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zwischen derselben und ihrer Umgebung auseinandergezupft. Joly endet bei einer Betrachtungsweise der Werte des Mannes von Genie, die mit der Betrachtungsweise von Organismen fast identisch ist. Gabriel Séailles definirt ähnlich in seinem Essai sur le génie daus l'art die Inspiration als l'accord de toutes les puissances intérieures. Seen wir aber nun diesen Saß in Beziehung zur Theorie Cesare Lombrosos, nach der alle genialen Menschen zunächst anormale Menschen sind gewissermaßen Krankheitserscheinungen, bei denen die eine geistige Fähigkeit oder Richtung auf Kosten der anderen ausgebildet, gewisse Moleküle der grauen Gehirnmasse auf Kosten der anderen in lebhafter Bewegung sind. Und so wenig die praktischen Juristen in Italien, Ferri und Garofalo ausgenommen, und Deutschland vom „Verbrecher" wissen wollen, um so mehr schwören die jungen Psychologen und Litteraten der beiden Länder auf den genialen Mensch". Joly mit Joly mit Lombroso multiplicirt ergiebt mm, daß die Inspiration bei dem Dichter eben vor diesen wenigen einseitig entwickelten inneren Kräften ausgeht. Durch das Zugeständnis des Anormalen ist aber dem Genie von Anfang an ein freierer Spielraum gelaffen. Denn ein Kunstwerk formt sich immer nach den Gefeßen der Embryologie. Nur Vollmenschen können volle Kunstwerke zeugen. Und hier kann nur die Forderung, die der aristokratische Radikalismus Nietsches aufgestellt: die Forderung neuer Menschen, Ueber menschen und der Ruf Sören Kierkegaards nach „Einzelnen" auch die Neue Dichtung großziehen. Und che die auftaucht, wird es wohl noch genug Uebergangsmenschen, Kandidaten der Zukunft geben.

Als Pythagoras seinen bekannten Lehrsatz entdeckt hatte, opferte er den Göttern eine Hekatombe. Seitdem zittern alle Ochsen, sobald eine neue Wahrheit ans Licht kommt. Als Belinski und Brandes ihre Ideen in die Welt geschleudert, lief der süße Pöbel gleich den Hunden auf den Straßen die Zähne fletschend hinter den Frei gesinnten her, die doch nur die Räder sind der rollenden Zeit. Ob die Sonne wirklich aufgehen wird? - Ich meine, wir haben noch zu viel „Vor Sonnenaufgangs-" Stimmug. Mögen fie jezt nur die Kost der wenigen Einsamen, der seitwärts von der Landstraße Ziehenden, der Zwangs einsiedler sein: vielleicht kommt noch die Zeit, wo Alexander Lauenstein und Curt Grottewig die Vaterschaft ihrer Gedanken reklamiren dürfen. Wiffe, daß jedes Werf, das da wert war, zu erscheinen, sagte Fichte, sogleich bei seinem Erscheinen keinen Richter finden kann; es soll sich erst sein Publikum erziehen und einen Richterstuhl für sich

bilden.

Tote Symbole.

Von

Fritz Mauthner. (Schluß.)

Unter allen antifisirenden Darstellungen scheint für unsere Augen, weil sie naturblind geworden sind, die Vor führung von Eroten die natürlichste. Seit mehr als zweitausend Jahren sind solche Bildwerke beliebt. Schon die Griechen selbst brachten Eros, den Allsieger im Kampfe, spielend mit allen Mächten des Himmels und der Erde in Verbindung. Bald raubte er den Zeus seine Blige, bald dem Poseidon seine Mistgabel; Amor bei Hofe und

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Amor auf dem Laude. Für besonders reizend galten damals die Eroten, welche wilde Tiere zähmten, und die Bildhauer und Maler wurden nicht müde, solche anmutige Gruppen zu erfinden. Zur Zeit der Renaissance war man weniger versteckt. Das Jahrhundert, in welchem Pietro Aretino für den Privatgebrauch von Päpsten Sonette dichten durfte, über welche griechische Hetären hätten erröten müssen, zeigte auch die kleinen Amoretten in ununglaublichen, unzweidentigen Verbindungen. Und diese Gemmen und Zeichnungen galten damals für echtes Altertum, also für unsterbliche Kunst. Wieder später im fiebzehnten und achtzehnten Jahrhundert mußten die ewigen Amoretten zur Verfinnbildlichung sentimentaler Schäferpoesie herhalten; Männlein und Weiblein, nackt und drei Käse hoch, machten einander ziervoll den Hof, eine plastische | Quadrille à la cour. Auch das galt für antik, wie es heute für antik gilt, wenn ein kleiner Amor naturalistische Gesichter schneidet. Darum will kein Bildhauer, der etwas auf sich hält, auf dieses alte Requisit verzichten. Der Amor ist die verwendbarste Gliederpuppe unserer Ateliers. Reinhold Vegas meißelt Eroten, und Eberlein bosselt sie noch zierlicher. Und damit neben den Werken von Leuten, die was können, auch die lächerliche Schablone nicht fehle, steht auf der Ausstellung ein solches Knäblein, das mit völlig verkatertem Gesichtsausdruck einem schnäbelnden Taubenpaar zusicht; das Ding, das sicherlich gewogen wurde und nach dem Gewicht zugelassen, nennt sich: „Amors Freude". Vor diese Schöpfung (Nr. 1707) sollte ein Mann wie Reinhold Begas hintreten müssen; vielleicht leistet er dann einen furchtbaren Eidschwur, daß er seinen nächsten Pfeil nicht aus dem Köcher Amors nehmen werde. Weil irgend eine uns halb verständlich gewordene griechische Mythe die Venus zur Mutter Amors macht, weil eine ganz und gar unverständliche Mythe die zänkischen Tauben zu den Lieblingsvögeln der sogenannten Liebesgöttin erhoben hat, darum soll heute noch jeder wolbeschaffene junge Mann an Liebe gemahnt werden, wenn zwei Tauben mit einander ihren Fraß suchen. Begas und Eberlein würden die Gruppen hübscher gemacht haben als dieser Zinngießerlieferant; aber deshalb ist bei ihnen das Erosmotiv nicht weniger angelernt.

