Billeder på siden
PDF
ePub
[ocr errors]

Schon das bloße Auftauchen einer neuen Ethif muß diejenigen, welche noch an der bisherigen jüdisch-chriftlichen Sittlichkeit als der einzig möglichen und absoluten festhalten, stubig machen, mehr aber wie alle Lossagung von den Dogmen muß eine neue selbständige, positiv auf tretende Ethik die bisherige Weltanschauung erschüttern.

An neue Formen, falls sich der Inhalt nicht besonders ändert, gewöhnt sich der Mensch schnell, und er gewöhnt sich ziemlich schnell auch an Umänderungen auf wissenschaftlichem und politischem Gebiete. Wie schnell zum | Beispiel haben sich die Brasilianer an den Gedanken eines republikanischen Staates gewöhnt. Aber woran sich die Menschen schwer gewöhnen, das ist eine Aenderung ihres Gefühlslebens. Denn das Gefühl, als der Niederschlag alles Denkens, Hoffens und Glaubens des Menschen, ist, kann man sagen, der Mensch selbst.

Die neue Ethik aber will eine vollständige Aenderung des Gefühlslebens, sie will also eine Aenderung des Gesamt-Menschen -eine Wiedergeburt des Menschen.

Inwieweit nun die neue Ethik sich von der alten jüdisch-christlichen unterscheidet, das wird am besten sich ergeben, wenn ich die zehn Gebote einer Kritik vom nenethischen Standpunkte aus unterziehe.

"

Ueber das erste Gebot werden die modernen Menschen im allgemeinen klar sein. Es enthält zunächst ein Dogma, das Dogma von der empirischen Existenz eines seit vorhistorischen Zeiten erdachten Wesens, Gott genannt. Dann enthält es die sittliche Forderung, keine anderen ähnlichen Dichtungsgestalten neben der einen absoluten, die sich Gott" schlechthin bezeichnet, zu haben. Wenn man das Dogma nicht anerkennt, so ist es selbstverständlich, daß auch diese Forderung bedeutungslos ist. Das ganze Gebot wäre demnach vom nen-ethischen Standpunkte aus ganz zu streichen, wenn nicht in demselben eine Forderung läge, die z. B. in der lutherischen Erklärung des ersten Gebotes deutlich ausgesprochen ist: Es ist die Forderung, diesen Gott über alles zu lieben. Gerade hierin liegt ein Gedanke, der nicht genug beachtet wird, ein Gedanke, der in direktem Wi: erspruch zu der neusittlichen Auffassung steht. Soll man Gott über alles lieben, dann muß man ihn auch mehr lieben als die Menschen. „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen", heißt ja ein Spruch in der Jesusgeschichte. Kommt es also zu einem Wider- | streit der Pflichten, so muß man den Menschen um des Gottes willen Uebles zufügen. Bekanntlich sollte ja jener Mann der jüdischen Fabel, Abraham, seinen Sohn schlachten, das Mittelalter hat Menschen gefoltert, verbrannt, weil Gott es so zu fcrdern schien.

"

Ganz im Gegensah dazu ist das oberste Objekt der Verehrung für die neue Welt die Menschheit. Ein jeder wird danach streben müssen, für eine gesunde Höherentwickelung derselben einzutreten, und alles, was der gefunden Höherentwickelung der Menschheit zuider ist, wird als schlecht, was ihr förderlich ist, als gut, als Tugend zu bezeichnen sein.

Das zweite und dritte Gebot beziehen sich ursprünlich auf jüdischen Kultus, der die Aussprache des Namens Gottes verbot und eine peinliche Einhaltung der Feiertage vorschrieb. Der Kultus hat sich seitdem wesentlich geändert, und so kann man sagen, daß kein Christ mehr fich an diese Gebote selbst hält, sondern nur noch an das, was die Kirche und Luther daraus gemacht haben. Diese haben dann jene Gebote in dem Sinne ihres Kultus unigeändert, beziehentlich gemildert. Die neue Ethik kann natürlich diese beiden Gebote einfach streichen. Vorderhand werden dem modernen Menschen freilich durch den Paragraph 166 des R.-St.-G., den Niederschlag der alten Weltanschauung, mancherlei Schranken auferlegt, die natürlich sofort fallen, wenn die neue Weltanschauung all

|

|

|

gemein geworden ist und jenen Paragraphen beseitigt hat. Denn so gut wie der alte Jupiter und Wodan oft Gegenstand heitern Spottes find, so wird man später, wenn man sich von den religiösen Dogmen frei gemacht hat, auch über den jüdischen Jehova und den christlichen Gott sich Bemerkungen erlauben, wie sie schon Heine gemacht hat.

