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Da siehst du, was die bill'gen Bücher schaden,
Ein wahrer Dichter wirft sich so nicht weg;
Verlangest Lindau du im Bücherladen:
Er kostet mehr, jedoch erfüllt den Zweck.

Doch ach! der Ibsen schreibt das Herz uns wund
Und schildert, wie wir völlig auf dem Hund!
Zumal wir Weiber! Ja, ich wußt es nie,
Doch jetzo leid' ich schwer an Noralgie. -
Seitdem ich trank der Wahrheit bittre Laugen,
Seh' dich und mich ich an mit andern Augen
Und find' besonders dich verzeih' mir-
Entseßlich demens!

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Clemens.

Clemens,

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Ihr Herrn und Damen, heut' noch häufig
Hör'n Sie mich reden höchst geläufig,

Im zweiten Akt besonders gut,

Wo man zu Thee und Sentänzchen mich lud.
Da vernicht' ich mit Worten die ganze Moderne,
Tolstoj, Dostojewsky, Jbsen, Björnstjerne,
Da zermalme ich förmlich zwischen den Zähnen
Die schmug'gen Franzosen, die trostlosen Dänen,
Und alles flatscht Betfall meinem Sermon:
„Gott! Was für ein wißiges Feuilleton!"
Meine Verehrten! Und was nun Frau Dora
Betrifft, so denken Sie gleich da an „Nora“;
Der Dichter macht' ihr ein D für ein Nchen

Und sie selbst macht ein X vor ein U ihrem Männchen. 79 erschien die „Nora“ von Jbsen,

Doch las sie Frau Dora vor länger als 17
Jährlein schon was leicht sich erklärte,
Wenn seinem Intimus Lindau gewährte

Schon Jahre vorher der gefällige Jbsen
Den Einblick in seine Manuskribsen.
Und diese Lektüre betörte sie so,
Daß sie den guten Gatten floh
und selbst ein kleines ist es zu fassen?
Von knapp drei Jahren im Stich gelassen!

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Meine Damen und Herrn! Schuld hat hier nur
Die nordische Afterlitteratur!

Später nahm Dora den alten Alexis,
Der ja ein ganz abnormes Gewächs is,
Denn als Bankier hat er gar nicht Acht,
Daß der Maler bei ihm eine Anleihe macht!
Ach, dieser Maler!

(Mit bedeutendem Seitenblick auf Mathilde.)
Gleich langt er sich zwei!
Das kommt von der Freilichtmalerei!
Verehrte

(Die Sonne beginnt durchs Fenster zu scheinen.) Clemens.

Das Wetter hat sich gebessert!
Wie mirs nach dem Klub im Munde wässert!
Mathilde.

Ganz froh wird, was eben melancholisch!
Ha, merkste? Paul Lindau wird symbolisch.
Zum Volt durch den Maschinisten spricht er-
So offenbart sich der echte Dichter.
(Sabine, die Sonne“, geht auf.)

Da tritt sie ein!

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Nedda.

Welch' Schmaus für die Ohren!

(Er geht mit stolzerhobenen Haupte zum Buffet.)

(Es ereignen sich verschiedene schon angedeutete Ereignisse, dann:)

Dora.

Sabine"? Welch' Name! Mir wird so wirre!
Ich war, wenn ich mich ganz nicht irre,
Vermählt schon mal vor langen Jahren
und ließ den Gatten plößlich fahren.

Ja, jest erinnere ich mich gang genau;
Ich war auch Mutter, nicht nur Frau,
Ich schenkte einem Kind das Leben

Und hab' ihm den Namen „Sabine" gegeben.
D. ich verruchte Rabenmama,

Die ich es achtzehn Jahr nicht sah
Und jeßt es hier als Gouvernant

Und als Todfeindin wiederfand!

Wenn nicht zu ärmlich würde die Handlung,
Fühlt' ich schon jezt zum Guten die Wandlung!
Doch Gott weiß, daß keine Schuld mich trifft:
Das ist nur Jbsens „Nora"-Gift,
Und jest soll mich Herr Lindau führen
Im Reich der frommen Tugend spazieren!

III. Akt.

(Noch kürzer, aber wiederum sehr interessant.)
Im Garten.
Mathilde.

