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bestimmte, pathetische Sentimentalität hervor, die uns Deutschen so unerträglich ist.

Ich will der Sentimentalität ihre Berechtigung in der Dichtung damit durchaus nicht absprechen. Allein wenn sie sich in das pomphafte Pathos einer verblichenen Theatersprache hüllt, wie das bet Richard Voß' Drama der Fall ist, dann berührt sie peinlich, weil sie unnatürlich wirkt. Ueberhaupt kann man Sentimentalität nur dann ernst nehmen, wenn man die Ursachen, durch welche jene hervorgerufen wird, als ernst, leidvoll oder tragisch ansehen muß. Das ist aber gerade das Bedenkliche an dem Drama „Schuldig!", daß die dichterischen Effekte auf der Basis altidealistischer Theaterethik auferbaut sind und daß daher die Gefühle der Sentimentalität, welche durch jene Effekte erregt werden, von dem Glauben abhängen, den man ebendiesen Effekten schenkt. Nun ist aber der Glaube an die alten Theaterideale bedenklich schwankend geworden. Diejenigen, welche denselben noch hatten, spendeten dem Drama großen Beifall, die anderen, die Ungläubigen und es gab deren eine nicht unbedeutende Menge machten ihrem Herzen durch Zischen Luft.

Richard Voß war wohl der erste, der nach Ibsenschem Muster speziell darwinistisch gefärbte Probleme, Vererbungsmotive u. s. w. (ich erinnere nur an „Mutter Gertrud“ 1885) ins deutsche Drama einführte. Leider aber ist Voß jederzeit an der Außenseite der neuen Geistesrichtung hängen geblieben: ins Gefühl ist ihm die Entwicklungsanschauung nicht übergegangen. er hat noch nicht umgefühlt.

Ich will nur ein Beispiel als Beweis für meine Behauptung anführen. Karl Lehr hat seinen Vater, der sich seit zwanzig Jahren im Zuchthause befindet, nicht kennen gelernt. Troßdem läßt ihn der Dichter sagen, daß er sich nach seinem Vater sehne, denn er liebe ihn und so weiter. Nach dem alten Ideale, nach dem man von einem Kinde unbedingt und unter allen Umständen Liebe zu seinen Eltern forderte, hat der sentimentale Gefühlsausbruch Karls einen bedeutenden ästhetischen Wert für alle, welche noch unter dem Vann dieses Ideales stehen. Diejenigen dagegen, welche modern fühlen und es als Absurdität ansehen, daß ein Kind seinen Vater, den es nicht kennt, lieben soll, bleiben gegenüber solchen ästhetischen Werten kalt, ja sie empfinden dieselben als hohl, daher als unnatürlich, gemacht, affektirt.

So könnte man sich die Mühe nehmen, alle die ästhetischen Werte, über welche Richard Voß in seinem Drama „Schuldig!“ verfügt, zu analysiren, und man würde finden, daß dieselben zum größten Teil altes, nicht mehr giltiges Gepräge tragen.

Richard Voß' Drama hat noch andere bedeutende Mängel. Es ist in demselben keine straffe fortlaufende Handlung, Scene reiht sich an Scene ohne zwingende Notwendigkeit und ohne rechte Spannung. Die Personen sind sämtlich unnatürlich pathetische, hypersentimentale Wesen, an die man nicht glauben kann.

Nur der Held des Stückes, Thomas Lehr, ist vortrefflich geschildert. Freilich ist dessen Rolle mit dem ersten Akte ausgespielt. Er, der zwanzig Jahre unschuldigerweise im Zuchthause gesessen, kehrt in das Heim seiner Frau und seiner beiden Kinder zurück, jedoch ohne sich sogleich zu erkennen zu geben. In altgriechischer Weise wird das poetische Motiv des Wiedersehens in recht breiter und für unser modernes Empfinden allzu affektirter Weise ausgesponnen. Was für die alten Griechen in einer Zeit, wo Kinderund Frauenraub nicht selten war, wo es noch keine Landkarten, Adreßzbücher, Schußleute, Militär-Stammrollen, Kürschner und Eisenbahnen gab, große Bedeutung hatte, das ist jest ziemlich belanglos geworden, und ein Dichter, der das Motiv des Wiedersehens und Wiedererkennens nach so antiker Schablone breitzerrt, zeigt nur, wie wenig Originalität er besigt.

