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fann, hier eine Probe mitzuteilen, trotzdem ich eigentlich von Cornelins' Gedichten sprechen wollte und nicht von seinen übrigen Schmerzen.

Im Jahre 1864 erhielt der vierzigjährige Musiker, der bis dahin fast nur von Franz Liszt unterstüßt worden war, und der jet in bitteister Not nicht wußte, ob er sein Brod als Musiklehrer, als Musikrezensent oder als Souffleur verdienen sollte, durch Ludwig II. eine Berufung nach München. Der unglückliche König wollte den unglücklichen Komponisten von allen Nahrungssorgen befreien. Und nun ist es merkwürdig, daß Cornelius dieses Anerbieten anzunehmen zögert und sich dann in München niemals auf die Dauer wohl fühlt. Das Rätsel ist gelöst, wenn man den ganzen Egoismus Richard Wagners aus dem Briefe herauslieft, in welchem der glücklichere Künstler seinen armen Verehrer nach München ruft.

Lieber Peter! Im besonderen Auftrage S. M. d. K. Ludwig II. von Bayern habe ich Dich aufzufordern, sobald Du kannst, nach München überzusiedeln, dort Deiner Kunst zu leben, der besonderen Aufträge des Königs gewärtig und mir, Deinem Freunde, als Freund behilflich zu sein." So sollte das bescheidene aber echte Talent für einen anderen mißbraucht werden, und man begreift wie Cornelius fünf Jahre später mit hervor brechender Bitterkeit schreiben konnte: In München war niemand, niemand, der da frug, was bist denn Du für ein Vogel und wie singst Du?“

Und nun das Seltsamste. Da Cornelius nach langem Harren und für kurze Zeit sein eigenes Heim gegründet hat

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Dich grüßt mein Weib

Sie ist dir ganz wie ich gesinnt,
So sei ihr gut um meinetwegen!
Mein Weib dein Kind.

Wie hoch dein Name auch erglänze,

Wie mancher Kranz dich auch umwob,
Mein Herz weiß mehr als alle Kränze,
Mein Herz dein Lob.“

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"

Das war ein Kuß, der selbst den Tod entzückte!
Ach wüßten wir das Lied, das noch erklungen,

Da er auf diesen Mund die Lippen drückte!

Mir wars am Grab, von Weh und Wahn bezwungen,
Als wär ins Herz mir, da dies Blatt ich pflückte,
Von jenem legten Lied ein Hauch gedrungen."

So wenn er mit immer neuen humoristischen Wendingen als guter Mensch, als anständiger Kerl anerkannt sein möchte.

So besonders, wenn ihm einmal ein Liebeslied voll gelingt. Er sucht für diese Dinge häufig eine künstliche Form, unter der das echte Gefühl leicht verhüllt wird, er reich. Er ist im Stande zu dichten: ist für einen Lyriker bei aller Schlichtheit etwas zu geist

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Wenn die alten Verehrer von Peter Cornelius die flare und milde Schönheit solcher Verse anerkennen und der zunftmäßigen Litteratur vorwerfen würden, daß die helfers einige Zeilen übrig habe, nicht aber für ein so Kritik wol alljährlich für die Marktware jedes Marktvornehmes und stilles Talent, wie es Peter Cornelius war, so hätten sie wol Recht. Wollten sie aber nun den Teufel durch Beelzebub austreiben und die hübschen Verse des liebenswerten Mannes als ein großes und vergessenes Erbe der deutschen Litteratur ausrufen, so würden sie den großen Lügenberg der öffentlichen Meinung möglicherweise um eine nene niedliche Umwahrheit be reichern.

kinder.

Psychologische Skizze.

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Von

Anton Esche ch o w, *)

Papa, Mama, Tante Nadja sind nicht zu Hause. Sie sind zur Taufe gefahren zu dem alten Offizier, der

