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Fülle ihrer Farben zu sehen, zugleich auch in sie eier

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Wpfliche Menge ernster und lieblicher, prächtiger und

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weniger fantastisch; vielmehr, wenn das Wort hier am Hier sehen wir, wie fich das Naturbild unmerklich Blake ist, realistisch. Was ihn aber mit Böcklin verbindet, in ein Phantasiebild umseßt, und wie in diesem Phantasieist seine Fähigkeit, die Natur überall groß und in der bild die unheimliche Geisteserkrankung sich langsam fortbildet. Die Kunst, die Siegfried darauf verwant hat, mittels derwilles Stimmungselement hineinzutragen, wodurch sie zu artiger leicht verschwimmender Bilder den stetigen Fortdem fie betrachtenden Menschen in eine engere Beziehung gang der Geistesverrückung anschaulich zu machen, ist eine tritt und dessen Gemütsverfaffung im freundlichen oder ganz hervorragende, um so mehr, als sie (soweit ich be feindlichen Sinne beeinflußt. Selbstverständlich haben urteilen kann) in Methode und Ausbildung gänzlich das auch litterarische Vorbilder mitgewirkt, insbesondere Zola geistige Eigentum dieses eigenartigen Dichters ist. Während und Pierre Lotic Doch kam diesen Einwirkungen überall der Betrachtung eines Landschaftsbildestritt denn auch bei Siegfried ein angeborener Sinn, le grand œil d'artiste bei Moralt die erste ausgesprochene Vision, d. Hallun(wie es in l'Oeuvre heißt), entgegen. Gleichwie das uncination, ein, Er steht im Spätherbst auf einer engen endliche Paris für 3olas hungerndes Künstlerange eine Bergwiese und starrt in die erstorgene Natur. Er studirt die wundersamen Farbenspiele: das stumpfe Grün der schlichter Anblicke enthält, so bietet auch das weit be- Wiesen, das Roftrot des verwelften Baubes, das Silbergrau schränktere München dem geschulten Blick Walter Siegfrieds der schmalen Birkenstämme. Da ersteht Siegfriede ber eine Anzahl landschaftlicher Reize, an denen Generationen schreibt das mit wundersam sich steigernden Kunstmitteln blind vorübergegangen sind. Doch ist dieser Roman so allmählich die Gestalt einer feenhaften Frau, die die angelegt, daß sich sein Verfasser nicht blos mit Stadt- Züge seiner verlorenen Geliebten trägt, blidt ihn eine bildern zu begnügen braucht.Etwa das letzte Drittel Weile seltsam an und zerrinnt dann wieder. Von da ab spielt im bayerischen Hochgebirge, wohin sich der bereits geht es in immer schnelleren Stößen vorwärts. Quälende angetränkelte Moralt geflüchtet hat, um dem Lärm, den Träume ängstigen den Halbschlummer des ruhelos sich hin Ablenkungen und den Aufreibungen der Großstadt zu und her Wälzenden, eine zunehmende, unbezwingliche zu da entgehen. Von da ab ist der Mensch mit der Natur Menschenschen, die sich bis zur Furcht vor kleinen Kindern 'fast gänzlich allein, und er versenkt sich in die Natur mit steigert, läßt den Armen mehr und mehr vereinsamen, Hingabe und Frömmigkeit, mit kindlichem Staunen und mehr und mehr in seine Wahnwelt aufgehen, das bismit fünstlerischer Unersättlichkeit. Während der Fortgang herige Bohren und Wühlen der Selbstzerstörung läßt langder schleichenden Krankheit bereits unaufhaltsam geworden sam nach und weicht einer tückisch um sich greifenden ift, und sich Gedanken und Blut vor dem Schreibtisch Stumpfheit und Empfindungslosigleit. Aber frog aller nicht mehr bändigen laffen, da wird die Natur dem gleichsam nichts verschweigenden Wahrheit in diesen Schilderungen hilfeflehend Umherirrenden eine milde tröstende Freundin, hat Siegfried doch den Eindruck des lediglich Gräßlichen die ihm den furchtbaren Uebergang eines allmählichen zu vermeiden gewußt. Erreichte er dies früher durch seine Versinkens in undurchdringliche Geistesnacht sanft und liebe- Naturschilderungen, so erreicht er es jezt durch freundliche voll vermittelt. So begleiten wir denn den armen Kranken Zwischenbilder. Um Weihnachten kommen Briefe der | auf seinen unablässigen Wanderungen, spähen mit ihm Freunde mit lauter guten Nachrichten und bewirken eine sovom mühsam erflommenen soFelegrat ins weite Land hinaus, genannte Remission, d. h. eine vorübergehende Unterbrechung bengen uns mit ihm über die schmale Brückenlehne und des Krankheitsprozesses und scheinbare Befferung. Endlich, verfolgen den wechselreichen Lauf der Wellen eines eilig vor die letzte Katastrophe, die nach einem fürchterlichen Anfall dahinstürzenden Wildbaches, legen uns mit ihm in das hohe einen Herzschlag herbeiführt, ist ein lachendes Frühlingsbild Wiesengras und starren durch das welke Laub der vom eingelegt: die zum Militärdienst ausgehobene junge MannWinde bewegten Bänme in das leuchtende Blau des hoch schaft des unterhalb von Moralts Berghäusl" liegenden fich wölbenden Himmels empor. So sehen wir, wie der Dorfes macht sich einen Festtag, hält Umzüge, fauchzt anfangs so Ueberwache von der großen Natur nach und nach und singt und trinkt und zieht schließlich mit klingendem in geistigen Schlaf gesungen wird. Er heißt jest der Er heißt jest der Spiele ab. Bleiche und erkennt in den ihn umgebeiden Phänomenen überall sein eigenes Ebenbild und gleichsam eine dumpfe symbolische Hindeutung auf das seiner harrende Schicksal. yeh ehe eine wiele fecher, sugleich als eine Brobe ber Ich sebe Schilderungskunst Walter Siegfrieds.