Ich kann es nicht gut von mir geben,
Doch schwör' ichs bei Mariettas Leben,
Daß ich durch diese Sonnenmaid

Gewendet wie ein altes Kleid!

Die alte „Nora" in mir fühlet Reu',

Komm', tüsse mich, mein Clemens treu!

(Marietta und Sabine spielen im Hintergrunde die Kreuzpolka.) Clemens.

teure, heißgeliebte Thilde!
Auch mir zu Mute wird ganz milde!
Was fümmern mich alle Kreußersonaten,
Wo die Kreuzerpolkas so gut geraten!
Die Sache stand bei mir schon brenzlich,
Doch hat mich Sabine verändert gänzlich!
Das ließe sich psychologisch begründen,

Doch dent' ich auch ohnedem Glauben zu finden,
Und da sich alles aufs Beste erledigt,

So hätten wir uns wol auskomödigt.

Bon

G. Verga.

Aus dem Italienischen übersegt von C. Meyer.

Es regnete und der Wind heulte. Die zwanzig bis dreißig Frauen, die für die Faktorei in Pino, am Fuße des Aetna, die Olivenernte einsammelten, ließen ihre durchnäßten Kleider am Feuer trocknen. Die muntersten unter ihnen, das heißt diejenigen, denen gerade ein paar Soldi in der Tasche klapperten, oder die einen Liebhaber besaßen, sangen dabei. Die andern schwaßten über die schlechte Ernte, über die Heiraten im Dorfe oder über den Regen, der ihnen das Brot vom Munde nahni. Die alte Aufseherin war in ihr Spinnrad vertieft, damit die Lampe am Rauchfang doch nicht ganz umsonst brenne, während der große Wolfshund dicht am Feuer, die magere Schnauze auf die Pfoten gestüßt, bet jedem Windstoße die Ohren spizte. Als es Zeit war, die Abendsuppe zu kochen, kam der Schäfer und fing an ein paar bekannte Melodien zu singen, wodurch die Füße in Unruhe gerieten, und die Mädchen begannen auf dem losen Pflaster der großen, räucherigen Küche herumzuhüpfen. Der Hund brummte dazu, aus Furcht, man könne ihm auf den Schwanz treten. Die Funken sprangen knisternd umher, und selbst die Bohnen im Kessel fingen an zu tanzen, daß das Wasser übersprudelte und die Flamme aufzischen ließ. Als die Mädchen müde waren, kam der Gesang an die Reihe:

„Nedda! Nedda! Varanneserin!" riefen einige. „Wo hat sich die Varanneserin versteckt?"

„Hier bin ich," antwortete eine trockene Stimme aus der dunkelsten Ecke, wo ein Mädchen sich auf ein Reisigbündel hin= gekauert hatte.

"

Was machst du denn da?“

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,,Nichts."

"

Ach, ihre Mutter liegt im Sterben," antwortete eine ihrer Gefährtinnen in einem Tone, als ob sie bermerkt hätte, daß sie Zahnweh habe.

Das Mädchen, das solange mit dem Kinn auf die Kniee gestüßt saß, hob bei den leßten Worten den Kopf und richtete auf die Sprecherin ein Paar schwarze, glänzende, aber starre und fast ausdruckslose Augen, die sie aber sogleich, ohne auch nur den Mund zu öffnen, wieder senkte und fortfuhr ihre nackten Füße zu betrachten.

Zwei oder drei der Mädchen wanten sich jetzt zu ihr, während die andern zusammentraten, um zu schwaßen wie Elstern, die sich über eine schöne Beute freuen, und nun begann ein förmliches Verhör:

"

Warum bist du denn nicht bei deiner Mutter geblieben ?" Ich mußte Arbeit suchen."

„Von wo bist du denn?"

"Aus Viagrande, aber jeßt wohne ich in Ravanusa."

Eine der Flügeren, die Tochter der Aufseherin, dieselbe, welche zu Ostern den dritten Sohn von Meister Jacobo heiraten sollte und ein schönes goldenes Kreuz um den Hals trug, meinte achselzuckend:

„Nun, das ist wenigstens nicht weit; wenn alles vorüber ist, wird man dir schon die Trauernachricht zukommen lassen." Nedda warf ihr einen Blick zu, ähnlich dem, welchen der vor dem Feuer fauernde Hund auf die Holzschuhe richtete, die seinen Schwanz bedrohten.

