Billeder på siden
PDF
ePub

passirt, ohne Zeit zum Verweilen zu haben, ein SchlaraffenLand der Jugendträume und der stillen Märchen, die Heimat des mun fast vergessenen Glücks der Unbewußtheit, der Resignation und Genügsamkeit.

Ich komme zum Schluß wieder zu meinem Ausgangspunkt zurück: daß Topsöe der Dichter der dänischen Erotik par préférence ist. In dieser Eigenschaft brachte er das Neue und Bedeutungsvolle in seiner Produktion hervor; in ihr liegt seine litterarische Kolonisationsarbeit; es ist ein fleines Stückchen Land, das unmittelbar an alte Kulturerde und die geschlagenen Wege grenzt, aber es war doch jedenfalls vorher ein Brachfeld gewesen. Dadurch wurde seine litterarische Arbeit auf Grund ihres Wesens wertvoller und fruchtbringender, als die ganze Problemlitteratur der Geschlechtsfrage, die Tendenzlitteratur über Frauen-Emanzipation und die freie Liebe“, die später soviel Staub in Skandinavien aufwirbeln sollte; denn während diese ein steriles Erörtern toter Dogmen war, hat Topsöe doch eine Region der wirklichen, lebendigen menschlichen Natur klargelegt.

[ocr errors]

Da indeffen diese Region von fast exclusiv nationaler Art ist und Topföe selbst mit seinem Dichterblick nicht über die Grenzen des dänishen Temperaments hinaus reichte,erhielt alles in seiner Produktion kleine Proportionen. Er gelangte selten weiter, als zur Schilderung dänischer Durchschnittsnaturen, ja, seine Analyse ist eher eine Analyse typischer dänischer Volkseigentümlichkeiten, als individualisirter dänischer Temperamente. In das tiefe Persönliche drang er ebensowenig hinab, wie in das tief Menschliche. Seinen Menschen fehlte in einem gewissen Sinne Geschlecht und Seele; sie sind aufgelöst in lauter Sensationen und Gefühle ohne Mittelpunkt. Er zeichnete mit sicherer Hand ein zartes, schwieriges Schattenspiel ab, aber dieses bewegte sich dicht unter der Oberfläche der Scele. Seine Schilderungen sind weder tief, noch flach, weder warm noch kalt; sie sind Mitteltiefe und Mitteltemperatur; sie sind lauwarm, wie das Wasser eines Teichs im Sommer. Die seltsame Welt, die sich unter dein Niveau regt, das er sah, das Grenzgebiet zwischen Physis und Psyche mit seinen noch groteskeren Gegensätzen, seinem Knäuel finnlicher Empfindungen und seelischer Empfindungen, seinen burlesken oder tragischen Vereinigungen der kraffesten Tierheit und subtilsten Menschlichkeit, mit der vulkanischen Wärme großer Leidenschaften und den Medusenhäuptern perverser Monomanien, diese andere Welt kannte er nicht. Wenn er ein einzelnes Mal, wie in der Episode von Felix' Selbstmord in Jason", sein Senkblei in diese hohe See hinabgleiten ließ, jo brachte er nur ein isolirtes Resultat herauf, das er nicht zu erklären wußte. Topsöe entdeckte und bearbeitete die oberste Schicht, unter ihr befinden sich noch ganz anders reichhaltige Adern.

[merged small][merged small][ocr errors]
[merged small][ocr errors][merged small][merged small]

[ocr errors]

„Ja, mein Sohn, so gefällst du mir! Nur nicht sentimental! Wir beide kennen uns doch gut genug, um zu wissen, wie modern wir sind! - Uns sind Dankbarkeit, Vaterliebe, Pietät u. dergl. Antiquitäten für den Trödlerladen. Nein, mein Junge, wenns darauf ankäme, so würde ich dich ebensoviel und ich will höflich sein! tausendmal mehr fürchten müssen als alle die anderen. Auch ich kenne vom greisen König Marke ein altes Stück und möchte nicht gern den Bock zum Gärtner sehen. Aber modern, wie wir sind, werden wir durch weit edlere Bande aneinander gefesselt und vor Trenbruch bewahrt: ich meine die Bande der Interessen.“

[ocr errors]

Leo erwiderte das cynische Lächeln des alten Herrn und sagte:

„Ich danke Ihnen, lieber Onkel, jezt bin ich wieder auf der geistigen Höhe, auf der Sie mich haben wollten.“ Bleibe dafelbst, und wir werden uns stets verstehen. Es wäre ja geradezu lächerlich, wenn ich dich fürchten. wollte. Erstens bist und bleibst du der Erbe meiner Güter Kinder hat man in meinem Alter nicht mehr. | Hingegen würdest du

[merged small][ocr errors]

Enterbt werden „Selbstverständlich.

das weiß ich."