Zum Schlusse des Dramas tritt der Held noch einmal handelnd auf. Und was tut er? Natürlich begeht er einen Mord. Das ist ja so üblich auf der Bühne. Er sieht, wie sein Weib, durch Not und Elend gezwungen, in die Gewalt eines anderen Mannes gekommen ist. In solchen Fällen ist es nach der Bühnenethik notwendig, daß der Ehegatte denjenigen, dem sein Weib zu Willen gewesen ist, ermordet. Thomas wird also noch an demselben Tage, an dem er aus der Strafanstalt als unschuldig entlassen worden ist,

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Bernhard ten Brink, Ueber die Aufgabe der LitteraturGeschichte. Eine Rede. Straßburg 1891. 3. G. Ed. Heitz. 8° und 28 Seiten.

In der Sammlung von Rektoratsreden der Universität Straßburg ist die vorliegende Rede Bernhard ten Brinks erschienen, welche der selbe am 1. Mai 1890, am Stiftungstage der Straßburger Hochschule, gehalten hat. Bernhard ten Brink, der verdienstvolle Professor der englischen Philologie und bekannter Verfasser einer in modern wiffenschäftlichem Geiste geschriebenen, leider noch unvollendeten englischen Litteraturgeschichte, philosophirt hier über eine Disziplin, mit deren Praris er so wol vertraut ist. Obwol auf 23 Seiten ein Gegenstand wie die Aufgabe der Litteraturgeschichte unmöglich erschöpfend behandelt werden kann, so giebt die kleine Schrift doch die Gesichtspunkte an, welche nach des Verfassers Ansicht in der litterarhistorischen Wissenschaft leitend sein sollen. Bernhard ten Brink ist einer der wenigen deutschen Professoren, welche mit dem akademischen Zopf zu brechen und die Errungenschaften der modernen Zeitwissenschaft für ihr Fach zu verwenden suchen. Nach dem Vorbilde Henri Taines weist er auf die Abhängigkeit des Dichters von seiner Umgebung hin, um daraus für den Litterarhistoriker die Forderung abzuleiten, bei seiner Arbeit die Völkerpsychologie und Kulturgeschichte zu berücksichtigen. Gegenüber der alten spekulativ-fabulirenden Methode der Aesthetik macht er auf die Notwendigkeit statistischer Forschung, besonders auf dem Gebiete der Metrik, aufmerksam. Kurzum, die kleine Abhandlung hat eine Menge von Gedanken, die, wenn auch nicht durchaus neu, doch davon Kunde geben, daß der Geist der neuen Zeit auch in jene Kreise einzieht, die erfahrungsgemäß immer die treuesten Hüter und Verteidiger alter Schablonen sind. C. G.

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Karl Emil Franzos, Judith Trachtenberg. Erzählung. Breslau, 1891. Eduard Trewendt.

Wer den Entwickelungsgang einer so ausgeprägten litterarischen Persönlichkeit, wie es Karl Emil Franzos ist, aufmerksam verfolgt hatte, für den mußte es eine fesselnde und auffallende Tatsache sein, als der Dichter vor einigen Jahren seinen Wohnsig von Wien nach Berlin verlegte. Ein Schriftsteller, der in seinem Schaffen so eng mit seiner galizischen Heimat verwachsen war, der aus dieser Heimat fast alle seine Stoffe und Gestalten schöpfte, verließ die österreichische Hauptstadt und damit zugleich den Bannkreis seiner poetischen Welt; er kam nach Berlin gerade zu der Zeit, wo das Verlangen nach einem festbegrenzten Milieu daß wir uns doch immer noch mit diesem Fremdländischen Schlagwort behelfen müssen!) der ganzen litterarischen Bewegung ihren Charakter gab, wo in Folge dessen auf Berliner Boden eine Berliner Litteratur zu sprossen begann. Herkules am Scheidewege. Man mußte sich fragen: Ist diese Uebersiedelung nur ein äußerlicher Ortswechsel oder der Anfang einer innerlichen Aktlimatisation? Wird Franzos ein galizischer Schriftsteller bleiben, oder wird er ein Berliner Schriftsteller werden? Und zwischen diesen beiden Möglichkeiten lag noch eine dritte die gefährlichste. Es konnte auch der Fall eintreten, der bei solchen geistigen Ent

