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Wir können sie nur bellagen dafür, daß sie so dumm ge= wesen sind, sich den Magen zu verderben, um über unsre Nüchternheit lachen zu können! Jedem das Seine! Das sind Menschen, die nichts Angenehmercs und Liebercs zu tun wissen, als ihren Brüdern das Brod stehlen um zu hohulachen, wenn sie diese aus Mangel an Nahrungsmitteln abmagern sehen. Sie vergessen dabei nur eines: daß es ebenso lächerlich ist, an verdorbenem Magen zu sterben wie am Hunger... an der Dickleibigkeit wie an der Magerkeit . . . und daß sie einst sterben werden, ohne zu lachen, ebenso wie auch wir.

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„Meine Tochter, ich bitte dich, ich flehe dich an โก mich nicht mehr von anderen Dingen sprechen, als von Gehorche mir! Ich bin dein Vater! Sieh, sieh mich hier zu deinen Füßen!"

„Mein Vater! Welche Ueberspanntheit! Ist das vernünftig, was du jezt tuft? Wenn man etwas derartiges von dir sieht, wie kann man dann noch glauben, daß du dich deines vollen Verstandes erfreust, der doch nötig ist, um so lesbare Sachen diktiren zu können, wie in jener Zeit, da du noch selber schriebst?... Glaub' es mir! Es ist im Interesse deines eigenen Ruhmes, wenn wir dich anflehen, dich auf dein Lager zu begeben, um zu ruhen."

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Arne Garborgs „Bei_Mama“.“)

Bon

Fritz Mauthner.

Bei der letzten Jbsen-Feier in Berlin konnte man in bedeutender Entfernung vom Dichter der Hedda Gabler einen Mann bemerken, nach dessen Namen und Stand fast

Die Mädchen waren nicht immer rebellisch zu dem jäh | jedermann fragte. „Arne Garborg, norwegischer Schriftzornigen Greise

Tastend und tappend in der Dunkelheit erreichte er die Lehne eines Sessels, nahe dem Tisch, setzte sich, stüßte sein Haupt in die Hände, und schloß die Augen.

Und plöglich hörte man seine Stimme, langsam und feierlich Er sagte: „Sei gegrüßt, heiliges Licht, erstgeborene Tochter des Himmels

Und nun kam ein Hymnus, wie er seit Generationen nicht erhört war.

Es war ein Ausbruch von Bildern und Gestalten, durch die die Gedanken sich wie flammende Blize sinnbildlich darstellten, und die Stimme, der späten Nachtstunde nicht achtend, erklang tief, vibrirend, melodisch! Ein Engel schien seine Begeisterung zu überwachen, denn es war fast, als höre man das Rauschen von Flügeln in den heiligen Worten, welche er sprach: „Und die Epißen der Väume von Eden erglänzten in den Strahlen verlorener Morgenröten, und der Morgengesang Evas, betend an den ersten Quellen, vor dem ernsten tapferen Adam, welcher schweigend huldigte, und die bläulichen Reflexe von der Schlange, die sich um den verbotenen Baum ringelte, und der Eindruck dieser ersten Versucherin des Menschengeschlechts -o! alles das sang und klang förmlich in der verklärten Darstellung des alten Sehers

Bei diesen Klängen, deren Hauch scheinbar überirdisch war, erschienen die drei Frauen in ihren Nachtgewändern, in der Unordnung des ersten unterbrochenen Schlafes, an der Türe des Saales, wo in der Einsamkeit und von den großen Schatten umringt, der Seher von himmlischen Dingen sprach. Die eine hielt eine Lampe, welche sie mit ihren Händen gegen den Luftzug schüßte, und sie lauschten seinen Worten.

