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Bitterkeit umgesezt hat; der prosaische, nüchterne Alltagsmensch, der seinen alten, hochgestimmten Jugend enthusiasmus aus dem Spiel gezogen, um das Glück und die Poesie zwischen lauter banalen Realitäten zu finden; der Träumer, der gute, ehrliche, unverbesserliche Träumer, der nicht will, daß die Schuppen von seinen Augen fallen; der Phraseymacher schließlich, der typische Student aus den Tagen des Skandinavismus, diese im höchsten Grade nordische Erscheinung, die auf allen Verfammlungen, und sobald nur zwei beim Punsch bei sammen fiken, ihre absolute seelische Leere in Floskeln umsezt. Sie sind wiedergekehrt, alle diese Typen, in der Litteratur, die im gegenwärtigen Dänemark emporgewachsen ist, bei Jakobsen, bei Schandorph, bei Topsöe selbst, in der eigenen Persönlichkeit des Dichters sowohl, wie in seinen Gestalten, allerdings ganz anders individualisirt, lebendig, fleischgeworden, aber doch alle samt und sonders Varietäten jener vier Grundtypen, die Topföe in seiner Jugendarbeit vorweg gegriffen.

III.

1875 kam die Erzählung „Jason mit dem goldenen Vließ" von einem anonymen Verfasser heraus.

Dieser offenbarte sich in erster Linie als ein Stilist von Rang. Er verfügte über gerade die Art von Stil, die zugleich für den Schriftsteller am schwierigsten zu erreichen, und für das Publikum am schwierigsten zu würdigen ist: den der vornehmen Einfachheit, die jo leicht mit Banalität verwechselt wird. Er wante blos Alltagsworte und einfache Satformen an, aber beide waren durchtränkt von persönlicher Stimmung. Er war in seiner Sprachbehandlung still, gedämpft, diskret. War Jakobsens Stil wie ein Treibhaus, oder ein Rosenbeet und Drachmanns wie das große Meer, so erinnerte | dieser Stil an eine Wiese mit spärlichen Blumen, oder an einen Weiher, in dem sich der Wald spiegelt. Der Verfasser redete so innig und leise, als fäße er in einer nordischen Dämmerungsstunde vor dem Feuer und erzählte, und zugleich so tadellos zugeknöpft und abgewogen, als konverfirte er in einem Salon mit Damen, vor denen man alles sagen darf, wenn nur die Form beobachtet wird. Was er malte, waren Aquarells, was er spielte, Kammermusik.

Der Verfasser von „Jason" war demnächst Aristokrat. Er war es nicht aus Theorie, sondern aus Instinkt und Temperament: dieselbe Disposition, die ihn zum Stil aristokraten gemacht, machte ihn auch zum Gefühls- | aristokraten. Es war seine Persönlichkeit, die sich ganz in der Form dieses Stils und in dieser aristokratischen Grundfarbe gab. Er hatte eine Schwachheit für Noblesse unter allen Formen: für die Noblesse der körperlichen und seelischen Bewegungen, für die Noblesse des Tonfalls, wie für die Noblesse der Handlungsweise, für die Noblesse der Armut, wie für die der soignirten Kleidung.

Der Verfasser von „Jason“ war schließlich ein gut Teil von einem Fatalisten und einem Mystiker, einem schwermütigen Fatalisten und einem stillen Mystiker. Dieser Zug hing mit seiner Skepsis gegen alle Doktrin, gegen jeden Versuch, das Leben und die Menschenuatur durch Formeln zu simplifiziren zusammen. Sie waren für ihn das ewig Wechselnde und das äußerst Zusammengesezte, das, was nicht erfaßt und was nicht aufgelöst werden kann, das, womit man nie rechnen fann wie mit einer gegebenen Zahl. Sie waren Equationen mit allzu vielen Unbekannten; gab es eine Lösung, so lag sie wahrscheinlich in der Nachbarschaft von Begrenzung und Refignation. Es waren die Kleinigkeiten, die das Leben und die Menschen beherrschten, die trivialen Ereignisse

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und die sinnlosen Einfälle. „Ich las neulich," sagt eine der Personen im Roman, daß das unendlich wechselnde Aussehen der Erdkugel, die hohen Berge und die tiefen Täler, vielleicht nicht durch gewaltsame und großartige Naturereignisse, wie man früher glaubte, zu Stande gekommen sind, sondern durch die langsame, aber ununterbrochene Wirksamkeit kleiner Ursachen. So geht es auch im menschlichen Leben. Es bewegt sich nicht durch große Katastrophen, sondern durch kleine Wirkungen vorwärts, so kleine, daß fie oft absolut nicht wahrnehm| bar für den Beobachter sind, in jedem Fall so wenig wahrnehmbar, daß er sich nicht Rechenschaft von ihnen ablegen kann.“

Aber gilt diese Auffassung Topsöes dem Leben im' Allgemeinen, so gilt sie noch ganz besonders der Sphäre desselben, welche die Liebe ist.