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wurzelungen und Umpflanzungen nicht selten ist: Das Verlieren des alten Bodens und die Fremdheit auf dem neuen, das Eintauschen des natürlichen Wachstums gegen eine Treibhauseristenz. Wer diese Gefahr für Franzos fürchtete, der tat es gewiß nicht aus Unterschäßung seiner hervorragenden Kraft und Begabung. Im Gegenteil, diese Gefahr ist nur für Kraft und Begabung vorhanden. Das Mittelmäßige affimilirt sich schnell; das Tüchtige, das Eigenartige, das Urwüchsige langsam und schwer. Gottfried Keller in den besten Schaffensjahren dauernd nach Berlin versett, Theodor Fontane nach München was hätte daraus werden sollen! ́ Und Franzos, der in den Wäldern und Bergen, auf den Heiden und Steppen seiner Heimat so ganz zu Hause war, der scharfblickende Kenner von HalbAfien", der Schöpfer der Juden von Barnow und der ruthenischen Heldengestalt des Taras („Ein Kampf ums Recht“) wie mochte es ihm auf märkischem Sand ergehn? Das erste Buch, das Franzos in Berlin schrieb, trägt deutliche Spuren der klimatischen Erkrankung. Der Roman Die Schatten“ ist farbloser in der Gestaltung und weniger greifbar in den sozialen und landschaftlichen Voraussetzungen als irgend eine seiner früheren Dichtungen. Der Roman spielt in Oesterreich; er könnte aber auch mit nicht allzuvielen Aenderungen in Süddeutschland, ja sogar in Hinterpommern spielen. Troß aller Vorzüge der Technik ein mißlungener Versuch, die Grenzen des ursprünglichen Stoffgebietes zu überschreiten. Ein Schritt weiter auf diesem Wege, ein Schritt weiter von Galizien fort in die allgemeine deutsche Kultur und in die sogenannte Gesellschaft hinein - und es war Ernstliches für den Dichter zu fürchten.

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Franzos hat diese Furcht wohl selbst geteilt. Er hat in seinem neuesten Werk einen Schritt zurück, oder richtiger einen Schritt heimwärts gemacht, und das ist ihm trefflich bekommen. Er ist wieder in Galizien und fühlt sich da so völlig zu Hause wie nur je zuvor. Ja, fast scheint es, als habe ihm die Entfernung jene hellseherische Klarheit gegeben, welche die grundlegenden Bilder der Jugend noch schärfer zu umreißen vermag, als die unmittelbare Anschauung. Beruhigt folgen wir dem neuen Berliner in seine altvertraute östliche Sphäre und wollen ihm das „Ic“ und „Det“ ebenso gern erlassen, wie wir etwa bei Henrik Ibsen auf münchener Lokalstücke verzichten.

Judith Trachtenberg" ist eines der besten Bücher, die Franzos geschrieben hat. Technisch wäre es vielleicht das allerbeste, wenn es nicht zwei Schlüsse hätte; das leßte Viertel fällt ab, weil es da einsezt, wo die Geschichte innerlich zu Ende ist. Was dagegen die Greifbarkeit und Fülle des kulturschildernden Details und dessen glückliche Verflechtung mit einer straffen Handlung betrifft, so läßt sich der „Judith" nur „Moschko von Parma" vergleichen.