„Nein, Onkel Giovanni würde mich geholt haben!" rief fie, wie um sich selbst zu beruhigen.

Wer ist Onkel Giovanni?"

"Onkel Giovanni aus Ravanusa; er wird von allen so genannt."

„Du solltest dir lieber von Onkel Giovanni Geld leihen, statt deine Mutter zu verlassen," sagte eine andere.

„Onkel Giovanni ist nicht reich, außerdem sind wir ihm schon zehn Lire schuldig, und dann der Doktor und die Medizin und das tägliche Brot? Ja, es ist alles bald gesagt," fügte

"

Nedda kopfschüttelnd hinzu, und zum ersten Mal konnte man einen klagenden Ton in dieser rauhen, beinahe groben Stimme hören. Aber wenn man dann die Sonne untergehen sieht und daran denkt, daß weder Brot im Schrank, noch Del in der Lampe, noch Arbeit für den anderen Tag ist, das ist eine gar traurige Sache, besonders wenn man eine arme kranke Alte im Bette hat!"

Und sie schüttelte noch immer den Kopf, nachdem sie ausgeredet, ohne sich weiter um jemand zu kümmern, wobei thre trockenen, starren Augen, ohne daß sie es selbst wußte, einen so tiefen Schmerz verrieten, wie ihn Augen, die täglich Ströme von Tränen vergießen, nicht auszudenken vermögen.

"

Eure Schüsseln, Mädchen!" rief die Aufseherin, welche mit triumphirender Miene jeßt den Deckel vom Kessel nahm, und alle drängten sich um den Herd, wo die Alte mit der größten Genauigkeit eine Kelle voll Bohnensuppe nach der andern verteilte. Nedda wartete bis zuleht mit ihrem Schüffelchen unter dem Arm. Endlich wurde auch für sie Plaß, und die Flamme, sie jest voll beleuchtend, zeigt uns ein braunes, dürftig gekleidetes Mädchen mit jener furchtsamen und doch trozigen Haltung, wie Elend und Einsamkeit sie erzeugen. Vielleicht wäre sie schön gewesen, wenn nicht Not und andauernde schwere Arbeit alles Weibliche, ja beinahe das Menschliche in ihrer Erscheinung entstellt und verwischt hätten. Dichtes, schwarzes Haar hing ihr unordentlich um den Kopf, kaum von einer Schnur zusammengehalten. Ihre Zähne waren so weiß wie Elfenbein; ein gewisses plumpes Lächeln gab ihrem Gesicht etwas ungemein Rührendes und Anziehendes. Sie hatte große, schwarze Augen, die in einem bläulichen Spiegel zu schwimmen schienen und um die eine Königin dies arme, auf die unterste Stufe der menschlichen Gesellschaft herabgedrückte Mädchen hätte beneiden können, wenn nicht über denselben beständig ein von Furchtsamkeit und Elend hervorgerufener Schatten gelegen hätte, und sie nicht durch eine stete Resignation verdummt erschienen wären. Ihre Glieder waren durch das Tragen von zu schweren Lasten oder durch andere übergroße Anstrengung plump und gebeugt, ohne dabei kräftig zu sein. Wenn sie nicht Steine aufs Feld trug, die dort gebraucht wurden, so verrichtete sie oft die Arbeit eines Maurergehülfen, oder sie schleppte um Lohn schwere Bürden nach der Stadt, wenn sie sich nicht solchen schweren Arbeiten unterzog, wie man fie in jenem Lande als unter der Würde des Mannes stehend betrachtet. Weinlese, Ernte, Olivensammeln waren trotz der damit verknüpften Mühe für sie Festtage, Freudentage und angenehmer Zeitvertreib. Freilich brachten sie auch kaum die Hälfte von dem, was sie als Handlanger an einem langen Sommertage verdienen konnte, nämlich ganze dreizehn Soldi! Die Lumpen, die das Mädchen statt eines Kleides trug, ließen das, was weibliche Schönheit Hätte sein sollen, grotesk erscheinen, und selbst die lebhafteste Phantasie wäre nicht im Stande gewesen, sich vorzustellen, daß diese Hände, die bald Heißes, bald Kaltes, bald Rauhes und Hartes anfassen mußten, daß diese Füße, die daran gewöhnt waren, nackt sowol im Schnee, wie auf den von der Sonnen= hize durchglühten Klippen, auf Dornen und Steinen zu gehen, daß diese hätten schön sein können. Niemand hätte das Alter dieser menschlichen Kreatur zu bestimmen gewußt. Die Not hatte sie von Kindheit an mit all jenem Elend gezeichnet, das den Körper, wie den Verstand und die Seele verhärtet und entstellt so war ihre Mutter und ihre Großmutter gewesen, und so würde auch dereinst ihre Tochter sein.