[ocr errors][ocr errors]

Und du weißt auch wol, was ein armer, schuldenbeladener Diplomat bedeutet. und mehr noch: durch meine Konnerionen und Empfeh= lungen bist du geworden, als was ich dich vor mir sehe. Es ist nicht viel, aber es wird mehr werden. In dem Augenblicke aber, da ich meine Hand von dir ziehe— Mir schaudert davor."

[ocr errors]

Siehst du! Aber es giebt noch mehr Unannchmlichkeiten, die ich dir in jenem Falle bereiten würde. Ich brauchte z. B. nur deine Wechsel aufkaufen und dir am nächsten Verfallstage höflichst präsentiren zu lassen —“ „Hören Sie auf!“

„Du siehst also nach alledem, daß ich einem so modernen jungen Manne meine zukünftige Braut ruhig auf fünf Wochen anvertrauen fann wie ich die ernste Absicht habe!"

[ocr errors]

Leo fuhr empor: „Onkel, Sie treiben Ihren Spott mit mir!"

„Keineswegs! Nur dazu hab' ich dich hergerufen. Höre zu: Leonie ist durch die Abgeschlossenheit, in der ich sie mit Absicht hielt, ein wenig blutarm geworden. Der Arzt fürchtet den Ausbruch einer ernsten Krankheit, wenn nicht sofort etwas Durchgreifendes für ihre Ge

sundheit geschieht.

[ocr errors]

Besuch eines Stahlbades, Zer- | als ein ehrlich arbeitender und ehrlich liebender Mensch streuungen und dergleichen. Nun bin ich aber leider durch die Welt zu schlagen. Ich sehe ein, daß eine Verdurch die Situngen meines Landtages ich begreife | söhnnng zwischen uns unmöglich ist, darum darf ich es nicht, was diese Leute immer zu fißen haben ich ohne Schen aussprechen, wie sehr es mir leid thut, nie regiere ja so väterlich für sie, durch meinen Landtag, mehr Ihr kluges, spottendes Auge auf mir ruhen zu sage ich, verhindert, ihr Gesellschaft zu leisten und sie so sehen; doch glaube ich, daß es besser so ist, denn ich muß persönlich vor dem Rechte der Jugend zu schüßen, dem fürchten, daß ich mich nie mehr zu der von Ihnen gesie rettungslos anheimfallen muß. Tante Regina, die sie forderten Höhe der Lebensanschauung emporschwingen natürlich begleitet, ist eine Duenna, wie sie die Phantasie werde. Ich bin ein simpler Idealist geworden. Als eines Boccaccio bequemer nicht ersinnen konnte, und | solcher hätte ich Ihnen noch manches zu sagen, was Sie daher habe ich dich ausersehen aber lächerlich finden würden; so bleibt nur das eine, das ich Ihnen abzubitten habe: daß ich die Weiber so naseweis beurteilte, ohne das Weib zu kennen.

„Die Gouvernante Ihrer Braut zu spielen danke!"

[ocr errors]

ich

„Ich glaube, lieber Sohn, meine Freundschaft ist es wert, für einige Zeit der Kavalier einer schönen, jungen Dame zu werden. Ich finde nichts Demütigendes in dieser Rolle."

[ocr errors][merged small][ocr errors][merged small]

„Deine Pflichten sind nicht beschwerlich. Du hast fremde, junge Leute von ihr fern zu halten, auf Spazier gängen ihr steter Begleiter zu sein und derweilen das Lob deines Onfels zu singen."

[ocr errors]

für

Ihr

Leo v. Njelsberg.

IV.

Excellenz v. Njelsberg an seinen Neffen.

Lohenstein, den 13. Juli 188-.