Judith Trachtenberg, die schöne Tochter eines jüdischen_Kaufmanns in einer kleinen ostgalizischen Stadt, entfacht die leidenschaftliche Liebe des neuen Gutsherrn, des Grafen Agenor von Baranowski. Diese Liebe wird von ihr erwidert. Der Graf, deffen aristokratischer Stolz nur noch übertroffen wird von seiner angeerbten und anerzogenen Abneigung gegen die Juden, ist zu allem bereit, nur nicht zu einer Ehe, die ihm wie eine Entehrung seiner selbst und feines ganzen Geschlechtes erscheint. Die reife Kunst des analysirenden Erzählers wird nun aufgeboten, um zu zeigen, wie der Graf, ein von Haus aus in jedem Zug redlicher und rechtlicher Mann, zu einem schmählichen Betruge gedrängt wird. Den Tod Judiths oder die eigene Schande vor Augen, läßt er sich herbei, eine Scheinehe mit der Geliebten zu schließen. Die tragischen Folgen dieses Schrittés bilden den eigentlichen Kern des Buches und seine am meisten feffelnden Partien. Auf der einen Seite Judith in ihrer erschütternden Ahnungslosigkeit, auf der andern der Graf, gefoltert durch die Last der Lügen, mit denen er das geliebte Weib stels von neuem zu täuschen gezwungen ist. Und doch gelingt es ihm nicht, sie auch nur einen Augenblick die Schuld vergessen zu lassen, welche für sie die Flucht vor dem Vater und den väterlichen Glauben bedeutet. Da endlich die Katastrophe. Während seiner Abwesenheit erfährt sie die ganze Wahrheit: sie ist nur seine Geliebte, nicht sein Weib. Biz hierher folgen wir willig, ganz im Banne eines notwendigen und darum erschütternden Fortganges der Begebenheiten. Daß aber Judith noch ein Weiterleben an der Seite dieses Mannes, der sie so schändlich hinterging, für möglich hält, daß sie von nun an nur noch ein Lebensziel kennt, sich den Play in Wahrheit zu erkämpfen, der ihr jahrelang vorgespiegelt war, daß sie erst, nachdem sie dieses Ziel erreicht hat, freiwillig aus dem Leben scheidet, dieser lezte Teil der Erzählung erscheint aufechtbar oder wenigstens entbehrlich. Wenn sie überhaupt die Enthüllung des Betruges zu überleben vermag, so trauen wir ihr nicht mehr die Kraft zu, um den Befig eines Mannes zu kämpfen, der sie so jämmerlich veraten hat, wol aber die Kraft, diesen Mann zu verachten.

Diese kaum andeutende Inhaltsangabe vermag natürlich den lebendigen Reichtum des Werkes an Farben und Gestalten, die martigen Linien der Handlung und die Stärke der Charakteristik nicht zu würdigen. Das Buch ist wert, gelesen zu werden; deshalb verlassen wir die kritische Tribüne und sagen: Der Dichter hat das Wort. F. L.

Berantwortlich: Dr. Curt Grottewiß, Berlin.

Bernhard Westenberger, die Notlage unseres Bühnenschrifttums und ein Vorschlag zur Hebung desselben.

In einer sehr interessanten Abhandlung äußert sich Herr Bernhard Westenberger über diese Zeit- und Streit-Frage." Ein „Nachwort" klärt uns über das stark verzögerte Erscheinen dieser Schrift auf, so daß unser Zweifel während des Lesens, der Verfasser habe gerade die neuesten Bewegungen im Bühnenleben „Freie Volksbühne“ und in der dramatischen Litteratur Sudermann, Hauptmann“ außer Acht gelassen, erst nachträglich gehoben wird. Solange die fiche ideale Versuchsstation auf dramatisches Talent nicht vorhanden Dichterbühne" wie Herr Westenberger sie vorschlägt oder eine ähnist, möchte ich die Findigkeit" den Direktoren in der Beurteilung beachtenswerter Bühnenwerke beachtenswerter Bühnenwerke-ihrer praktischen Motive wegen" nicht so ganz verwerfen.

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Sollte der Herr Verfasser den Heerd" der Notlage des Bühnenschrifttums hauptsächlich im Direktionsbüreau fuchen, möge er sich der Mühe unterziehen, einem der Leiter der 40 Bühnen die er zu den bedeutenderen" zählt im Sinne seiner idealen Anschauungen die Prüfung der eingehenden Manuskripte abzunehmen; wie dankbar würde man sein! Ob der Herr Verfasser in dieser mühevollen Arbeit eine Entschädigung finden wird? Ob er die Entdeckung macht, daß dem Publikum nur große Genüsse gebracht werden durch den allzu geschäftsmäßigen Sinn des Bühnenleiters und dadurch veranlaßte Zurückseßung unbekannter Autoren? Unternimmt der Herr Verfasser den Versuch, bitten wir um freundliche Auskunft.

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Eine eingehendere Besprechung der Brochüre verbietet der Raum. Nur möchte ich mir die Bemerkung erlauben, daß Ibsen nicht durch die Teilnamlosigkeit der Bühne“ und die Erfahrungsweisheit der praktischen Bühnenlenker“ zu leiden hatte, sondern vielmehr durch den Gespenstern" hatte Nora bereits den Weg über die deutschen Bühnen Geschmack des Publikums. Lange vor dem „Volksfeind“ und den gemacht, ohne damals den ungeheuren Erfolg“ hervorzurufen. F

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Ed. Pöhl, Klein-Wiener. Skizzen in Wiener Art und Mundart. Wien, 1891, Georg Szelinški.