Jezt reichte Nedda ihre Schüssel hin, und die Aufseherin goß ihr den Rest der Suppe ein, aber viel war es nicht, und als wollte sie sie deswegen entschädigen, fügte die Alte barsch hinzu:

"

Warum wartest du auch immer bis zuleßt! Du weißt Du weißt doch, daß du dann nur bekommst, was gerade übrig bleibt." Das arme Mädchen senkte die Augen auf die schwarze Brühe in dem Napfe, als ob sie den Vorwurf verdiene, und ging dann vorsichtig und langsam fort, damit ja kein Tröpfchen von dem kostbaren Inhalt verschütttet würde.

Ich möchte dir gern etwas von meiner abgeben," sagte eine der Gefährtinnen, die ein gutes Herz hatte, zu Nedda, aber wenn es morgen noch weiter regnet... siehst du... ich kann doch nicht, wenn ich schon das Tagelohn verliere, auch noch mein bischen Brot aufeffen."

Die Furcht habe ich nicht," sagte Nedda mit traurigem Lächeln. „Warum nicht?“

„Weil ich kein Brot habe. Das Stückchen, das noch da war, habe ich meiner Mutter gelassen mit den leßten Quattrini." Und dann hast du den ganzen Tag nichts als die paar Löffel Suppe?"

,,, daran bin ich gewöhnt," antwortete Nedda einfach. Das verwünschte Wetter! Es bringt uns um das ganze Tagelohn!" schalt eine andere.

„Da, iß mit aus meiner Schüssel!"

Ich habe keinen Hunger mehr," sagte die Varanneserin unfreundlich, statt zu danken.

„So, du lästerst den Regen des lieben Gottes, ißt du vielleicht kein Brot?" wante sich jetzt die Aufseherin zu dem Mädchen, welches auf das schlechte Wetter gescholten hatte. „Weißt du denn nicht, daß Herbstregen ein gutes Jahr bedeutet?"

Ein allgemeines Murmeln schien diese Worte zu billigen. "Ja, aber inzwischen sind es drei halbe Tage, die euer Mann vom Wochenlohn abzieht!"

Abermals Beifallsgemurmel.

daß wir sie dir bezahlen sollten?" antwortete die Alte triumHast du vielleicht diese drei halben Tage über gearbeitet, phirend.

„Das ist wahr! Da hat sie Recht!" meinten die andern mit jenem instinktiven Gerechtigkeitsgefühl, das der Menge eigen ist, auch wenn es dem einzelnen Abbruch tut.

Jeht fing die Aufseherin an den Rosenkranz zu beten, dann folgte das eintönige Gemurmel der Ave, nur ab und zu von Gähnen unterbrochen. Als nach den Klageliedern die Gebete für die Lebenden und Toten kamen, füllten sich die Augen der armen Nedda mit Tränen, und sie vergaß das Amen.

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Was ist das für eine Art und Weise, nicht Amen zu sagen?" fragte die Alte streng.

„Ach, ich dachte an meine arme Mutter, von der ich so weit fort bin," stotterte Nedda furchtsam.

Nun nahm die Aufseherin die Lampe, sagte gute Nacht und ging fort. Die Mädchen fingen an, in der Küche oder neben dem Herde ihre Lagerstätten aufzuschlagen, und das im Erlöschen begriffene Feuer warf seinen flackernden Schein auf die verschiedenen Gruppen der Schlafenden.

