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Ueberzeugungen von den göttlichen und menschlichen Stils. Mit großer Freundlichkeit wurde ich von dem Dingen lebte, mit mächtigen, rein blauen, strahlenden Paar empfangen. Sie waren bereits durch A. Duncker Augen, hatte jenes Atelierhaus verlassen. Mit ihren auf mein Kommen vorbereitet und Storm entsann sich auf beiden Jüngsten, dem blonden Adalbert, dem Kupfer unser erstes Zusammentreffen und Gespräch noch sehr wol. stecher, und dem Nesthäkchen Karl, einem schlanken,,,Nun bin ich doch äußerst gespannt auf das, was Sie schönen, blauäugigen, zwölfjährigen Jungen von unbändiger, wilder Lebenskraft, heute Lehrer der Bildhauerkunst an der Akademie zu Caffel,- bezog sie das ebenfalls in einem großen Garten stehende, von einer prächtigen alten Linde und Nußbäumen beschattete kleine Haus mit der fäulengetragenen offenenen Vorhalle im Erdgeschoß, das sie als Eigentum erworben hatte. Es war das westlich angrenzende Nachbargrundstück des Henslerschen. Der älteste, Oskar, der Maler, hatte sich, von Rom mit dem franken Vater zurückgekehrt, in Berlin vermählt, kaufte Mutter und Brüdern das väterliche Haus und Gartengrundstück ab und nahm von ihm Besit. Reinhold, der hoffnungsvolle fünfundzwanzig jährige Bildhauer, lebte damals in Rom. Von zwei anderen Brüdern stand der eine als Offizier bei der Armee; der zweite befand sich auf einer Orientreise. Die Mutter verließ nach dem Tode des Gatten das Karlsbad während vieler Jahre nicht mehr. Es war ihre Welt, deren Grenzen sie um keinen Preis überschreiten mochte. Sie und ihre Söhne, die zu den frühesten Ansiedlern dieser Gegend gehörten, bildeten eine lebendige Staffage derselben, welche für die Vorstellung aller Bewohner des Karlsbads untrennbar mit dem Bilde dieser in sich abgeschlossenen Gartenwelt verbunden war. Jeder trat zu ihnen, und sie, besonders die Mutter, zu jedem in gewisse Beziehungen. Die, welche sich schon im ersten Jahr unseres dortigen Aufenthaltes zwischen ihr und uns knüpften, wurden bald sehr nahe und herzliche.

Ein dem unseren gegenüberliegendes Landhäuschen, zu dem ein sich dahinter weithin ausbreitender Garten gehörte, wurde damals von dem Herausgeber des Kladderadatsch, dem Verlagsbuchhändler Hofmann, als Sommerwohnung gemietet, mit seiner Familie bezogen und bald auch angekauft. In der offenen Vorhalle fahen wir da täglich die damals noch in frischer Jugendfülle prangende Gattin Hofmanns und ihre fie besuchende schöne Schwester, die Frau Rudolf Löwensteins, fißen, ihre Buben und Mädchen auf der Freitreppe und im Vorgarten spielend. Nicht selten traf zum Kaffee- oder Abendbesuch die ganze Viereinigkeit der Schöpfer und Erhalter des Kladderadatsch, der damals ein an Kämpfen, feindlichen Heimsuchungen, aber auch an Siegen, Glanz und Ehren besonders reiches Dasein führte, Rudolf Löwenstein, David Kalisch, Ernst Dohm und Wilhelm Scholz, ein. Ihre Gespräche, ihr Lachen flang von drüben her deutlich zu meinem nicht gar so hoch über dem Straßenniveau gelegenen offenen Dachfenster herauf und herein, und mit lebhaftem Interesse betrachtete ich aus der Vogelperspektive die Vielgenannten, Bielgefürchteten und Vielbewunderten, welche allwöchentlich die Geißel des geistreichsten Witzes und Spottes furchtlos über Volk und Mächtige schwangen und mit der Kraft ihres Humors, so weit die deutsche Zunge klingt, Millionen zum herzlichsten, erfrischendsten Lachen brachte.