Denn die Griechen der großen Zeit sahen so wenig wie große moderne Dichter die Liebe zwischen Mann und Weib durch ein Baby verkörpert. Die Griechen, als sie noch epochemachende Künstler waren, sahen den Liebesgott in dem Jünglingsalter, in welchem er auch noch bei Schiller das Schönste auf den Fluren sucht. Und wollte man den Liebesgott so darstellen, wie er in den Dichtungen der Riesen, der Shakespeare und der Goethe, hervortritt, so müßte er noch ein paar Jahre älter sein und könnte auch ganz wohl einen Bart haben. Das mag schrecklich klingen, aber es ist darum dennoch wahr.

Freilich haben sowol Shakespeare wie Goethe in ihrer Jugend der Mode ebenfalls gehuldigt, und das anakreontische Amorettengetändel, jeder in der Weise seiner Zeit, mitgemacht. Unsterblich geworden ist aber von Shakespeare nicht die griechische Spielerei, sondern Romeo und Julia, von Goethe nicht die Leipziger Versuche, sondern der Gott und die Bajadere.

Das ganze Erotengesindel, wie es seit der Spätzeit der Griechen bis auf unsere Tage die Schlafräume der Kunstgeschichte füllt, ist nichts als eine ungeheure Frivolität, die oft zu einem entzückenden Formenspiel wurde, die aber zu unserem Ideal einer ernsten Symbolik nicht mehr paßt. Wer kauft Liebesgötter? Im Ramsch sollten fie zu Tausenden feilgeboten werden und innerhalb der Kunst andern Symbolen Platz machen, welche als Neuerungen vielleicht für frivoler gehalten würden, als die nichtsnußigen Buben, an, welche sich unsere Prüderie nun ein

mal gewöhnt hat. Dicke, kleine Kinder, welche irgend ein Handwerk parodirend darstellen, oder Kriegsrüstung fragen oder Gigantenlasten heben, sind immer spielende Motive; aber solche Büblein find widerwärtig, wenn fie mit schlauem Lächeln als Lehrer der Liebe auftreten. Sollte diese Empfindung wirklich deshalb falsch sein, weil zwei Jahrtausende gegen sie gesündigt haben?