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Ende Januar kam die Kunde aus München, daß dort ein Bierzank von litterarischer Bedeutung ausgebrochen sei. Gesellschaft für modernes Leben“ in der Jfarstadt hatte einen modernen, geselligen und lebendigen Abend veranstaltet, und bei dieser Gelegenheit hatte Hanns von Gumppenberg durch Vorlesung einiger Parodien auf mehr oder weniger berühmte lyrische Dichter den Zorn der konservativen oder idealistischen Zuhörer erregt. Die Berichte klangen so ernst, als ob der alte Parnaß durch ein Erdbeben erschüttert worden wäre, und man mußte der Veröffentlichung des Scherzes mit einiger Ungeduld engegensehn.

Tie Parodien Gumppenbergs liegen nun in ciner kleinen Brochüre vor*) und einiges Staunen über die Entrüstung der Gegner wird gestaltet sein. Der Angriff gegen die namhaften Dichter ist so unpersönlich, so rein litterarisch, daß auch der feierlichste Schriftsteller nichts dagegen einzuwenden haben dürfte; und anderseits ist der Spott so maßvoll und milde, daß nicht einmal die Opfer ein Recht hätten, böse zu werden. Es sei gleich hier bemerkt, daß besonders Emanuel Geibel, Julius Wolff, Martin Greif und Wilhelm Jordan in ihrer Eigenart gut getroffen sind.

Aber Dr. M. G. Conrad hat die kleine Arbeit beim größeren Publikum eingeführt und in seinem Vorwort mehr zu beweisen versucht als nötig war. M. G. Conrad, dem doch eine gewisse Neigung zur persönlichen Invektive_nicht_abzusprechen sein wird, schwingt sehr lebhaft die Friedenspalme. Er erklärt solche parodistische Studien (indem er auf meine eigenen nun schon etwas angejahrten Werkchen freundlich hinweift) für einen guten Spaß“. Die Meinung, als hätte dieser Vortrag eine tendenziös-kritische Spiße gehabt, für falsch.

Vor allem gestatte ich mir eine persönliche Bemerkung. Dem Herausgeber Gumppenbergs passirt der an sich ganz be= langlose Irrtum, unter den unfreiwilligen Autoren meiner

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beiden Sammlungen Nach berühmten Mustern" auch Gottfried Keller anzuführen. Ich habe Keller niemals parodirt, und das ist mir nicht ganz gleichgiltig Ich glaube keinen Dichter unserer Zeit besser zu kennen als Keller und Anzengruber, und doch dachte ich keinen Augenblick daran, an diesen beiden großen Dichtern Spott zu üben. Ich bewunderte sie und thue das noch; aber ich hielt die Größe eines Poeten nicht für einen ausreichenden Grund, ihn von seiner drolligen Seite anzusehen. Vielleicht darf ich eine lustige Erinnerung hinzufügen.

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Als vor etwa zwölf Jahren mein erstes Büchlein eine Auflage nach der andern erlebte, fragte mich eine der Parodie entgangene kleine Berühmtheit, warum ich sie (die Berühmt= heit) nicht mit aufgenommen hätte. Ob sie mir nicht bedeutend genug schien? Höflich erwiderte ich, daß ja bedeutende Dichter fehlten wie Keller und Anzengruber. Darauf die Berühmt= heit: Ach bitte, dann sagen Sie doch in der Vorrede zum zweiten Bändchen, daß Sie Anzengruber, Keller und mich nicht parodirt hätten, weil Sie uns zu ernstlich verehren. Sie würden mir damit eine große Freude machen.“ Ich habe dem Manne die Freude nicht machen können, denn. ich halte allerdings solche übermütige Schriften für tendenziös-kritische und darum ernsthafte Arbeiten. Und Hanns von Gumppenberg scheint derselben Ansicht zu sein, da er doch sonst seine Nachahmungen nicht „Deutsche Lyrik von gestern" genannt hätte. Wer angesehene Dichter als Leute von gestern behandelt einerlei ob mit Recht oder Unrecht, der will ihnen mit seinen lustigen Nekrologen gewiß keine Ehre erweisen oder doch höchstens die lehte Ehre.