In jener glücklichen Frühlingsstimmung auf dem Karlsbad entwarf ich drei oder vier kleine Bleistift zeichnungen zu Szenen aus Theodor Storms „Immensee". An dem ersten Maisonntag führ ich damit nach Potsdam zu dem Verfasser hinüber. Er bewohnte mit seiner schönen Gattin Frau Constanze und den Kindern, den zwei älteren Buben und dem eben erst geborenen kleinen Mädchen, eins der dortigen Backsteinhäuser holländischen

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mir da bringen", sagte er mit jener schleswigschen Aussprache des Lautes "sp", welcher das den Mittel- und Süddeutschen so gewöhnliche, im Sprechen eingeschobene „ch“ ausschließt, und dem Klange etwas eigentümlich zartes, lispelndes giebt. Ich packte meine Mappe aus und reichte ihm die Blätter, meinerseits noch ge= spannter auf den Eindruck, den sie auf ihn machen würden, und nicht ohne ernstliche Besorgnis. Diese aber war rasch genug verschwunden. Sah ich doch seine blauen Augen in einem freudigen Glanz aufleuchten bei der Betrachtung der ersten Zeichnung. Es war die der Szene der Vorlesung des Liedes Meine Mutter hats gewollt" durch Reinhardt, wobei Elisabet sich vom Sessel erhebt und still das Zimmer verläßt. Sieh das doch mal an, Constanze"! sprach er zu dieser gewendet, drückte mir die Hand und sagte mir so viele schöne Dinge über dies Blatt und besonders über die Verkörperung seiner geistigen Lieblingstochter Elisabet, daß ich mich hüten werde, sie hier zu wiederholen. Die Zeichnung müsse ich ihm überlassen. Bis an sein Lebensende solle sie eingerahmt an der Wand über seinem Bett hängen. Auch die andern Blätter hatten mit geringen Einschränkungen seinen vollen Beifall, das ganze Unternehmen seine herzliche Zustimmung. Ich mußte den schönen Maisonntag mit ihm verbringen. Teils in der Wohnung beim selbstbereiteten Tee von idealer Vortrefflichkeit, er behauptete, nach der Art, wie sich der Mensch zu diesem Getränk, dessen Genuß und deffen Bereitung verhalte, ließe sich Wesen und Wert der Persönlichkeit, des Herzens und Geistes, sicher bestimmen teils auf langsamen Spaziergängen, möglichst fern ab von den ihm in tiefster Seele verhaßten kunstreichen Parkanlagen und gleichsam offiziellen Schönheiten und berühmten Partien Potsdams, nach Tornow hin, über die weiten blühenden Wiesen, schlossen wir in endlosen nie stockenden Gesprächen unsere Seelen gegen einander auf und begründeten eigentlich schon in jenen herrlichen Stunden den Freundschaftsbund, der mich während Storms folgender Lebensjahre, ja noch über sein Grab hinaus, so reich beglücken sollte. (Ein elfter Artikel folgt.)

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Theater.

Bon

Fritz Mauthner.

Berliner Theater: „Arbeit“. Schauspiel in 4 Akten von Henry Arthur Jones. Lessingtheater: Thermidor". Schauspiel in 4 Akten von Victorien Sardou.

Das alte Stück von Jones hätte ruhig jenseits des Kanals bleiben dürfen. Bei uns ist der Einfluß der Kolonien auf Leben und Litteratur noch nicht groß genug für das Verständnis solcher Hintertreppenstücke. Der junge Foster soll um seiner Jugendstreiche willen irgend wohin nach Oberägypten oder ins Innere von Afrika. Ganz plötzlich kommt sein Vater mit dem Coursbuch und ein Diener mit einer Reisetasche, und der junge Foster muß fortlaufen, um den Anschluß nicht zu versäumen. Er hat buchstäblich nicht fünf Sekunden Zeit, um seiner ebenso verführten als geliebten Braut zuzuflüstern daß er sie liebe und sie heiraten werde. Wie Othello die Tragödie der Eifersucht, so ist „Arbeit“ das Schauspiel des dritten Läutens. Denn aus der furchtbaren Eile des jungen Foster ergeben sich alle weiteren Folgen. Der Vater der Geliebten, ein Arbeiter und Er

finder, wie er im Buche steht, aber im Leben nicht vorkommt, erfindet unter Absingen einer Rachearie irgend etwas, was den alten Foster ruiniren muß. Denn er glaubt sein Kind nicht nur verführt sondern auch tot. Der Held der Arbeit wird binnen kurzer Zeit ein Millionär, der alte Foster ein Bettler. Schließlich kehrt der junge Foster mit dem fahrplanmäßigen durchgehenden Wagen von Oberägypten nach England zurück; er hat unten das Mädchen geheiratet, und unter den Klängen eines Versöhnungschores sinkt der errötende Theatervorhang zum letzten Mal.