Es war eine gute Faktorei, nnd der Besiger sparte weder die Bohnen zur Suppe, noch Holz für den Herd, noch Stroh zu den Schlafstätten, wie so viele andere es taten. Die Frauen schliefen in der Küche und die Männer auf dem Heuboden. Wenn aber der Herr geizig ist, oder die Fabrik klein, so müssen alle, so gut es geht, im Stall oder sonst wo auf dem bischen Stroh zusammenliegen, die Kinder dicht an die Eltern geschmiegt, und wenn der Vater so reich ist, daß er eine Decke besigt, so friecht die ganze Familie darunter. Hat er keine, so muß jeder sehen, wie er sich erwärmen kann; einer steckt die Füße in die heiße Asche, ein anderer deckt sich mit einem Arm voll Stroh zu oder rückt so dicht wie möglich an seinen Nachbar heran. Wenn man den ganzen Tag schwer gearbeitet hat und weiß, daß morgen ein ebenso anstrengender Tag folgt, so übt der Schlaf, wie ein milder Despot, seine Gewalt über alle aus.

Noch vor Tagesanbruch waren einige Frühaufsteherinnen hinausgegangen, um nach dem Wetter zu sehen, aber die Tür drangen mit eiskaltem Wind bis zu den noch Schlafenden und fnarrte jeden Augenblick in den Angeln, und große Regentropfen ließen sie fast erstarren. Beim ersten Morgengrauen erschien der Aufseher, um die Tür zu öffnen und die Faulen zu wecken, denn es wäre Unrecht, den Herrn auch nur um eine Minute des zehnstündigen Tagewerkes zu bringen, für das er ein schönes Stück Geld zahlt, mitunter sogar noch drei Carlini extra außer der Suppe.

Es regnet! Das verhaßte Wort tönte übellaunig von jedem Munde. Nedda stand an der Tür und fah traurig zu den düsteren Wolken auf, die ihren bleifarbenen Schatten auf das Mädchen warfen. Es war ein kalter, nebliger Tag; die welken Blätter wurden von den Bäumen geschüttelt und wirbelten in der Luft herum, ehe sie sich entschließen konnten, auf die schmußige Erde zu fallen, und der kleine Bach verlor sich in einer schmußigen Pfüße, in der sich vergnügt die Schweine wälzten. Die Kühe steckten ihre schwarze Schnauze durch das Gitter des Stalles und sahen melancholisch zu, wie der Regen

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„Immerhin besser, als wenn wir garnichts verdienen.“ "Ja, aber das Brot, das wir mit Sünden essen ?"

Und der Schaden, den der Herr haben wird, wenn die Ernte schlecht ausfällt, und die Oliven, die im Schmuß vertommen?"

„Das ist wahr," sagte eine andere.

"Aber unterstehe dich und hole dir zu deinem trockenen Brot eine von den Oliven, die auf der Erde liegen und von denen in einer halben Stunde doch keine Spur mehr sein wird, und du wirst sehen, was der Herr dir noch dazu giebt!"

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Da hat er auch Recht, die Oliven gehören uns nicht!" Der Erde, die sie verschlingt, gehören sie ebenso wenig." „Aber das Land gehört dem Herrn!" rief Nedda voll Triumph über diese Logik mit lebhaftem Blick.

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Der Oberhenker des russischen Reiches und Prokureur des heiligen Synods, Pobedonoszew, hat sich wieder ein neues Opfer ausersehen. Während noch die Evangelischen in den Ostseeprovinzen vor der asiatischen Barbarei dieses Fanatikers zittern, bereitet er in den südlichen Gegenden des Landes einen Vernichtungskampf gegen die Sekte der Stundisten vor. Es ist ein Gefeßentwurf ausgearbeitet worden, durch welchen der Stundismus für eine staatsgefährliche und irreligiöse Sekte erklärt wird. Die schon bestehenden Strafen für „Verleitung“ orthodorer Katholiken zum Abfall von der Staatskirche werden noch verschärft. Deportation nach den entfernteren Gegenden Sibiriens und Zwangsarbeit werden angedroht. Personen, welche der Zugehörigkeit zum Stundismus verdächtig sind, sollen künftighin nicht mehr als Gemeinderichter, Gemeindeälteste, Schreiber, Dorfälteste u. f. w. in der bäuerlichen Selbstverwaltung fungiren dürfen. Es soll ihnen ferner verboten werden, Dienstboten orthoderen Bekenntnisses zu halten. Der Einführung des Gesezes soll eine allgemeine Zählung der Stundisten und eine genaue Feststellung aller derjenigen Orte, wo diese Sekte sich ausgebreitet hat, vorangehen. Die von Anhängern des Stundismus bewohnten Orte sollen strenger Aufsicht durch besondere polizeiliche Organe unterzogen werden, die namentlich darüber zu wachen haben, daß Angehörige der griechischen Kirche in keiner Weise zu den Versammlungen der Stundisten zugelassen werden. Der heilige Synod plant überdies noch weitere Maßregeln, gleich chikanös wie brutal.