Man kann wol so weit gehen zu behaupten, daß eine Parodie nur dann Anspruch auf litterarischen Wert machen kann, wenn und soweit sie aus einer Kampfstimmung hervorgegangen ist. Dadurch unterscheidet sie sich zuerst von den Wißeleien, welche unter dem Namen von Parodien sogenannte humoristische Almanache und ähnliche Anleitungen zur Erheiterung schlechter Gesellschaft“ füllen.

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An solche Schöpfungen des Bierhumors, mitunter auch nur eines zotigen Wighandwerks, denken viele zuerst bei dem Worte Parodie. Dahin gehört es, wenn lustige Studenten das schöne Lied „In einem kühlen Grunde" mit parodirender Mimik aufführen, wenn einer von ihnen Schillers Handschuh deklamirt und jedem Schillerschen Verse einen fatalen Reim hinzufügt, oder wenn die Bürgschaft mit Hinzufügung der Zahlwörter exekutirt wird. Solche Späße haben allerdings eine reine Verehrung für die zu Grunde gelegte Dichtung zur Voraussetzung. Man singt ein ander Mal Jn einem kühlen. Grunde" mit Tränen in den Augen und man kennt seinen Schiller noch auswendig. Es ist einfach höherer Blödsinn und wir haben uns alle dabei schon einmal lachend beteiligt. Bedeutend niedriger wird der Blödsinn, wenn ein elender Parodist eine allgemein bekannte Dichtung dazu benüßt, um mit ihren Worten irgend eine schmußige Alltäglichkeit zu besingen. Wozu hat man nicht allein Schillers Glocke mißbraucht! Die Herstellung des Stiefels und der Wurst mußte sie verherrlichen und auch zu groben Unanständigkeiten herhalten. Ich bin so frei auch den klassischen Froschmäusekrieg, die alte Parodie auf Homer, wesentlich zu den Erzeugnissen dieses niedrigen Blödsinns zu rechnen.

Auch diese traurige Gattung humoristischer Gedichte läßt die Originale unangetastet und lebt von der Popularität der ernsten Dichter. Die ganze Art kann freilich durch künstlerische Form geadelt werden; aber dieser Adel wird selten verliehn.

Sie kann zweitens auch in einen höhern Stand gehoben werden durch die geniale Lustigkeit des Urhebers. Die unsterbliche Parodie „Pyramus und Thisbe" im Sommernachtstraum oder Goethes wunderhübsche Geschichte von Esther und Mardochai sind bleibende Werke ohne eigentlich litterarische Tendenz.

Auf die Bühne gebracht, wirkt so parodistischer Ulk fast immer. Vor dreißig Jahren stand Europa unter dem Bann eines solchen gewaltigen Spötters; Offenbach und seine Textdichter bekämpften den griechischen Glauben nicht, es war in Wort und Musik ein ungeheurer reiner Uebermut. Als Lukianos im zweiten Jahrhundert die Götter des Olymps in ähnlicher Weise an den Ohren zog, lachte man gewiß ganz anders; denn Lukianos bekämpfte eine Macht.

Die gemeine tendenzlose Parodie ist seit jeher auf der Possenbühne zu Hause gewesen. Gute Komiker glänzten in der Nachahmung ihrer tragischen Kollegen, und es ist schwer zu entscheiden, ob die Wolter oder die Gallmeyer in ihrer Art größer war. Eine künstlerische Gegnerschaft ist aber dabei ausgeschlossen, wie denn auch das Parodie-Theater, das in Berlin täglich Zuspruch findet, gewiß nicht ernst genommen sein will. Für die Aufnahme in das Repertoir dieser Bühne ist einzig und allein der Erfolg des Originals entscheidend. Die parodirten Dichter lachen über den Spaß, und das Publikum lacht nur dann, wenn es das ernste Stück schön und rührend gefunden hat.