Ein köstliches Buch das, wahrhaftig! Jeder Kenner des Wiener bezw. des Münchner Dialekts verdankt dem Verfasser, der auch in Deutschland durch seine Veröffentlichungen in Reclams „Universalbibliothek längst einen guten Namen erlangt hat, heitere Stunden, d. h. falls er Pößls Schriften gelesen, und wer dies noch nicht getan, sollte sich beeilen, es zu tun, und es würde niemanden gereuen. Pögl und Chiavacci sind gegenwärtig die beiden Hauptvertreter der rein weanerischen“ Litteratur; ich möchte sie die Nestroys des Feuilletons" nennen. Den mundartlichen Skizzen Böhls im „Neuen Wiener Tagblatt" sieht halb Wien allwöchentlich mit Spannung entgegen. Manche derselben sind zum Kranklächen“, die meisten überaus amüsant und fast alle mehr oder minder originell. Gemütlicher Humor, harmlose Heiterkeit wechselt mit beißender Satire ab. Schärfe der Beobachtung geht mit Meisterschaft der Charakteristik Hand in Hand. Den bekanntesten Gestalten Pözlscher Schöpfung begegnen wir auch in seinem neuesten Buche wieder, so z. B. den berühmten „Gigerln“, dem wunderbaren „Herrn Nigerl aus Wien" nebst seinen famosen Freunden Kratinger-Ferdl, Plaimschauer-Pepi und Scheibenpflug-Karl u. s. w. Unter homerischem Gelächter begleiten wir das legtgenannte vierblättrige Kleeblatt zur Ausstellung nach Paris, auf den Eiffelturm 2c., lauschen wir der komischen Backhendl-Statistik" Nigerls, doch wozu in Einzelheiten eingehen? Das hat bei solchen Unterhaltungsschriften keinen Zweck; am Plage ist lediglich ein Hinweis auf das Erscheinen, im übrigen will jede Zeile selbst gelesen sein. Soll ich verraten, welche Stüde mir am besten gefallen haben, so möchte ich nennen: „Vom Stefansturm zum Eiffelturm“, „Im Wasser“, Eßkünstler“ und vor allem die geradezu klassische Behan: lung der modernen Kneippkur unter dem Titel „Die Kneippbrüder“, über die man sich vor Lustig. keit ausschütten muß. Daß der Verfasser aber auch ernst und poetisch sein kann, beweisen seine drei schönen Lieder in Prosa", die den Schluß des fein ausgestatteten Werkchens bilden. 2. K-r.

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Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Körnerstr. 2. Gedruckt bei N. Gensch, Berlin SW.

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Erscheint jeden Sonnabend. — Preis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des magazins" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. ∞ Preiß der Einzelnummer: 40 Pig.

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Hans Müller: Berlin als Musikstadt. Hermann Sudermann: „Exzellenz Onkel“.

Inhalt: Marie v. Ebner-Eschenbach: Margarete. Ola Hansson: Die dänische Erotik und ihr Herold. jüngsten Mustern, der Unsinn. im Ausland.

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Nach

Friz Mauthner: Alte und neue Schauspielkunst. E. R.: Das Deutschtum Litterarische Chronik. Litterarische Neuigkeiten: A. G. v. Suttners „Schamyl“, besprochen von C. G.

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Auszugsweiser Nachdruck sämmtlicher Artikel, außzer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Machdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Margarete.

Von

Marie v. Ebner-Eschenbach.

(Fortsehung.)

uns die schönen Tage der Goldstickerei wieder herauf beschwören."

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So lerne fie denn zeichnen,“ sprach Robert, und Priska war Feuer und Flamme für diesen Vorschlag. „Ja! ja! sie soll zeichnen lernen! soll sich an eine

Der Alte empfahl sich, und Robert sagte zu seiner regelmäßige Beschäftigung gewöhnen und erkennen, welch

Fran, die traurig und sorgenvoll dreinsah:

Jett grämt sich meine geliebte Törin, weil sie einer ihr fremden Person vielleicht in Gedanken Unrecht gethan hat."