Wenn nun aber schon die Liebe. die doch ihre Ausdrucksmittel im Laufe der Jahrtausende nicht wesentlich geändert hat, heutzutage eine andere Verförperung verlangt, als sie bisher fand, so dürfte wohl auf anderen Gebieten die Reformation noch dringender sein. Denn nicht nur Attribute, Allegoricen und Symbole entlehnen unsere Künstler aus der griechischen Welt, sondern auch die repräsentativen Personen, wo es gilt, menschliche Größe darzustellen. Nicht nur die Sybillen und Danaïden sehen wir nach alten Schablonen auf der Ausstellung, nicht nur die widerwärtige Geschichte vom Ganymed wird wieder einmal dargestellt, auch die Helden Homers stellen sich uns yor; da fie feine Kleider tragen und alle den gleichen, leeren, antiken Gesichtsausdruck aufweisen, so sind sie im Wesentlichen mur aus der Katalogs-Angabe und aus ihren Attributen zu erkennen. Besonders England und Dänemark stellen Mustereremplare einer ausgeblasenen Antife auf; England, das seine puritanische Sonntagsruhe mit archaisirender Homerschwärmerei zu verbinden weiß, und Dänemark, welches in der Litteratur ganz Europa vorausläuft, nur in der Plastik immer noch beim ThorwaldsenMuseum stehen geblieben ist. Ein Däne hat uns die schönste Gelegenheit geboten, zu beobachten, wohin das Festhalten an repräsentativen Männern aus dem Altertum führt. Dieser Bildhauer zeigt uns einen Mann, der eben einen Pfeil abgeschossen hat und ihm wohl nachblickt. Nun wäre dieses alte Motiv erstlich ganz anonym vorzüglich zu verwenden. Joseph Uphues hat einen solchen jugend lichen Bogenschüßen geschaffen; es ist ihm um die eigentümliche Haltung des geschmeidigen nackten Körpers zu tun. Aber ich kann mir auch denken, daß ein bedeutender Künstler eine Monumentalstatue des Tell so auffaßt: Tell hat eben den Pfeil auf den Apfel abgeschoffen, und es ließe sich wohl einige Bewegung in seinen Zügen. malen; oder Tell hat eben sein Geschoß gegen den Landvoigt abgesant, und der Blick, den er dem Pfeile nach schickt, könnte ja recht gut etwas Weltgeschichte illustriren. Und was die Nacktheit anbelangt, so könnten ja die Knechte dem Tell seinen Wams in erfreuliche Unordnung gebracht haben. Das Alles wäre ein Bogenschütze nach dem Schuß. Der Däne aber hat sich als Klassiker bewiesen. Sein Bogenschüße ist zwar nackt, aber von so jämmerlichem Körperbau, als ob er eben das Hospital verlassen und seinen Abschied aus dem Militärstande erhalten hätte. Zum Ueberfluß hat er noch einen Fuß verbunden. Darüber muß der harmlose Betrachter seinen Kopf schütteln; denn die Bildhauerei, wenn sie griechische Motive wählt, pflegt feine Krüppel darzustellen. Erst der Katalog belehrt uns darüber, daß der Däne den Philoftet habe darstellen wollen. Aha, mum wissen wirs, das heißt, wir wissen eigentlich garnichts mehr, wir glauben mur, daß die plastische Vorstellung durch die des Dichters erklärt werde. Gewonnen haben wir nichts, denn Philoktet ist, falls wir ehrlich sind, mit all seinem Wehgeschrei der gleichgiltigste Mensch unter der Sonne. Seine Schmerzenslaute bei Sophofles find Schmerzenslaute einer toten Sprache. Und so gewiß ein tausendköpfiges Publikum in ein erschütterndes Gelächter ausbrechen würde, wenn ein wunder Held auf unserer Bühne plötzlich durch diese abgestorbenen Interjektionen förperlichen Schmerz ausdrücken wollte, so gewiß ist Philoteft für uns als Repräsentant des Patienten wrie des Bogenschüßen ein toter Mann: Wilhelm Tell,

der aufs Haupt seines Knaben zielt, das ist die moderne Aufgabe, das ist der repräsentirende Mann.

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Die deutsche Abteilung zeigt natürlich einen Paris, diesmal von Max Unger. Die Nacktheit ist selbstverständlich, obwol es mich gerade bei Paris inimer wundert, daß er bei solcher Abhärtung gerade seinen haarbuschigen Kopf mit einer phrygischen Müße bedeckt. Es erinnert das an die Vorschrift unserer Maskenbälle: diejenigen Herren, die sonst keine Abzeichen tragen, müssen sich mit einer närrischen Kopfbedeckung versehen. Dieser Paris wäre auch ohne Katalog kenntlich, schon an seiner Radaumüße. Außerdem ersieht man aus Hirtenstab und Hund, daß Paris in seiner Schäfer-Epoche gedacht ist, und der Apfel in seiner Hand erinnert vollends anna ja, eigentlich müßte ich sagen an Homer. Aber die Mehrzahl der Vorübergehenden erinnert sich an Offenbach. Nun frage ich jeden Künstler und jeden denkenden Menschen: was denn im Namen der Zwölfgötter um doch meine klassische Bildung zu beweisen klassische Bildung zu beweisen was geht uns denn dieser Schäfer Paris an? Wenn man uns das hübsche Märchen von seinem Abenteuer auf dem Ida erzählt, so wollen wir gern zuhören. Wenn ein Maler uns die drei ungleichen Göttinnen vor Augen bringt und seine Sache gut macht, so wollen wir dankbar sein. Aber was sollen wir mit Paris und seiner Müße allein anfangen? Oder richtiger, warum nennt der Bildhauer seine Statue eines hübschen Burschen gerade Paris. Hat die ganze moderne Welt keinen reichen und hübschen jungen Mann aufzuweisen, der Glück bei Weibern hatte? Oder ist Paris durch Helena geadelt? Oder sollen wir seine Statue darum betrachten, weil er den unverständlichen Apfel zu vergeben hatte? Mir scheint jedoch, daß bei jeder Preisbewerbung die Konkurrenten die Hauptsache sind und nicht der Preisrichter. Wird man von den schönsten Objekten einer landwirtschaftlichen Ausstellung ein vollkommenes Bild erhalten, wenn der Photograph uns die Portraits der Preisrichter vorführt? Ich unterdrücke mit Mühe weitere Beispiele dafür, daß ausgestellte Werke mitunter doch bedeutender sind als die Jury, daß also am dummen Paris doch die schönen Göttinnen die Hauptsache waren.

