soziale Studie; L'Anarchiste, Roman von Nizet.

Bei Léon Vanier, dem „Bibliopole des Décadents et Symbolistes": Von Paul Verlaine in Profa: Mes Hôpit aux. in Versen: Chansons pour Elle; Henri de Régnier: Episodes; André Gill: Le dernier album.

Am 27. Oktober fand auf dem Montmartre-Kirchhofe zu Paris die Enthüllung der Bronzebüste des Nomanschriftstellers Emmanuel Gonzales statt, wobei Emile Zola die Weiherede hielt.

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Wechsler, Erust. Berliner Autoren. Leipzig. Friedrich. Dieses 323 Seiten starke Buch enthält ein sehr hübsches lesenswertes Kapitel (Seite 1-33, in dem Wechsler sehr anschaulich und wie wir glauben, sehr zutreffend die Eindrücke schildert, die Berlin und Berliner Litt ratentum auf den Wiener machen müssen. Dann aber folgen acht längere Artikel, die einzelne Autoren behandeln und manches sonderbarlich neue bieten. So war es für uns sehr lehrreich, aus dem 70 Seiten langen Essay über Karl Frenzel zu erfahren, daß er unstreitig der einflußreichste und geachtetste Kritiker Norddeutschlands" ist und in der gebildeten Welt überhaupt eine befondere Stellung einnimmt". Wir erfahren hier auch zum ersten Male, daß durch alle Dichtungen Frenzels cin,,unsagbares Etwas" geht. Wechsler ist dann freilich so liebenswürdig, nun doch zu sagen, woraus dieses unsagbare Etwas“ besteht, nämlich (Seit 41),,aus je einem Tropfen Nihilismus, Antike, Voltairescher Laune, Berliner

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tum, Fatalismus und Rotoko". also wie man sieht, aus sechs Tropfen. Weniger neu war für uns, was Wechsler Seite 41 zugesteht: Frenzel ist nicht das, was man einen blendenden Dichter nennt, dagegen weiß der Verfasser uns auf der nächsten Seite bereits wieder zu überraschen, indem er Frenzel einem Opal vergleicht, jenem milchweißen Stein, der ein prachtvolles Feuer wirft." Es ist doch immerhin erfreulich, daß es in unserer kritisch veranlagten Zeit noch eine so jugendliche stürmische Begeisterung giebt, wie sie sich Wechsler bewahrt hat und wie sie sich dann Seite 133 wieder fundgiebt, wo es heißt, daß eine Szene im 3. Akte der „Quizows“ zumi Großartigsten und Erschütterndsten gehört, das auf dramatischem Gebiete bisher geschaffen worden ist“, oder auf Seite 179, wo Adolf Blaser als der,,Gustav Freitag der deutschen Jugend" bezeichnet wird, oder auf Seite 296, wo Julius Rodenberg als einer der gemütstiefsten, formedelsten, innigsten Lyriker“ erscheint. Im Uebrigen liegt es uns fern, eine Krifit über die Wechslersche Begeisterung zu schreiben. Wir wollen nur gewissenhaft noch mittheilen, daß er außer an Frenzel seine Begeisterung noch ausläßt an Wildenbruch, Glaser, Seidel, Trojan, Heiberg, v. Roberts, Bleibtreu und in einem Schlußkapitel ein neues Buch in Aussicht stellt, in dem er für Rodenberg, Wichert, Schweichel, Leigner sich begeistern wird schade, daß dies nicht vor einem Jahrzehnt geschehen, jezt kommts doch etwas post festum. Ph. St.

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Friz Hoddick: Weltliche Texte, Gedankenmotive für Rede und Schrift, der Weltlitteratur entnommen. Berlin, Haude und Spenersche Buchhandlung, 1891.