Die beste Parodie, welche seit Menschengedenken auf unsre Bühne kam, giebt ein gutes Beispiel, wie höherer Blödsinn und kritischer Angriff in einander übergehen können. Ich meine die Tannhäuser-Parodie, deren Entstehung wol einer litterarhistorischen Untersuchung wert wäre. Wer immer nun ihre Dichter und Komponisten waren: die ersten blieben vollkommen im Studentenulk stecken, während die musikalische Parodie sich köstlich gegen die damals noch nicht siegreiche Kunstübung Wagners wante. Die Ouvertüre würde heute auch die Verehrer Wagners erfreuen; vor dreißig Jahren war sie tendenziös und boshaft.

Auch in der Malerei giebt es einen solchen Gegensatz zwischen Ulk und kritischer Parodie. Was auf Wiener G’schnasAusstellungen und in der Osteria der Berliner Jubiläumsausstellung an wißigen Einfällen beisammen war, das gehört fast immer zum gemütlichen Unsinn. Wenn aber der große Oberländer der zwar nur für die Fliegenden Blätter" zeichnet, aber doch wol ein echterer Künstler ist, als alle bisherigen Präsidenten der berliner Akademie wenn Oberländer Max und Böcklin parodirt, so sieht man, wie ein Meister andere Meister beurteilt.

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Künstlerische litterarische Parodie ist jedesmal lustiger Ernst. Ohne Lustigkeit wäre sie nicht wirksam, und ohne Ernst wäre sie nicht lustig, wenigstens nicht für gute Leser. Der Ausgangspunkt dürfte sogar regelmäßig der ernsthafte Angriff sein und nur ein Ueberschuß von Humor gestaltet die Kritik zur karrikirten Nachschöpfung. Ist es doch sogar einmal vorgekommen, daß einer der größten Dichter aller Zeiten sich hinseßte, um eine bissige Parodie zu schreiben und das unvergängliche Wunderwerk zu stande brachte, welches Don Quixote heißt. Aber auch Leute, die nicht Cervantes sind, wollen mit phantastischen Parodien Kritik üben. Goethe, der doch nach Hermann Grimm grob werden konnte, war nur übermütig, als er in seiner Parodie auf Wieland grob werden wollte. Er vergoldete seine Schwertspitze.

Die Tendenz des litterarischen Parodisten ist fast immer eine moderne, künstlerisch fortschrittliche. Aber auch das Gegen

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Ich liebe dich nicht mehr ... Das ist vorbei. Doch schreit mein zuckend Herz im Todeskampf Nach deinem Anblick: dich noch einmal sehn, Noch einmal deine Nähe atmen dürfen, Einmal sagen, wie ich dich geliebt, Und wie das alles nun zu Ende ging... Einmal die Lippen noch zum leßten Kuß

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Und dann: Lebwol! so schwer mirs wird: Lebwol! | Dummheit, das ist das Wort. Ich kenne ja deine Ge

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sagte Leo mit einem Lächeln gezwungener Ironie.

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danken. Sie sind die meinen. Die Weiber, eine furiose Spielart der Tiergattung Mensch, dienen dazu, von uns Männern genossen zu werden, in möglichst großen Quantitäten, bis unser Hunger gestillt ist. Erlaubt ist, was gefällt. Hingegen was erlaubt ist, gefällt nicht wenigstens nicht uns erhabeneren Geistern. Wir lassen das den Inferioren unseres Geschlechtes und nähren uns von dem Verbotenen. Unser Jagdgebiet beginnt erst jenseits der Schußgatter, mit welchen andere ihr Eigentum vor unserer Raubgier zu schüßen suchten. Darum perhorresziren wir die Ehe, will sagen die eigene. Und so weiter das ist ja das ABC in dem Katechismus von uns Lebemännern — nicht wahr?“ Leo, der sich wieder vollkommen behaglich fühlte. Ein wenig fraß aber nicht unrichtig!" sagte

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„Nun aber betrachten wir den Lebemann, wenn er altert. In seinen Beinen steckt das Zipperlein, sie sind zu schwach geworden, um über besagte Schuhwehren hinwegzuseßen, seine Augen, müde von tausend durchwachten

Vor allem, mein Freund, kann ich dir über die Nächten und halberblindet von dem Glanze, der Schöneine Sorge hinweghelfen, die ich auf deinem bleichenheitssonne, in die sie allzuviel hineingeguckt, haben nicht Gesichte deutlich genug ausgesprochen finde. - Der Sohn meines seligen Bruders wird unter diesem Schritte nicht den mindesten Schaden erleiden."