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Eine langgestreckte Wolke, gleich einem großen Getier, das fich pon jener Bergfuppe aufrichtete, stieg gegen die Mondsichel heran. Der Bleiche auf seiner Laube verfolgte ihre Bewegungen. Das Gebilde verschob fich, veränderte sich und nahmt die Form einer in wattende Gewänder gehüllten Menschengestalt an Unverwant schaute er zu Dal auf dem streifigen, weißlichen Himmelsdunst hob es sich jezt dunkel ab, das Gebild. Und während er die Umrisse des Kopfes genau verfolgte, schien es ihm, ale würde es, ähnlicher und immer ähnlicher, der Schattenriß selbst. Kopf trug

einen stad ie

Händen griff sein

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1

Wird man demnach im Vergleich zu unseren Alten Siegfried durchaus zu den modernen Realisten zählen müssen, im Vergleich zu unseren Neuesten zählt er — ich mag nicht sagen: zu den Idealisten denn was heißt das? sondern zu den Künstlern und Dichtern. Auch in der ungemein malerischen, ausdrucksfähigen und töne reichen Sprache, die freilich gelegentlich mit schwerfälligem Sabbau zu kämpfen hat, zeigt sich die Sonderstellung dieses neuen Schriftstellers, und so wird er denn mit Recht zu sich selber sagen dürfen, was er seinen Moralt sehn süchtig ausrufen läßt: Vom ersten Werk an muß

schlankenber riesengroß. Und sein ich sein, der ich bin."

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griff

immer went tochte fie

Des

jest nach dem blinkenden Mond. Bleichen Atemzüge hielten einen Augenblic an dan folgten fie sich in erregten, heftigen Stößen. Lang und länger strecte sich die Ges stalt, höher lichten Glanz, aber Der schwarze Bergd schien sie an den Füßen zu halten, die Erdesschien ste niederzuziehen, daß die Gestalt sich zur Mißgestalt verstrecken, mußte in ihrem Kampf um das Unerreichbare. Immer gedehnter und sehnender wurden die Arme, das bekränzte Haupt berzerrte sich. En eine Grimmasse voll Schmerz und Gram lösten sich die Züge seines Ebenbildes auf; der Leib, der zuerst so schön gewesen, zerfloß in bedeutungslose leere Flecken; und weiter und weiter entschwamm in stolzer Ruhe auf dem filberweißen Dunstmeere die schimmernde Sichel. Da wante der Bleiche traurig sein Haupt und fenkte den Blick, nieder, in die Finsternis vor ihm.“

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...

Es hatte mich eingewiegt. ein ..ge .. wiegt. Ich war eben dabei . . . . so . . . . hinüber zu hinüber zu... dämmern! Ach sterben, sterben - jetzt sterben! Nur auf eine Stunde ster ..... ben... Ich bin eigentlich sehr, sehr nüde; . aber... ich sehe doch noch alles. Der Vollmond! Die Kornähren! Der Horizont!! Mein umgekippter Kohlkarren!! Ah! Eben erschrak ich .... ja, erschrak sehr! O wie sehr! Zwei Mücken..... an meiner rechten, gerade an der rechten Backe! Dort sind Kinder....ach wie saffrangelb, ... und wie schmutzig .. wie lieblich!..... o die stolpernden Stumpfnäschen, welch? süßen Unsinn schwaben sie ich beneide sie. — Ich bin doch - Ich bin doch sehr müde!.. Leere was für

....