Das Stück ist also nichts für uns, weil in Deutschland der Kolonialmensch selten so schnell zur Abreise kommt, daß er nicht noch vorher eine Rede halten könnte. Im Uebrigen ist „Arbeit“ von Jones ein so unsäglich schlechtes Stück, daß zu seiner Hinrichtung eigentlich eine zweite Kritikerklasse, eine Kolonne von Strafkritikern, die es nämlich zu ihrer eigenen Strafe sind, eingerichtet werden müßte. Wie die berühmte Zeichnung des Lazaretpferdes in der Tierarzeneischule, zeigt es sämtliche Fehler so veralteter Handwerksarbeit in sich vereinigt. Kaum, daß der gutgegriffene Stoff und einige satirische Ausfälle gegen englische Wahlsitten zu loben wären. Die auftretenden Menschen sind durch und durch so unwahr, ihre Sprache ist so durch aus papierener Stil, die eingestreuten Scherze sind so clownmäßig und roh, die Kulissenreißerei der Aktschlüsse so albern, daß ein künstlerisch geschultes Publikum vor all diesen Schönheiten wie im Parodie-Theater fäße und aus dem Lachen gar nicht herauskäme. Das Stück hatte einen vollen Erfolg. Herrn Kraußneck, der den Arbeiter spielte, ist die Schuld des Erfolges größtenteils beizumeffen.

Es ist nicht daran zu zweifeln, daß diese grobe Arbeit vor einem Arbeiterpublikum einen Sturm des Beifalls entfesselt hätte. Es schmeichelt allen Masseninstinkten. Die Leiter der „Freien Volksbühne“ sind stolz und vornehm genug, auf so spottwohlfeile Lockmittel zu verzichten. Sie überlassen das mit Recht bürgerlichen Konkurrenten. —

Der politische Kampf um die große französische Revolution ist durch die Pariser Vorgänge bei der Thermidor-Aufführung wieder einmal auf die Tagesordnung gefeßt worden. Die schreiende Minorität hat einen selbständigen Mann wie Sardou am Sprechen verhindert; man kann daraus zu seiner Ueberraschung ersehen, daß die Minoritäten mitunter ebenso dumm sein können, wie die Majoritäten. Für Frankreich liegt die Sache nun so, daß die Revolution von 1789 und die schönen Legenden dieser Revolution ein Heiligtum sind, an welches auch der maßvolle Gewürzkrämer nicht gern rühren läßt. Was immer die neuere Geschichtsforschung teils im Partei-Intereffe, teils aus Wahrheitsliebe zur Zerstörung dieser Legenden versucht hat, die alte Mythe, wie sie namentlich durch Lamartine und Thiers klassisch geformt worden ist, scheint dort unzerstörbar zu sein. Kaisertum und Republik | haben den alten Mythengestalten opfern müssen, nicht nur um dem souveränen Pöbel zu schmeicheln, sondern auch wirklich, um das allgemeine Gefühl der Nation zu schonen. In Deutschland ist durch die religiöse Zerreißung sogar die Reformation verhindert worden, ein folcher Ruhmestitel für das ganze Land zu sein, wie es die Erstürmung der Bastille u. f. w. für Frankreich ist. Ich erinnere mich, daß mir vor bald zwanzig Jahren am Fuße des Odilienberges ein elsaffer Fuhrknecht, der französisch nicht einmal sprechen und überhaupt nicht schreiben könnte, auf meine Fragen, wie er als Deutscher so französisch gesinnt sein könnte, ungefähr erwiederte: „Von Geburt bin ich freilich deutsch, aber von Geblüt (etwa: Gemüt) bin ich französisch. Wissen Sie, monsieur, wir haben nämlich die große Revolution gemacht“. Wenn nun ein Menschenverächter wie Sardou in der großen Revolution nur das Tollhäuslerische sieht und unerschrocken darzustellen sucht, so sollte ein freies Volk ihm nicht den Mund verbieten. Er hat in Rabagas dem Volkstribunen Gambetta ebensó konservativ heimgeleuchtet und Nabagas ist troßdem nicht sein schlechtestes Stück geworden. So scheint mir die über Thermidor verhängte Zensur zwar eine der Republik unwürdige Dummheit zu sein, aber die Entrüstung französischer Herzen kann ich gar wohl begreifen. Die große Revolution ist die internationale Gloire der Franzosen.