Ich habe zwei Proben, und zwei schöne Proben von den Gedichten gegeben, und damit bin ich auch eigentlich mit dem fertig, was von meiner Seité wenigstens die Unterlassungsfünde gut machen könnte. Peter Cornelius war kein großer Dichter. Was die Freunde von seinen. zerstreuten Blättern gesammelt und herausgegeben haben, ist durchaus edel im Geist und edel in der Form, aber es fügt der deutschen Dichtung keinen neuen Ton hinzu. Man kann sich wohl vorstellen, daß Peter Cornelius, wenn er alle seine Kräfte an die Dichtkunst gesetzt hätte, ein zweiter Platen, ein zweiter Chamisso oder ein zweiter Rückert hätte werden können. fehr fißen Cornelius ist im Goetheschen Sinne ein ganzer Dichter, weil er nur Persönliches bietet, nur Gelegenheitsgedichte im besten Sinne; aber die Persönlichkeit ist nicht stark, die Gelegenheiten sind nicht groß genug. Der Ausdruck ist sehr häufig, was man so klassisch nennt, und doch findet sich mancher Dilettantismus in der kleinen Sammlung.

Wäre aber das wirklich,ückert immer auf dem kleinen grauen Pferde reitet. Ihre Heim

*) A. Tschechow ist ein junger ruffischer Schriftsteller, der in kurzer Zeit die Sympathie der russischen Leser und Kritiker zu er werben verstanden hat. Er fing mit Novelletten in den kleinen Tages- und Wochen-Blättern an und veröffentlichte 1886 seine erste Petersburg, 1886. Berlag des Journals Oskolki"). Hierdurch Sammlung von Skizzen unter dem Titel: Bunte Erzählungen“ wurde die „Nowoje Wremja“ auf ihn aufmerksam und vermittelst

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Andrej, der Sohn der Köchin, im Speisezimmer am Eß tisch und spielen Lotto. Aufrichtig gestanden, es wäre schon Zeit schlafen zu gehen; doch wie fann man ein schlafen, wenn man von Mama noch nicht erfahren hat, wie das Taufkindchen aussah und was es zum Abend effen gab.

Auf dem von der Hängelampe erleuchteten Tisch liegen bunt durcheinander Ziffern, Nußschalen, Papierschnitzel und Glasstückchen. Vor jedem der Spielenden liegen zwei Karten und ein Häuschen Glasstücke zum Bedecken der Nummern. In der Mitte des Tisches steht eine Unterschale mit fünf einzelnen Kopeken, daneben ein angebiffener Apfel, eine Scheere und ein Teller für die Nußschalen. Die Kinder spielen um Geld. Einsatz eine Kopeke. Bedingung: Wer betrügt, darf nicht mehr mitspielen. Außer den Spielenden ist niemand im Zimmer. Die Wärterin Agafja Iwanowna sitzt unten in der Küche und unterrichtet die Köchin im Zuschneiden, und der älteste Bruder Wakja, der Tertianer, liegt im Gaftzimmer auf dem Divan und langiveilt sich. Man spielt Hazard. Ani deutlichsten ist das auf Grischas Gesicht zu lesen. Das ist ein kleiner neunjähriger Junge mit furz geschorenem Haar, Pausbacken und dicken Negerlippen. Er ist schon in der Vorbereitungsklaffe und gilt deshalb für den ältesten und flügsten. Er spielt ausschließlich des Geldes wegen. Wären nicht die Ropeken in der Schale, er würde schon lange schlafen. Unruhig und mißgünstig schweifen seine braunen Augen über die Karten der Mitspielenden. Die Furcht, daß er nicht gewinnen könne, Neid und allerlei Finanzkombinationen, von denen sein geschorener Kopf voll ist, laffen ihn nicht ruhig sißen, nicht aufmerk fam sein. Er fißt wie auf Kohlen. Wenn er gewinnt, greift er hastig nach dem Gelde und steckt es schnell in die Tasche.