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Der Stundismus eine staatsgefährliche und irreligiöse Sefte! An Sekten, welche diese Kennzeichnung vielleicht verdienen, ist in Rußland kein Mangel. Man denke nur an die Skopzen mit ihrer Lehre von der Selbstverstümmelung, eine Glaubensgemeinschaft, die ganz und gar aus dem Geiste des slavischen Quietismus geboren ist. Wir wollen wahrhaftig nicht der russischen Regierung Lässigkeit in der Verfolgung dieser kultur- und gesellschaftsfeindlichen Sekte vorwerfen, aber wenn es schon einmal eine Maxime russischer Staatsraison ist, den Irrglauben mit Feuer und Schwert auszurotten, so mag man sich doch gegen diese spezifisch russische Religionsgemeinschaft zunächst wenden, die immer noch im Stillen fortwuchert. So aber, wenn der harmlosen und frommen, sittlich intakten Sekte der Stundisten ein Vernichtungskrieg angekündigt wird, so liegt es am Tage, daß der Beweggrund hierzu weniger die Sorge um den Bestand der „reinen Lehre“, als der Haß gegen den westeuropäischen Geist ist. Der Stundismus ist in der Tat eine Verkörperung des abendländischen religiösen Geistes mitten im Herzen des heiligen Rußland.

Das russische Reich mit seiner in Lethargie versunkenen Popenherrschaft ist an religiösen Sonderbildungen sehr reich, da finden sich die phantastischesten Glaubenslehren, die man sich ausdenken kann, da wachsen die Blumen, welche der Sonderling Tolstoj im Treibhause pflegt, wild, da giebt es Legenden, welche mehr buddhistisch als christlich sind, da feiert man Gottesdienste mit wilden Tänzen, da pflegt man Bräuche, die der religiöse Wahnsinn geboren hat, und neben all diesen Sekten, in welchen asiatische Phantastik und asiatischer Wahnglaube seine Orgien feiert, die stille, bescheidene, europäisch-bürgerliche Gemeinschaft der Stundisten. Und diesen ruhigen, arbeitsamen, vernünftigen, beinahe philiströsen Leutchen, die, ohne jemandem wehe zu tun, in Demut und Gottesfurcht ihre Tage dahinleben, ihnen ist der Vernichtungskrieg angesagt worden!

Die Stundisten" hängen mit den württembergischen Stundengängern" zusammen. Pietistisch gestimmte schwäbische Ansiedler haben die Sekte gestiftet, und zwar bald nach Aufhebung der Leibeigenschaft. Wer je im Schwabenlande war, kennt die separatistischen Bibelgläubigen, die mit der verweltlichten Kirche in stillem Hader leben, und das lautere Gotteswort lieber in den Stunden" als in der Kirche vernehmen, die in den Dörfern, in denen sie herrschen, die lauten Volksvergnügungen und die hübschen bunten Volkstrachten verdrängt haben. Aber während die schwäbischen Stundengänger für Mucker gelten, werden die russischen Stundisten als kluge und verschlagene Weltkinder gebrandmarkt. Ganz gewiß mit Unrecht, der Vorwurf aber mag daher kommen, daß sie von den Behörden, welche treue und zuverlässige Angestellte suchen, vielfach bevorzugt werden, z. B. bei dem Eisenbahndienste von den Stationsvorstehern.