Du Schlingel!

Durch Tante Regina, die Du so freundlich warst, mich in Pyrmont zurückzulassen, erfuhr ich bereits alles. Du bist ein durch und durch ungeratener Sohn; denn nach der Mühe, die ich für Deine Erziehung aufLeo lachte hell auf, und die Excellenz stimmte gewendet habe, hätte ich Dich kaum für so dumm gemeckernd wie ein alter Spitzbube ein. Dann reichte er ihm die Hand und sagte:

[blocks in formation]

Ich erlaube mir, Ihnen hiermit anzuzeigen, daß ich mich heute mit meiner Schußbefohlenen, Fräulein Leonie Walter, ehelich verbunden habe und bitte ergebenst um Ihren Fluch. -Sie haben mich so modern erzogen, daß es mir ein gewisses Vergnügen bereiten wird, ihn auf meine Schultern zu nehmen. Da Sie mich von den Pflichten der Pietät, Dankbarkeit und Kindesliebe selber entbunden haben, so habe ich einfach von dem ,,Rechte der Jugend" Gebrauch gemacht, das Sie selbst feierlichst proklamirten. — Mit meinen verlegten Interessen. mich abzufinden, lassen Sie meine Sorge sein. Es wird eine nie versiegende Quelle des Lebensgenusses für mich werden, mich ohne Ihr Erbe und ohne Ihre Empfehlungen |

[ocr errors]

halten, daß Du so rasch und ohne die leiseste Ahnung in die von mir gestellte Falle gehen würdest. Meine Kalkulation war folgende: Was erlaubt ist, reizt ihn nicht; da ihm aber alles erlaubt scheint, so wirst Du armer, alter Liebesinvalide in die Grube fahren müssen, ohne den mindesten Trost, Deinen Namen würdig fortgepflanzt zu sehen. — Du mußt ihm also ein Weib mit so hohen Mauern umgeben und so viel Verbote rings um sie zum Himmel türmen, daß seine Begierde angefacht wird, fie alle zu durchbrechen, gleichzeitig aber ein Hinterpförtchen offen laffen, damit seine Ehre dabei keinen Schaden nehme. Nur so kann er den Wert des Weibes schäßen lernen und in reiner Neigung für sie erglühen. Gieb ihm unter den Millionen Weibern auf Erden ein einziges, das er selber glaubt, nicht besißen zu dürfen, und die schlummernde Leidenschaft seiner Jugend wird sich darauf stürzen.

[blocks in formation]
[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

Wenn eine Schrift einen solchen Titel hat und im Nebrigen sowohl durch das Motto, als einen noch zu erwähnenden Brief an Zola zeigt, daß der Verfasser Französisch getrieben und auch sonst sich auf weltmännische Manieren versteht, so sagt man sich entweder, daß derselbe den von andern bereits zu einem vorderhand noch nicht ersichtlichen Zweck geschwäßten Unsinn seinerseits zu einem ebenfalls noch nicht ersichtlichen Zwecke schwägen werde, oder aber daß er neuen hinzuschwätzt. Das leßtere thue nun Ich. Und zwar in so rührend einfacher und auffallend wenig versteckter Weise, ohne allen Bimborium, ohne Heine oder Papa Hamlet-Mystifikation, daß man das Ganze wirklich als die beste Behandlung des Unsinns ansehen und auch der Neid zugestehen wird: Ja, das kann er!

Nachdem man jezt die Ueberzeugung gewonnen haben wird, daß ich das Problem des Unsinns gelöst, will ich darangehen, zu zeigen, wie ich auf den leßteren gekommen bin. Dabei muß ich mir allerdings kleine Intimitäten erlauben, muß erzählen, daß sich von meinem grauen Schlafrock die rote Borde abtrödelt und daß meine große Zehe sich vorn im Strümpfchen ein Löchelchen gebohrt hat, so daß sie, wenn ich aus meinem Maurerpfeifchen rauchend auf dem Sophachen liege und die Beinchen aufs Tischchen strecke, den Stöpfel der Wasserflasche auf und ab bewegt.

Wenn das den Leser nicht genirt, mich genirt's nicht.