Auch seine Schwester Anja, ein Mädchen von acht Jahren, mit spisem Kinn und flügen, blißenden Augen, fürchtet, daß ein anderer gewinnen könnte. Sie wird abwechselnd rot und blaß und beobachtet die Spieler scharf. Die Kopeken intereffiren sie nicht. Das Glück im Spiele ist für fie Sache des Ehrgeizes. Die zweite Schwester, die sechsjährige Sonja, ein Lockenköpfchen mit einer Gesichtsfarbe, wie man sie nur bei sehr gesunden Kindern, bei teuren Puppen und auf Bonbonnièren findet, nimmt am Lotto nur aus Jutereffe am Spiele selbst teil. Ihr Gesicht strahlt vor Freude. Wer auch gewinnt, immer lacht sie und klatscht in die Hände. Aljoscha, ein runder dicker Stöpsel, keucht und faucht- und starrt die Karten an. Er kennt weder Geldgier noch Ehrgeiz. Wenn man ihn nur nicht vom Tische wegtreibt und nicht schlafen schickt, so ist er schon zufrieden. Scheinbar ist er ganz Phlegma, doch im Grunde genommen ist er ein kleiner Halunke. Er hat sich mit hingesetzt, weniger um zu spielen, als vielmehr der Zänkereien wegen, die beim Spiele unvermeidlich find. Kolossal freut es ihn, wenn einer den andern schlägt oder schimpft. Er muß schon lange wohin gehen, doch geht er nicht einen Augenblick vom Tische fort, aus Furcht, daß man ihm in seiner Abwesenheit seine Gläserchen und Kopeken wegnehmen. möchte. Da er nur die Einer und die Zahlen, die mit Null enden, kennt, so belegt Anja für ihn die Ziffern.

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Der fünfte Spieler, Andrej, der Sohn der Köchin, ein brauner, kränklicher Junge in einem Kattunhemdchen und mit einem fupfernen Kreuz auf der Brust, steht unbeweglich dabei und sieht träumerisch auf die Ziffern. Zu dem Gewinnst und den Erfolgen der anderen verhält er sich ganz teilnahmlos, denn er ist ganz vertieft in die Arithmetit des Spieles und in deffen einfache Philosophie: Zahlen giebt es nur auf dieser Welt, und daß sie mievier sich nicht untereinander verwirren!

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Mit Ausnahme von Sonja und Aljoscha rufen alle nach einander die Zahlen aus. Da die Zahlen. so ein förmig sind, hat die Praxis bei ihnen eine Maffe Benennungen und komische Bezeichnungen eingeführt. So heißt die Sieben bei ihnen Ofengabel, die Elf Stöckchen, die Siebenundsiebzig Semjon Semjonitsch, die Neun zig Großvater it. f. w. Das Spiel ist im vollen Zuge. Zweiunddreißig!" ruft Grischa, die gelben Steinchen aus des Vaters Müße herausziehend. Siebzehn! fahr nach Danzig!". Feuerhaken! Achtundzwanzig Anja fieht, daß Andrej die Achtundzwanzig verpaßt hat. Bei einer anderen Gelegenheit würde sie ihn aufmerksam machen, jest aber, wo auf der Taffe bei den Kopeken auch ihr Ehrgeiz liegt, triumphirt fie.

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Dreiundzwanzig!" fährt Grischa fort. Semjon, Semjonitsch! Neun!" Ein Pruffat! Ein Pruffat", schreit Sonja auf und zeigt auf einen Käfer, der über den Ai!" Tisch läuft. „Schlag ihn nicht tot!" ruft Aljoscha im Baß. „Er hat vielleicht Kinder."

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Sonja verfolgt den Pruffak mit den Augen und denkt an seine Jungen: was müssen das für kleine Pruffakchen sein! Dreinndvierzig! Eins!" fährt Grischa fort, von dem Gedanken gequält, daß Anja schon zwei Quaternen hat. Sechs!" Sonja, kofelt die Augen zurückwerfend und aus vollem Ein volles Blatt! Mein Blatt ist voll!" schreit Halfe lachend.

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Die Spielenden machen lange Gesichter.

Als der Äelteste und Klügste maßt sich Grischa die entZeigen!" sagt Grischa mit scheuem Blick auf Sonja. scheidende Stimme an. Was er will, das tut man. Man kontrollirt Sonja lange und scharf und zum großen Leidwesen der Spielenden zeigt sich, daß sie nicht betrogen hat. Man fängt ein neues Spiel an.

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Aber was ich gestern gesehen habe!" sagt Anja wie für sich. Philipp Philippitsch hat sich die Augenlider umgeklappt, und da waren seine Augen so rot, schrecklich, wie beim bösen Geift."

„Ich habs auch gesehen!" sagt Grischa „Acht! Und in unserer Klasse ist einer, der kann mit den Ohren wackeln. Siebenundzwanzig!"

und

Andrej blickt nach Grischa auf, besinnt sich und sagt: Ich kann auch mit den Ohren wackeln." „Nu, wackle doch!"

er glaubt, daß auch seine Öhren sich bewegen. Alle Andrej wackelt mit den Augen, Lippen und Fingern,

lachen.