fteller." Arne Garborg fällt nicht durch Schönheit auf, bewahre, auch nicht eben durch Eleganz; wer es aber einvergessen. In städtischer Kleidung ein Bauer, der des mal gesehen, kann das charakteristische Gesicht nicht wieder Lebens Höhen und Tiefen geistig übersieht und doch immer ein Bauer bleiben will. Kein größerer Gegensatz ist denkbar, als der zwischen Garborg und seinem berühmten alten Landsmann Jbsen. Besäße Ibsen nicht seine prachtvolle Stirn mit dem fast symbolischen weißen Haarschopf, er würde mit seinem ganzen Wesen und Benehmen den Eindruck eines kleinstädtischen Philisters machen, der vielleicht Goethe in seinem Laden zur Freude des Beobachters - wie die naturalistisch geschilderten Gewerbetreibende bei ,,mit der Brille auf der Nafe beim Stümpfchen Licht ein Stück nach dem andern auf die Waage legt und ab- und zuschnitt, bis die Käuferin ihr Gewicht hatte." Man traut Ibsen auf sein Aeußeres hin eher zu, daß er das Modell, als daß er der Schöpfer von Miniaturzeichnungen sein fönnte. Und wirklich sind die Züge, die man realistisch zu nennen gewohnt ist, bei ihm gewöhnlich durch ewige Symbolik leicht ins Nebermenschliche vergrößert.

Arne Garborg hat dagegen keinen Zug vom Kleinstädter, vom Städter überhaupt. Wie ein Führer in einem neuen nordischen Bauernkrieg sieht er aus und sieht er drein. Anklagelitteratur ist natürlich auch sein Streben; aber er hat die Gebrechen der Zeit nicht zuerst aus Büchern kennen gelernt wie unsere theoretischen Pessimisten; er scheint heute noch täglich die alte Erde mit seiner Pflugschaar aufreißen zu können. Man begreift, daß der skandinavische Sturm und Drang, der sich jetzt gegen Ibsen richtet, anders auftreten muß, als der deutsche von vor hundert Jahren, der gegen die französischen Formmeister

*) Deutsch von Marie Herzfeld. (Berlin, Verlag von S. Fischer, 1891.)

tobte. Damals, bei uns, waren Pastorensöhne die Treiber; heute, in Norwegen, find es Bauernföhne. Der gewöhn liche Bauer hat nur einen zu geringen Wortschatz, um seine Beobachtungen wiedergeben zu können; was alles in seinem Horizonte er aber sieht, das verräth zu unserm Staunen der Bauer, dem die Zunge gelöst ist, der merkwürdige Arne Garborg.

So ist das aber wieder nicht gemeint, als ob Garborg ohne jede Bücherweisheit aus Werk gegangen wäre. Das ist ja heutzutage leider nicht mehr möglich Insofern ist es nur besser geworden, als die Weltverbefferer ihre allgemeinen Ideen nicht mehraus abstrakten Philosophenschöpfen, sondern vielmehr aus den Forschungen kenntnisreicher und um Tatsachen bemühter Naturforscher und Nationalöfonomen. Arne Garborg insbesondere ist offenbar nationalökonomisch gebildet; und es ist kein Zufall, daß er John Stuart Mills alte Schrift über die Hörigkeit der Frau" in seinem Roman,,Bei Mama" einige Male anführt. Es trifft sich gut, daß Mills grundlegendes Büchlein über Frauenemanzipation eben in neuer Auflage erschienen ist*); man kann den eleganten Logiker so bequem mit dem rauhen Dichter vergleichen.

John Stuart Mill war ein Agitator. Und wie alle solche schlechten Menschen, Agitatoren und Satiriker und ehrliche Bußprediger, welche die Farben nicht schwarz genug auftragen können, war auch Mill ein wahres Kind in seinem Glauben an die unverlierbare Güte der Menschennatur und in seinem Vertrauen auf die Zukunft der Humanität. Er schilderte das Weib als eine entwürdigte Sklavin, aber er sah sie im Geist schon als die eben bürtige und wohl auch auf Händen getragene Genoffin des Mannes, er sah die Gesellschaft zu den schönen Zeiten des Mutterrechts zurückkehren, da die Erzeugerin des Bienenstocks auch seine Königin war und die menschlichen Drohnen zur üblichen Jahreszeit vor die Tür gesezt wurden.

Garborgs Roman liest sich stellenweise wie ein Erempel zu den Lehrfäßen des Philosophen. Aber er wäre fein Dichter, wenn es dabei sein Bewenden hätte. Arne Garborg ist ein ganzer Dichter. Wir sehen allmählich das Schicksal eines Menschen vor uns sich ausleben, und da dieses Schicksal ein typisches ist, so ist „Bei Mama" ein gutes Buch. Ein müßliches obendrein.