-

Vollmond! Vollmond!! Horizont gähnende Leere. Ich gehe schlafen.

II. Nacht.

Ich liege auf meinem Bett!.....

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In den Baumkronen säuselts

jaj empor..

Suftig

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gelblich .... geringelt geringelt

...und wisperts.

Sonst nur Friede um mich her. v. so Friedel un sit moichi

... du schöner Wald!

D ... süßes Lieblingsplätzchen!

D!

Jezt glaub' ich, ich

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Theater.

Von

Fritz Mauthner.

Herzogliches Hoftheater in Meiningen: „Denone" Trauerspiel in 5 Aften von Jos. Victor Widmann.

Meiningen, d. 16. 3. 91.

Die Hofluft von Meiningen ist oppofitionellen Gesinnungen nicht günstig. Und wie da der Mensch gewinnt, weil Menschen ihn gewinnen, so lernt der Kunstfreund und der Künstler die Freude am Theater, wenn nicht von einer neuen Seite, so doch in ihrer edelsten Gestalt kennen. Ernst die Kunst und heiter höchstens vielleicht das Leben; das Schillersche Wort scheint umgekehrt. So viel männlicher Ernst, so viel weibliche Begeisterung vereinigen sich dort zum Zweck, daß das Theater zur. Stätte der Andacht zu werden scheint. Ich habe die Freude gehabt, einer Probe beiwohnen zu dürfen. Sie hat lange gedauert, sehr lange. Diese fünf Stunden haben mich jedoch die bleibende Bedeutung der „Meininger“ für Deutschland, vor Allem aber die Schöpfung dieses Theaters begreifen gelehrt.

1

Um nun aber in den Augen meiner Leser nicht als ein bestechlicher Mensch dazustehen, will ich doch sagen, daß mir die „Denone“ von Widmann eine alte Liebhaberei ist. Schon zehn Jahren, kurz nach dem Erscheinen des Stückes, wies ich auf den dichterischen Wert des Trauerspiels hin, noch entschiedener aber auf den bei uns viel zu wenig bekannten Poeten selber. Ich war so. frei, eine Aufführung dieses Trojanerstücks zu fordern; der Dichter, der ein. ganzer Kerl ist, aber vielleicht die Geseze des Theaters nicht genug kenne, follte durch die Feuerprobe einer Vorstellung für die Bühne gewonnen werden. Aber wie die Griechen vor seinem Troja-zehn Jahre auf den Sieg warten mußten, so hat auch Widmann die Bühne erst nach zehn Jahren erobert. Na, er war ja inzwischen nicht müßig. zipur Gegen den Verdacht, dem schönen und oft gerühmten Zauber des Kreises von Meiningen zu willig unterlegen zu sein, schüßt wohl Cauch die Erwägung, daß das Meininger Theater bekanntlich aufgehört hat seine Propaganda von Stadt zu Stadt zu tragen. Die Schule von Meiningen ist historisch geworden und längst haben Freund. und Feind sich gegenüber den unleugbaren. Wirkungen einigen können. Besonders in Berlin stehen alle drei Bühnen, in denen klassische Tragödien überhaupt gegeben werden, gegenwärtig noch oder schon Gunter dem Einfluß von Meiningen. Das Deutsche Theater hat sich im ersten Jahre seines Bestandes seinen Schiller von seinem Barnay einrichten lassen und huldigt auch heute noch einer durch Vorsicht und Sparsamkeit gemilderten Ausstattungslust. Ludwig Barnay, der da #mials noch bessere Erinnerungen an seine Meister in der Regiekunst hatte, oder der damals von dem bessern Geschmack L'Arronges zurückgehalten wurde, hat bei Schöpfung des Berliner Theaters zunächst den Plan des Herzogs von Meiningen scheinbar zu dem seinigen gemacht. Leider aber gehen da neben echten Leistungen noch die lebertreibungen und Verfälschungen einher, für welche das neue Wort Meiningerei" erfunden worden ist. Das königl. Schauspielhaus hebt sich eben jetzt nach langem Verfall unter dem meiningisch ges schulten Grüber und auch im Leffing-Theater erkennt man in den vorzüglich eingerichteten Interieurs die Andacht zum Kleinen, welche die auffälligste, wenn auch nicht wichtigste Erscheinung an den „Meiningern war.smilenar ein