Ein schlechter Mensch, dieser Philipp Philippitsch", zimmer, und ich war im Hemde, das war mir so fatal." feufzt Sonja. Gestern kommt er zu uns ins Kinder

Gewonnen!" schreit plötzlich Grischa und greift nach dem Gelde auf der Schale. Ich hab' das Spiel ge= wonnen. Seht nach, wenn ihr wollt!"

Der Sohn der Köchin sieht auf und wird blaß.
„Da kann ich schon nicht mehr mitspielen"

sagt er kleinlaut. "Weil

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„Ohne Geld

"

Warum?"

weil ich kein Geld mehr habe."

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nein!" sagt Grischa. Jedenfalls

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Es schien nur so..

Waßja, ich will für dich stellen," sagt Sonja: dich.“

Der Gymnafiaft setzt sich und legt zwei Karten vor sich hin. Auja beginnt die Zahlen auszurufen.

Mir ist eine Kopefe heruntergefallen!" erklärt plößlich Grischa mit bewegter Stimme. Wartet!"

.

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Man nimmt die Lampe und kriecht unter den Tisch, die Kopeke zu suchen.

Man greift mit den Händen in Ausgespieenes, Nuß

„In In der Nacht wird nur auf dem Friedhof ge- fhalen, stößt mit den Köpfen an einander, aber die Kopeke läntet.

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sagt Andreas.

Wozu wird dort geläutet?"

Damit die Räuber nicht in die Kirche einbrechen. Das Läuten fürchten sie."

Wozu sollten denn die Räuber in die Kirche einbrechen?" fragt Sonja.

Das ist doch klar, wozu. Um die Wächter totzuschlagen.

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Einen Augenblick herrscht tiefes Schweigen. Alle sehen sich einander an, schandern zusammen, und das Spiel wird fortgesetzt. Diesmal gewinnt Andrej.

Er hat betrogen," sagt mir nichts dir nichts Aljoscha mit seiner Baßstimme.

„Du lügft, ich habe nicht betrogen." Andrej wird blaß, verzicht den Mund ind. patsch! hat Aljoscha eins an den Kopf.

Aljoscha sieht ihn grimmig an, fährt auf, schwingt sich mit einem Knie auf den Tisch und haut Andreas eine Ohrfeige 'rein.

Sie geben sich gegenseitig jeder noch eine Ohrfeige und heulen.

Sonja, der das zu schrecklich ist, fängt auch an zu weinen, und das Zimmer ertönt von mehrstimmigem Geheul. Doch ist das Spiel deshalb nicht etwa aus. Es find noch nicht fünf Minuten vorbei, so lachen die Kinder schon wieder und unterhalten sich ganz gemütlich. Die Gesichter find verweint, aber das hindert sie nicht zu lachen. Aljoscha ist sogar ganz glücklich: es war eine Balgerei. Da kommt Waßja herein, der Tertianer. Er sieht verschlafen und blasirt aus.

„Es ist empörend," denkt er, wie er Grischa in der Tasche greifen sieht, in der die Kopeken klimpern. Kann man denn Kindern Geld geben? Und kann man ihnen denn erlauben, Hazard zu spielen? Eine schöne Erziehung, da hört alles auf! Empörend!"

Doch die Kinder spielen mit solchem Eifer, daß er selbst Bust bekommt, sich mit hinzuzusehen und sein Glück zu versuchen.

„Wartet, ich spiele mit!" sagt er.“

"Set' eine Kopefe!"

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Gleich!" sagt er und sucht in der Tasche. „Eine Kopefe hab' ich nicht, ich set' einen Rubel."

Nein, nein, nein!.. cine Kopefe."

"Ihr Esel! Ein Rubel ist doch immer mehr als eine Kopeke," erklärt der Gymnasiast. Wer gewinnt, giebt mir heraus!"

„Nein, tu' uns den Gefallen und geh!" Der Tertianer zuckt mit den Achseln und geht in die Küche, um sich bei den Dienstboten Kleingeld zu holen. Doch in der Küche ist keine Kopeke zu finden.

Da mußt du mir wechseln!" dringt er in Grischa, als er aus der Küche kommt. „Ich zahle dir extra das für. Du willst nicht? Nu, verkauf mir für einen Rubel zehn Kopefen!".