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Jeder zivilisirte Mensch kommt einmal in die Lage, bei irgend einer passenden Gelegenheit ein paar passende Worte vor einer andächtigen Korona zu sprechen, einen Toast auszubringen, eine Festoder Tischrede zu halten. Dabei ereignet es sich wol, daß selbst dem Gescheitesten merkwürdig wenig Gescheites einfällt. In solchen Nöten nehme er vertrauensvoll die „Weltlichen Terte“ zur Hand, um seinem stockenden Ideengange zu neuem Schwunge zu verhelfen. Hier findet er wolverwahrte Gedanken, eingemachte Ideen, konservirte Geistesblize in Hülle und Fülle. Die Weltlichen Texte" enthalten in der Tat einen reichen Schaß von glücklichen Einfällen, treffenden Bemerkungen und anregenden Aussprüchen aus der Litteratur aller Zeiten und Völker. Man findet allerdings, wie dieses kaum zu verwundern ist, neben wirklichen Goldkörnern und einigen wenig bekannten Perlen von Gedanken manches Minderwertige und Triviale. Freilich ist ja das Urteil über den Geist und Scharfsinn einer Bemerkung in vielen Fällen Geschmacksache, und, was dem einen wenig originell erscheint, ist dem andern vielleicht geradezu eine neue Offenbarung. Dem reichen Inhalt des Büchleins hätten wir eine übersichtlichere Anordnung gewünscht. Wer selber SentenzensammLungen angelegt hat, weiß, wie schwierig und unfruchtbar sich eine fachliche Disposition bei abstrakten Begriffen gestaltet. Unter der Rubrik Menschenleben im Engeren" finden sich beispielsweise Abschnitte über Temperenz, Begetarianismus, Mediziner, Genesung, Glück und Geselligkeit unmittelbar an einander gereiht. Man würde fich schwerlich zurechtfinden, wenn nicht am Schlusse des Buches ein alphabetisches Register der wenig übersichtlichen Anordnung des Stoffes zu Hilfe käme. Paul v. Gizycki.

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Dr. W. Weß, Ueber Litteraturgeschichte. Eine Kritik von ten Brinks Rede Ueber die Aufgabe der Litteraturgeschichte“. Worms, Verlag von P. Reiß. 1891.

Die vorliegende Schrift giebt sich bescheiden nur als die Kritik einer anderen Broschüre; sie enthält aber so viele Anregungen und tritt für ihre gute Sache mit so maßvoller Kraft auf, daß man wol noch oft auf das Schriftchen wird zurückgreifen müssen. Dr Wez ist auf Zeitungskritiker einerseits und auf Neuphilologen andererseits herzlich schlecht zu sprechen; Journalisten und Privatdozenten für neuere deutsche Litteratur sollten aber von ihrem geschmackvollen Feinde zu lernen suchen. Dr. Web geht im wesentlichen von dem Franzosen Taine aus und verwirft damit schon die neuere deutsche Schule mit ihren oft unfruchtbaren philologischen Detail-Untersuchungen. Er wirft Gelehrte, wie Scherer und Erich Schmidt, nicht zusammen mit den Hilfsarbeitern, welche ihr Leben damit zubringen, statistische Untersuchungen über den Stil gleichgültiger Schriftsteller anzustellen; aber er stellt sich auch zu den Führern in eine respektvolle Opposition. Für Dr Weg ist die Philologie nur Dienerin. Die Grundlage der litterar-historischen Betrachtung soll nach ihm erst in zweiter Linie die biographische Untersuchung sein, in erster Linie eine kritischanalystische Durchforschung der Meisterwerke großer Dichter. Aus den Werken sollen wir sie erkennen, nicht die Werke aus dem Leben der Dichter. Sehr hübsch ist die Nuzanwendung auf die kleinen Sünden der Goethephilologie. Vielleicht schenkt uns Dr. Weg einmal eine tiefer gehende Darstellung seiner Ideen, welche schon in dieser Broschüre fruchtbarer erscheinen, als die einseitigen und blendenden Theorieen Taines. fm.

Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Körnerstr. 2.

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Erscheint jeden Sonnabend. — Preis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des Magazins“ entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. → Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. &

60. Jahrgang.

Berlin, den 14. November 1891.