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Aus dieser Empfindung heraus tam das Schlagwort, mit welchem angesehene Schriftsteller die Nachricht begrüßten, daß das "Hoftheater von Meiningen in seinem bekannten Bestande zu cristiren raufhōre. Die Meininger hätten ihre Schuldigkeit gethan, sie konnten gehen. Als ob in den echten Kostümen und den großen, lebhaften, Løft allzu Tebhaften Volksmassen die Bedeutung der „Meininger" geLegen hatte, und nicht vielmehr in der wenn ich so sagen darf uneigennützigen Energie, mit welcher da alle Kunst und Kunstwiffenfchaft in den Dienst der für würdig befundenen Dichter gestellt worden - war. Nun, nur die P Progaganda von Meiningen ist historisch ge-worden, die Bühne selbst ist nicht im entferntesten, wie man vielfach annahm, zu einem Provinztheater herabgesunken. Und hier sei

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es gleich gesagt, daß Ausstattung und Vorführung der „Denone” in keiner Weise hinter den berühmten Reisevorstellungen zurückstand.

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Das Stück selbst hat trok vieler Längen und troßdem, daß das Publikum nicht auf alles einen Reim zu finden wußte, gut gefallen. Nicht gerade als Drama, wol aber als Dichtung hatte Denone" einen schönen und tiefen Erfolg; und nach den lebhafteren Auftritten gab es den lebhaftesten Beifall. Ich fürchte aber, daß der Grundgedanke von den meisten Zuhörern ganz klar erfaßt worden ist; und doch hebt hier einmal, was mit fast leid tut einzugestehen, gerade die in neuerer Zeit vielgeschmähte Idee das Stück hoch über alle Saisondramatik hinaus. Widmann tritt mit feiner griechischen Tragödie der allein seligmachenden Antike schroff entgegen, und wolgemerkt, das Stück ist zehn Jahre vor dem Hoc volo, sic jubeo geschrieben. Wie uns Modernen allen in den Gesichtern der griechischen Marmorgötter die Seele fehlt, so sieht Widmann in den Kraft- und Schönheitsmenschen der antiken Welt minderwertige Gesellen; er vermißt an ihnen Empfindung. Vielleicht wäre es eine dankbare Aufgabe den gewesen, diesen seelischen Bankerott Männern ern und Frauen der perifleischen Zeit aufzudecken. Dafür entschädigen die Männer und Frauen der homerischen Zeit durch das Uebermenschliche, das die Mythe ihnen gegeben hat. Widmann zeigt uns den Gegensatz ån den beiden Weibern, welche um den schönen Paris kämpfen. Denone ist seine verlassene erste Gattin und liebt ihn mit modernem, wenn man will mit christlich germanischem Gefühl. An seiner Leiche giebt sie sich selbst den Tod. Helena aber, in völlig naiver Sinnlichkeit, denkt vor dem todten Paris heroinenhaft groß und frech schon an künftige Gatten und steht ganz verwundert vor Denone's Liebestod. „Giebt's eine Liebe, die den Tod besiegt, dann freilich wäre Helena die Schönste länger nicht," Der erhabenen Schamlofigkeit Helena's und ihres fast ebenbürtigen Paris steht außer der Denone, die wol zu sentimental geraten ist, die

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.

und eines großen Dichters würdige Gestalt bedeutende

Thersites gegenüber.

Unter den schönheitstrunkenen Griechen ist er der bewußte Vertreter der Mühseligen und Veladenen, der Verstoßenen und der Ausfähigen, und mit einem fecken Sprung läßt der Dichter den unglücklichen Krüppel das Christentum über den Gefilden der rosigen Eos aufdämmern.

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„Dies Griechenvolk, wenn mich nicht Alles täuscht,
Giebt noch in später Zukunft böses Beispiel
Der ganzen Welt in kaltem Vornehmtun.
Es kommt kein Heil von diesen graden Nasen.
Die ganze Welt lernt das olymp'sche Lächeln.
Gäb's irgendwo ein Gegengift! Ein Volk
Krummnafig, säbelbeinig, übel riechend.
Nach Zwiebelkraut, ein unerfreulich Volk,