In meiner Kindheit, in der ich schon sehr genau acht gab, wieviel Knöpfe Vater an seiner Weste hatte, wieviel Zwecken

|

mir auf den Stiefelabfäßen saßen und wie sich eine Kartoffelschale von der andern unterschied, konnte ich gar nicht begreifen, wie Alexander der Große nicht lieber bei Muttern ge= blieben oder wenigstens, falls er wirklich seine kleine Bude in Mazedonien verlassen mußte, nicht in so ein gemütliches, häusliches Gebietchen wie Holland gegangen war. In Holland! Was das für ein saugemütliches Land sein mußte! . . . . Dort mußten Kartoffeln und Quark entschieden schöner schmecken und die Sauerkrautstauden noch viel, viel wilder wachsen! Diese Worte frappirten mich:

In Holland! Was das für ein saugemütliches Land sein mußte!... Dort mußten Kartoffeln und Quark ...

Sicher, hier stak das Problem des Unsinns. Hier konnte ich es beobachten in leibhaftiger Gestalt, hier mußte ich es fassen. Indessen zuvor machte ich eine Reise. Nach Holland . . Dort mußten Kartoffeln und Quark entschieden schöner schmecken und die Sauerkrautstanden noch viel, viel wilder wachsen!

Ich reiste also nach Holland. Auf der Nordsee konstatirte ich, daß die Luft nach Wasser roch, in Rotterdam sah ich ein Butterfaß, in Brüffel nichts und in Paris Zolas kritische Werke. Diese studirte ich in einem Zimmerchen, das mir sehr gefiel, weil es fünf Treppen hoch lag. Hier bemühte ich mich zu entdecken, was vorher schon andere, z. B. ein gewisser Lemaitre, entdeckt haben sollen, daß Zola weder überhaupt ein Theoretiker noch auch ein Theoretiker des Unfinns ist.

So ging ich denn wieder zurück nach Hause in meine Bude, studirte zwei Winter und entdeckte:

Nie hätte man nachweisen können, daß das, was ich Unsinn nenne, auch der Entwicklung unterworfen ist, wenn das, was ich eben Unsinn nenne, gar nicht existirte, und nie hätte ich ein Buch über den Unsinn schreiben können, wenn ich nicht existirte.

Wer

So hatte ich das denn entdeckt, und auf diese Entdeckung baute ich weiter. Natürlich kann das Gesez des Unfinns nur aus der Beschäftigung mit dem Unsinn und liebevolles Versenken in denselben gewonnen werden. Das that ich denn nach Kräften. Indessen war die Aufgabe selbst für mich unlösbar, da das Material an Unsinn zu groß ist und täglich neues hinzukommt. So sagte ich mir denn: Liegt der Unsinn einem gewissen Complex von Tatsachen zu Grunde, so liegt dieser selbe Unsinn auch jeder einzelnen Tatsache zu Grunde. das nicht glauben will, den weise ich bloß auf meine Schrift hin, deren einzelne Teile den. Unsinn darstellen, weil die Gesamt-Schrift den Unsinn darstellt. samt-Schrift den Unsinn darstellt. Ich nehme also anstatt des Gesamt-Unsinns einen besonderen Unsinn heraus, ein einzelnes Werk, also z. B. die Sixtinische Madonna oder Menzels Eisenwalzwerk. Indessen zufällig könnte sich der Unsinn hier doch nicht verkörpern, oder zum mindesten könnte ich ihn an so komplizirten Dingen nicht ganz klar nachweisen, ich will sie also bei Seite liegen lassen, und dieses Gekrihel da auf der Schiefertafel vornehmen, das einen ästhetisirenden Dichter darstellen soll. Man sieht von demselben freilich nichts als eine große Leere und lange Haare, aber das schadet nichts. Der ästhetisirende Dichter ist das, was ich suche.

Nämlich eine jener den Unsinn einfach) verkörpender Tatsachen, deren Bedingungen nicht allzugroße Anforderungen an den Verstand machen. Mein als bekannt vorausgeseztes Wissen sagt mir: Zwischen dem ästhetisirenden Dichter und der Eirtinischen Madonna in Dresden besteht kein Art-, sondern nur ein Gradunterschied. Denn um ihn in die Außenwelt treten zu lassen, dazu gehört eine Außenwelt, und um die

Sixtinische Madonna in die Außenwelt treten zu lassen, dazu gehört auch eine Außenwelt.