Das vierte Gebot befiehlt, Vater und Mutter zu ehren; Luther, der einen Schritt weiter in der Zeit steht und deshalb nicht mehr in der rauhen Strenge des alten Patriarchenlebens befangen ist, fordert dazu die Liebe der Kinder zu den Eltern. Aber er fordert sie eben! Daß man Liebe nicht fordern kann, das weiß er freilich nicht. Die moderne Ethik, die auf moderner Naturwissenschaft, besonders physiologischer Psychologie beruht, erlaubt sich hier keine Vorschriften zu machen. Sie zwingt kein Mädchen, ihren Vater zu ehren, der einen uusittlichen Angriff auf sie macht; sie fordert von keinem Sohne, seine Mutter zu lieben, die ihn über ihren zweiten Mann, seinen grausamen Stiefvater vernachlässigt. Die Liebe läßt sich nicht zwingen. Unter normalen Verhältnissen wird sie vorhanden sein zwischen Eltern und Kindern, denn beide find durch Blutsverwantschaft und gemeinsames Leben verbunden. Tritt aber etwas ein, was die Liebe stört, so ist es nuglos, dieselbe predigen zu wollen. Die Eltern, welche ja meistens die Macht haben, werden die Kinder wol zwingen können, ihnen äußerlich allerhand Ehrerbietung und Ehren zu erweisen, aber die Gesinnung der Kinder zu ihnen können sie durch Zwang und Gebote nicht ändern. Das vierte Gebot wird also in der neuen Ethik keine Stätte finden, ebensowenig wie die Liebe oder Freundschaft zweier jungen Menschen zu einander eine Stätte in den zehn Geboten gefunden hat. Die Liebe der Kinder zu den Eltern und die Ehrfurcht jener vor diesen ist eine psychologische Tatsache, welche die Eltern bei Schließung ihrer Che wol zu berücksichtigen haben, die aber nie der Gegenstand eines Gebotes sein kann.

Das fünfte Gebot, du sollst nicht töten, kann die neue Ethik in dieser Fassung voll und ganz unterschreiben. Und sie wird versuchen, diesem Gebote mehr Achtung zu verschaffen, als die jüdisch-christliche Welt mit ihren Kriegen, Hinrichtungen, Zweikämpfen vor jenem besitzt.

Um das sechste Gebot zu verstehen, muß man sich in die vorhistorische Zeit zurückverseßen. Damals fanden unter den Männern blutige Kämpfe um das Weib statt, Kämpfe, die dem ganzen Stamm schädlich sein mußten. Da ward die Institution der Ehe erfunden und durch religiösen Mythus geheiligt. Der Geschlechtstrieb, der bisher frei umhergeschweift, ward jetzt an ein bestimmtes, beziehentlich an bestimmte Weiber gebunden. Die Liebesempfingungen waren damals ja noch ganz roh und undifferenzirt. Jedes Weib genügte im ganzen jedem Manne, und die Frau war einfach eine Sklavin, die gekauft wurde und die sich dem in die Ehe gab, der die meiste Macht hatte. Diesen Grundsatz Weib ist Weib" und die vollständige Willenlosigkeit der damaligen Frauen muß man. sich recht klar vor Augen führen, um das Gebot Du sollst nicht ehebrechen!" und das andere, das mit diesem zusammenhängt: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib!“ historisch würdigen zu können.

[ocr errors]
[ocr errors]

Nun tritt freilich mehr und mehr eine physiologische Erscheinung auf, welche das sechste Gebot mannig faltig verschiebt. Für den modernen Menschen genügt gar nicht mehr jedes beliebige Weib, ja, sein Geschlechtsleben ist so fein differenzirt, daß ihm wahrhaft nur ganz wenige, vielleicht nur eine einzige zu seiner Ergänzung geeignet erscheint. Das Weib ist nicht mehr wie bei den Orientalen eine Sache, sondern es ist eine Person von den und den Eigenschaften, die nur dem und dem Manne oder gerade dem und dem Manne zusagen.

Andererseits ist das Weib nicht mehr Sklavin, wenigstens in den fortgeschritteneren Kulturländern. Auch in Deutschland treten Zeichen auf, daß die Frau mehr und mehr ein feineres Empfindungs- und Geistesleben bekommt und sich nicht dem ersten besten Manne ergiebt. Ja, es taucht bereits das Gefühl auf, daß der Verkehr mit einer Frau, zu der die Neigung nicht hinweist, eine Entwürdigung der eigenen Persönlichkeit ist.