wieder auf einem großen Umwege über die Befreiungskriege hinweg zur deutschen Einheit geführt haben, hat Deutschland alles moderne Leben dieser Revolution zu danken, und hat sie andererseits nicht mit seinem Blute bezahlen müssen. Für die gemäßigten Franzosen ist das Andenken der Revolution geschändet durch die Greueltaten eines Marat und eines Collot d'Herbois; auch bei Danton und Robespière müssen sie sich der Septembermorde und der Guillotinenarbeit erinnern. So scheuen die vornehmen franzöfifchen Schriftsteller den Blutgeruch, und sowohl der Demokrat Victor Hugo wie die Aristokraten Goncourt schreiben poetische Rettungen der Royalisten von 1793, ohne freilich die Legende geradezu zu verlezen. Auch wir haben in der Schule von Marat und Collot d'Herbois gehört, und Danton und Robespierre sind uns vielleicht als Bluthunde geschildert worden. Doch im Grunde sind das alles für uns leere Namen, wir spüren den Blutgeruch nicht. Wir hassen die Mörder nicht und haben darum höchstens ein wissenschaftliches Interesse an der Vernichtung der Legende. Und dieses Intereffe ist ja von Sybel bis zur Ermüdung befriedigt worden. Die Zeitgenossen der Revolution spürten den Blutgeruch auch bei uns, und alle damaligen Dichter, vor allen die französischen Ehrenbürger Klopstock und Schiller, verloren rasch ihren Enthusiasmus für die Revolution. Wir Enkel und Urenkel aber, die wir uns der Gleichheit vor dem Geseße, der Freiheit von mittelalterlichen Vorurteilen freuen und auch die Brüderlichkeit immer noch nicht von

unserm Programm abgefeßt haben, wir haben keine Veranlassung der großen Revolution zornig gegenüber zu stehen. Man muß bei uns Standesrechte oder Pfaffenrechte zu wahren haben, um die Bedeutung jener Umwälzung leugnen zu können. Ein fürchterliches Gewitter ist über das Land gegangen. Es hat beim Nachbar gezündet und auch sonst Verheerungen angerichtet. Unsere Felder hat es befruchtet. Laffen wir doch den Nachbar auf das Gewitter schimpfen; in unserer Mitte wäre jedes Schimpfwort Heuchelei und gegenüber der ästhetischen Größe des Donnerwetters beim Künstler kaum verständlich.

Soviel über die politische Seite der Frage. Uebrigens müssen wir dem Lessingtheater noch dankbar sein, daß es uns mit dem lärmenden Stücke bekannt gemacht hat. Hoffentlich hat es nicht ElsaßLothringen als Kaufpreis geben müssen. Denn so groß der Erfolg der ersten Aufführung auch war und so eilig die Residenzbewohner auch für die nächsten Wochen in's Lessingtheater laufen werden, dauerndes Bürgerrecht auf der deutschen Bühne kann dieses Drama nicht erwerben.

Ueber die Art und Weise Sardon's ist aus diesem Anlaß natürlich nichts neues zu sagen. So grob und brutal die Kunst auch diesmal behandelt ist, so bleibt Sardou doch auch in seinem „Thermidor“ ein wißiger Satirifer und dazu der alte Bühnenkenner ersten Ranges. Die opernhaften Aktschlüsse („Thermidor“ müßte von Mayerbeer komponirt werden) reißen selbst den wiederwilligen Zuhörer zu lebhaftem Anteil fort und selbst in den endlosen Erzählungen, welche die lose Verbindungen der auseinanderfallenden Akte herstellen. müssen, zwingt immer wieder eine neue rohe Ueberraschung zum Aufhorchen.

So ist das jüngste Stück von Sardou zwar nicht so lustig, wie seine Zugstücke von vor 20 Jahren, aber die gemeine Bühnenwirkung ist für ein dankbares Publikum dieselbe geblieben. Was sich verändert hat, das ist einzig und allein unser Verhältniß zu dem alten Taschenspieler.

Für modern geschulte Ohren ist die Sprache und die Charakte ristik, wie sie den Menschen des 9. Thermidor angedichtet wird, einfach unerträglich. Es sind Dratpuppen des Autors, der sich nicht einmal die Mühe nimmt, hier und da seine Stimme zu verstellen, wie das doch ein braver Marionettenspieler tun muß. Unveränderlich quillt diese Sprache in vornehmer „Diktion“, d. h. unwahr über die Lippen aller handelnden Personen; die einen machen die Wiße auf die große Revolution, oder vielmehr ganz vorsichtig (ohne die gegenwärtige Republik zu verleßen) auf die Schreckensherrschaft, die andern zittern vor Patriotismus, die dritten frömmeln ein bischen, wie cz Sardou übrigens schon vor dem eintretenden Alter geliebt hat. Aber alle handeln nicht nach Motiven, sondern nach den Bedürfnissen der

Gerade darum liegt aber der Fall für Deutschland ganz anders. Wenn man von den napoleonischen Kriegen absieht, die dann doch | Aktschlüsse.