Ich sagte mir also weiter und deduzirte so: Das Gekrizel da auf der Schiefertafel soll nichts anderes als ein ästhetisirender Dichter sein. Nun lehrt mich zwar nicht ein

Blick auf mich, daß das keiner sein könnte, aber ein Blick auf

dies Geschmier, daß es keiner ist.

Ich konstatirte also: Das Ziel, einen ästhetisirenden Dichter darzustellen, ist nicht erreicht. Daß ich eigentlich auch noch etwas anderes zu konstatiren hätte, nämlich daß nur der Junge, der das Gekrißel verbrochen hat, an die Unfehlbarkeit desselben glaubt, das will ich nach Möglichkeit zu vergessen suchen, da das mir offenbar nicht in den Kram paßt.

"

Schiebe ich nun für das Wörtchen Ziel ästhetisirenden Dichter", für das erzielte Resultat Schmierage" unter und für die Lücke, die zwischen beiden klafft, x, so erhalte ich folgende meine mathematischen Kenntnisse beweisende Formel:

==

Schmirage ästhetisirender Dichter-y.

Alte und neue Schauspielkunst.

Von Fritz Mauthner.

Bühne, Adolf Sonnenthal vom Wiener Burgtheater, ifst nach mehr als zehnjähriger Pause in der deutschen Hauptstadt wieder aufgetreten. Die guten Beziehungen zwischen stadt wieder aufgetreten. Sonnenthal und der Berliner Preffe find durch gegenseitige kleine Aufmerksamkeiten noch fester gegründet worden; aber auch die wolwollendste Kritik fonnte es dem Gaste nicht ersparen, ihn um der mitgebrachten Stücke willen auszuschelten. Ein schlechtes Stück von Wilbrandt, eine noch schlechtere Fabrikarbeit nach einem Daudetschen Roman und ein recht gutes Rührstück von Dumas, aber eines vom alten Dumas. Und in Berlin, wo das Repertoire noch vor fünfzehn Jahren tief unter dem Wiener stand, rief fast die gesamte Kritik nach moderneren Dichtungen. Sonnenthal sei in seiner Künstlerschaft unverändert

Der berühmteste Schauspieler der vornehmsten deutschen

Oder weiter, wenn ich für die Schmierage, die wie eine geblieben, aber er habe die Pflicht, sich neue Aufgaben zu 13 aussieht, diese Zahl setze: stellen.

13

=

ästhetisirender Dichter-y.

Oder noch weiter, wenn ich für Schmierage nicht Zahl 13, nicht Kunst, nicht Wissenschaft, nicht Blödsinn, nicht Sixtinische Madonna, sondern Unsinn einseße:

=

ästhetissirender Dichter — x.

Unsinn Dumme Leute haben für y Temperament gesetzt. Ich erkannte sofort, daß es in erster Linie an dem schlechten Schieferstift gelegen, daß cine so elende Karrikatur von einem ästhetisirenden Dichter zustande gekommen war. Freilich lag es auch zum Teil an der Unbildung des miserablichten Bengels, der die Schmierage da auf die Tafel gekrißelt hat. Wenn der Schieferstift Menzel gehört hätte, da wäre wohl etwas draus geworden. Es lag eben ein wenig mit an der Handhabung. Natürlich bin ich überzeugt, daß die Sixtinische Madonna vor allem Natur, Leinwand und rote und blaue Farbe ist, aber ein bischen Raffael ist dazu ja auch ganz gut.

So sei es denn formulirt, das Gesez für Enkel und Enkelskinder:

Die ästhetisirenden Dichter haben die Tendenz, Unsinn zu reden. Sie reden ihn nach Maßgabe des Minus an philosophischer Bildung sowie deren Handhabung.

Ja, das war es, das hatte mir vorgeschwebt, und ich wußte, daß ich jezt die ganze Ästhetik auf den Kopf gestellt und für alle Ewigkeit das Problem des Unsinns gelöst hatte. Ich schrieb also, um der Sache die nötige Form zu verleihen an Zola einen Brief, in dem ich ihm auf achtzehn Seiten auseinander zu sehen suchte: Monsieur, vous êtes un grand Asthetiker, mais moi, ich bin ein noch größerer.