Diese eigenartige moderne Fortbildung des geschlecht lichen Gefühlslebens entspricht auch durchaus dem, was die moderne Wissenschaft uns lehrt. Naturgemäß paart sich das, was einander gleichartig ist und sich symmetrisch ergänzt. Die gegenseitige Geschlechtsliebe ist bei der Paarung die Grungbedingung und das Ausschlaggebende. Dagegen ist jede Hingabe ohne diese Liebe, jede Hingabe aus Geld- oder irgend welchen anderen Rücksichten eine Abweichung von dem Gesetz der natürlichen Zuchtwahl. Das Gefühl aber, das sich gegen einen solchen Verkauf der eigenen Persönlichkeit sträubt und das nur durch eine Hingabe auf Grund persönlicher Neigung beruhigt werden kann, ist nichts als der gesunde, durch falsche Konvenienzen noch nicht ertötete Justinkt des Menschen. Ursprünglich nun freilich waren die Menschen so wenig von einander unterschieden wie vielleicht die Schafe. Zwar wurden auch damals wenig oder fehlerhaft entwickelte Individuen von der Paarung einfach ausgeschlossen, da der gesunde Instinkt der gut entwickelten Individuen sich dagegen sträubte, jenen fich hinzugeben. Aber im allgemeinen konnte doch jede Person der anderen genügen. Immer mehr und mehr Immer mehr und mehr jedoch bildete sich das einzelne Individuum zur Persönlichkeit aus und je mehr jemand Persönlichkeit ist, um so weniger Gleichartige wird er finden, um so wählerischer wird er sein. Das sechste Gebot wird also zunächst für moderne Menschen einen negativen Gedanken haben müssen: Du follst mit niemanden geschlechtlich verkehren, den du nicht liebst. Oder man könnte auch sagen: Du sollst deinen Leib nicht verkaufen!

Danach find alle Ehen, die nicht auf Grund persönlicher Liebe gefchloffen sind, unfittlich, und diejenigen Ehemänner und Ehefrauen, welche ihre Heirat aus Geld-, Stellungs-, Bequemlichkeitsrücksichten eingegangen sind, unterscheiden sich in nichts von den Dirnen, die für wenigen Vorteil ihren Leib verkaufen.

Nun wird es allerdings vorkommen, daß jemand sich in der Person, die er liebt, täuscht und daß infolge deffen seine Liebe erlischt. Und dann fann es vorkommen, daß eine andere die vorher geliebte verdrängt. In diesen Fällen sehe ich keinen anderen Ausweg, als Trennung der beiden, die sich nicht mehr lieben, also Ehescheidung. Die jebigen Ehegefeße sehen die Ehe noch zu sehr als Kauf fontrakt an, darum gestatten sie die Scheidung nur nach Uebereinkunft beider Ehegatten. Und sie sehen die Ehe Und sie sehen die Ehe noch zu sehr als mystische Zwangsanstalt an, darum gestatten sie die Scheidung nur in ganz besonderen Fällen. Es ist aber ganz klar und nur eine Folgerung aus dem Gesetz der natürlichen Zuchtwahl, daß die Scheidung auch dann ausgesprochen werden muß, wenn nur der eine Teil dieselbe wünscht. Uebrigens ist diese Forderung nicht neu, sie ist schon oft gemacht worden, und die Gesetzgebung wird sich derselben nach und nach fügen müssen. Man kann niemanden zur Liebe zwingen, und da die Ehe ein Liebesbund ist, so muß sie aufhören, sobald das Band der Liebe gesprengt ist, ebenso wie ein Freundschaftsbund erlischt, wenn nur der eine Teil keine Freundschaft mehr empfindet.

Im Anfang glaubt man nun, daß eine solche Er leichterung der Scheidung der wildesten Zügellosigkeit Tür und Tor öffnen würde. Zunächst aber, kann es eine schlimmere Zügellosigkeit geben als jezt, wo unsere jungen Männer sich jährlich an eine Menge von inferioren Weibern

wegwerfen und wo Männer und Mädchen sich um Geld in die Ehe verkaufen?

Oft wirft man ein: Was soll denn aus den Kindern werden? Ich frage: Was soll aus ihnen werden, wenn Mann und Frau tagtäglich in Zank und Streit leben? Dann aber schreitet der Stolz der Persönlichkeit immer mehr fort. Ich sagte, die Persönlichkeit wird wählerischer. Wenn aber die Wahl nach vielem Suchen getroffen, wenn die geeignete gefunden ist, dann wird der Bund, der auf Gleichartigkeit gegründet ist, auch viel dauerhafter sein als ein anderer, der blos ein Handelskontrakt ist. Dieses Gefühl der Persönlichkeit aber kann durch die Gesetzgebung gehoben werden. Dieselbe kann besonders den Frauen die Möglichkeit geben, sich zu eben. bürtigen Persönlichkeiten auszubilden, wie das in England und Amerika mehr und mehr der Fall wird. Denn heutzutage muß sich jede Frau mehr oder minder dem Manne verkaufen, da fie eine Sflavin ist. Sie hat nicht die Möglichkeit, ihrer Neigung, diesem Instinkte der Züchterin Natur, zu folgen, sie hat nicht das Verständnis, um die Absichten eines Mannes zu durchschauen, und fie hat die Folgen ihrer Hingabe fast ganz allein zu tragen. Ich weiß sehr wol, daß man die Frau nicht zu einem Manne machen kann, aber ich möchte, daß sie ein weiblicher Mensch würde und nicht ein weibliches Tier bliebe. Und ich möchte das nicht aus Mitgefühl mit den Frauen, denn wer beherrschte sie nicht gern? sondern ich möchte es, weil ich es für einen großen Kulturfortschritt halte und weil ich nur darin das definitive Mittel gegen die männliche und weibliche Prostitution in und außerhalb der Ehe erkenne.