Das hätte Herz fürs Elend. Solchem Volksat dhij 12
Entstammte wohl ein Freund von unsresgleichen.“gre

ver

Es gehört ein seltener Mut dazu, den sprichwörtlichen Thersites nach Homer neu zu schaffen. Auch bei Shakespeare fand Widmann feinen gewaltigen Spötter nicht. Um dieser Gestalt willen allein diente die Denone unsere Bühnen zu an erobern Diesem Glücke würde die Fabel des Stücks nicht im Wege stehn. Sie ist vortrefflich ch erfunden. Daz Trojas as wird uns vorgeführt und sehr geschickt in die Sage von Philöktet hinein verflochten. Nach Götterspruch soll Paris durch einen Pfeilschuß Philoftets getötet werden. Philoftet aber, wie nicht jeder Zuhörer aus Sophokles wußte, zürnt den Griechenfürsten, wie einst Achilleus. Denone, des Paris verlassene Gattin, erfährt das Orakel und möchte den schönen Paris dadurch wiedergewinnen, daß sie den Verwundeten mit einer Zauberarznei heilt. Zauberarznei heilt. Sie überredet den verliebten Philoftet, den Schuß zu tun. Der totwunde Mann wird zu ihrer Waldhütte getragen. Paris fleht und schmeichelt um Heilung, aber in einer prachtvollen Scene weigert er sich, h, vom schönen Leibe Heleita's zu lassen. Da zerschmettert Denone das Fläschchen mit den Nettattropfen und Parts stirbt: In diesem Augenblicke scheint Helenas Schönheit über Denones Treue cue zu siegen. Aber von der Leiche des Geliebten wendet Helena sich ruhig ab man denkt an den König und bie

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Jüdin von Toledo und während Denone stirbt, dringen die Griechen siegreich hinein und Menelaos holt sich sein schönes Teufelsweib wieder.

Diese gute Fabel ist leider nicht mit dem richtigen Theaterfinn, aber auch nicht durchaus ntit drantatischer Kraft geformt. Die Schlacht und der Zweikampf zwischen Philoftet und Paris wird uns in einer recht ungeschickten Weise erzählt und das trojanische. Pferd scheint in die Schlußscene etwas, hölzern hineinsehen zu wollen. Dazu kommt, daß an zwei wichtigen Stellen der Handlung unflare Mißverständs aiffe die Klaminern bilden müssen und für mich wenigstens der Fehler; daß die Exposition sich auf zwei, lange Afte verteilt. Sind das nun innere Gebrechen, so. leidet die Wirkung auch unter dem äußeren Ulmistande, daß der Dichter mit Namen arbeitet, die vor lauter Popularität schon Operetten und Hundenamen geworden sind, daß er aber froßdem mitunter eine genautere Kenntnis der alten Sagenwelt vorausseßt, als unsere Gymnasien vermitteln. Die ganze gut gesehene Gestalt des. Philoftet litt darunter, daß das Publikum seine Leidensgeschichte nicht kannte.

Ein anderer Umstand, der die Wirkung ebenfalls ein wenig schädigte, ist ein gewisses Schwanken im Styl, das sich auch in der Pa Behandlung der Sprache zeigt. Bald modernisirt der Dichter die alten Legenden, bald läßt er die verwitterten Zaubergeschichten un verändert. Philoftet z. B. wird durch einen ganz gewöhnlichen Militärarzt anstatt durch Götterkraft von seiner Krankheit geheilt, daneben jedoch werden seine Hände von Orakelsprüchen gelenkt. Ich finde es damit verwandt, daß Widman in seinen Versen bald wohlklingende Jamben bringt, ja sogar an den antiken Trimeter erinnert, dann aber wieder mit glücklichem. Uebermut fast parodistische Töne anschlägt. Beides gelingt ihm. Aber der verschiedene Ton in einem Rahmen stört.

Es wäre erfreulich, wenn nach dem Vorgange von Meiningen andere edlen Dichter zu Worte kommen ließen. große Bühnen den edlen Vielleicht entschließt er sich, in Technik und Sprache einiges zu ändern. Das Stück ist streng nach horazischer Vorschrift länger als neun Jahre unterdrückt worden; der Dichter dürfte also mehi

als die wünschenswerte Objektivität gewonnen haben. Jedesfalls

wird kein Zuhörer die gehobene Stimmung vergeffen, welche Widviann, glänzend unterstügt von den Meiningern, zu wecken wußte.

Es fällt mir nun schwer unpersönlich zu bleiben und das Mäcenatentum nicht zu rühmen, welches sich in solcher Förderung cines so eigen sinnigen Dichters offenbart. Mäcenatentum ist ein abgeschmacktes Wort für einen schönen Begriff. Es läßt sich leider weder übersehen noch lernen. Die Achtung, mit welcher da der Dichter und seine Welt umgeben wird, flößt ein erhöhtes Maaß von Achtung ein. Man versteht da Goethe's Sänger" beffer, als durch die schönsten erklärenden Anmerkungen und bittet dem Hofmann von Weimar manches Unrecht ab. Künstlerisch zeigt sich nun die Huldigung für den Dichter am reinsten in der ungeheuren Arbeit, die der eigentliche Leiter des Theaters, der Herzog felbft, an die Dichtung verwendet.