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Nichts vielleicht ist für diese Effekthascherei so bezeichnend wie die Anflickung des vierten Aktes, der bei der ersten Aufführung den Erfolg um ein Haar gefährdet hätte. Es handelt sich in Thermidor" bekanntlich um ein Liebespaar, welches durch allerlei Kulissenwiße zwischen Tod und Rettung schwebend erhalten wird, bis die Guillotine endlich an die Arbeit gehen darf. Nun hat Sardou am Ende des dritten Aktes eine sehr packende Opernscene, welche den Sturz Robespierres darstellt. Der halbe Akt ist der berühmten journée des 9. Thermidor gewidmet. Aber die Hineinziehung dieses Ereignisses hätte doch nur dann eine Berechtigung, wenn der Sturz des Schreckensmannes Einfluß auf die Fabel des Stückes hätte. Davon ist aber keine Rede. Sardou benüßt ein welthistorisches Ereignis nicht anders als etwa im „legten Beruf" einen zerfeßten Liebesbrief

In Paris wird man den etwas demonstrativen Beifall der Berliner hoffentlich nicht übel nehmen.

„Mehmeds Brautfahrt“. Ein Volksepos der füdflavischen MoHamedaner. Aufgezeichnet von Dr. Friedrich S. Krauß. Deutsch von Carl Gröber. Wien, Alfred Hölder.

Die Eigenart der füdslavischen Litteratur ist bekannt. Es sind meist Epen, in denen es von Wundern und Liebestaten eines Helden, der ein Befreier seines Volksstammes ist, wimmelt. Das ist nun auch bei Mehmeds Brautfahrt der Fall. Er erschlägt viel tausende und heiratet dann eine, die feine, feine, reine 2c.

Der einzige Unterschied ist, daß der Held und die Helden des Epos statt sonst Christen, hier Mohamedaner sind. Das hat sicher patriotischen, nationalen und damit ethnographischen Wert. Somit fann es auch diejenigen Kreise, die das Ur- und Naturleben der von Oesterreich annektirten südslavischen Provinzen studiren, intereffiren. Aber poctischer Wert ist denn doch trotz aller Vorreden des Uebersezers und Herausgebers dem Guslarenliede abzusprechen. Der fünf füßige Trochäus, auf den alle 1000 Verse des Ganzen gestimmt sind, wirkt denn doch zu klappernd, zu eintönig, was ja überhaupt beim Trochäus im Gegensatz zum Jambus fast immer der Fall ist. Voll Humor hingegen ist das auch metrisch abwechslungsvollere Scherzgedicht vom Gelsenjüngling, der seinem Mückenbräutchen gebaut, ihm die gelben Hochzeitsstiefel abzuziehen. Dieselbe weigert sich; da erhebt sich der Gelsenjüngling, die unfolgsame Gattin zu züchtigen. Doch ein Ameiserich nimmt sich der zarten, unzart Behandelten an, tötet den rohen Haustyrannen und „nimmt die Mücke sich zum Weibchen“. Dr. Rob. Plöhn.

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Litterarische Neuigkeiten.

Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur (Nr. 29 und 30 der Deutschen Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts, in Nendrucken herausgegeben von Bernhard Seuffert). Stuttgart, G. 3. Göschensche Verlagshandlung, 1890. CXLIX und 367 S.

Der Verfasser dieses im Jahre 1766 alle litterarischen Kreise deutscher Zunge tief aufrührenden Werkes ist Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (geb. 1737), der damals allgemein verehrte Sänger der Tändeleien und heute in litterarhistorischen Handbüchern noch als Hauptmitglied des norddeutschen Bardenchorus Klopstock'scher Gründung verzeichnet. Diese Briefe", eine bekanntlich in der franzöfischen und der deutschen Aufklärungsepoche beliebte Darstellungsform, lehnen sich unmittelbar an Lessings berühmte „Briefe, die neueste Litteratur betreffend" an und gehören zu dem Allerbedeutendsten und noch für uns Wertvollsten, was die damalige deutsche Litteraturkritik neben Lessing und dem eben beginnenden Herder hervorgebracht hat. Sie bieten ein vollständiges Repertorium der jungen Bewegung, die in jenem Jahrzehnt durch unser heimatliches Schrifttum zog und alles Alte und leberlebte über den Haufen warf, um regsamen frischen Kräften Platz zu machen. Auch Gerstenberg kommt dieser neuen Kunst, die eine echte Poesie des wirklichen Lebens vorführen will, mit günstigem Vorurteil entgegen; huldigt er doch einem gefunden, maßvollen Realismus, und er erkennt auch trotz häufiger dogmatischer Schrullen, die allerlei gelehrten Wissenskram aus packen, das Gute und Treffliche überall an, wo es ihm begegnet. Es sei noch bemerkt, daß Alexander von Weilen den musterhaften Neudrück mit einer äußerst gediegenen ausführlichen Einleitung versehen hat. Fr.