Onkel, Sie scheinen mich für einen Erbschleicher zu halten!" rief Leo, in Entrüstung auffahrend.

Keine _Tartüfferien, mein Freund," sagte die Exzellenz lächelnd, ihn mit sanfter Handbewegung auf seinen Siz zurückdrängend. „Leute wie wir, die wir den Mechanismus der menschlichen Bestie durchschaut zu haben glauben, brauchen uns nicht zu schämen, wenn wir dessen Räderwerk auch einmal mißtönig in unserer eigenen Seele klappern hören. Dein Gefühl wehrt sich dagegen, daß du durch eine altersgraue Torheit um dein gutes Erbe kommen sollst! Was gäb es Natürlicheres in dieser Welt. Und mögen wir Aristokraten uns noch so vornehm dünken, dem Natürlichen, id est dem Gemeinen zahlen wir doch zu jeder Stunde unseren Zoll. Aber, wie gesagt, hierüber darfst du ruhig sein.- Was nun dein Mitleid mit meinem schwachsinnigen Alter anbelangt, so steh' ich allerdings schußlos vor deinem Strafgericht. Ich mache nicht einmal Miene, mich zu verteidigen. Mein einziger Anwalt wäre die Zeit. die Zelt. Werde so alt wie ich - doch ich sehe an deinem über legenen Lächeln, daß du auch ihn nicht gelten lassen willst. Ich habe kein Recht, dir Vorwürfe zu machen, denn so wie du bist, habe ich dich erzogen, ich muß dich also, meine eigenen Fehlgriffe bereuend, geduldig hinnehmen."

mehr die Macht zum Zielen - und trifft er vorbei, so wird er ausgelacht. Da ist es denn an der Zeit, sich seinen eigenen Garten anzulegen und ihn wohlweislich mit Mauern zu versehen und Wächter auszustellen, denn

nun ist man ja selbst in die Reihe der possidentes gerückt, die der Unverstand die Glücklichen genannt hat. sein Wild fortschießen. Mit dieser Aussicht, mein Freund, Aus dem Wilderer wird ein Jagdherr, dem nun andere

Heirate ich!"

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1

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nommen.

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4

erzog die Kleine nun selber, und zwar nach Prinzipien, | Jugend, euch, allen Jünglingen und jungen Männern die ein Moralist vielleicht eigennüßig finden würde. zwischen 20 und 30 Jahren, ein wertvolles Stück Dieselben gipfelten in dem Saße: „Alle jungen Männer des Besißtums, das die Natur euch zugewiesen hat. sind Räuber und Betrüger. Man muß sie fliehen wie Zwar geben mir gewisse soziale Einrichtungen einen die Pest. Nur dem Alter gebührt Liebe. Und von scheinbaren Rechtstitel für diesen Einbruch, aber wir beide diesen Alten wiederum ausschließlich meiner Erzellenz. wenigstens werden nicht bezweifeln, daß die spätere Leonie sieht in mir einen jener edlen, hochherzigen Väter, Menschenwillkür die Urformen des Naturrechtes nicht die sonst nur in Opern vorzukommen pflegen, wo sie lange beseitigen kann, mag sie sich noch so prunkhaft mit dem Gewänder tragen und die zweite Baßpartie exekutiren. Mäntelchen der Heiligkeit und Ehrwürdigkeit umkleiden. In mir konzentrirt sich für ihr Herz alle Güte und Und die Jugend rächt sich für den an ihr verübten Großmut der Welt - sie wird mich schwärmerisch lieben Raub, indem sie, dem Gesetz der Notwehr folgend, außerbis an mein Lebensende und erst nach Ablauf ihres rechtlich zurückzuerobern sucht, was wir Greise ihr geTrauerjahres zu begreifen anfangen, daß ihre Liebe nur In diesem Kampfe, den die Jugend mit Dankbarkeit gewesen." uns führt, find alle Mittel erlaubt; kein Betrug, keine „Und sie sie hat eingewilligt, Ihre Gattin, zu Grausamkeit, kein Verbrechen wird gescheut, wenn es nur werden?" rief Leo in einiger Erregung. zum Ziele führt. Auch ich bin einmal jung gewesen, „Warum beklagst du sie?" fragte der alte Herr, ich weiß, wie wol es tut, der Natur zum Siege zu verseinem Neffen lächelnd ins Auge schauend. „Mit welchem helfen. | Kein Gesetzbuch hat der Jugend dieses Recht Recht behauptest du, daß ich grausam gegen sie verfahre?" | verbrieft, ja alle Sazungen verdammen es in den tiefsten Leo senkte wie ein ertappter Sünder den Blick zur Abgrund der Hölle, aber schau um dich sieh, wie man Erde. Er sah es wohl ein, noch immer war er Glas uns arme Alte auslacht und, sind wir einmal betrogen, vor diesem Menschenkenner, der in den Herzen las wie mit den drolligsten Schmähnamen belegt, und du wirst in aufgeschlagenen Büchern. erkennen, daß alle Welt auf ihrer Seite steht. diesen trübseligen Betrachtungen, mein Sohn, trete ich in die Ehe."