[ocr errors]

In das sechste Gebot hat man nun weiterhin alle jene asketischen Forderungen hineingelegt, die jede menschliche Begierde als etwas Tierisches verbieten. Früher, als man den Menschen in Fleisch und Geist zerlegte und diesen als etwas Unsterbliches, Naturverschiedenes ansah, da verdammte man das Fleisch als das Unwesentliche, als das Hemmende und den Geist Fesselnde. Alle fleischliche Lust ward als Sünde gebrandmarkt. Jezt, wo wir wissen, daß Geist ohne Fleisch nicht denkbar, jezt können wir das Fleisch wieder in seine Rechte einsehen. Jezt verstümmeln wir den Leib nicht mehr durch Fasten und Kasteiungen, jezt verdammen wir keinen Menschen mehr zu lebenslänglicher Enthaltsamkeit, allmählich beginnen wir an der gesunden, frischen Fleischeskraft jene naive Freude zu empfinden, wie die Griechen fie empfunden haben. Wieland und Goethe und Paul Heyse haben sich bemüht, diese Freude am Fleische zu verbreiten. Viel leicht gelingt es, allmählich die Fleischverkeßerung, die Prüderie, die Diskretion in geschlechtlichen Sachen zu be seitigen und dafür die Pflege gesunder Körperlichkeit, die Freude an schönen Körperformen, das Salonrecht des Geschlechtlichen allgemein einzuführen.

Das siebente und achte Gebot können unverändert beibehalten werden, doch könnten dieselben vielleicht weiter ausgeführt werden, da die mannigfach sich ändernden Kulturbedingungen immer komplizirtere Verhältnisse des einzelnen zu seinen Mitmenschen und dadurch zugleich immer neue Verhaltungsregeln erfordern.

Das neunte und zehnte Gebot hingegen hat für uns keinen Wert mehr. Die Pflichten gegen den Nächsten, die es enthält, sind für uns nur insoweit maßgebend, als fie durch das fünfte, fiebente und achte geboten werden. Die Uneigennütigkeit, die Selbstlosigkeit und Wunschlofigfeit jedoch, die in den beiden leßten Geboten gefordert wird, widerspricht durchaus den Geseßen der gesunden Höherentwickelung der Menschheit. Gerade durch das Streben, fich Vorteile und Macht über den anderen zu erringen, wird ein Wettkampf entfacht, der das Höher

entwickelte, das Stärkere, Geeignetere immer bevorzugt. Dagegen wird durch die sanftmütige, selbstlose Rücksicht auf den anderen eine Gleichheit erzielt, die den Niederen, Schwächeren, Ungeeigneteren immer auf Kosten der lleber legeneren und für den Daseinskampf besser Ausgerüsteten zu gute kommt. Das bedeutet aber nichts anderes als eine Schwächung und Degenerirung der Menschenfamilie.

So bleiben uns von den zehn Geboten die folgenden übrig: 1. Du sollst der Menschheit dienen. 2. Du sollst nicht töten. 3. Du sollst geschlechtlich nur mit dem verfehren, den du liebst. 4. Du sollst nicht stehlen. 5. Du sollst nicht lügen.

Die Gebote bestehen schon seit mehreren tausend Jahren. Daraus folgert man, daß sie ewig bestehen werden. Etwa 1500 vor unserer Zeitrechnung sind sie entstanden. Nach vorn hin sind sie also nicht ewig. Was aber einen Anfang hat, das hat doch, so sollte man folgern, auch ein Ende. Lassen wir das gut sein. Wir haben einfach zu konstatiren, daß der Dekalog nach der jeßigen wissenschaftlichen Erkenntnis nicht mehr haltbar ist. Mehr | und mehr wird die Unhaltbarkeit desselben fühlbar werden, und wer nicht auf der jezigen niederen Sittlichkeitsstufe stehen bleiben will, der muß sich mehr und mehr zu den ethischen Prinzipien bekennen, die auf der modernen Wiffen schaft aufgebaut sind.

[blocks in formation]

Als endlich Onkel Giovanni gegangen war und das Geräusch seiner schweren Schritte sich immer weiter verlor, schloß Nedda die Tür und zündete Licht an. Es war ihr, als sei sie ganz allein in der weiten Welt, und sie fürchtete sich, in dem elenden Bett zu schlafen, wo sie sich sonst neben die Mutter zu legen pflegte.