Gut, und das soll in diesem Falle einmal wirklich so viel heißen wie schön", ist das Buch durch seinen Kunstwert. Wir sehen das ganze cutsehliche Familien leben der Heldin so lebendig vor uns, als ob es auf der Bühne vor uns stände; dabei sind die Kunstmittel aber so fein, daß wir alles immer nur mit den Augen des heranwachsenden Kranskopfes Fanny erblicken. Ohne daß der Dichter zu einem Tagebuche seine Zuflucht nähme, erweitert sich beim Leser die Erkenntnis des Lebens mit der Entwickelung des Kindes. Wenn wir anfangs nur erfahren haben, daß Vater und Mutter getrennt leben und daß Fanny „bei Mama“ Hunger leidet, so tut sich all mählich der ganze Abgrund vor uns auf, den die Ehe dieser beiden Eltern verdeckte. Und noch höher steigen wir mit der Heldin. Nachdem wir den Vater als einen viehischen Trunkenbold, die Mutter als eine recht leichtfertige, genußsüchtige Gans kennen gelernt haben, giebt es einen Augenblick, in welchem wir mit der Tochter alles verstehen und alles verzeihen und diese Eltern als recht gute, schwache, arme, geplagte Menschenkinder erkennen lernen.

Recht im Gegensatz zu Ibsen steht Garborg, wenn er die Heldin, die Tochter dieser Eltern, im Lebenskampfe

*) Die Hörigkeit der Frau. Von John Stuart Mill. Aus dem Englischen übersezt von Jenny Hirsch. Dritte Auflage. (Berlin. Verlag von E. Berggold. 1891.)

brav und edel bleiber läßt; nicht so lilienweiß freilich, wie die Heldin eines englischen Gouvernanteuromanes sein müßte, aber immerhin unschuldig genug für einen skandinavischen Roman dieses letzten Jahrzchuts vom 19. Jahrhundert. Garborg ist sich dieses Gegensatzes zum Gespensterdichter bewußt Ein kluger Mann sagt einmal zum Krauskopf Fanny: „dergleichen passirt jeden Tag; das einzig Merkwürdige an der Geschichte sind eigentlich Sie selbst... Nach allen möglichen Theorien hätten Sie nämlich dem Teufel in die Klauen fallen sollen. Schlechte Erbschaft, schlechte Erziehung, beides . . . wie, zum Henker, geht es zu, daß Sie nach Allem, was ich merken kann, ein sehr braves Mädchen geworden_sind?"

Der Dichter würde sich über seine eigene Schöpfung vielleicht weniger wundern, wenn vielleicht weniger wundern, wenn er sich klar darüber wäre, daß es ihm auf etwas ganz Andres ankam, als dem Nationalökonomen und dem Dramatiker. Diese beiden sind einander nämlich darin ähnlich, daß sie beide nur mit Tatsachen, mit Geschehnissen, mit Handlungen rechnen können. Mit den inneren Seelenkämpfen, welche der Epifer uns so hübsch erzählen darf, weiß weder der Gelehrte, noch der Regisseur viel anzufangen. Solche Gefühle sind zu fein für das grobe Sieb des Statistikers, wie für die groben Sinne des Theaterpublikums. Und Garborg hat sich gar die fast zu intime Aufgabe gestellt, das sexuelle Problem, das ja die ganze gegenwärtige Litteraturbewegung in Skandinavien beherrscht, da zu lösen, wo es am unzugänglichsten erscheint, ein Mädchen zu schildern, das mit aller Neugier und allen Sinnen, inmitten einer gefährlichen Umgebung, naiv und brav vierundzwanzig Jahre alt wird, gegen das Schicksal kämpft, und endlich müde gehegt von innern und äußern Drangsalen, um den Preis einer italienischen Reise, die brave Gattin eines kleinen alten Beamten wird, den sie seit vielen Jahren nur den Tod von Lübeck" genannt hat.