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Ein englisches Werk zur Volkskunde der Valkanhalbinsel. Ein sehr interessantes Werk, in der Art angelegt, wie die üblichen folonialgeographischen Schilderungen der Briten, bietet Luch M. I. Garnett in dem Bande The women of Turkey and their folklore, with an ethnographical map and introductory chapters on the ethnography of Turkey, and folk-conceptions of nature by John S. Stuart-Glennie" (London, 1890, D. Nutt). Der vorliegende Band behandelt „The christian women", dem sich ein zweiter über The semitic and moslem women" anschließen soll. Es werden der Reihe nach die rumänischen, die griechischen, die armenischen, die bulgarischen und die auf osmanischem Boden lebenden westeuropäischen Frauen nach Gewohnheiten und Eigenart, insbesondere nach Aberglauben, Bildung, eigentümlicher Poesie u. s. w. betrachtet. Es ist hier nicht der Ort, das etwa Neue unter den gebotenen Einzelheiten festzustellen und dessen Wert für die junge Wissenschaft der Volkskunde zu würdigen. Das „Magazin für Litteratur" muß aber von einem Buche Kenntnis nehmen, das, wenn auch im wesentlichen Materialsammlung, schäßbare Beiträge zu einer wahrheitsgetreuen Auffassung moderner Lebens- und Kulturzustände bietet. Gerade der Böden, an den sich die Garnettsche Darstellung hält, ist des echten Realismus so voll, wie man namentlich in dem die Walachinnen behandelnden ersten Kapitel erkennt, einer ́ trefflichen Illustration zu L. Ganghofers jezt vielbesprochener Dramatisirung von Marco Brociners Bojarenroman Joel Fortunat“, „Die Hochzeit von Valeni". Wer erôtische Sittenbilder liebt, findet hier reichlich Befriedigung. Fr.

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Isländische Volksfagen. Aus der Sammlung von Jón Arnason ausgewählt und aus dem Isländischen übersetzt von M. Lehmann-Filhės. Neue Folge. Berlin 1891. Mayer & Müller. XXX, 266 S.

Aus der großen Sammlung von Jón Arnason „Islenzkar Thjódhfögur og Aefinthri“ überseßte J. C. Poestion 1884 die Märchen, und Frl. M. Lehmann-Filhes (es ist jest längst bekannt, daß eine Dame das Isländische ebenso vorzüglich beherrscht wie ihre Muttersprache) gab vor etwa zwei Jahren den ersten Teil der Sagen in einer Lebersehung heraus, die seitens der Kritik als vorzüglich gelungen anerkannt worden ist. Wir haben diesen ersten Teil_im Magazin" damals lobend gewürdigt, und so können wir uns über den fürzlich veröffentlichten zweiten Teil in Kürze faffen.

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Dieser Band enthält zunächst in der Einleitung eine freie Bearbeitung der Vorrede, welche der berühmte isländische Lerikograph G. Vigfússon cinst der Sammlung Arnasons mit auf den Weg gab; fie ist für das Verständnis des isländischen Volksaberglaubens im Allgemeinen und der Sammlung im Besonderen geradezu unentbehrlich. Der Tert selbst enthält 32 Naturfagen, 10 Legenden, 19 geschichtliche Sagen, 23 Sagen von Friedelosen, 12 Schwänke und 10 Stücke über Aberglauben und abergläubische Gebräuche. Auch diese Folge" wird nicht bloß von den Kennern und Schäßern des germanischen Volkstums und von den vergleichenden Mythologen, sondern auch von dem gebildeten deutschen Lesepublikum im Allgemeinen mit wolverdientem Interesse willkommen geheißen werden; man darf besonders hervorheben, daß die einzigen dankbaren Leser, d. H. die Damen und die Jugend, das Buch ohne jede Besorgnis vor etwaigen volksmäßigen Derbheiten in die Hand nehmen mögen. Den Kulturhistoriker dürfte ganz besonders der den Friedelosen“ gewidmete Abschnitt interessiren; man sieht daraus, wie es möglich war, daß flüchtige und gezwungenermaßen in der Einsamkeit hausende Verbrecher und Geächtete im Volksglauben die Züge übernatürlicher Wesen, der Zauberer, Riesen und Elfen annehmen konnten. Die Ausstattung des gediegenen Werkes ist gut, und Druckfehler sind fast gar nicht vorhanden. L. Freytag.