Nun wird sich gegen diese Ausführungen sicherlich erwidern lassen, was noch immer gegen negative einreißende Tätigkeit gesagt worden ist. Du schüttest das unreine Wasser fort, bevor du reines hast. Du willst die alten Formen vernichten, bevor neue geschaffen sind. Es giebt aber Leute, welche nun einmal die Heftigkeit haben, unreines Wasser fortzuschütten, selbst auf die Gefahr hin, einige Zeit dürften zu müssen, bis die Not gelehrt hat, nach neuen Quellen zu graben. Doch die neuen Wafferadern sind schon da, wenn sie auch noch nicht reichlich fließen und auch noch nicht immer entdeckt worden sind. Man vergleiche einmal die Fortuna im spanischen Saal mit der Blinden von Piglhein. Die spanische Fortuna schwebt sehr graziös auf einem Rade, aus deffen Achse Gold quillt; ihre Augen sind mit einem feinen Tüchlein verbunden. Die Blindheit ist hier allegorisch benüßt, so recht klassisch. Und bei aller moderner Grazie ist diese Fortuna nicht mehr und nicht weniger als eine vortreffliche Figur für den Laden eines Lotteriekollekteurs. Und daneben halte man das blinde Mädchen im Bilde Piglheins, das nicht einmal die flackernd roten Mohnblumen sehen kann. Da ist gar keine Allegorie dabei, gar kein Gedanke, nichts als Stimmung. Aber so ein Bild malen fonnten die Griechen nicht.

Und wo es mit der bloßen Stimmung nicht getan ist, wo eine symbolische Gestalt uns das Beste sagen soll, da würde die moderne Zeit auch moderne Ausdrucksmittel gefunden haben, wenn sie sich bei Zeiten vom griechischen Schulmeister emanzipirt hätte. Hat doch die

christliche Zeit in ihren Totentänzen eine Darstellung des Todes erfunden, die trok Lessing bedeutender ist, als die Art, wie die Alten den Tod gebildet. Leffings scheuß liches Gerippe" ist ein modernes Symbol, und Leffing. so sehr er in hellenistischer Kunstanschauung befangen war, überragte doch wie immer so auch hier seine ganze Zeit so sehr, daß er für die schreckliche Darstellung des Todes die neue Weltanschauung, die neue Religion verantwortlich machte. Im Namen des Optimismus, mit einer scharf ironischen Wendung gegen die Orthodorie, verlangt Leffing

dann halt' am Palazzo Zinelli.“ Auch die Stimme lang Maso befremdlich, ebenfalls verschleiert. Er hatte freilich nicht viel auf ihren Tonfall geachtet, dennoch war sie ihm Heller, heiterer vorgekommen. Aber das schwarze Haar krauste sich wie vorhin, in dichten Ringeln über der gelbweißen Stirn. Dieselbe schmale, bleiche ringgeschmückte Hand spielte wieder in den sommerlauen Wellen.

das alte griechische Symbol für den Tod. Troßdem hören Geplapper der Tobsüchtigen
genia e Zeichner nicht auf, une das scheußliche Gerippe"
in Totentänzen vorzuführen. Und das Gerippe als falutiren
der Bahnwächter vor einem vorüberfausenden Schnellzug
ist kein übler Einfall, wenn ihn auch die Griechen nicht

haben konnten.

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Schon verklang das gellende Lachen, das seelenlose in der Ferne. Und dann, nach und nach verschwamm auch San Servolo im Abendduft. Nun läuteteten die Aveglocken. Feierlich klang es über die sich) rosiger färbenden Wasser. Da schlug die Fremde den Schleier zurück. Der Gesang erstarb Maso Leffing, der Deist des achtzehnten Jahrhunderts, sah in der Rehle. Corpo di Diana, das war eine andere im Heidentum noch einen Bundesgenossen gegen die Signora. Sie sah ihn groß und ruhig an. „Hast du herrschende Orthodoxie. Hundert Jahre später können wir verstanden? Wenn der Mond heraufgestiegen, führst du bereits vielleicht ohne Gefahr die künstlerischen Symbole mich nach dem Palazzo Zinelli, Casa Mengaldo, wenn des Mittelalters verwenden, zu denen wir etwa so stehen. du das besser weißt!" ,,Si, si, Signora“ und er wie die Griechen der Sokrateszeit zu den Göttern ihres Wenn es wirklich eine Wahnalten Olymp. Als die Griechen so ungläubig geworden waren, daß sie die alten formlosen Kultusbilder nicht mehr sinnige, die er da, statt seines eigentlichen Fahrgastes, in wie früher verehrten, da konnte Phidias die symbolischen der Gondel aufgelesen, und er tat nicht ihren Willen, so Gestalten schaffen, die wir kennen, die viele Jahrhunderte war er in ihrer Gewalt. Und er hatte ja eine heilige hindurch ein künstlerisches Leben führten, die aber heute Schen vor ihr. Aber war es denn eine? endlich auch für die Kunst verstorben sind.

Tollkraut.
Novellette

von

Hermine von Preuschen.