Diesem Briefe sollte eine Soziologie des Unsinns nach folgen, dazu kam es leider nicht. Dafür kriegte ich meinen Dichter-Kompagnon her und bläute ihm die Theorie des Unsinus cin. Natürlich geschah das auf unserm Büdchen, wir hatten uns gerade ein paar Täßchen Kaffee gekocht, wobei wir einen alten Strumpf als Trichter benutzt. Wir waren beide wie gewöhnlich mit Schlafrock bekleidet und machten, um den großen Gesichtspunkt nicht zu verlieren, Studien über die Fliegen an der Zimmerdecke. Dann begann er sich die Nägel zu pußen und ich schnäuzte mich und schrieb in mein Tagebuch: Heute geschnäuzt, köstliches Idyllchen, liebliches Bildchen im Stübchen, Fliegenbeinchen beobachtet am Zimmerdeckchen.

*

Ich glaube, Sonnenthal hat nicht nur klug, sondern auch künstlerisch weise gehandelt, daß er in seinen alten bewährten Rollen auftrat. Nicht weil er damit ausverkaufte Häuser erzielte, sondern weil er so jeder Untersuchung über die Grenzen seines großen Könnens aus dem Wege ging. Was er uns brachte, spielt kein deutscher Schauspieler besser als er. Für einen Ibsenschen Charakter dagegen müßte Sonnenthal nicht eine neue Rolle lernen, ermüßte seine Kunst umlernen, um auch da der Erste zu heißen. Der Gegensatz zwischen alter und neuer Schauspielkunst ist nur als Begleiterscheinung von alter und neuer Dichtung zu begreifen.

Vor zwanzig und dreißig Jahren war die Wiener Burg nicht nur unbedingt das erste Theater Deutschlands, sondern es war in seiner Richtung auch das fortschrittlichste. Wie sah es denn damals in Deutschland aus? In den großen Hof- und Stadttheatern (Berlin nicht ausgeschlossen) lebte man in den Tag hinein, was Styl und Kunst betraf. Hier ein Feßen Schiller, dort ein Lappen Benedix und dazu ohne Wahl alles was Kaffe machte und nicht gar zu unsittlich war. Der erste Liebhaber flötete in Schiller und in Benedir dieselben Arien mit demselben Tenorgesicht, und die sentimentale Liebhaberin sekundirte ihm mit dem Taschentuch in der Hand, als Gretchen oder als Eulalia. Freilich gab es noch das „Fach“ des Charakterdarstellers oder des Intriguanten; der schnitt in Benedix Grimassen, und man lachte, im Schiller deflamirte er Baryton, und man fürchtete sich. Von einheitlichem Styl war nur an einigen kleinen Bühnen die Rede, welche in der Armee, die sich stets selber gebären muß, die Traditionen von Weimar fortpflanzten. Dresden war die einzige große Bühne, wo sich durch diesen Styl ein ernstes Wollen fundgab. Emil Devrient ist für mich die letzte lebhafte Erinnerung an diese Zeit. Aber was für eine Erinnerung! Er spielte gern Gußfow und die Birchpfeiffer. Die Tradition von Goethe, praktisch angewant auf eine Birchpfeifferiade wie Rubens in Madrid"! Man sagte sich, daß Goethe unter solchen Umständen gar keinen Anlaß gehabt hätte, seine Demission zu geben. Der Idealismus war freiwillig auf den Hund des Aubry gekommen.

Komödie gespielt wurde. Damals wußte man, daß in Paris eine ganz andere Scribe war vom jüngeren Dumas verdrängt. Und in Deutschland gab es nur eine Bühne, wo Kunst und Natur sich ebenso innig miteinander verbanden, so innig wenigstens, wie jene Zeit es wollte und gestattete. Ganz Deutschland war Provinz im Verhältnis zu Wien. Man gebrauchte große Worte

wenn man vom Burgtheater sprach. Laube wurde mit Wallenstein verglichen und jeder Soldat seiner Truppe hatte den Marschallstab im Tornister. Die Tyrannei der Rollenfächer sei gefallen. Und ein junger Kunsteleve, der heute in Berlin viel und oft von sich reden macht, konnte, ohne aus dem Ton zu fallen, ausrufen: „Ich will am Burgtheater die Stiefel puzen, wenn ich hier nur spielen darf.'