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Ich glaube nicht, daß Arne Garborg die bewußte Absicht hätte, bei diesem Seelengemälde die Prüderie zu schonen. Viel eher glaube ich, daß die indirekte Darstellungsweise von selbst allzu verletzende Einzelheiten ausschloß. Wie wir den ganzen Lebenskreis mit den Augen der kleinen Fanny sehen, so auch ihre eigenen verbotenen Gedanken. Und da das Kind schamvoll ist, so wird auch die Scham der Prüden nur äußerst selten verletzt. Und doch jagt Garborg mit seltener Kunst alles, worauf es ankommit. Namentlich das schwierige Kapitel, das uns Fanny mit ihren beiden Gespielinnen zeigt, wie sie sich auf dem Henboden verstecken und einander Dienstbotengeschichten zuflüstern, ist ein kleines Meisterwerf geworden. „Bei Mama“ ist natürlich auch ein wenig Tendenzroman; ohne Tendenz zu schreiben wäre ja gar nicht mehr modern. Ganz zum Schlusse des Buches erfährt Fanny, daß all die kleinen Seelenbeschwerden, welche sie wie ein heimliches Schandmal quälten, nicht ein Zeichen besonderer Schlechtigkeit waren, daß es anderen Mädchen nicht anders ging. Und da atmet fie auf. Die ärgfte Frage ihres Lebens war nun gelöst."

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Ich fürchte, Arne Garborg hat mit diesem Buche die ärgste Frage des Frauenlebens doch noch nicht gelöst. John Stuart Mill wird mit seinen praktischen Fragen immer wieder auflopfen und das, was den Epiker am meisten interesfirt, zu den Imponderabilien rechnen, um welche sich ein rechter Wissenschaftler nicht zu bekümmern habe. Wir aber lernen dabei, daß ein Menschenleben weder vom Statistiker noch vom Dichter vollständig geschaut werden kann. Seien wir zufrieden, wenn sie einander zur Not ergänzen.

Litterarische Neuigkeiten.

Dr. Heinrich Pudor: Sittlichkeit und Gesundheit in der Musik. Dresden-N., Verlag von Oscar Damni. 1891. Pudor behauptet in seinem Schriftchen, daß die heutige Musik vollkommen krank sei: „Die Zeit Wagners war frank. Deshalb war er frank. Deshalb war seine Musik krank." Man müsse zu Johann Sebastian Bach zurückkehren. „Die Bachsche Musik ist gefund. Bach freut sich am Leben. Bach ist Blume und Blüte der deutschen Volksfeele“. „Bach ist drunten im lieblich:n Tale, wo munter die Bächlein fließen, wo Wiesen grünen, wo Blumen blühen." Bernünftig sei schon, von Wagner zu Bizet überzugehen, wie Nietzsche getan, oder zu Mascagni. „Mascagni kommt von Bizet her. Seine Musik ist gesund. Auch sie läuft auf zarten Füßen." Sie ist nicht nervös. Sie hastet nicht, sie hustet nicht. Sie pestet nicht, sie pustet nicht. Sie ist liebenswürdig, sie „schwigt“ nicht. Aber am besten sei es, den Berg ganz hinunterzulaufen bis zu Bach. Das Schriftchen wäre ganz vernünftig, wenn es vernünftiger geschrieben wäre. A. D.

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K. Gedan: Egbert. Schauspiel in fünf Aufzügen. Basel, Benno Schwabe. 1891.

Ein unmögliches Stück in unmöglicher Sprache! An einigen Stellen glaubt man eine schlechte Prosa-Uebersezung eines französischen Stückes überwundenster Zeiten vor sich zu haben: „Es ist mein Herz, welches spricht!" Die im Stücke behandelten Themata werden in langweiligster Antithesendialektik von allen Seiten beleuchtet und die einzelnen Betrachtungen, z. B.: über die freie Liebe, den verschiedenen Personen nach einem nicht ganz durchsichtigen Verteilungsplane zugewiesen. Denn, von Charakterzeichnung keine Spur! Die Personen des Stückes lieben und hassen, verloben sich und verzichten, glauben und zweifeln, wie sie kommen und gehen, nach der augenblicklichen Laune des Autors. Man wird an das Boss-Puzzle-Spiel crinnert. Der Autor schiebt die Personen wie die Steinchen hin und her, um sie zum Passen zu bringen, aber er hat das Geheimnis nicht gelöst und muß zulezt doch einen Stein herausnehmen. Dieser Stein ist Egbert. Daher der Name des Stücks. A. D.

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Humanus: Dic naturgemäße Entwicklung des Menschen und Goethes Faust. Eine neue Würdigung der Faustdichtung. Leipzig, I. G. Findel, 1891.