Sie fuhr in einer Gondel, draußen in den Lagunen. Pfeilgeschwind schnitt das Ferro die leis murmelnden Waffer. Der Gondoliere sang ein schwermütiges Lied. Hin und wieder sah er erstaunt auf die Dame; sie war dicht verhüllt mit dem großen venetianischen Spißentuch. | Es wollte Tammaso scheinen, als sei sie selber vorhin kleiner und ihr schwarzer Anzug reicher, modischer gewesen, doch er mußte sich ja wol irren. Noch keine halbe Stunde war sie drinnen geblieben, in San Servolo, bei den armen Pazzi. Maso hatte sich auf stundenlanges Warten gefaßt gehabt, da stand sie vor ihm, sprang auch schon ohne seine Hilfe in das Fahrzeug, und nun waren fie wieder auf dem Weg nach der Dogenstadt. Aber warum nur war ihr Gesicht jezt dichtverhüllt? Die erquickende Abendkühle mußte doch auch ihr woltun, nach dem trüben Besuch drinnen im Gefängnis der Lebendtoten, der Wahnsinnigen. In Masos Herz schlummerte, ihm selbst unbewußt, die fast ehrfurchtsvolle Scheu der Orientalen vor dem „heiligen Wahnsinn“, war er gleich ein biederer Chioggiote. Will die Signora wieder nach der Piazza?" Fahr mich den Canal grande hinab, und wenn es dunkel ist, wenn der Mond hinaufgestiegen,

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ruderte eilig vorwärts.

Angela saß unbeweglich. Mit stieren Augen blickte fie auf den klein und kleiner werdenden Punkt am Horizont, ihr Gefängniß, seit Wochen, seit Jahren fie wußte es nicht. Sie wußte nur, jezt war sie frei, jezt konnte sie wieder gehen, wohin sie wolle. Und es war ihr plößlich auch, bei diesein Gefühl, als sprängen die eisernen Reifen, die ihr all die Zeit das Hirn eingezwängt, jeden klaren Gedanken gehemmt, unterdrückt. Ja, die hatten sie frank gemacht, die allein. Die hatte man ihr umgelegt, damals, als ihr neugeborenes Kind gestorben war und sie sich vom Balkon der Casa Mengaldo in den Canal grande hinab hatte stürzen wollen. Sie wußte es plötzlich ganz genau. Ihr Mann und der Arzt hatten sie ihr umgelegt, mit freundlichen Worten hatten sie ihr die grausame Fessel um die Stirn geschmiedet, und damit lag sie dann Tage und Wochen lang. Doch man gewöhut sich an alles. Schließlich auch an den Gedanken, nicht mehr denken zu können. Und dann, dann hätten sie sie nach San Servolo gebracht, und da hatte sie sich dannt, so gut oder so schlecht es gehen wollte, mit den eisernen Stirnreifen eingelebt. Man ließ sie gewähren. Sie saß täglich stundenlang am äußersten Gartenende, neben der meist verschlossenen Seitenpforte, und starrte hinaus auf die Waffer. Heute hatte sie eine schwarze Dame dort aussteigen und nach dem Hause gehen sehen. Eine Weile noch hatte sie auf ihre Rückkehr geharrt, dann aber war's ihr plöglich, als ob die Bande um ihre Schläfen gelockert würden. Sie konnte wieder denken: Wenn du da hinausträtest, in das Fahrzeug, und führest zurück nach dem Palazzo Zinelli, und frügest Eugenio, warum er dir den Gedanken gefeffelt, und bätest ihn, dich zu befreien und wieder an sein Herz zu nehmen!" Und dann stand sie auch schon an der Gondel. Sie stieg hinein, der Bursche ruderte und das wilde Lachen der Tobsüchtigen verklang hinter ihr im Abendduft. Rot und röter färbten

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fich die Wogen, und sie fuhr hinein in eine neue Welt,, und starrte hinab in das Wasser und gedachte seiner Angela in eine neue Zukunft. Und nun fühlte sie's auch, es und verlangte darnach, ihr den Leidensreif von der Stirn war nicht mehr nötig, daß Eugenio fie der Stirn zu nehmen. Da wollte sie ihm ans Herz fliegen, zu seinen Fessel entledigte, sie war von ihr gefallen, sie war Füßen stürzen und eine zweite Brautnacht wollten sie wie zerronnen, beim ersten Hauch der Freiheit. Nun feiern, tausendmal füßer, berauschender, als die erste es würden sie wieder glücklich sein, sie und Eugenio, sie würden gewesen. Ja, so würde es werden. Es überlief sie heiß die Vergangenheit über Bord werfen und zusammen und falt bei dem Gedanken, ihr schwindelte vor dem künfhinausfahren in ein freies, großes, herrliches Meer, nachtigen Glück. Warum aber hatte Eugenio sie seit so einer andern Insel, als der eben von ihr verlassenen, nach langer Zeit nicht mehr auf S. Servolo besucht? Ah, einer Insel der Seeligen. Noch immer läuteten die Ave- was sollte er bei ihr, so lang der Bann auf ihr gelegen, glocken. Und dann gedachte sie plößlich, wie sie bei solchem der ihr ja nicht den kleinsten Gedanken an ihre große Glockenläuten, nach der kirchlichen Trauung, ganz allein, Liebe zu ihm freigab. Er wollte nur warten, bis sie sich denn sie hatten eine stille Hochzeit gehabt, so bald nach wieder darauf besinnen könne, bis sie selber wieder zu dem Tod ihres Vaters, zusammen nach dem Palazzo ihm käme. Und nun kam sie. Zinelli, dem halbverfallenen Haus ihrer Vorfahren, gefahren waren.