Die Mädchen im Dorfe redeten über sie, weil sie keine Trauer trug und gleich am nächsten Tage zur Arbeit ging, und der Pfarrer schalt, als er sie am andern Sonntag vor der Tür siben und ihre Schürze nähen sah, die sie hatte schwarz färben lassen als einziges, armseliges Trauerzeichen. Er nahm deshalb Anlaß, in der Kirche gegen die schlechte Gewohnheit der Sonntagsentheiligung zu predigen, und das arme Kind arbeitete zwei Tage in seinem Garten, damit ihr nur die schwere Sünde verziehen würde und der Pfarrer am ersten Montag des andern Monats eine Messe für die Tote lesen ließe. Wenn sich Sonntags die Kinder in ihren Feiertagskleidern auf den Bänken breit machten und über sie lachten, oder die jungen Leute beim Verlassen der Kirche ihr grobe Späße sagten, so zog sie ihre ärmliche Jacke fester um sich und ging schnell vorwärts mit den Augen am Boden, ohne daß auch nur ein bitterer Gedanke die Reinheit ihres Gebetes gestört hätte; oder sie sagte zu sich selbst ich bin so arm", als ob dies ein Vorwurf sei, den sie verdiene.

Sie betrachtete auch wol thre beiden starken Arme und dachte dem Herrn sei Dank, daß er sie mir gegeben hat" und ging lächelnd weiter.

"

Eines Abends, als sie eben das Licht ausgelöscht hatte, hörte sie auf der Straße eine bekannte Stimme, die aus vollem Halse ein Volkslied mit trauriger orientalischer Melodie sang. Es ist Jann", sagte sie halblaut, und sie steckte den Kopf unter die Decke, während ihr das Herz so heftig tlopfte wie einem verirrten Vögelchen.

"

Und als sie am andern Morgen das Fenster öffnete, sah sie Jann in seiner schönen neuen Barchentjacke an der Garten

[blocks in formation]

Da nimm das erst, ich habe es dir aus der Stadt mitgebracht", sagte jeßt der Bursche und entfaltete das schöne seidene Tuch.

, wie schön! Aber das ist doch nichts für mich!"

[ocr errors]

Warum denn nicht? Wenn es dich nichts kostet!" meinte er mit bäuerlicher Logik.

Sie errötete, als hätte die große Ausgabe ihr einen Begriff von den leidenschaftlichen Gefühlen des Jünglings gegeben und warf ihm einen halb zärtlichen, halb abwehrenden Blick zu, dann sprang sie schnell ins Haus, und als sie seine schweren Holzschuhe auf dem Straßenpflaster klappern hörte, guckte sie verstohlen durch das Fenster, um ihm nachzusehen.

Während der Messe konnten die Dorfmädchen Neddas schönes Halstuch mit den eingewebten großen, dicken Rosen bewundern, auf welche die Sonne ihre schönsten Strahlen durch das Kirchenfenster fallen ließ; und als sie nachher bei Jann vorüber kam, welcher neben der ersten Cypresse des Heiligtums an der Mauer stand und aus seiner reich geschnitten Pfeife rauchte, fühlte sie, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und ihr Herz heftig schlug, so daß sie schnell davon lief. Aber der Bursche eilte ihr nach und blieb immer pfeifend dicht hinter ihr, während sie, ohne sich auch nur umzusehen, weiter ging mit ihren schweren Schuhen, dem Halstuch und dem neuen Barchentkleid, das bei jedem Schritte schwere Falten schlug jeßt, wo die Mutter im Paradiese war und nichts mehr brauchte, suchte das arme, fleißige Ding sich nach und nach durch seine Arbeit eine fleine Aussteuer anzuschaffen. Unter all dem Elend der Armen ist es nicht das geringste, daß die Verluste, die sonst am schmerzlichsten für das Herz sind, hier das Leben erleichtern.

Nedda hörte hinter sich mit einem Gefühle von Befriedigung der Bestürzung (sie wußte wol selbst nicht, was es sei) den

schweren Schritt des Jünglings und sah auf dem weißen Straßenstaub, auf den senkrecht die Sonnenstrahlen fielen, einen zweiten Schatten von Zeit zu Zeit aus dem ihren heraustreten. Plöblich angesichts ihres Häuschens fing sie ohne jeden Grund an zu laufen. Jann holte sie ein, als sie errötend und lächelnd an der Tür lehnte, wo sie ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Rücken gab. - Da!

Er gab ihr denselben mit etwas handgreiflicher Galanterie zurück.

"

Wieviel hast du eigentlich für dein Tuch bezahlt?" fragte sie, band es ab und betrachtete es glückstrahlend, indem sie es ausgebreitet gegen die Sonne hielt.

"Fünf Lire", antwortete Jann stolz.

Ste lächelte ohne ihn anzusehen; dann legte sie das Tuch wieder sorgfältig in die alten Falten und fing an, ein Lied zu singen, das ihr schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf die Lippen gekommen war.

Der Nelkenstock in dem Scherben auf dem Fensterbrett war voll der schönsten Knospen.

Wie schade", sagte Nedda, „daß er noch nicht blüht“, und sie pflückte die größte Knospe, um sie ihm zu geben.