[ocr errors]

Natur und Kunst, die sich zu fliehen scheinen, waren nach dem besten Geschmack der Zeit vereinigt. Nicht nur die berühmten Namen, von denen einige noch heute den Kampf mit der neuen Zeit oder mit der Zeit überhaupt aufnehmen, waren ein Glück für die deutsche Bühne; die gute Wirkung des Burgtheaters erstreckte sich langsam auf die andern Theaterstädte Deutschlands. Unter den besten Vertretern dieses alten Burgtheaters ist Adolf Sonnenthal der Einzige, der seine Kunst mit ungebrochener Kraft ausübt. Baumeister und die Wolter müssen ihr Rollenfach beschränken. Worin aber die Größe Sonnenthals besteht, das ist typisch für die Schauspielkunst, die heute schon die alte ist.

Ibsen verlangt von seinen Darstellern, daß sie Individuen auf die Bühne bringen. Wer ein Werk von Ibsen gelesen hat und es musterhaft besehen möchte, der sucht sich die Darsteller im Geiste unwillkürlich auf allen großen und kleinen Bühnen zusammen. Der hat für den Photographen Ekdal die hübschen albernen Augen, die hat für die Regine die passenden Armbewegungen. Die Stücke, welche jetzt veralten, stellen solche Anforderungen nicht. Die alte Schauspielkunst hatte im Trauerspiel wie im Lustspiel (sogar diese Fachunterscheidung hat aufgehört) nicht Einzelmenschen auf die Bühne zu bringen, sondern die typischen Skizzen des Dichters blos mit den feststehenden Persönlichkeiten begabter Schauspieler_auszufüllen. Vor einigen Jahren war es ein beliebtes Spiel, daß in einer Art gemaltem Puppentheater die ganzen Kostüme z. B. eines Liebespaares ausgeführt waren und nur das Oval des Gesichts ein Loch im Vorhang zeigte. Durch dieses Loch steckte ein geehrter Dilettant sein wolbekanntes Gesicht. Das war sehr spaßhaft. Und an diesen Spaß erinnert mitunter die alte Schauspielkunst.

Ich erlaube mir, da zunächst an die Schillerschen Liebhaber und Heroïnen zu denken. Immer andere historische Kostüme, aber unter dem Barett, Helm oder Federhut immer wieder Herr Müller. Und da schwebt doch der Geist Schillers über den Wassern. Im Konversationslustspiel ist es natürlich noch schlimmer; denn es ist immer der schwarze Frack und das weiße Hemd, worin der Kopf des Herrn Müller steckt, und über den Wassern schwebt kein Geist.

Hier ist es nun Aufgabe der Schauspielkunst, die Typen dadurch glaubhaft zu machen, daß der darstellende Künstler glaubhaft ist, und zwar nicht in der Rolle eines anderen, sondern er selbst mit seiner erfreulichen Persönlichkeit. Und es dürfte keinen deutschen Schauspieler geben, den immer wieder zu sehen so erfreut, als Adolf Sonnenthal als vergnügten Junggesellen oder als Wallenstein. Man glaubt ihm, dem Adolf Sonnenthal, daß er mit seinem grauen Haar alle Pariserinnen bezaubert, und daß er als Wallenstein (mir ist die Rolle von früher her gegenwärtig) den Mar durch seine Wärme der kalten Pflicht untren macht. Man würde ihm sogar den May glauben, und das will viel sagen. In der alten Schauspielkunst ist demnach der Triumph der Persönlichkeit ein größerer, als in der neuen, die volle Verwandlungsfähigkeit verlangt. Die neuen Aufgaben verlangen unbedingte Objektivität. Die alte Schauspielkunst ist subjektiv und freut sich dessen.

Auch der Charafterdarsteller der alten Schauspielkunst war nicht wandlungsfähig, wenn er überhaupt eine mächtige

|

|

Persönlichkeit war. Man erinnere sich an Döring. Er war köstlich als Nathan, köstlich in Kandels Gardinenpredigt, und immer der alte Döring.