Sie hatten sich seit Jahren geliebt, Eugenio aber war arm, Marinemaler ohne sonderliches Glück, wenn auch mit Talent, und der adelstolze Marchese Mengaldo hatte lange, bis zu seinem Tod, die Einwilligung zu dieser Verbindung versagt. Aber die königlich schöne Angela schlug jeden andern, ihres Eugenio wegen, aus.

Und dann endlich waren sie doch, bei Glockenläuten, als Mann und Frau über die Lagunen gefahren, und Eugenio hatte gesagt: „Laß uns warten, bis der Mond heraufsteigt. Dann erst wollen wir unter unser nun gemeinsames Dach.". Sie saß neben ihm, noch immer schön, obgleich ihre Jugend längst, längst verblüht war, und schmiegte sich bebend in seinen Arm. Dann stieg der Mond herauf, groß und golden stand er über dem Ponte Rialto, und sie waren die breite, steile Marmortreppe hinaufgeschritten und durch die mosaikgepflasterte, rokokobildergeschmückte Vorhalle in ihr Schlafgemach getreten. -Ein fast entzückter Ausdruck flog bei diesem Gedanken über Angelas Züge. Maso betrachtete sie wieder erstaunt. Dort hatte sie Eugenio auf den breiten, geraniengeschmückten Balkon geführt, und in seinem Arm lauschte sie hier den so oft schon in Sehnsucht gehörten, nün alles Glück der Welt ihr verheißenden Serenaden dieser „Venetianischen Nacht“. Und dann, dann hatte er sie wilder an sich gepreßt und ins Gemach zurückgezogen.

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Noch kein Jahr darauf stand sie auf dem gleichen Balkon, verzweiflungsvoll bereit, den Sprung in die Tiefe zu tun. Da hatte Eugenio fie fortgeriffen, und auf dem Lager, dem großen, blauen Himmelbett, das den Blick auf die Canova-Venus in der Ecke freigab, die in all ihren Phantasieen eine Rolle gespielt, auf diesem blauen Himmelbett, dem verschwiegensten Zengen ihres Glückes und ihrer Qualen, hatte er grausam den chernen Reif um ihre Stirn gelegt. Den aber hatte das Schicksal von ihr genommen und nun kam sie wieder zu ihrem Geliebten, mun begann ein neues, ein reicheres, ein bewußteres Glück. Wenn es Nacht geworden, wollte sie unbemerkt die Treppe hinauf- | schlüpfen, durch die fast immer offene Vorhalle in ihr | Schlafzimmer. Dort sollte er sie finden, wenn er nach Hause käme, friedlich schlummernd in ihrem Himmelbett. Vielleicht aber saß er sehnsüchtig, traurig auf dem Balkon

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Schon längst hatten sie S. Marco hinter sich. Maso war planlos in den kleinen „rii" umhergefahren. Ein schwüler Brodem lag hier über den Wassern. Man schaute wie auf ein Theater in all die erleuchteten Fenster, hinter denen seit Jahrhunderten Freud' und Leid der Generationen für die nächtlichen Zuschauer da draußen sich abgespielt. Ein langgezogenes, warnendes, wie klagendes „Stabis“ tönte hie und da, wenn er um eine Ecke bog, von Masos Lippen. Jezt zitterte plößlich ein Silberstrahl auf der dunkeln Flut, und er bog rasch wieder hinaus in den großen Kanal. Schon zog der Mond Silberfurchen hinter der Gondel her, sprühte in tausend leuchtenden Tropfen von den Rudern nieder. Und dort war auch der Palazzo Zinelli. Angela hatte ihren Schleier wieder vors Gesicht gezogen. Das Herz klopfte ihr zum Zerspringen. „Eccoci Signora", sagte Maso und hielt im Schatten des TrecentoPalastes an den Stufen der Wassertreppe. Angela aber saß unbeweglich und starrte hinauf. Das Mondlicht lag voll auf der Vorderseite der Casa Mengaldo und ließ die grünlich verwitterten Drachenköpfe, den byzantinischen Vogelfries über dem großen Balkon scharf hervortreten. Er lag auch auf den üppig blühenden, stark duftenden großen Geranien und Heliotropen und auf den Zügen eines blaffen, schönen Mannes; diese Züge waren wie von einem Glücksschimmer verklärt. Und er lag auch auf dem Antlig eines blonden, jungen Weibes in weißem, losem Gewand, das sich, wie selig erschauernd, fester in des Mannes Arme schmiegte und die Pupillen groß und weit in den Mond versenkt hielt, dann aber, mit einem leisen Freudenausruf, in die Augen des Mannes tauchte. Mia dolce Nerina", flüsterte jeßt dieser Mann, vernehmlich in der Abendstille. Und wenn deine erste Frau wieder gesund würde, Eugenio", antwortete Nerina, „hast du sie nicht ebenso sehr geliebt und hat sie nicht ältere Rechte? Müßte ich nicht immer von dir gehen, wenn sie plößlich zwischen uns träte? „Pazzina", lächelte Eugenio, „Angela ist tot für mich, und ich bin in aller Form gerichtlich von ihr geschieden. Ich habe sie einst geliebt, aber jeßt, jezt liebe ich nur dich, und die Aermste müßte ihr weiteres Leben ohne mich einrichten. Aber komm', es wird kühl, du wirst dich erkälten. Er preßte sie ungestüm ans Herz. „Nein, noch die nächste Serenada laß' uns abwarten," sagte Nerina mit zitternder Stimme, „dann gehen wir hinein.“` |