"

Was soll ich denn damit, wenn sie noch nicht aufgeblüht ist?" fragte er ohne sie zu verstehen und warf die Knospe fort. Sie wante sich danach um.

„Wo gehst du denn nun zur Arbeit?" fragte sie nach ein

paar Minuten.

Er zuckte die Achseln. „Wo gehst du Morgen hin?“ Nach Bongiardo.

"

Arbeit werde ich schon finden, wenn ich nur nicht wieder das Fieber bekomme!"

„Dann mußt du dich nicht des Nachts draußen herumtreiben und vor den Türen singen", sagte sie tief errötend, während sie sich beinahe kokett auf dem Baumstamme vor der Tür hin und her schaufelte.

„Ich werde es nicht mehr tun, wenn du es nicht willst." Sie gab ihm einen Nasenstüber und sprang ins Haus. Heda! Jann!" rief jett Onkel Giovannis Stimme von der Straße her.

"Ich komme schon", gab dieser zurück; dann wante er sich an Nedda: „wenn sie mich in Bongiardo haben wollen, komme ich auch hin".

„Höre, mein Sohn", sagte Onkel Giovanni, als sie auf der Straße waren, die Nedda steht jezt ganz allein. Du bist zwar ein braver Bursche, aber es ist doch nicht gut, wenn ihr zusammen bleibt. Hast du verstanden ?"

Ja Onkel Giovanni, aber so Gott will nach der Ernte, sobald ich die paar Quattrini zusammen habe, die dazu nötig sind, hoffe ich, daß wir sehr gut zusammen leben werden".

Nedda, die hinter der Wand alles gehört hatte, errötete tief, obgleich niemand sie sah.

Am andern Morgen, als sie noch vor Tagesanbruch aus der Tür trat, um fort zu gehen, traf sie Jann mit Stock und Bündel.

"

Wo willst du hin?" fragte sic.

Auch nach Bongiardo, um Arbeit zu suchen."

Die Sperlinge, so früh durch die Stimmen aus dem Schlummer geweckt, fingen an in ihrem Neste zu piepen. Jann hängte auch Neddas Bündel an seinen Stock, und so machten sie sich munter auf den Weg, als die ersten Strahlen des Tages den Horizont färbten und die Luft anfing, kälter zu werden.

In Bongiardo konnte man wirklich Arbeit finden, wenn man sonst wollte. Der Preis des Weines war gestiegen, und der Besitzer ließ ein großes Stück Land urbar machen und einzäunen, um dort einen Weinberg anzulegen. Das Land hatte bis jetzt für Lupinen und Oliven cinen jährlichen Ertrag von 1200 Lire gebracht; mit Weinstöcken bepflanzt sollte es binnen fünf Jahren 12 oder 13 Tausend Lire pro Jahr geben, wovon nur zehn oder zwölf Tausend auf die Zinsen abgerechnet werden mußten. Es war also eine ausgezeichnete Spekulation, und der Besizer zahlte den Leuten ein ziemlich hohes Tagelohn: die Männer erhielten dreißig Soldi, die Frauen zwanzig ohne Suppe. Freilich war ja die Arbeit etwas anstrengend, und die paar Lumpen, die Neddas Alltagskleid bildeten, zerrissen nach und nach völlig; aber sie war auch nicht daran gewöhnt, ganze zwanzig Soldi täglich zu verdienen.

Der Aufseher bemerkte, daß Jann, wenn er die Körbe mit Steinen füllte, immer den leichtesten für Nedda stehen ließ; er dachte, ihn fortzujagen, so daß der arme Teufel, um nicht sein Brot ganz zu verlieren, sich dazu verstehn mußte, für zwanzig Soldi statt für dreißig den Tag zu arbeiten.

Das Schlimme war, daß es auf diesen fast unbebauten Gütern keine Faktoreien gab; deshab mußten Männer und Frauen, wie es sich gerade traf, in der einzigen elenden Hütte ohne Tür zusammen schlafen, troßdem die Nächte noch empfindlich falt waren. Jann behauptete immer, nicht zu frieren und gab Nedda seine Barchentjacke, damit sie sich ordentlich zudecke. Des Sonntags machte sich dann die Gesellschaft in verschiedener Richtung auf den Heimweg.

Jann und Nedda hatten den kürzesten Weg eingeschlagen; fie gingen lachend und schmaßend durch das Kastanienwäldchen, oder sie sangen und ließen das Geld in der Tasche klimpern. Die Conne brannte so heiß wie im Juni, die Wiesen, welche man in der Ferne sehen konnte, fingen an, sich gelb zu färben; der Schatten der Bäume war erquickend und das Gras am Wege grün und noch naß vom Tau.

Gegen Mittag seßten sie sich ins Kühle, um ihr schwarzes Brot mit den weißen Zwiebeln zu verzehren. Jann hatte sogar guten Wein aus Mascali, den er, ohne damit zu sparen, Nedda gab, und das arme Kind, daran nicht gewöhnt, fühlte, wie ihr Kopf und Zunge schwer wurden.