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Ein jedes Glücksgefühl auf Erden läßt sich anerziehen. Hat die Geschichte dem Menschen beigebracht, in einem Stückchen roten Metalles seinen Gott zu finden warum soll man ihn nicht zu einem anderen beliebigen Gößen beten lehren? - Nein, ich habe sie noch nicht in meine Pläne eingeweiht, weil ich bis jetzt die Zeit noch nicht für gekommen erachtete; aber ich versichere dich, ihr Geist ist so beschaffen, daß die Stellung, für welche ich sie ausersehen habe, ihr als ein Glück erscheint, so unerhört, daß es für sie Frevel wäre, auch nur davon zu träumen."

Leo sprang auf und begann aufgeregt im Zimmer hin und her zu gehen, während der alte Herr mit prüfend zusammengekniffenen Augen zu ihm emporsah. Ich kenne Ihre Kraft und Ihre Kunst, Onkel," rief er, „an mir selber hab' ich erfahren, was Sie vermögen; aber mächtiger wie Sie ist die Gewalt des Blutes, ist die Jugend. Jeder blonde Krauskopf kann die Arbeit von Jahren mit einem einzigen Blicke in tausend Atome zertrümmern."

Der alte Herr kreuzte die langen, weißen Hände über dem Knie und schaute sehr nachdenklich vor sich nieder. Das weiß ich wohl, mein Freund," sagte er, ,,und ich würde ein elender Renommist sein, wenn ich behaupten wollte, daß ich mich nicht davor fürchtete. Aber ich bin weit davon entfernt, der Sache Tragik zuzumessen. Wie käm' ich auch dazu, ich, der ich ein halbes Leben lang in fremden Gärten mich umhergetrieben habe, und der ich nun, um meinen Freveln die Krone aufzusehen, das Besitztum einer nächsten Generation als rechtliche Errungenschaft für mich zu usurpiren trachte. Laß uns die Sache ruhig und vorurteilsfrei ansehen. Indem ich, der angehende Greis, ein junges blühendes Mädchen zum Weibe nehme, raube ich euch, der

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Mit

Leo bemühte sich, dem Ernste des Augenblickes Rechnung zu tragen, indem er seine Stirn in möglichst düstere Falten legte; aber das schlaue, vergnügliche Blinzeln, mit dem der alte Herr zu ihm herniederguckte, belehrte ihn, daß seine Gemütsverfassung nicht auf dem rechten Wege war.

„Laß dich trösten, mein Sohn!“ fuhr der Oheim fort, dein Mitgefühl ziert dich, aber es ist noch nicht am Plaze. Wenn ich euch jungen Leute fürchte, so. werde ich mich doch wohl vor euch zu schüßen wissen. Und fürchten tu' ich euch alle, mit Ausnahme eines einzigen."

„Wer wäre das?"

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Richard Bok' Drama „Schuldig!" im Berliner Theater. Richard Voß hat sich aus dem trüben Pessimismus des „müden Mannes" und der Ibsenschen gespensterriechenden Anklagesucht immer mehr in die Neze weinerlicher Sentimentalität verstrickt. Freilich wie lettere auch seinem früheren Schaffen nicht fehlte, so ist auch seine altmütterliche Rührseligkeit noch immer mit Weltschmerzelei und Ausspionirung gesellschaftlicher Uebel verbunden. Indeffen als Grundim Berliner Theater gegeben wurde, trat doch jene in der italienischen zug seines neuen Dramas „Schuldig!", das Sonnabend den 28. März Litteratur (z. B. bei E. de Amicis) nicht seltene, vielleicht durch sie

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