Nr. 46. Juhalt: Detlev von Liliencron: In Poggfred I. — Friz Mauthner: Aus Frdr. Theodor Vischers Nachlaß. Ola Hansson: Skandinavische Nachlese. (Schluß). August Strindberg: Voltaire. Litterarische Chronik. A. W. Ernst: Litterarische Gesellschaft zu Hamburg. - P. L.: Freie litterarische Gesellschaft zu Berlin. Litterarische Neuigkeiten: Dr. August Reißmanns „Naturalismus in der Kunst“, besprochen von -r; Hedwig Benders „Märtyrer des freien Denkens", besprechen von r; Heinrich Bischofs „Körners Zriny, be -r; sprochen von fm; Marie von Najmájers „Neue Gedichte", besprochen von Adolf Wilhelm Ernst. Auszugsweiser Nachdruck sämmtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Machdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

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In Poggfred.

Von

Detlev von Liliencron.

Von meinem Schloff' entfernt und fern der Stadt,
Inmitten zwischen Wiesen, zwischen Hecken,
Wo auch der Wald sein Recht verloren hat,
Spielt einsam unterm Blumenflor Verstecken
Ein Häuschen mir wie eine Liebestatt,
Wo Läster- nicht und Lügenzungen lecken.

Es heißt Boggfred, das ist der Frösche Frieden,
Denn Frieden ist den Fröschen hier beschieden.

Es stört fie feiner, und so still ist's dort,
Daß neulich, drollig, ich, daß einen Hasen
Ich hinter Krähen sah auf Tod und Mord.
Als wärs ein Hund, so jagt er über'n Rasen
Die Vögel, die sich flatternd seßten, fort
Und fort, und hat sie wirklich weggeblasen.

Wo solch ein harmlos, solch ein seltsam Bild,
Zeigt da die Ruhe nicht der Welt den Schild?

Von meinen Ahnen einer hats gebaut,
Der zeitig schon die Menschen kennen lernte,
Der früh zurück sich zog aus Lärm und Laut,
Sich mit Behagen aus dem cant entfernte,
Der vor'm Alleinsein niemals sich gegraut,
Sich gern schnitt einsamer Gedanken Ernte.

Beim Glase hat er manche Nacht gesessen,
Um Leid und Lebensschmerzen zu vergessen.

Das ist Philosophie, warum denn nicht?

Ein Trinker, der sich selbst nur hat beim Weine,
Der erst zur Ruhe geht beim Morgenlicht,
Das ihm die Nase tupft im Glorienscheine,
Und erntet er auch Zipperlein und Gicht,
Und werden stöckrig endlich auch die Beine,

Ihm wars Plaisir, und ist drum nicht verdorben,
Und am Burgunder ist er dann gestorben.

Ich wohn' in meinem Jagdhaus freilich nur,
Wird mir einmal zu arg die wilde Welt,
Dann findet sie so leicht nicht meine Spur,
Ich hab' ihr Tor und Türen abgestellt,
Und abgestellt hab' ich auch meine Uhr,
Daß sie mir nicht die kurze Zeit vergällt,

Denn mehr als Wochen mag ichs mir nicht gönnen.
Sonst fürcht' ich, nicht ins Joch zurück zu können.

Doch diese Wochen bin ich zu beneiden,
Mag mun Frau Holle ihre Kiffen schütteln,
Mag mir der Sommermond Gesichter schneiden,
Mag mir der Sturm im Herbst die Fenster rütteln,
Mag Frühlingsregen blümen meine Weiden,
Dann wachen Riesen mit gewalt'gen Knütteln

Vor meiner Eingangspforte und besingen
Den, der es wagt, zu mir hineinzudringen.
Eh' noch die Sonne aus dem Meere steigt,
Wenn mir der Traum noch seine Männchen macht,
Wenn mir der Traum noch ferne Sterne zeigt,
Wenn mir im Traum ein Ungeheuer lacht,
In dunkler Wolke hold ein Engel geigt,
Hat ein Gefährt mir alles das gebracht,

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Des großen Königs Auge flammt empor,
So sah er bei Kolin wol in die Runde,
Und wie er einritt durch das Kränzetor
Nach sieben Jahren mit der Kraft im Bunde.
Ich sah, wie er den leßten Blick verlor
In letzten Schmerzen, in der letzten Stunde
Nach Marc Aurelius' Büste starr gewendet,
So hat der größte Preußenheld geendet.
Der Imperator stand vor Moskaus Flammen
Und schaute noch einmal zurück ins Feuer,
Und seine Grenadiere ließ er rammen
Den Totensteig nach Frankreich, kein Bereuer.
Er rafft bei Waterloo sein Ich zusammen
Und hat sein letztes Pulverabenteuer.