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Und Eugenio stürzte ihr zu Füßen. „Nerina, Nerina“, stammelte er. Eugenio!" „Eccoci Signora“, sagte Tommaso abermals. Angela fuhr sich wie ängstlich nach der Stirn. Ihr wars, als fühle sie plößlich wieder den Druck ihrer alten Fessel. Nein, jezt nicht, um Gotteswillen jest nicht. Erst muß sie wissen, klar wissen und sehen. — Was denn; weiß sie nicht alles? Eugenio hat fie geliebt. Sie ist frank, wahnsinnig geworden. Da hat er sich von ihr scheiden laffen und eine andere gefreit und nun kommt Angela, die wiedergenesene Angela, zu seinem Hochzeitsmahl. Das ist klar, licht und klar. Nur, mit der Wiedergenesing, ist das auch wahr? Stärker und stärker, fast die Besinnung raubend, drückt sie der Eisenreif. Nur jet noch Klarheit, nur jezt noch. Und sie preßt die Hände fester an die Stirn. Das hilft. Das erleichtert die Qual. Dann legt sie rasch ihre Uhr zum Lohn in Masos Hand und schreitet wortlos, grußlos die Stufen empor. Durch die öde Halle, in deren kleinem Hafen vor Jahrhunderten die Gondeln ihres Hauses rastesten, eilte sie lautlos, geräuschlos nach der Treppe. Sie ist festlich geschmückt mit Lorbeer und blühenden Orangenbäumen, auf deren Blätter die weißen Mondstrahlen rinnen. Oben klingt sie leise an der Tür, sie ist offen. Nun huscht sie lautlos wie das Unheil durch die dunkle Ahnenbilderhalle nach dem blauen Schlafgemach. Eben tritt Eugenio herein, in seinen Armen die zitternde Nerina. Er will sie nach ihrem Lager tragen. Da steht hoch vor ihm aufgerichtet Angelas dunkle Gestalt. Es ist keine Lampe im Zimmer, und nur das Mondlicht flimmert in ihren Augen. Sie hat die Arme verschränkt und vertritt ihm den Weg. Es liegt ein Etwas in ihren Zügen, daß Eugenio und auch Nerina es plößlich wissen, der Wahnsinn ist von ihr gewichen, in dieser Stunde wenigst us.

„Ich kam zurück, Eugenio, die Fesseln fielen von meinem Geist, weil ich dich liebe", sagt jetzt laut und deutlich ihre weiche Altstimme. „Ich kam zurück, mich dir aufs Neue zu vermählen. Du aber, du stößt mich wieder hinunter in die Nacht, in den Tod, in den Wahnfinn". Nun kommt doch ein irres Leuchten in ihren Blick, sie preßt die Hände an die Stirn und fährt dann fort: Weil ich dich geliebt habe, über alles geliebt, bin ich so spät noch die deine geworden, troßdem mein Vater erft kurz vor seinem Tode mich beschwor, von dir zu lassen, mich nicht zu verheiraten, da der Arzt ihm gesagt, daß mir, meiner Konstitution nach, die Geburt eines Kindes, Tod oder Wahnsinn bringen könne wie meiner Mutter. Ich trotte seinen Bitten und ich ward die deine. Der Der Wahnsinn kam und auch ihn hab' ich wieder besiegt durch meine Liebe. Aber ich fühls, schon schattet er wieder über mir und seine Finger zerpreffen mir aufs Neue das Hirn." Sie trat einen Schritt näher auf den Mann zu. Unwillkürlich fuhr er zurück. Er hielt die erstarrte Nerina noch auf den Armen. Bei seiner raschen Wendung blitzte es silbern auf aus seiner Rocktasche. Angela hatte es bemerkt, blitschnell griff sie nach dem zierlichen Rokokodolchmesser, das sie selbst ihm einst geschenkt, und ebenso schnell stieß sie es Nerina in die halbentblößte Brust,

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„Und nun führe mich wieder zurück nach San Servolo"

Dann kanerte fie teilnahmslos, nur hie und da leise kichernd, zu Füßen des blauen Himmelbetts, auf das Eugenio die Tote gebettet.