Der Autor behauptet, daß die menschliche Entwicklung sich nach dem Schema: Hingabe, Verinnerung und Verleiblichung vollziehe. Die Hingabe schafft den zu verarbeitenden Stoff, die Verinnerung zieht die Quintessenz aus dem Stoffe, die Verleiblichung ist ein Formen des im Lebensprozeß Gewonnenen, zuerst nach innen, dann nach außen. Der Autor behauptet, daß Goethe den Faust sechsmal diesen dreigeteilten Entwicklungsgang durchmachen lasse. Der Autor behauptet und führt mit seinen Behauptungen ein sehr schönes, reich mit ornamentalem Beiwerk versehenes G bäude auf. Nur schade! er rechnet bei seinen Beweisen zu stark auf die gutmütige Folgsamkeit seiner Leser. Von großer Wichtigkeit ist ihm das Citat von den zwei Seelen:

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Otto Mora und H. Thoele: Heidnische Geschichten. Novellen aus dem Altertum. Leipzig, W. Friedrich.

Die hier dargebotenen zwölf heidnischen Geschichten" verdienen die Bezeichnung Novellen nicht. Es sind kleine Erzählungen, Skizzen, Sittenbilder, die Episoden aus dem Leben bekannter und unbekannter Persönlichkeiten des römischen und griechischen Altertums behandeln. Wie es bei allen ähnlichen Erzählungen ist, so auch hier: vor der Dichtung tritt die Wahrheit mehr oder weniger zurück. Doch sind die dargestellten Charakteré glaubhaft und interessant, und der Stoff, der bald tragisch, bald humoristisch ist, entbehrt nie des Fesselnden. Vor allem aber sind die Erzählungen und das ist meiner Meinung nach das beste an dem Buch in einem sehr flotten, frischen und gewanten Stil geschrieben, der sich jeder Situation anzupassen weiß und nie den Leser ermüdet. Freilich muß man noch einige Schwächen mit in den Kauf nehmen. So wird z. B. in zu vielen Erzählungen über den Unterschied zweier philosophischer Richtungen, besonders der stoischen und der epikuräischen, gesprochen, und das noch dazu meistens in ziemlich oberflächlicher Weise; oder, in anderen Erzählungen, zu oft von dem Gegensaß des alten Götterglaubens und des Christenglaubens. Auch artet der flotte Erzählungston manchmal 3. B. in der Schilderung des Perikles und seiner Zeitgenossen in dem Sittenbild Jeunesse dorée" in einen etwas derben Bierhumor aus, sodaß man kaum weiß, ob die Geschichten ernst gemeint sind oder ob sie eine Satire oder Parodie auf das Leben und Treiben der Alten sein sollen. Immerhin ist das Buch in seiner gefälligen Anspruchslosigkeit eine Lektüre, die manche Leser finden und fesseln wird. & Höber.

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Wikmann: Meine zweite Durchquerung Afrikas. 1891.

In dem vorliegenden Bande schildert H. v. Wißmann in knappster Der Weise seine Arbeiten während der Jahre 1886 und 1887. König von Belgien ließ Wißmann die freie Wahl, entweder an der Verwaltung der Kongostaaten sich zu beteiligen, oder seine angefangene Forschung zu vollenden. Wißmann wählte das lettere, da er dann sein eigener Herr sein konnte, während er im anderen Falle dem General-Gouverneur der Kongostaaten unterstellt wurde.

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Bezeichnend ist, daß schon während seines Aufenthalts in Madeira v. Wißmann sich an den damaligen Kronprinzen, nachmaligen Kaiser Friedrich, mit der Bitte wante, in dem deutschen Kolonialgebiet angestellt zu werden. Da sein Gesuch kein Gehör fand, begab er sich auf Reisen in den Kongostaat, wo er bald mit seinen ihm sehr befreundeten Gefährten Stabsarzt Wolf, derselbe ist seither in Togo während der Lösung seiner ihm gestellten Aufgabe vom Leben zum Tode abberufen worden zusammentraf. Mit Genugtuung sieht Wißmann, daß Wolf eine florirende Station angelegt hat, und mit seinem Freunde begiebt er sich zu den Baschilange, welche Wißmann jubelnd empfangen. Mit Vergnügen liest man den Teil der Erzählung, in welchem Wißmann die von ihm unter diesem Völkerstamme eingeführten Verwaltungsmaßregeln schildert.