Aber er irrte. Die Furcht, von der Priska von dieser Stunde an gequält wurde, war die, daß Margareten nicht unrecht geschehen sei. Und wenn nicht unrecht, wenn dieses Weib, das sich ja erhoben hatte von seinem Fall, jezt wieder zusammenbricht und immer tiefer und tiefer sinkt wer trägt die Schuld? Sie hatte den rechten Weg gefunden; sie würde ihn nicht mehr verlassen haben, wenn ihr Knabe gelebt hätte. Ein paar unschuldige Kinderaugen halten so treue Wacht, ein stummer Kindermund predigt so beredsam; eine gute Mutter mag ihn nicht füssen mit befleckten Lippen . . .

Und sie war eine gute Mutter ihr Schußgeist starb mit dem Kinde, das glaube ich und deshalb glaube ich auch, daß wir nie und durch nichts von der Verpflichtung gegen fie gelöst werden können,“ sprach Priska und fann auf ein Mittel zur Rettung und meinte es gefunden zu haben, als Keller eines Tages die Nachricht brachte:

Jezt ist sie mit ihrer Arbeit fertig. Ich staune über die enorme künstlerische Begabung der Here. Wenn die einen tüchtigen Unterricht im Zeichnen bekommen hätte morgen könnte sie eine Fachschule eröffnen und

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ein Trost und Segen in der liegt. Ist das erreicht, dann wird alles gut!" Jeder neue Versuch wird ihr zum Gelingen und die Mühe bald zur Freude werden. In einem Jahre vielleicht schon verläßt sie ihre Wohnung, die ihr so traurige Erinnerungen zurückruft; wir richten ihr ein Atelier ein, sie wird selbst eine Meisterin. O Robert, geh' zu ihr, gewinne fie für unseren Plan!"

Er war dazu bereit, wollte es wenigstens versuchen. Unmöglich schien es ihm ja nicht, wenn auch nicht so gar leicht wie seine Frau dachte.

Margarete fuhr zusammen bei seinem unerwarteten Erscheinen, ihre bleichen Wangen färbten sich, und ihre Brauen zuckten.

„Kommen Sie einmal wieder? Ich dachte schon, seitdem wir Frieden gemacht haben, sei Ihr gutes Herz beruhigt und Sie kümmerten sich nicht mehr um mich.“

Der Ton ihrer Stimme entsprach ihren herben Worten nicht, er war weich und fauft, und es zitterte etwas wie verhaltenes Weinen darin. Ihre Augen waren leicht gerötet, sie sah bleich und übermüdet aus. Auf dem Tische lag in großen flachen Kartons, zum Abschicken bereit, das Meßgewand ein Meisterstück der flacherhabenen Stickerei.

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bereift, streckten zarte Fäden aus, trieben zierliche Blätter, | zum andern. Sie haben eine lange Zukunft vor sich. umschlangen sich, strebten auseinander und bildeten ein Sie sind jung durchsichtiges Geranke, wovon jedes einzelne Zweiglein um seiner selbst willen da zu sein, sich nach eigener Willfür zu biegen und zu heben schien und doch so gehorsam dem Schönheitsgefühle dienen mußte, dem das Ganze sein Entstehen verdankte und von dem es das Gesetz empfing, das Harmonie in diesen Reichtum und Ruhe in diese Mannigfaltigkeit brachte.

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„Erfunden habe ich es nicht, nur zusammengestellt. Das alles sieht man ja in den Kirchen, in den Museen auf der Straße sogar. Am Quai an der Donau steht ein altes Kapellchen, vergittert von unten bis oben, wie viele Einfälle verdanke ich diesem Gitter! Den Meister, der das gemacht hat, den müssen Sie loben, nicht mich." | Daß Sie die Augen haben, so etwas zu sehen, die Fähigkeit, es umzubilden nach Ihrem Sinn und dann auszuführen wie kein anderer es könnte, das ist es ja! das macht Ihr Werk zum Kunstwerk und Sie zur Künstlerin."

„Ja wol, ja wol, ich bin jung! Was soll ich anfangen mit dieser Jugend?" sagte sie tief auffenfzend, breitete die me aus und lehute sich zurück mit halb gefchloffenen Augen. Ein leiser Wehruf erstarb auf ihren Lippen; plötzlich schlug sie die Hände vor's Gesicht und fagte dumpf:

„Wer weiß vielleicht genieße ich noch einmal mein Leben!"

„O,“ rief er, „was nennen Sie das Leben genießen? Erst schlecht und dann elend werden? Aber das sollen Sie nicht!"