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Hermann Bahr, Die Mutter (Sallis'scher Verlag, Berlin 1891).

Nachdem Hermann Bahr schon in seiner Novellensammlung ,,Fin de Siècle" (A. Zoberbier, Berlin 1891) einen Weg betreten, der für einen Dichter sehr verhängnisvoll werden kann, hat er sich in dem dreiaktigen Drama „Die Mutter" nun vollends der Gefahr ausgesetzt, den litterarischen Kredit des Ernstnehmens und des Ernstgenommenwerdens zu verlieren. Jedem, dessen Organe gesund funktioniven, müssen die Scenen, Motive und das ganze Problem der Mutter in ihrer gesuchten, überreizten Krankhaftigkeit, in ihrer marklosen, hinsterbenden Fäulnis unnatürlich, ungesund und deshalb ungenießbar, vielleicht lächerlich und verächtlich erscheinen. Eine Frau, Sie mit einem Mädchen, namens Terka, in einem pathologischen Liebesverhältnisse gelebt und darum auf ihren Sohn, der dieses Mädchen liebt, eifersüchtig ist und ihn von ihr zu trennen sucht, was kann uns ein solches Problem geben? Bahr hat viel Kunst auf seinen Gegenstand verwant, die Charaktere sind genau gezeichnet, und mitunter bricht auch der Humor durch, jener Bahr eigentümliche Humor, der mir so sympathisch ist und den ich sonst nie in der Weise beobachtet habe; allein gerade hier kann man sehen, wie wenig die Kunst von

ihrem Inhalt zu trennen ist, wie wir ein künstlerisch gehaltenes Werk nicht als Kunstwerk schäßen können, wenn dessen Inhalt von unserem Empfinden verneint wird. Zugleich zeigt das Drama auch, wie unrichtig der Sag des Naturalismus ist, daß der Stoff für den Künstler ganz gleichgültig sei; gerade hier kann man sehen, wie notwendig es für die Wirkung eines Kunstwerkes ist, daß der Stoff etwas für die Gegen wart Bedeutsames gebe. Wenn aber das gesellschaftliche Milieu, in dem ein Dichter steht, seine ganze Eigenart, die Erfahrungen, die er gemacht, gerade von der Art find, daß sie eine krankhafte Ausnahme bilden, so hat der Dichter das Unglück, daß sein Werk nicht genießbar ift. Da der geistige Gehalt einer solchen Dichtung nur die poetische Krystallisation des Lebens eines kleinen, dem Absterben verfallenen Kreises ist, so kann ein derartiger Künstler höchstens Hausdichter dieses kleinen Kreises werden; für die übrigen ist das Werk umsonst geschrieben, und die Litteraturgeschichte schreitet über dasselbe gleich gültig hinweg. Es ist möglich, daß der Kreis, der die Lebensanschauung (oder soll ich sagen Absterbensanschauung?) der Bahrschen Mutter" teilt, in anderen Ländern ein größerer ist; dann sollte das Werk aber eben in der Sprache dieses betreffenden Landes geschrieben sein. In Deutschland tut man am besten, es als eine Satire aufzufassen, dazu bestimmt, die naturalistischen Thesen dadurch ad absurdum zu führen, daß man sie in ungeheuerlichster Weise überbietet.

Georg Egestorff, Freilichtbilder, Leipzig, Friedrich.

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C. G.