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Weiteres Vordringen in dem Lande der Baluba wird durch Munitionsmangel und das feindliche Verhalten der Eingeborenen verhindert, und Wißmann fehrt nach seiner Station Luluaburg zurück. Nach längerem Aufenthalt auf dieser, wird Wißmann durch die Ankuunft des Dolmetschers Germano mit Warenvorräten in den Stand gefeßt, seine längst geplante große Reise ostwärts anzutreten. Während dieser lernt Wißmann den Sklavenhandel der Araber in seiner ganzen Scheußlichkeit kennen, besonders da er bei längerem Aufenthalte unter den leßteren Gelegenheit hatte, deren Treiben und Tun aus nächster Nähe zu beobachten. Jedenfalls ist es diese Periode seiner Reisen, in welcher Wißmann die tiefe Abneigung gegen das Arabertum faßte, gegen welches er, wie er selbst sagt, später berufen wurde, den tötlichen Schlag zu führen. Trog der großen Eile, mit welcher das Buch geschrieben ist, giebt es doch eine wolgeordnete Uebersicht über die Arbeiten Wißmanns und dürfte einen großen Leserkreis mit lebhaftem Interesse erfüllen.

Verantwortlich: Dr. Curt Grottewiß, Berlin, Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Körnerstr. 2,

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Brscheint jeden Sonnabend. Preis 4 Mart vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazins“ entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. ❖ Preiß der Einzelnummer: 40 Pfg. &

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Nr. 21.

Anhalt: Marie v. Ebner-Eschenbach: Margarete. Dr. Albrecht Schüße: Die internationale Kunstausstellung. II. — Rudolph Genée: Shakespeares dramatische Werke. Curt Grottewiß: Das Journal der Goncourt. Maurice R. v. Stern: Gedichte. Friz Mauthner: Das Dreier-Denkmal für Haydn, Mozart und Beethoven. Multatuli: Der Banjir. E. Rosmer: Erblindend. Litterarische Chronik

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Auszugsweiser Nachdruck sämmtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Machdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Margarete.

Von

Marie v. Ebner-Eschenbach.

(Forthegung.)

Robert blieb stehen, und sie sprach:

„Ich möchte wiffen, ob ich Ihnen nur ein Mal etwas anderes gewesen bin, als ein verkörpertes Unglück, an dem Ihre Barmherzigkeit sich zu üben verlangte?... Ob ich Ihnen einen Augenblick etwas durch mich selbst gewesen bin etwas, das nur ich Ihnen sein konnte ich, Margarete!"

„Nein!" wollte er ihr antworten, abgestoßen durch die Entschiedenheit, mit der sie einen persönlichen Anspruch auf ihn erhob. Aber noch hielt er an sich, unterdrückte erschrak, als sie selbst es aussprach:

das Wort und

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„Nein... Nein also!"

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Sie brauchen nichts mehr zu sagen", fuhr sie nach kurzer Pause in flammender Erregung fort. Sie brauchen den Mund nicht zu öffnen, denn Ihre Augen schreien!... Ich bin Ihnen nichts gewesen nichts... Sie haben mir mit vollen Händen gegeben, aber was war das? was half mir das?... Was giebt man denn, wenn man nichts giebt von seinem Selbst?"

,,Sie find toll!" rief er, und der ganze Widerwille, den der Ausbruch einer Leidenschaft, die er nicht teilte, in ihm entfesselte, kam in dem Ton dieser Worte und in der unsäglich wegwerfenden Geberde zum Vorschein, mit der er sie begleitete.

„Toll? o nein!... ganz bei Verstand, ganz klar. Ich

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und lernen

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Ihre Stimme wurde immer weicher und flehender: „Mehr als getilgt ich steh' in Ihrer Schuld, ich bereue, ich will büßen... Legen Sie mir eine Buße auf die schwerste!... Wie kann ich Ihre Verzeihung erringen? die schwerste!... Wie kann ich Ihre Verzeihung erringen? Was Sie gebieten, werde ich tun: in die Schule gehen in die Kirche gehen und beten Glück für Sie, um Kraft für mich... Verlaffen Sie mich nur nicht ganz! kommen Sie nur monchmal zu mir wenn auch noch so selten wenn auch nur in Wochen, in Monaten ein einziges armes Mal, in einem verlorenen Augenblick... Tun Sie das, und ich werde wieder an die Güte glauben, an die Barmherzigkeit . . . Werden Sie kommen manchmal kommen, Herr?" Sie beugte sich noch tiefer, ihre Stirn berührte beinahe die Erde - aber diese Unterwürfigkeit rührte ihn nicht, sie reizte ihn, und ohne Zögern sprach er:

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Und so war es denn ein unerbittliches „Nein“, das er dem Weibe zurief, das sich weinend zu seinen Füßen wand, und das Abschiedswort, mit dem er sie verließ, ein Schwur, ihre Schwele nie wieder zu überschreiten.