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„Und wer verbietet mirs? So frei wie ich war noch nie ein Geschöpf. Es lebt kein Mensch, dem ich Rechenschaft schuldig wäre und daß Er -" fie deutete aufwärts mit der erhobenen Rechten, „von mir nichts weiß, oder nichts wissen will, das hab' ich erfahren. Dieser Gott ich spreche jetzt, als ob ich noch an ihn | glaubte, aber – und das ist entseßlich ich zweifle ... Mir scheint manchmal, daß ich fertig bin mit ihm, mit der Hoffnung, mit allem! ... Nuy weil ich meine: das Kind sieht mich . . .“ Sie stockte, als versage ihr der Atem, und das schmerzliche Beben ihrer Lippen, der Blick, den sie zur Starrheit zwang, verrieten, wie schwer sie kämpfte, um nicht in Tränen auszubrechen.

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„Rechenschaft hat freilich niemand von Ihnen zu fordern. da es aber doch ein paar Menschen giebt, die sagen dürfen: Ihr Wohl und Weh gehört zu unserem Wohl „Nein, nein!" sagte sie, „ich bin feine Künstlerin." | und Weh, so werden diese versuchen, Sie vor sich selbst Sie zeichnete mit dem Poussirstab ein paar feine Aederchen zu schüßen." Er stand auf, trat vor sie hin, faßte ihre | in eine kleine Kreuzblume. „Das oder der Saum eines Hände und hielt sie mit sanfter Gewalt in den seinen Ballkleides hat für mich ein und dasselbe Intereffe. Mir fest. „Ich will," sagte er, „nachdem Sie Ihr Liebstes liegt nichts dran, ich hab's blos in den Fingern, ich durch mich verloren haben, Sie wenigstens verhindern, denke nichts dabei als: nur fertig werden! Nur weg, sich zu Grunde zu richten, und es wird und muß genur aus den Augen damit!" lingen, wenn Sie selbst es nicht unmöglich machen.“

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Nun kam er mit seinem Vorschlag und wich einer direkten Antwort aus, als Margarete fragte: „Ist Ihnen das eingefallen?" Ein inneres Widerstreben hielt ihn ab, den Namen seiner Frau hier auszusprechen, und doch mochte er sich auch nicht mit fremden Federn schmücken. So wurde er bei weitem umständlicher als nötig gewesen wäre.

Margarete hörte ihm zu, ohne die Augen von ihm zu verwenden, folgte dem Klang seiner Stimme wie dem einer beschwichtigenden Musik, und ihre Züge nahmen allmählich einen friedlichen Ausdruck an.

Als er geendet hatte und ihre Entscheidung verlangte, schien sie wie aus dem Traume zu erwachen und fragte: „Welche Entscheidung denn?"

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„Sie müssen Ihrem Leben ein Ziel stellen," sprach „Einige Tage. Kommen Sie in einigen Tagen er. „Sie dürfen nicht planlos hinträumen von einem Tag | wieder. Sie werden selbst kommen, nicht wahr?“

rief sie ihm nach, als er schon im Begriff stand, das Wissen Sie, was geschehen ist?" rief sie ihm entgegen Zimmer zu verlassen.

VII.

Priskas Ungeduld, das Rettungswerk beginnen zu sehen, ließ es nicht zu, daß Robert lange zögerte mit der Wiederholung seines Besuches bei Margarete. Und ihr Wille geschah. Robert ging und kehrte heim und brachte nichts mit als die Erneuerung von Margaretens Bitte, ihr noch Zeit zur Ueberlegung zu lassen.

Als er mit der Frage eingetreten war: „Nun, haben Sie nachgedacht?" hatte sie ihn befremdet angesehen und gesagt: „Worüber?" Es kostete ihn eine wahre Selbstüberwindung, schon Gesagtes ruhig und geduldig noch einmal zu sagen, während sie spöttisch lächelnd, den Kopf zurückgeworfen, mit gekreuzten Armen in ihrem Lehnstuhl lag. „Sie hören mir nicht zu," hatte er endlich entrüstet ausgerufen und sich erhoben. Da war sie auf gesprungen, hatte sich zwischen ihn und die Thüre gestellt, die Hände flehend ausgestreckt und gesprochen:

„Ich höre! und ich bitte Sie

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Priska war nicht zufrieden mit diesem Resultate. Hätte sie selbst mit Margarete sprechen dürfen, sie würde sich nicht mit einer ausweichenden Antwort begnügt haben, darauf schwor sie. Aber was halfs? Robert wollte einmal von einer persönlichen Intervention Priskas in dieser Sache nichts mehr hören. Er wurde sogar etwas ungeduldig, als sie schon ein paar Tage später fragte:

„Und unser Schüßling? Die arme Seele, um die mir bangt für die ich mich verantwortlich fühle..? Denkst du noch an sie? Wann gehst du wieder zu ihr?" Eine Woche war verflossen, bevor er Zeit fand seinen „Bußgang“ anzutreten, und es geschah nicht ohne Selbstüberwindung. Als er in die Nähe von Margaretens Haus gelangte, begegnete er dem Manne wieder, den er und Priska vor einiger Zeit auf der Treppe ge. troffen hatten. Nur sah er nicht wolgemut drein wie damals, sondern rannte mit verstörter Miene an Robert vorbei, ohne ihn gewahr zu werden.

Margarete stand, als dieser bei ihr eintrat, mitten im Zimmer, die Augen in ungeduldiger Erwartung auf die Tür gerichtet. Bei seinem Anblick glitt ein Freuden strahl über ihr Gesicht.

„Ob ichs nicht gewußt habe! ob nicht eine Ahnung es mir gesagt hat, daß Sie jezt kommen werden?

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und es lag in ihrem Tone eine seltsame Mischung von Rührung und von kindischem Triumphe: „Der Mensch, der es am besten mit mir gemeint hat, der hat mich jezt für immer verlassen. Ich werde ihn nie wiedersehen.“

„Von wem sprechen Sie?" fragte Robert.

Margarete trat vor ihn hin und berührte seinen Arm mit bebenden Fingern. Sie schien den strengen Blick nicht ertragen zu können, den er auf sie warf, und wante den Kopf etwas zur Seite.

„Von einem Mann, der ehrlich um mich geworben hat der mich zur Frau begehrte, nicht erst jetzt, schon vor zwei Jahren, als das Kind noch lebte. Zu seiner rechtmäßigen Fran!" wiederholte sie mit stolzem Ausdruck. – „Und damals?" fragte Robert gespannt, ,,Damals war ich bereit, Ja zu sagen. Warum auch nicht? Ich bin mir nicht vorgekommen, wie ich mir jet manchmal vorkomme ich weiß selbst nicht warum?“

(Fortsetzung folgt.)

Berlin als Musikstadt.

Von Hans Müller.

II.

Mit solchen reichen Mitteln läßt sich begreiflicherweise außerordentlich Vieles und Bedeutendes erreichen, und da zu den ständigen Konzert-Unternehmungen eine noch bei weitem größere Menge von privaten Veranstaltungen und Solistenkonzerten hinzutritt, so stellt sich bereits ein empfindlicher Mangel an geeigneten Konzerthälen heraus. Das größte Etablissement ist die bekannte Philharmonie, einstmals ein Skating-Ring, mehrfach umgebaut, mit dreitausend Pläßen und großem Orchester und Chorpodium, auch durch eine neue elektrische Orgel ausgestattet. Hiernach ist der Saal der Singakademie am beliebtesten, gleichfalls mit Orgel. Die früher mit allerhöchster Ge= nehmigung häufig benußten Foyersäle der königlichen Theater scheinen neuerdings unberücksichtigt zu bleiben, da die Konzerte der königlichen Kapelle seit dem leßten Winter im Theaterraum des Opernhauses abgehalten werden. Ziemlich selten wird auch Krolls Saat, mit zweitausend Bläßen, verwendet, da die Lage im Winter ungünstig erscheint und im Sommer die Oper dort Einzug hält. Das Konzerthaus, mit achtzehnhundert Pläßen, hat dagegen im Winter allabendlich Orchester-Konzerte. Für kleinere Veranstaltungen sind das Architektenhaus und mehrere Hotelfäle, mitunter auch Säle einzelner Gymnasien und Realschulen und das opulente Lokal der Gesellschaft der Freunde beliebt. Große volkstümliche Konzerte finden geeignete Aufnahme in der Aktienbrauerei Friedrichshain, dem größten Saale Berlins (1188 Quadratmeter), im Feenpalast oder im Wintergarten des Centralhotels.

Wie reichliche Pflege hier überall während des Winters die Musik nach allen Richtungen hin und für jeden Geschmack erfährt, das läßt sich kaum beschreiben.

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