„Wenn wir Mann und Frau wären, könnten wir alle Tage unser Brot miteinander essen und zusammen Wein trinken", sagte Jann mit vollem Munde, und Nedda schlug die Augen nieder, weil er sie so sonderbar ansah.

Dann herrschte wieder das tiefe Schweigen des Mittags, selbst die kleinen Blätter bewegten sich nicht: die Schatten wurden immer kürzer; es war eine Ruhe, eine Stille in der Luft, dabei sumunten die Insekten, und das alles drückte angenehm schwer auf die Augenlider. Plöglich kam ein frischer Lufthauch vom Meere her, der die höchsten Wipfel der Kastanien erzittern ließ.

[merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

fürchtete beinahe, ihre Mutter auf der Schwelle zu finden, auf der sie schon seit sechs Monaten nicht mehr gesessen hatte.

Das Osterfest war herangekommen, das fröhliche Fest der Felder mit seinen Freudenfeuern, seinen frohen Prozessionen durch die grünen Wiesen vorbei an den blühenden Bäumen mit seiner festlich geschmückten Kirche den mit Guirlanden gezierten Häusern und den jungen Mädchen in ihren Sommerfleldern. Man sah Nedda weinend den Beichtstuhl verlassen und suchte sie vergebens unter der Jugend, die vor dem Chore Enieend die Kommunion erwartete. Eeit dem Tage richtete kein ehrbares Mädchen mehr das Wort an sie, und wenn sie zur Messe ging, fand sie keinen Plaß mehr auf ihrer gewöhnlichen Bank und mußte die ganze Zeit über knieen sahen sie sie weinen, so dachten sie an Gott weiß was für schlimme Sünden und drehten ihr entseßt den Rücken zu. Und diejenigen, für die fie arbeitete, benußten die Gelegenheit, ihr Tagelohn zu verringern.

Sie erwartete ihren Bräutigam, der auf der Wiese mähte um dadurch das bischen Geld zusammenzubringen, das sie noch brauchten, um sich eine kleine Häuslichkeit einzurichten und den Priester zu bezahlen.

Eines Abends, als sie am Spinnrocken saß, hörte sie, wie am Ende der Gasse ein mit Ochsen bespannter Karren anhtelt, und plößlich erblickte sie Jann, der blaß und elend aussah. Was ist dir?" fragte sie.

"

"Ich bin krank gewesen; ich habe wieder in der verwünschten Wiese da unten das Fieber bekommen. Ueber eine Arbeitswoche habe ich verloren und die paar Soldi, die ich verdient hatte, noch dazu verbraucht.

Sie trat eilig wieder ein, trennte ihren Strohsack auf, und wollte ihm den kleinen Sparpfennig geben, den sie dort in cinem Strumpfe verwahrte.

„Nein", sagte er, morgen gehe ich nach Mascalucia zum Olivenreinigen, da brauche ich nichts, und wenn ich dann zurück komme, machen wir Hochzeit."

Er sah traurig aus, als er, an den Türpfosten gelehnt, ihr dieses Versprechen gab. Den Kopf hatte er mit einem Tuche verbunden. Dabei blickte er sie mit sonderbar glänzenden Augen an.

"

Aber du hast ja Fieber", sagte Nedda.

"Ja aber jetzt, wo ich hier bin, wird es sich schon wieder geben, und außerdem kommt es nur alle drei Tage."

Ste sah ihn schweigend an, aber sie fühlte, wie ihr Herz sich zusammenzog, als sie ihn so blaß und mager sah.

„Aber wirst du es denn auf den hohen Bäumen aushalten können?" fragte sie.

„Der liebe Gott wird mir helfen", antwortete er. "Adieu, ich kann den Fuhrmann nicht warten lassen, der mich auf seinem Karren von der Wiese mitgenommen hat. Auf baldiges Wiedersehn!" aber er rührte sich nicht. Als er endlich ging, begleitete sie ihn bis an die Hauptstraße und blickte ihm tränenlos nach, obgleich ihr war, als würde sie ihn niemals wiedersehen; es war etwas anderes, das ihr das Herz zusammen preßte, ein Gefühl wie von einem vollgesogenen Schwamm. Bei der Biegung des Weges rief er noch einmal seinen Namen, dann war alles still.

Drei Tage darauf hörte Nedda auf der Straße lautes Reden. Sie trat an den Mauervorsprung und gewahrte mitten in einem Haufen Arbeitern Jann, der mit verbundenem, blutigen Kopf nnd weiß wie ein Tischtuch auf einer Holzleiter lag. Auf dem traurigen Wege bis zu ihrem Häuschen erzählte er ihr, immer ihre Hand haltend, wie alles gekommen, wie er jo geschwächt durch das Fieber das Gleichgewicht verloren hatte und von einem hohen Baume heruntergestürzt war. hattest es ja geahnt", murmelte er traurig lächelnd. hörte zu, blaß wie er selbst, mit großen, weitgeöffneten Augen. Am andern Tage war er tot.