Und auf Sankt Helena benagt sein Herz
Ein Rattenvölkchen ohne Scham und Schmerz

Grüß Gott, Poggfred. Den Namen laß ich laufen, | Den Punier sah ich auf dem Elephanten Sollt' ich ihn etwa Veilchentälchen taufen?

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Heut hatt' ich meine Flinte umgehangen,
Um ins Gehege auf die Pirsch zu gehu,
Als über eine Blöße ich gegangen,
Fand dort an einem Birkenstämmchen stehu
Ich einen Clown mit buntbemalten Wangen,
Wie wir im Zirkus alle ihn gesehn,

Wenn er uns Pudel vorführt oder Schweine
Mit andern schönen Künsten im Vereine.

Er blies auf einer Flöte, die er quer
Den Lippen hielt, aus Mozarts Don Juan
Das Menuett. Da, aus den Büschen her
Erschienen Hand in Hand, wie ganz im Bann,
Cäsar und Hannibal, in Waffenwehr,
Auch Friz, Napoleon, ein Viergespann.

Sie kamen im Kostüm herangezogen,
Wie wir schon früh sie sehn auf Bilderbogen.

Sie waren hager, häßlich, schmächtig, klein,
Der Korse auch, wie zu Marengos Tagen.
Die tanzten um, und mußten Bein an Bein
Im Rokokogetrippelschritt sich plagen,
Und schauten mürrisch und verdrießlich drein
Und fanden an der Sache kein Behagen.

Der Clown blies ruhig seine Melodie,
Und wie ein Affe folgte das Genie.

Ich bog mich vor verwirrt, erstaunt, erstarrt,
Und ich sah Cäsar, und ich sah sein Glück,
Und wie er in Kleopatra vernarrt,
Und wie vom Himmel er sich riß ein Stück,
Wie Brutus an der Säule auf ihn harrt,
Und wie der Göttliche sank ins Nichts zurück.
Ich dachte seiner ungeheuren Schulden,
Und seine Gläubiger mußten sich gedulden.

Im roten Byssusturm, und eine Binde
Verdeckt das eine Auge dem Giganten,
Er streckt den Arm im scharfen Alpenwinde
Und zeigt den Weg, den lichtblau überspannten,
Der Himmel lächelt seinem Sonntagskinde.

Und öffnet seinen Onyxring zum Trunke,
Verfolgt, gequält erlischt ein Götterfunke.
Der Narr fiel aus dem Menuett indessen
In einen Marsch und wilden Kriegeston,
Nun muß sich Hannibal mit Cäsar messen
Und Friedrich boren mit Napoleon,
Und interessant, mit Fauststoß und Finessen
Sucht jeder Lorbeer sich und Ruhmeslohn.

Der Brandenburger schlug den Franzensenstreiter, Die andern stritten unentschieden weiter.

Da schrie dem Clown ich zu: Halt ein, du Schuft,
Und riß das Pfeifchen ihm von seinen Zähnen,
Und hieb den Kerl, und alles schwand im Duft,
Erschöpft muß ich mich an ein Bäumchen lehnen.
Und um mich her wards still wie Grab und Gruft,
Und nichts ließ mehr von jenem Spuf mich wähnen,
Nur schwang den Krückstock noch der alte Friße:
Laß er hinfüro solche Schelmenwiße.

Ist denn Liebe ein Verbrechen,
Darf man denn nicht glücklich sein
(Straußischer Walzer.)

In dieses Lebens ewigen Kümmernissen
Weiß ich ein Schloß, Château d'amour genannt.
Von Rosen rings umsponnen und Narzissen,
Träumt dort ein einsam stilles Wunderland,
Das durch den Tag läßt seine Fahnen hissen,
Scharlachen brennend wie der Herzensbrand.

Nachts, wenn im blauen Schein die Berge hängen,
Horcht Eros kichernd auf den Marmorgängen.

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