Und wenn ich nicht schließen müßte, möchte ich gern noch bez merken, wie der Regisseur bón Meiningen, der doch seinen Künstlern gegenüber auch ohne strenge Theaterstatuten eine gewisse Machtvollkommenheit besigt, seine Biele erreicht und doch mit jedem Worte die künstlerische Würde seiner Schaar anerkennt und hebt. Auch diese Achtung vor dem Kleinen wäre da und dort zur Nachahmung zu empfehlen.

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Litterarische Chronik.

Man hatte sich daran gewöhnt, von Premièren des fgl. Schau spielhauses für die Entwicklung der Litteratur auch nicht das Geringste zu erwarten. Im Gegenteil, man mußte es als untrügliches Hennzeichen für gegenwartsfeindliche Konvention ansehen, wenn ein neues Stück gerade einmal — oft kommt es ja nicht vor — auf dieser Schaubühne zuerst gespielt wurde. Um so bemerkenswerter war die Aufführung von Wilhelm Meyers vierattigem Drama: „Unsichtbare Ketten", welche Sonnabend, den 14. März, stattfand. Denn sicher war dieses Schauspiel in der frackwidrigen Kraft und saloufeindlichen Leidenschaftlichkeit seiner Scenen und in dem sozialkritischen Zuge, der es durchweht, eine bedeutsame Konzession an die ueue Litteraturrichtung. Ein Zeichen der Zeit!.

Freilich das Stück im ganzen, so gute Erwartungen es im Anfang erregte, ging allmählich in vollständige Berwirrung und ziel loses Hinschwanken über. Der Fehler beruhte darin, daß, drei verschiedene Probleme in einander zusammengedrängt und das Interesse dadurch dreispältig zerteilt wurde.

Im Anfang handelt es sich um die Liebe des Auwalts Bernhard Schell zu Luise, der Braut seines Bruders, eines Arztes, der, als Jahren im Zuchthaus schmachtet. Der Konflikt zwischen Verlobungstreue und Liebe endet hier zunächst zu gunsten der Liebe, die gesunde Natur des Mädchens wehrt sich gegen die alte von ihrer Pflegemutter vertretenen Moral des Trcuhaltens ohne Liebe. Indessen dieses Problem, wird nicht festgehalten, der Arzt Albrecht wird als unschuldig aus der Strafanstalt entlassen; und es taucht jetzt das Motiv des gesellschaftlichen Todes der unschuldig Verurteilten auf. Dieses Motiv, das durch eine frische und natürliche, aber in ihrer Breite hemmende, die Feigheit der Gesellsellschaft geißelude Scene eingeleitet wird, lenkt das Interesse auf eine neu auftretende, in der Weise Graf Trafts die Ansichten des Verfassers äußernde Figur, den Sträflingsgenossen Albrechts, Bauermeister mit Namen a

des Mordes verdächtig, seit fünt ~

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Wird so die Aufmerksamkeit von dem ersten Thema allzusehr abgezogen, so spinnt sich dieses trogdem langsam weiter fort. Bernhard Die Aufführung stand, wie gesagt, auf der alten Höhe der verzichtet nun doch noch auf Louise, und diese kehrt zu dem unMeininger. Wie sonst auch waren unter den mehr als zwanzig geliebten Bräutigam zurück. Also trog des gefunden Anfangs doch Mitspielenden recht viele le unfertige jugendliche Kräfte, wie sonst auch wieder die alte asketische Lüge, die unsere ganze Litteratur noch durchfühlte man, daß einzelne Darsteller dem gebietenden Regisseur gezicht. an zeige mir nur diejenigen Menschen, die zu Gunsten ihrer horchten, ohne seine Absichten recht zu verstehen. Herr Barthel Brüder auf ein Weib, das sie wirklich lieben and .von dent' fie spielte den schönen Paris Allen zu gefallen. Fräulein Himmighoffen geliebt werden, verzichten. Dieses Verzichtungsideal, in der Wirkbeherrschte vollkommen die schwierige Rolle der Denone. Herrlichkeit niemals erreicht, läßt sich, historisch aus den früheren Doktor Ludwig Wüllner, der den Thersites spielte, wird wohl über furz oder lang ein bekannter Name werden.