Ihre Religionsübungen freilich tragen, wie die ihrer württembergischen Stifter, einen durchaus pietistischen Charakter. Ordinirte Prediger haben die Stuudisten nicht, in jeder Gemeinde werden zum Predigtamte einige gewählt, welche die Gnadengabe der Rede besigen. Ebenso fehlt ein bestimmter Ritus, die Auslegung von Bibelabschnitten macht den Inhalt der Andacht aus, oft fehlt sogar der Gemeindegesang. Neben diesen sonntäglichen Versammlungen, welche manchmal über drei Stunden währen, finden an den Wochentagen Betstunden statt. Die kirchliche Verfassung ist ganz demokratisch. Sie achten mit großer Strenge auf die Erfüllung der sittlichen Vorschriften. Daher die jungen Leute bei ihnen sehr frühe heiraten, schon im sechzehnten bis acht

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zehnten Jahre, die Mädchen bereits mit vierzehn Jahren. Sie sind absolute Temperenzler; Trinken, Rauchen, Tanzen, Spielen ist aufs Strengste untersagt. Die Aufrechterhaltung patriarchalischer Sitten, Ehrfurcht vor dem Alter, unbedingter Kindesgehorsam, häusliche Andachten u. f. w. wird gewissenhaft beobachtet. Wie alle puriftischen Sektirer tragen die Stundisten nicht nur Gleich gültigkeit gegen die kirchliche Verfassung und den kirchlichen Kultus, sondern auch gegen die kirchliche Tradition zur Schau, sie suchen den Ursprung ihres Glaubens und die Befriedigung ihres religiösen Bedürfnisses ausschließlich in der Bibel. Und wenn auch die griechisch-katholische Kirche unbedenklicher als ihre römische Schwesterkirche die heilige Schrift in die Hände des Volkes gelangen läßt, so erscheint doch tatsächlich in den Augen des Volkes der Stundismus als die Verkörperung des Bibel-Christentums gegen das verknöcherte Kirchen-Christentum. Die Bibel gilt für den eigentlichen Agitator der Stundisten So kann man in der Tat den Stundismus als eine evangelisch-reforma- | torische Strömung innerhalb der griechischen Kirche des Zarenreiches bezeichnen, auch insofern, als der Stundismus durchaus nicht etwa sein Absehen darauf richtet, die Staatskirche zu sprengen, sondern nur im Schoße der selben dem Sauerteig" gleich belebend zu wirken.

Mit dieser Richtung auf die Wiederherstellung der ursprünglichen biblisch-christlichen Lehre hängt auch eine gewisse Passivität gegenüber dem „nationalen Bewußt fein" zusammen. Der wirkliche „historische“ Christ ist viel zu sehr von der Ursprünglichkeit und Wertlosigkeit der Dinge dieser Welt überzeugt, als daß er ein eifriger Patriot sein könnte. Das nationale Christentum" ist ein völlig ungeschichtlicher Kompromiß. Indessen er kennen die Stundisten mit dem Apostel Paulus die Obrigkeit als eine göttliche Institution an, welcher man Gehorsam schuldig sei, außer in Sachen der Religion. Sie unterziehen sich bereitwillig der allgemeinen Wehrpflicht und verehren in dem russischen Selbstbeherrscher den Erwählten Gottes. Jedenfalls sind die religiösen Konventikel der Stundisten alles eher als eine Vorschule zum Nihilismus, dazu ist der lettere viel zu sehr eine spezifisch russische Erscheinung.

Kann man sich wundern, wenn bei der völligen Stagnation des religiös-kirchlichen Lebens in der ruffischen Staatskirche, manche Kreise der Bevölkerung sich zu dem schlichten aber lebendigen Gottesdienst der Stundisten hingezogen fühlen? So hat denn auch in der Tat der Stundismus in den letzten Jahren überraschend an Ausdehnung gewonnen, so sehr, daß der russische Klerus schon seit Jahren dieser Bewegung die eifrigste Aufmerk famkeit gewidmet hat. Daß diese Aufmerksamkeit nicht die des Statistikers war, ist für russische Verhältnisse | selbstverständlich. Sie bestand vielmehr in Chikanen, Inquifitionen, Verfolgungen und Deportationen. Schon längst! Der Eingangs erwähnte Gefeßentwurf ist keines wegs eine frische Maßregel, sondern nur eine Verschärfung längst bestehender.

Die mildeste Form der Bekämpfung der stundistischen „Keßer“ ist die Entsendung von Missionären. Eine Bruderschaft" in Odessa, die Swjato-Andrejewskoj, hat 3. B. im Jahre 1886 weit über 7000 Rubel zur „Verfilgung der Sektirer“ innerhalb des Cherfonschen Gouvernements verausgabt. Dafür wurden Prädikanten ausgefant, Bücher verbreitet, Flugschriften verteilt. Die Reiseberichte der Missionare waren indessen recht trostlos. In dem ganzen Jahre wurde nur ein einziger Stundist in den Schoß der Kirche zurückgeführt!