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findet sich nicht. Man fängt wieder an zu suchen und sucht so lange, bis Waßja dem Grischa die Lampe aus der Hand reißt und sie auf ihren Platz zurückstellt. Grischa sucht allein im Dunklen weiter,

Endlich hat er seine Kopeke gefunden. Man seßt sich wieder an den Tisch, um das Spiel fortzusehen.

„Sonja schläft!" erklärt Aljoscha plöhlich.

Ihr Lockenföpfchen auf die Hände gelegt, schläft Sonja süß, ruhig und fest, als wäre sie schon vor einer Stunde eingeschlafen. Und doch kam das ganz unvermutet, während die andern nach der Kopeke suchten.

Geh, leg' Dich auf Mamas Bett!" sagte Anja und führt sie zum Zimmer hinaus. „Komm!“

Die ganze Gesellschaft führt sie und nach kaum fünf“ Minuten stellt Mamas Bett ein interessantes Bild vor. Da schläft Sonja. Neben ihr schnarcht schon Aljoscha. Mit dem Kopf auf beider Füßen schlafen Grischa und Anja. Auch Andrej, der Sohn der Köchin, hat neben ihnen gerade noch ein Plätzchen gefunden. Daneben liegen die Kopeken verstreut, die bis zum nächsten Spiel ihren Wert verloren haben. Gute Nacht!

Litterarische Chronik.

Her Barbier von Bagdad.

Komische Oper in 2 Aufzügen von Peter Cornelius.

Die sommerliche Opernsaison, welche der unternehmende Direktor Angelo Neumann über Berlin heraufbeschworen hat, brachte als zweite Neuigkeit die komische Oper des längst verstorbenen Peter Cornelius. Vorurteilsfrei wie der präger Impresario erwies sich auch das berlirer Publikum. Eine ebenso glänzende und eine fast ebenso laute Aufnahme, wie die raffinirten Effekthäufungen von Mascagnis Einafter, fanden die diskreten Schönheiten des deutschen Werkes. Unter den Fachleuten war auch vor der berlinér Aufführung schon bekannt, daß die Schlagkraft der Cavalleria rusticana mit skrupellosen und nicht immer musikalischen Mitteln erreicht war, und daß andererseits der musikalischen Meisterarbeit in der Corneliusschen Partitur die lezte Schlagkraft fehle. Peter Cornelius wäre vielleicht als der größte deutsche Musiker der lezten Jahrzehnte bekannt, wenn er nicht das Unglück gehabt hätte ein Zeitgenosse Richard Wagners zu sein. Er ist ihm als Dichter gewiß überlegen, er kommt ihm an Beherrschung der musikalischen Technik manchmal nahe. Und wer weiß, ob Peter Cornelius nicht der Schöpfer einer ebenbürtigen komischen deutschen Oper geworden wäre, wenn die erste Aufführung seines Barbier ihm Erfolg und Aufmunterung gebracht und wenn sein Leben länger gewährt hätte. In die Partitur des Barbier ist eine unglaubliche Menge feinster Melodik und anspruchslos gelehrter