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dogmatischen Anschquungen über Ehe und bräutliche Treue fehr
gut erklären, es ist auch leicht verständlich, wie die Dichter ihre
Themen im
Themen im Sinne dieses Ideals ausführen und zu dieseų, as-
ketischen Motiven gelangen mußten. Allein wugs sollen wir noch mit
denselben, wir, die wir wissen, daß die asketischen. Ideale der gesunden
Weiterentwicklung des Menschengeschlechts schädlich sind, wir, die wir
uns nicht erinnern können, dieselben jemals in der Wirklichkeit ob-
jektivirt gesehen zu haben? Der Verfasser scheint indessen doch ziem-
lich natürlich zu empfinden, er läßt in Louise freilich etwas zu plöß-
lich, Liebe für Albrecht, diesen leidenschaftlichen, gegen die Vorurteile

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der Gesellschaft mutig ankämpfenden Mann erwachen, so daß man es gerechtfertigt findet, wenn sie seine Frau wird.

Jedoch nun kommt das dritte Problem, und das ist die Geltung der Frau als verschacherbarer Waare. Und dieses Motiv ist am schwächsten und verworrensten durchgeführt. Wie sehr Luise immer über diese Behandlurg empört sein kann, so rasch und so ausschließlich folgt die Liebe nicht diesem Gefühl.

Die drei Probleme find nun in unklarster Weise mit einander verquickt, fie unterbrechen und stören einander, so daß eine konsequente Fortführung der Handlung und eine zwingende Notwendigkeit des Geschehens selten gespürt wird. Die Unklarheit und Unbegreiflichkeit ward im leßten Akte so groß, daß das Stück dem starken Zischen der Zuschauer unterlag. Indessen gab es doch einen kleinen Kampf, und es fehlte nicht an oppofitionellem Beifallsklatschen derjenigen, welche in dem Drama, wenn auch ein nicht zum Ziel gelangtes Wollen, so doch ein zielwollendes Ahnen und energisches Streben anerkennen mußten.

Während das königliche Schauspielhaus sich so zu modernisiren scheint, mußte es auch demjenigen, der die Verdienste des Vereins "Freie Bühne“ voll und ehrlich anerkennt, auffallen, daß die Poffe von Anzengruber „Doppelselbstmord“, welche Sonntag, den 15. März, aufgeführt wurde, so wenig demjenigen entspricht, was die Freie Bühne" sonst erstrebt. Denn irgendwelche Gegenwarts - Bedeutung für die Litteratur hat dieses Anzengrubersche Stück gewiß nicht. Die Gedanken, die es enthält, sind uns geläufig, die Probleme, die es behandelt, gelöst und die Art, in der es geschrieben, nicht mehr neu.

Ein junges Liebespaar, dessen Bund durch die Feindschaft der Väter gefährdet ist, entflicht aus dem Heimatsdorfe. Ohne die kirchliche Weihe empfangen zu haben, werden die beiden jungen Leute in einsam gelegener Hütte Mann und Frau, während die Fürcht vor einem Doppelfelbstmord" der Kinder die Väter zur Versöhnung treibt und zur Anerkennung des Bundes der beiden, die man endlich nach langem Suchen entdeckt, gelangen läßt.

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Der Vorstand der Freien litterarischen Gesellschaft", der sich seiner Aufgaben mit großem Eifer zu unterziehen scheint, plant einen „Sammel- und Einheitspunkt" aller modern-litterarischen Schrift werke zu schaffen. Zu diesem Zwecke geht er jezt an die Errichtung der modernen Bibliothek, von der bereits bei Gründung der Gesellschaft die Rede war. Sodann aber gedenkt er ein modernes Archiv einzurichten, in welchem alle auf die neue Litteraturbewegung fich erstreckenden Schriftstücke, Kritiken, Artikel, Nachrichten, Zeitungsnotizen, Cirkulare, dann aber auch interessante Handschriften aufbewahrt werden sollen. Die beiden Unternehmungen verdienen gewiß die lebhafteste Unterstüßung. Nicht nur, daß sie den Mitgliedern des Vereins die Möglichkeit bieten, die ganze moderne litterarische Bewegung zu studiren und alle Aeußerungen derselben mit leichter Mühe zu verfolgen, sondern die beiden Institute und besonders das moderne Archiv würden einmal für spätere Zeiten die erste und bequemste Quelle für das Studium der neuen Litteratur der Gegenwart sein.

Der Vorstand richtet in einem Rundschreiben an alle diejenigen, welche die Bestrebungen der Freien litterarischen Gesellschaft" fördern wollen, speziell an die Autoren, Verleger und Redakteure die Bitte, ihm Schriften (vor allem eigene Werke), Journale, Zeitungsaus schnitte u. dgl. zugehen zu lassen.

Litterarische Neuigkeiten.