Litterarische Neuigkeiten.

1) C Conradt, Dilettantentum, Lehrerschaft und Verwaltung in unserm höheren Schulwesen. Wiesbaden 1890. C. G. Kunzes Nachf. 47 S.

2) H Raydt, Das Jugendspiel. Mit Abbildungen. Hannover 1891. K. Meyer (G. Prior). 32 .

3) H. Keferstein, Ideale und Irrtümer der Unterrichtsprogramme. Hamburg 1890. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vorm. I. F. Richter). 59 G.

4) W. Preyer, Eine neue deutsche Schule. Bielefeld 1890. A. Helmich. 20 6. 5) Ohlert, A., Die deutsche Schule und das klassische Altertum. Hannover 1891. K. Meyer (G. Prior). 188 G. 6) Th. Devide, Das Recht auf Erziehung. Beitrag zur Lösung der sozialen Fragen. München 1890. A. K. Staegmehr. 44 S.

7) Leimbach, K, Zur Einführung in das deutsche Volkslied. Bremen 1890. M. Heinsius Nachf. XVI. 277 G. 8hwarz, P. Reste des Bodankultus in der Gegenwart. Leipzig 1891. A. Neumann. 50 G. 9) Schaefer. St., Titurel. Ein Bühnenvorspiel zur Gralssage. München 1891. G. Franz. 58 G.

Die geschätzte Redaktion des Magazins hat mich zu einem reichhaltigen litterarischen Diner eingeladen, und ich habe denn auch den sämtlichen Gerichten pflichtgemäß zugesprochen. Nur Einz (das hier nicht im Menu aufgeführt ist habe ich unberührt laffen müssen; ich bin alter Gymnasiast, und deshalb weiß meine Eecle nichts von Chemie.

Die erste Schrift hat auch außerhalb der Schulfreise Aufsehen erregt, und wenn sie gegenwärtig inbezug auf die Schulreform in Einzelheiten veraltet ist, so wird sie doch bleibenden Wert bewahren. Speziell richtet sie sich gegen Güßfeldts unreises Buch; der Verfasser als Gymnasialdirektor führt eine scharfe, nie aber unwürdige Sprache, ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen Dir. Jäger, von dem er überhaupt n vielen Dingen abweicht. Es ist bemerkenswert, daß Conradt (gerade wie Cauer kein Feind der Realgymnasien ist; ebenso wenig hält er das Gespenst der Einheitsschule für lebensfähig. Mit äußerster Bestimmtheit nimmt er die höheren Schulen und die Lehrer gegen dilettantenhafte Beschuldigungen in Schuß, und selbst da, wo er (wie inbezug auf die Schulreformvereine) geneigt ist, das Kind mit dem Bade auszuschütten, verdient feine mannhafte Ueberzeugungstreue die volle Hochachtung. Mit schneidender Schärfe wendet er sich gegen die juristischen Bureaukraten, welche die Schulen als Stellung der Lehrer und ihre (namentlich in kleinen Brovinzstädten) corpus vile und die Lehrer als Schuhpußer behandeln; die elende noch elenderen Gehaltsverhältnisse sind wirklich eine Unehre für die Nation. Aber wir haben es eben erst wieder erlebt, wie die Juristen die besten Absichten der höchsten Staa sgewalt zu vereiteln wissen. Die zweite Schrift ist nach einem öffentlichen Vortrage ausgearbeitet, welchen Dr. Raydt am 17. November in Leipzig gehalten hat. Sie ist aber nicht veraltet zu nennen. Raydt weist nach, welchen Segen die englische Jugend und dadurch die englische Nation von der in England so hoch entwickelten körperlichen Ausbildung gehabt haben und noch haben; er untersucht im einzelnen, welche engfischen Spiele sich auch für Deutschland schicken und welche deutschen Spiele zu ihrer Ergänzung aceignet find. Die mit mehreren Abbildungen bereicherte Schrift ist frisch und lebendig geschrieben und verlangt nirgends das Unmögliche. Aber vieles wird doch auf lange Zeit bei uns noch unmöglich bleiben, weil das bekannte Wolwollen der entscheidenden Behörden meist nur platonisch bleibt und zu bersagen pflegt, wenn es sich um Geldbewilligungen handelt.

Refersteins Schrift ist nicht leicht zu lesen, nicht etwa wegen unwiffen Breite und unübersichtlichkett; sie gehört der philosophischen zureichender Form denn diese ist tadellos) sondern wegen einer geBädagogik an und enthält sich bestimmt durchgeführter Reformlehrpläne. Viele neue Gedanken führt er nicht vor, aber wir können ihm nur recht geben, wenn er u. a. verlangt: Alles Wissen, worau

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