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Paragraphen des Gesetzes, welcher die „Verleitung“ von Angehörigen der Staatskirche zum Abfall mit den schwersten Strafen belegt, gegenüber den Stundisten reichlichen Gebrauch zu machen. Wie mühelos ist es doch, jeden Sektenprediger, welcher freiwillig sich Meldende in feine Gemeinschaft aufnimmt, auf Grund jenes Gefeßes nach Transkaukasien zu verschicken. Die Leiden dieser beklagenswerten Opfer russischer Justiz sind bekannt.

Von den in Anklagezustand gesezten Predigern, so schreibt ein ungenannter Geistlicher, welcher in Rußland tätig war, werden viele gefeßlich gerichtet, andere auf administrativem Wege verschickt. Die ersteren müssen oft ein bis zwei Jahre ihres Gerichtstages im Gefängnisse harren. Sobald das Urteil über fie gesprochen ist, bekommen sie schwere Ketten an Füße und Hände und werden eingekerkert, bis sie mit einer Etappe in Ketten zu Fuß weiter befördert werden. Im ganzen sind sie oft sechs bis sieben Monate unterwegs. In jeder Stadi müssen sie Wochen und Monate lang im Gefängnis auf Weiterbeförderung warten. Die nach Transkaukasien verbannten Sektirer müssen die Militärstraße über das Kaukasusgebirge, zirka 200 Werst, in vierzehn Tagen zurücklegen, wobei sie an vier Plägen eine Tagesrast haben. Ihre Kost ist täglich_zweieinhalb_Pfund Brot, etwas Grüße und Waffer. Die Unreinlichkeit in den Gefängnissen soll unbeschreiblich sein. Da füllen sich die kleinen Zimmer so mit Gefangenen, daß die Armen keinen Platz zum Liegen finden, auch wenn sie noch so müde sind... Dabei ist die Kälte auf dem Gebirge für die Halbnackten oft unerträglich. Auf diese Weise werden die Sektirer familienweise, ja gemeindenweise transportirt. portirt. Dabei sind die Frauen der Grausamkeit und der Roheit der russischen Soldaten ausgesetzt, die sie manchmal auf die schändlichste Weise mißbrauchen. Die Verschickung der Sektirer ist in den letzten Jahren so allgemein geworden, daß fast alle zwei Wochen neue Etappen in Tiflis und neuerdings auch - obwol seltener in Elisabethpol ankommen."

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Doch noch andere Mittel hat die Grausamkeit des zelotischen Klerus erfonnen. Manche Sektirer werden als Arrestantenrotte nach Charkow geschleppt, um im Winter die schwersten und erniedrigendsten Arbeiten auf der Straße bei Sturm und Kälte zu verrichten. Außerdem hezen die Popen das Volk gegen die Stundisten auf, daß es zu Plünderungen und Blutvergießen kommt; Häuser werden abgerissen, Fenster eingeschlagen und die Sektirer fast zum Tode mißhandelt. (Eine anschauliche Darstellung dieser Verfolgungen findet sich in der Schrift: Die russischen Seftirer", Leipzig 1891 bei Aug. Neumann.)

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Diese unmenschlichen Verfolgungen werden sich jezt verdoppeln, verzehnfachen, die asiatische Roheit wird erbarmungslos den Müttern die Kinder entreißen, Familien von Haus und Hof jagen, tausende unschuldiger Menschen in die Zuchthäuser und Bergwerke Sibiriens verbannen!

Die realistische Bewegung in Frankreich vor 30 Jahren.

Von

Emile Zola.

(Autorisirte Uebersezung von Leo Berg.)

Bei der völligen Ergebnislosigkeit solcher Bemühungen Durch einen glücklichen Zufall bin ich in den Besitz mußte man zu anderen Mitteln greifen. Die Gerichte Die Gerichte eines Journalbandes „Der Realismus" gekommen, welchen zögerten denn auch nicht, von jenem nichtswürdigen | Edmond Duranth mit einigen Freunden in den ersten

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