M. G. Conrad, Erlösung, drei Novellen. Leipzig, Wilhelm Friedrich. 80 und 185 S.

Gleich im Anfang der ersten Novelle kommt der Sag vor: Ihre Phantasie lümmelte in musikalischen Orgien. Das Wort „lümmeln" sprang mir sofort in die Augen, es steckt so etwas Charakteristisches drin. Eine hypersensitive Natur wie Hermann Bahr würde anstatt des Lümmelns einen Ausdruck gebraucht haben wie fi= briren" oder „taumeln", ein feinsinniger, geschmackvoller Künstler wie Heinz Tovote, würde sich in diesem Falle mit dem einfachen gez bräuchlichen schwelgen" begnügt haben. In diesen drei Arten des Ausdrucks scheint mir eine ganze Entwickelung der modernen Litteratur zu liegen. M. G. Conrad steht noch ganz am Anfang derselben. Er hat seit dem ersten Auftauchen der neuen Litteraturbewegung nichts vergessen, leider aber auch nichts gelernt. Damals war eine Persönlichkeit wie die seine, die in rücksichtsloser, grobförniger, flobiger Zertrümmerungssucht gegen veraltete Anschauungen und Regeln zu Felde zog, gar sehr vonnöten. Indeffen Conrad hat sich seitdem nicht weiterentwickelt. Weil seine Persönlichkeit sich nicht durch die alten Regeln einschränken laffen wollte, darum meinte er, alle Einschränkung, alles Zielstreben und Schulen nach einem Ideal sei vom Uebel und das Sichaustoben allein das Wahre. So tobt sich denn Conrad jezt, wo unsere jüngeren Dichter wieder anfangen, sich eifrig zu erziehen und für neue Schönheitsziele zu bilden, noch immer aus. Die vorliegende Sammlung, deren erste Nobelle wie der Obertitel „Erlösung" heißt, wäre vor fünf Jahren vielleicht eine Tat gewesen, jest hat diese bäuerisch-burschikose, ungehobelte Waldmensch-Manier ihre litterarische Bedeutsamkeit und Berechtigung verloren. Seltsam ist nur, wie man Conrad, deffen Personen sämmtlich in dem Tone reden, in dem er erzählt, jemals „objektiv“ nennen konnte. Fast niemand steckt so in seinem Stoff drin, ringt sich so mit demselben ab, steht so wenig über ihm wie Conrad. Bedenklich ist mir aber vor allem, wie der Verfasser inhaltlich noch ganz mit alten Motiven rechnet. In der ersten Novelle handelt es sich hauptsächlich um die Schilderung des bekannten leichtlebigen, Schulden machenden Majors und in der dritten (die zweite, „Im Himmelreich“, ist nur ein kurzes Stimmungsbild) dreht sich die Handlung um die nicht minder alte und längst gelöste Frage der sogenannten Mesalliance. Das neue Motiv, daš in der ersten Novelle hinzukommt, der moralische Zwang, mit dem der Sohn den Vater zum Selbstmord treibt, wirkt als krasse unwahrscheinlichkeit; dagegen ist der Sieg der Liebe zweier durch Naturverwandschaft zu einander gezwungenen, Menschen in „Rotes Blut“ sehr wirkungsvoll geschildert. Auch sonst ist manche Kleinmalerei, besonders da, wo sie mit Conrads Eigenart sich zufällig verträgt, nicht ohne Geschic ausgeführt.

C.16.

Deutschlands Schule im Jahre 2000. Der Traum eines Pädagogen. Mit Bezug auf das bekannte Buch „Der Rückblick" von Bellamy, der sehr wenig über das Schulwesen im Jahre 2000 zu liegender Broschüre nach berühmten Mustern" von ausgeführten Schulfagen gewußt hat“, träumt der Herr anonyme Verfasser vorreformen im Zukunftsstaate.

Er teilt die Schulzeit in die Lernperioden im Kindergarten, der Elementarschule, der Realschule, der oberen Realschule und event. der Fachschule.

Das berühmte Muster Bellamy ist in der Gründlichkeit und im Stile getreu kopirt.

Sollte sich im Jahre 2000 Deutschlands Schule nun wirklich im Sinne des vorliegenden Traumes umgestaltet haben, so denken wir über die event. Vorzüge dieses Systems spätestens im Jahre 2001 an dieser Stelle eine ausführlichere Notiz zu bringen. F.

Der heutigen Nummer liegt ein Prospekt der Verlagsbuchhandlung von Wilhelm Bert (Bessersche Buchhandlung) bei über das in ihrem Verlage bereits in zweiter Auflage erschienene Werk System der Ethit" von Professor Sriedrich Paulsen.

Verantwortlich: Dr, Curt Grottewiß, Berlin. Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Köthenerstr. 30.

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