Harmonik hineingeheimnißt. So kann der Musiker, der die Oper vorher studirt hat, selbst da noch hohen Genuß empfinden, wo der unvorbereitete Hörer nur vornehme aber kühle Kompositionen zu hören glaubt. Kenner und Laien sind gleichmäßig entzückt von der originellen Figur des Barbiers selbst, die mit einer unerschöpflichen Fülle komischer Motive charakterisirt ist und deren Komik eine Seltenheit in der komischen Oper immer musikalische Komik bleibt. Diese Partie muß die Oper tragen helfen; und da sie überaus schwer zu singen ist, so verdient Guras Meisterleistung das höchste Lob. Ebenso einig müssen alle Hörer über die Behandlung eines orientalischen Motivs im Gesang der Muezzin sein; Cornelius hat da das Kunststück zu Wege gebracht, die altbeliebten orientalischen Motive sich so anzueignen, daß sie aus dem Stil der deutschen Romantik nicht eigentlich herausfallen. Noch höher steht der große Ensemblesaß im zweiten Atte siebente Szene, wo eine scheinbare Verwicklung von mehreren Chören und Solis sich bald in der einfachsten Weise und wie von selbst in einem gewaltigen zweistimmigen Gesang auflöst. Noch feiner vielleicht sind die intimen Schönheiten zweier Duette, eines kanonartigen im ersten Akte und des Liebesduettes im zweiten. Alles in allem haben die Verehrer des halbverschollenen Meisters nicht zu viel gesagt, wenn sie jahraus jahr ein von den Vorzügen dieser merkwürdigen komischen Oper erzählen. Das aber darf doch nicht verschwiegen werden, daß Cornelius als Dichter wie als Komponist nicht in erster Linie ein Dramatiker war, daß also sein Verschwinden hinter Richard Wagner, dem geborenen Dramatiker, wol zu begreifen und keine Ungerechtigkeit des Schicksals ist. Das geistreiche Libretto schildert selbst die schildert selbst die humoristischen Hauptfigur mehr episch als dramatisch und findet in den kurzen zwei Akten zu viel Zeit für lyrische Stimmungsmalerei. Wenn Peter Cornelius nicht mitunter bewiese, daß er auch in der Instrumentirung die feltsamsten Tonnuancen sehr effektvoll zu verwenden weiß, so könnte man fast sagen, daß er bei außerordentlichen Fähigkeiten die Oper doch zu sehr mit den Mitteln der Kammermusik zu erobern suche und darum nicht leicht Sieger werden könne. Schule machen wird die fast ideale Erscheinung des toten Komponisten nicht mehr. Als tonkünstlerische Persönlichkeit wird Peter Cornelius aber unvergessen bleiben. Cl. Gr.

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Eduard Engel, „Ausgewiesen und andere Novellen“. Dresden und Wien, Verlag des Universum (Alfred Hauschild). Das, was diese Novellen Eduard Engels vor allem auszeichnet, ist der, in unserer Litteratur so seltene, kerngesunde Realismus derfelben. Ieder Charakter, jeder Vorgang, jedes Wort ist ganz aus dem Leben genommen, ist bis ins Innerste wahr; dabei fehlt alles Krankhafte, ungesunde, übertrieben Pessimistische. Und über dem Ganzen schwebt ein zarter Hauch poetischer Verklärung. Die Darstellung ist fein abgemessen, nicht zu breit und nicht zu knapp, charakteristisch und vornehm, jede Extravaganz ist vermieden. Der Stoff jeder der drei Novellen „Ausgewiesen“, „Paraskewúla“, ,,Ein Bekenntnis“ ist nicht ein weltbewegendes Problem, auch nicht ein fraß alltägliches Ereignis, aber jedes Mal ist es ein Menschenschicksal, das unser Herz und unseren Verstand berührt, unz durch seine Tragik erschüttert und erhebt. Die Psychologie der beiden ersten Erzählungen ist meisterhaft, während die der dritten gegen Ende in einem etwas unwahrscheinlichen Umschwung in der Seele eines Geistlichen mangelhaft ist. Das ist aber auch der einzige Fehler des ganzen Buches, das wiederum das Erzählertalent Engels, das er erst kürzlich in der trefflichen Novellensammlung „Wand an Wand" bekundete, aufs Glänzendste bestätigt. E. Höber.

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klärt, und die Wege zu finden trachtet zu einer im höchsten Sinne modernen, auf der Gesamtheit unserer Geisteserrungenschaften fußenden Kultur und zu einer der Kultur gleichwertigen Kunst. Die Entdeckungen Darwins und die Anregungen Nießsches haben dem in der Wundischen Schule erstarkten Denker den Weg gewiesen, welchen rücksichtslos zu beschreiten er den Mut und den Willen hat. Er hat jezt sein Fahrzeug losgebunden und kühnlich dem Spiel der Wellen und Winde übergeben. Sehen wir zu, wie weit er zu steuern. versteht!