"

Du

Sie

Nedda, die jest fühlte, wie sich in ihrem Innern etwas regte, das der Tote ihr als trauriges Vermächtnis hinterlassen hatte, wollte in die Kirche geben, um für ihn zur heiligen Jungfrau zu beten. Im Heiligtum traf sie den Priester, der von ihrer Schande wußte; fie verbarg das Gesicht vor ihm und ging still wieder nach Hause.

Wenn sie jezt Arbeit suchte, lachte man ihr ins Gesicht, nicht aus Verachtung für die Gefallene, sondern weil die arme Mutter nicht mehr so arbeiten konnte wie früher. Ein paar

[ocr errors]

Mal zurückgewiesen und verspottet, wagte sie nicht mehr zu fragen und vertroch sich in ihrer Hütte wie ein verwundetes Vögelchen in seinem Neste. Die paar ersparten Soldi aus dem. Strumpfe verschwanden einer nach dem andern; nach den Soldi kam das neue Kleid und das schöne seidene Halstuch an die Reihe. Onkel Giovanni half ihr, so gut er konnte, mit jener milden, verzeihenden Nachsicht, ohne welche die Moral des Priesters streng und ungerecht wird, und verhinderte so, daß sie vor Hunger starb. Als sie erfuhr, daß es kein Knabe sei, weinte sie, wie an jenem Abend, als sich die Tür hinter dem Sarge geschlossen hatte und sie ohne ihre Mutter zurück blieb. Aber sie bat, daß man es nicht ins Findelhaus brächte. Armes Kind! Möchtest du wenigstens so spät, wie irgend möglich, anfangen zu leiden!" sagte sie.

"

Die Nachbarinnen nannten sie frech, weil sie weder heucheln konnte, noch unmenschlich war. Dem armen Kinde fehlte die Milch, da die Mutter nicht Brot genug hatte. Es siechte schnell dahin, und vergebens bemühte sich Nedda, ihr Herzblut dem verhungerten kleinen Geschöpfe einzuflößen. Eines Abends, als die Sonne untergegangen war, und die Schneeflocken auf dem Dache tanzten, während der Wind an der morschen Tür schlossenen Händchen fast ganz erstarrt dalag, mit seinen glasigen rüttelte, blickte das kleine Kind, welches mit krampfhaft ge= Augen in die glänzenden der Mutter, zuckte noch einmal und rührte sich dann nicht mehr.

Nedda schüttelte es, drückte es mit wildem Ungestüm an sich und versuchte, es durch ihren Atem und ihre Küsse zu erwärmen. Als sie sah, daß es wirklich tot war, legte sie es auf das Bett, in dem ihre Mutter gestorben war, und kniete davor nieder mit trockenen, starren, blicklosen Augen.

„O, glücklich sind die Toten!" rief sie aus. „Und gebenedeiet seiest du, heilige Jungfrau! die du mir mein Kind entrissen hast, damit es nicht zu leiden braucht wie ich!"

Anzengruber und die Kanzel.

Von

Prof. Dr. Kichard Maria Werner (Lemberg).

Bekanntlich ist nach der wiener Aufführung von Anzengrubers ergreifendem Volksstücke „Das vierte Gebot“ auf allen Kanzeln gegen die Tendenz des Werkes gepredigt worden, als hätte der Dichter die Grundlagen der christlichen Moral angegriffen, weil er der unglücklichen Hedwig die Worte in den Mund legte: „Ich habe mich einem Gebote gefügt, das das einzige ist, das eine Verheißung in sich schließt, „auf daß du lange lebeft und es dir wol gehe auf Erden." Das Wolergehen hat nicht zutreffen wollen; ich hoffe zu Gott, daß auch der andere Teil der Verheißung sich als trügerisch erweist...." Und weil er einen anderen unglücklichen Martin auf die Mahnung seines Jugendfreundes, des Geistlichen Eduard: „Denk an das vierte Gebot!" erwidern läßt: „Mein lieber Eduard, du hast's leicht, du weißt nit, daß's für manche 's größte Unglück is, von ihren Eltern erzog'n zu werd'n. Wenn du in der Schul' den Kindern lerust: Ehret Vater und danach sein sollen." Freilich begreift man das Vorgehen Mutter", so fag's auch von der Kanzel den Eltern, daß si' der kirchlichen Kreise nicht recht, da man vielmehr erwarten sollte, daß die Predigten an diese Worte angeknüpft würden, um sie zu erläutern, einzuprägen, zu bestätigen, um in dem Dichter einen Bundesgenossen zu begrüßen, der von seiner Kanzel, der Bühne, herab erziehend wirken will, wie der Geistliche von der seinen es tun sollte. Nicht zu

« ForrigeFortsæt »