Ein Schrei rasender Klage gellte ihm nach. Margarete

warf sich jammernd auf die Stelle des Bodens nieder, die eine Spur von seinem Blute trug.

So fand sie nach einer Stunde der zurückkehrende Steinau.

Mit Unwillen betrachtete er sie, die sich bei seinem Eintreten nicht regte und sprach:

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Nun Margarete, wollen Sie sich nicht erheben aus Ihrem Jammer? Sie wollen nicht? Auch gut. Aber gestatten Sie mir, Ihnen Ihre Lage wenigstens etwas bequemer zu machen."

Er holte ein Kissen herbei und schob es ihr unter den Kopf. Dann sette er sich ruhig ihr gegenüber.

„So. Jezt wird gewartet, bis es Ihnen genehm sein dürfte, Notiz von meiner Gegenwart zu nehmen. Endlich werden Sie sich doch herbeilaffen aufzustehen. Sie find freilich ganz prächtig in dieser theatralischen Stellung, mit diesen rollenden Augen, diesem aufgelösten Haar, diesen

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Margarete gab keine Antwort, aber sie richtete sich langsam auf und begann ihre Haare in Ordnung zu bringen.

Steinan ließ sie nicht aus den Augen.

„Der Heilige hat Sie also verworfen. Wäre das nicht der richtige Moment, um ein Bündnis mit dem Unheiligen zu schließen? Wir würden uns verstehen, Sie, und ich. Wir haben daffelbe Schicksal. Wir lieben und werden nicht wieder geliebt."

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Vergleichen Sie sich doch nicht mit mir!" rief Margarete.

„Und warum nicht? Sie verschwenden die schönsten

Gefühle an einen, der gegen Ihren Zauber gefeit ist, ich verschmachte vor Sehnsucht nach Ihnen, der ich nicht mehr bin als der erste beste. „Ich verschmachte,“ wiederholte er übrig habe an Vernunft, schwebt über dem Abgrund meiner mit bitterer Selbstverhöhnung. „Alles, was ich noch Leidenschaft, sieht ihrem Toben zu und muß beschämt geEs giebt nur stehen: Die ist echt und unüberwindlich. ein Mittel, sie vielleicht los zu werden:

ihr auf Gnade und Ungnade ergeben.“

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Steinau stand auf und trat zu ihr: „Statt sich der Verzweiflung zu überlassen — was doch gar zu schmeichelhaft für ihn wäre - überlassen Sie sich meiner Führung. Wir sind Leidensgefährten, daraus kann eine gute Kameradschaft werden. Gehen wir denn als gute Kameraden ein Stück Weges durch das Leben. Ich suche Heilung, Sie suchen Vergeffen, wir können eins durch das andere finden, was uns not tut.“

„Vergessen wäre gut," sprach Margarete. Sie mich vergessen lehren? trauen Sie sichs zu?“

„Werden

„Mir- und der Welt," erwiderte er und streckte ihr

feine Hand entgegen, in die Margarete langsam die ihre

finken ließ.

XII.

Graf Steinan schien die ganze Stadt zur Vertrauten des Glückes machen zu wollen, das er mit Margaretens Gunst errungen hatte. Die bisher völlig unbekannte Schönheit wurde als seine Geliebte zum Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Man sprach viel von ihr in der Gesellschaft, fie feierte die größten Triumphe, sie kam in die Mode. Es gab Leute, die ihr eine glänzende Zukunft prophezeiten. Sie wird ein Dußend GrandSeigneurs ruiniren und den dreizehnten heiraten, hieß es. Alle jungen Herren waren in sie verliebt, und die alten waren es noch mehr. Sogar die Damen, besonders die eleganten und gefeierten, bewunderten von weitem die „berühmte" Margarete, die außer ihrer königlichen

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