Und nun achte man darauf, wie so ausgesprochene Persönlichkeiten gerade dann scheitern können, wenn sie jung genug sind, um modernste Aufgaben lösen zu wollen. Frau Niemann-Rabe, deren Genie nach Meinung des Schreibers immer noch nicht genug bewundert wird, hält sich von Ibsen und seiner Schule möglichst zurück. Sie hat die Birchpfeiffer beinahe zu einem Dichter gemacht und hält sich jetzt an Voß. Doch ab und zu ist sie in Shakespeare und in Anzengruber aufgetreten und hat Momente künstlerischer Offenbarungen gehabt. Nur das Opfer ihrer Persönlichkeit, und das Opfer wäre gewaltig, will sie nicht bringen, oder kann sie vielleicht nicht bringen, und gerät so in Gefahr, mit verschwenderischen Mitteln billige Aufgaben zu lösen. Belehrender ist der Fall Josef Kainz. Ich will nicht davon sprechen, daß dieser herrliche Künstler uns aus formalen Gründen viel leicht für immer verloren ist. Nur an die Wendung sei erimmert, welche sein Streben im Laufe der letzten Jahre genommen hat. Kainz wird möglicherweise einmal der lezte Schillerdarsteller heißen. Sein Karl Moor, sein Carlos, fein Ferdinand sind einfach Wiedergeburten. Aber man hätte nicht vergessen sollen, daß die alten Aufgaben nur deshalb so klassisch gelöst wurden, weil Kainz nichts bieten kann, als seine glaubhafte Persönlichkeit, d. h. die höchste Leistung alter Schule. Kainz ist so individuell, daß er noch persönlich) fortreißt, wenn er Gedichte deklamirt. Als Rezitator, wie als Heldenliebhaber, erweckt er immer den Schein, der Dichter selbst zu sein. In der neuen Schauspielkunft aber ist der Darsteller ein Geschöpf des Dichters. Joseph Kainz win begnügte sich nicht mit dem Ruhme, Schiller und Grillparzer, sogar Kleist und Shakespeare mit seiner Person zu decken, er wollte umlernen, ind wir sahen ihn nach einander im Friedensfest“, in Sodoms Ende" und in dem unglücklichen Drama „Ohne Ideale" Charafterrollen spielen. In Sodoms Ende" hatte er nur als Liebhaber einen großen Erfolg, im „Friedensfest" ließ er kalt, in dem Ding „Ohne Ideale" wurde er ausgelacht. Das Publikum hatte unrecht, aber auch Kainz hatte nicht recht. Unter den jüngeren Schauspielern ist er der einzige, welcher die klassischen Aufgaben unseres Repertoirs mit Größe lösen kann. Die Objektivität fehlt ihm. Ich lasse dabei die Frage unberührt, ob die neue Kunst die einzig berechtigte sei.

[ocr errors]

Kleinere Schauspieler haben sich der neuen Kunst mit größerem Erfolge ergeben. Am merkwürdigsten ist da Herr Kadelburg, der zuerst im Wallnertheater und dann im deutschen Theater seine Salonliebhaber der Menge zum Dank herunterschnarrte, und der vor die modernsten Aufgaben gestellt, vorzüglich ist. Er spielt Moser mit Behagen und Ibsen gut. Herr Reicher, der die konventionellen Figuren französischer Dramen konventionell verkörpert, hat in der pedantisch neuen Familie Selicke eine Meisterfigur geschaffen. geschaffen. Merkwürdig ist es, wie vortrefflich in den Aufführungen der Freien Bühne mitunter die Herrschaften unserer schlimmsten Possentheater waren, oder auch nicht merkwürdig. Denn in der Posse war der äußerste Realismus längst zu Hause, revor er das Recht beanspruchte, salonfähig zu sein. Und noch mehr. Ich glaube bestimmt, daß der deutsche Naturalismus nur dann siegen wird, wenn aus ihm eine Gestalt von großem Humor herauswächst. Nicht dem pedantischen Naturalismus, dem humoristischen Naturalismus gehört die nächste Zukunft, und für diesen ist die neue Schauspielkunst schon reif.

Der Unterschied der Aufgaben, welche die ältere und die neue Dichtkunst der alten und der neuen Schauspielkunst stellen, ist schwer an einem Beispiel zu zeigen,

« ForrigeFortsæt »