Zunächst muß unumwunden erklärt werden, daß die Theorie einstweilen bei Grottewig erheblich stärker ist als die Praxis. Ja, es erweckt Bedenken gegen diese Theorie, daß ihr so wenig Praxis zur Seite steht. Sie befragt mehr die Ideen, als das Leben. Sie glaubt, gar zu viel beweisen zu können, und bedient sich dabei oft einer abstrakt logischen Schlußfolgerung. Sie übersieht, daß das Leben mit Vorliebe unlogisch ist und daß gerade in diesem Mangel an Logit oft sein eigentümlicher Reiz und sein Reichtum wärtigen Formen überwinden könne, ohne sie ganz zu kennen, besteht. Noch hat Grottewiß den naiven Glauben, daß er die gegengeschweige denn zu beherrschen. Ihn beseelt daber ein knabenhaft festes Vertrauen und jener hohe Mut zum Unbedingten, der nur auf dem Boden einer mangelhaften Lebenserfahrung erwächst - der aber auch jederzeit das Anzeichen eines besonders entwicklungsfähigen Gemütes ist. In dieser keck drauflosgehenden Jugendlichkeit und Zuversichtlichkeit liegt ein hoffnunggebendes Element, das mit mancherlei Ünreifheiten und Phantastereien versöhnt, wie man sie einem minder überzeugungsfrohen Schriftsteller kaum je verzeihen würde.

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Ein junger Doktor der Philosophie, der merkwürdigerweise ebenso wie Curt Grottewig in Gemeinschaft mit einem Freunde eine neu-idealistische Broschüre Sonnenaufgang" geschrieben hat, sucht nach dem Zukunftsweibe. Unter dem Zukunftsweibe versteht er eine Frau, die einen modernen Mann verstehen könnte, eine gute, ebenbürtige Lebenskameradin, die mit ihm tollen und streben könnte und mit ihm gehen durch Dick und Dünn“. Er glaubt, daß die Gegenwarts-Frauen das nicht können, daß sie vielmehr einen durch die Tradition von Jahrtausenden vererbten Sklavensinn besigen, daß sie ihre Ehe leichtfertig und ohne Liebe eingehen, und daß sie das ganze Institut der Ehe prostituirt haben. Der Mann seinerseits wird um keinen Deut beffer beurteilt. Er verkauft sich an Frauen, die er nicht liebt, und er gelobt mit heiligen Eiden eine Treue, die er täglich bricht, und die zu halten nicht einmal in seiner Macht steht. Das Zukunftsweib wird sich daher dem Manne hingeben außerhalb einer förmlich geschlossenen Ehe und den Bund nur so lange aufrecht halten wollen, als die Liebe währt. Kommt es zur Trennung, so folgen die Mädchen der Mutter, die Knaben dem Vater. In der Regel aber, so wird uns auseinandergeseßt, wird es zu einer solchen Trennung gar nicht kommen; denn das ideale Band wird weitavs fester und haltbarer sein als jezt das geseßliche. Der Roman soll diese These beweisen.

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Der junge Doktor findet also sein Zukunftsweib. Er entdeckt die Auserwählte im Kolleg bei Wundt und er erkennt sie an ihrem abgeschnittenen Haar und an ihrer Zukunftsnase". Gleich giebt er seinem bisherigen Verhältnis, einem harmlosen, kleinen Mädchen, brutal den Abschied; er trifft sich mit seinem Zukunftsweibe in einem Kaffeegarten, hält ihr dort lange Vorträge über den Neu-Idealismus und, nachdem er mit ihr das Lokal auf einem etwas ungewöhnlichen Wege verlassen hat, macht er sie bei Mondschein unter einem Liebesbaum zu seinem Weibe. Seitdem betrachten sie sich als vermählt, und es ist merkwürdig, daß sie trozdem noch eine Teremonie für nötig halten, in der sie auf Grund eines „Bundesscheines“ und bei den sittlichen Idealen der Menschheit geloben, für ihre Kinder gemeinsam zu gleichen Teilen sorgen zu wollen. Es fragt sich, ob der Bund halten werde. Es scheint, eine Zeitlang, nicht so. Der Mann besucht Gesellschaften, in die er seine Frau nicht einführen kann, und die Frau gewinnt Gefallen an einem feisten Flaps, der sich keine Skrupel daraus macht, die Gattin seines Freundes verführen zu wollen. In der wirklichen Welt würde eine Frau, die von einem so starken, perversen Hange beherrscht wird, diesem Hang erliegen und dabei zu Grunde gehen. Frottewig aber will uns einreden, daß das Zukunftsweib diesen Hang frog brennend naher Versuchung und starker physischer und sittlicher Schwäche überwinden könne. Er sagt es, und wer da kann, möge es ihm glauben. Ich meinerseits glaube es ihm nicht und komme somit zu dem Schluß, daß Grottewiß das Gegenteil von dem bewiesen hat, was er hat beweisen wollen.

In der Schreibweise zeigt sich noch überall die Hand des Anfängers. Manches tommt gar zu absichtlich, manches überraschend ungeschickt heraus. Zuweilen habe ich aus vollem Halse lachen müssen, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich in Grottewig einen versteckten Humoristen vermute. Er besitzt unzweifelhaft Sinn für das Groteske und eine naive Art, sich diesem Grotesken gegenüberzustellen. Vielleicht, daß sich hieraus noch ein Zukunfts-Grottewig entpuppt! Franz Servaes.

– Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W, Körnerstr, 2,

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Erscheint jeden Sonnabend.

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Redaktion: Berlin W., Körner - Straße 2.

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Preis 4 Mart vierteljährlich. Beßtellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazins" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. &

60. Jahrgang.

Berlin, den 4. Juli 1891.

Nr. 27.

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uhalt: Heinz Tovote: Das Modell. Paul Michaelis: Die Freilandbewegung. Hermann Bahr: Das kritische Wolbehagen. Detlev von Liliencron: Zwiegespräch. Curt Grottewiß: Die poetische Ausmünzung von Berlin. - Friß Mauthner: Tote Symbole. Domenico Ciampoli: Verlassen. Litterarische Chronik: D. J. Bierbaum: Die „Modernen" in München. Litterarische Neuigkeiten: André le Bretons Le Roman au 17° siècle", besprochen von Prof. Sarazin; E. Reichenaus „Leben eines Westpreußen“, besprochen von E. Höber; „Erziehung der Eltern“, besprochen von A. D.

Auszugsweiser Nachdruck fämmtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Nachdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

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Gott sei Dank! alle Dummheiten, die ich machen wollte, um mich zu verraten, wurden immer aufs günstigste ausgelegt. Sie stimmten ganz gut zu meiner vermeintlichen Lebensstellung.

Haben Sie gleich Zeit, Herr Schmidt, um mir eine Stunde zu gewähren? fragte Karla. Ich möchte gern die Probe machen.

Ich stotterte, während ich mit dem Kopfe nickte, ein leises: Ja; denn ich hatte mir vorgenommen, möglichst wenig zu sprechen, um die Gefahr für mich nicht unnötig zu vermehren.

„Bitte, wollen Sie nur dort Plaz nehmen! Dann sprach sie mit Franz weiter, aber immer französisch, ebenso wie zu ihrer Freundin Leonie.

„Ich danke Ihnen bestens. Er ist heute noch entfeßlich schüchtern. Über das wird sich hoffentlich mit der Zeit geben. Jezt macht er ein so dummes Gesicht, daß ich ihn absolut nicht brauchen kann. Das scheint | aber nur für den Augenblick; sonst gefällt er mir ganz gut. Er muß bessere Tage gesehen haben, nicht wahr? | Es liegt etwas im Gesicht und in der Haltung. wollen das beste hoffen. Also auf Wiedersehen und nochmals besten Dank."

allein.

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Ich hatte Muße, mir das junge Mädchen in aller Ruhe betrachten zu können. Ich schien für sie als Mensch nicht vorhanden zu sein, dafür war sie es umsomehr für mich.

Schon nach wenigen Augenblicken fühlte ich, daß die Sache bedenklich wurde. Ich wußte, das wurde Ernst; und schon berente ich die abenteuerliche Weise, in der ich ihre Bekanntschaft gesucht. Jetzt war es einmal geschehen, und ich mußte den eingebrockten Brei auseffen.

Ich wurde in die günstigste Beleuchtung gerückt, und sie begann ihre Arbeit, nicht an dem großen Karton, sondern erst eine Probesfizze.

Schon von jung an habe ich es nicht vertragen können, mich photographiren zu lassen. Es ist für mich immer ein unheimliches Gefühl gewesen, als ob man mir etwas stehlen wollte; und nur mit Mühe und Not Wir hat man mich vor einen Photographenkasten gebracht. Jetzt mußte ich hier ruhig sizen, stundenlang, und durfte mich nicht regen, während zwei sehr schöne Augen, die mich nicht wenig beunruhigten, sich auf mich richteten, und mir Zug für Zug stahlen, um ihn auf die Leinwand zu firiren.

So war ich nun mit den beiden jungen Mädchen

Ich hatte mich auf einen Stuhl gefeßt, ein paar

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