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Egestorff ist ein männliches, fast herbes Talent. In seinen Gedichten Von der Lebensstraße", die Ende vorigen Jahres erschienen, artete diese Herbheit oft in Ungelenkigkeit und sprachliche Härte aus, obwohl auch da schon der Grundzug seines Wesens, reckenhafte Kernigkeit und spröde Herbheit, deutlich hervortritt. In seinen Freilicht bildern“ kommen nun diese Eigentümlichkeiten, durch Verszwang nicht gehemmit, noch besser zum Ausdruck. Und hier erreichen dieselben oft jenes Stadium, in dem ein leichter, scheu durchbrechender Gefühlshauch uns den Eindruck einer gewissen erhabenen Größe und ernster Schönheit macht. Und dies alles trog oder vielleicht gerade wegen dieser frischen, sorglosen, abgerissenen Form, die Säße bildet wie den: Ball beim Botschafter" oder: Abendgesellschaft beim Präsidenten". In diesem frischen Rennsport-Stil hat Egestorff sich Detlev von Liliencron zum Muster genommen, an den er auch sonst in der kräftigen, taufrischen Natürlichkeit, in der Vorliebe für militärische und Kampfbilder, in der etwas feudalen Anschauungsweise erinnert. Freilich fehlen ihm die anderen Liliencronschen Eigenschaften, der Zug zum Phantastischen und die Neigung zum Erotischen ganz und gar. Die Freilichtbilder sind zum größten Teile Stimmungsbilder, die sich durch scharfe, treffende Beobachtungsgabe, durch gute, mit wenigen Worten vielerreichende Charakteristik vor vielen ähnlichen auszeichnen. Der Inhalt ist, wie dies bei solchen impressionistischen Bildern jezt die Regel ist, ziemlich unbedeutend, da aber, wo die Fabel interessant wird, wie in Der Alp“ und „Die beiden Turmwächter“, beruht sie sogar auf unwahrscheinlichkeiten. Nur einmal, in ein Problem", wird ein Motiv berührt, das vom Hauch der Modernität durchwcht ist; indessen gerade hier versagt die Gestaltungskraft des Dichters. Etwas für die Litteratur Neues bietet somit Egestorff noch nicht, indessen hat er ein hübsches Talent, das bei einiger Selbstzucht und etwas weniger feudalem Sporenklirren noch ganz Tüchtiges leisten fann. C. G.

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Notizen.

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Das berühmte Verlagshaus Fratelli Treves in Mailandɣkündigt für das Jahr 1891 folgende Werke berühmter italienischer Autoren an: Primo maggio von De Amicis, ein Werk, von dem es noch nicht bekannt ist, ob es ein Roman oder eine soziale Studie sein wird; ferner einen neapolitanischen Roman Paese di Cuccagna von Matilde Serao, einen neuen Roman von Gabriele D'Annunzio. Der populäre Barrili hat zwei Romane unter der Feder: La bella Graziana und Rosa di Gerico. Drei Meister der litterarischen. Kritik sammeln ihre Auffäße: Alessandro d'Ancona giebt den 3. Band seiner Varietà heraus, Ferdinando Martini seine Abhandlungen. A Teatro, Enrico Panzacchi einen Essay Prosatori e Poeti.

Dienstag den 3. März hielt die Freie litterarische Gesellschaft wiederum einen Vortrags-Abend, den ersten unter dem neuen Vorstande (1. Vorsigender: Paul Dobert; 2. Borsigender Dr. Dresdner) ab. Nach den Mißerfolgen, welche der Verein gehabt, hätte man annehmen können, daß die Teilnahme eine recht geringe sein würde. Dies war aber durchaus nicht der Fall, und soviel steht nun fest, daß die Gesellschaft einem rege gefühlten Bedürfnisse entgegen kommt. Auf die Entwicklung der Litteratur freilich hat sie wohl kaum einen Einfluß, ihr Nußen aber scheint mir troßdem ein doppelter zu sein. Einmal wirkt sie propagandistisch für die junge Litteratur, dann aber und in dieser Beziehung halte ich den dem Vortrag gewöhnlich folgenden inoffiziellen Teil für ebenso wichtig, wie jenen selbst — dann aber macht fie die Vertreter der jungen Litteratur mit einander bekannt, giebt ihnen zu gegenseitigem Meinungsaustausch Gelegenheit und zwingt sie und dabei ist die Anwesenheit der Damen nicht zu unterschäßen auf einander jene gesellschaftliche Rücksicht zu nehmen, die sie im litterarischen Verkehr leider so oft zur Diskreditirung des Schriftstellerstandes einander verweigern.

Ueber den Vortrag selbst ist vom litterarischen Standpunkte aus wenig zu sagen. Außer den bereits veröffentlichten Gedichten von Fontane, Detlev v. Liliencron, 6. Egestorff und Reinhold Fuchs wurden im Manuskript vorgelesen Produktionen von E. v. Wolzogen, R. Zoozmann und Hans Land. Des lezteren Novelle „Zwei Kameraden“ bekam dadurch eine ganz hervorragende Bedeutung, daß Herr Emanuel Reicher daran eine Vortragskunst zeigte, die in ihrer detaillirten, farbensatten Ausarbeitung, in ihrer geradezu greifbaren Plastik und doch zugleich in ihrer ungefünftelten, pathosfreien Natürlichkeit einen ganz seltsamen Hauch von Modernität ausbreitete und über die Entwicklungsfähigkeit der recitativen Kunst aussichtsvolle Perspektiven eröffnete.

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Berantwortlich: Dr. Curt Grottewiß, Berlin. Verlag von F. & P. Lehmann, Berlin W., Köthenerstr. 30,

Gedruckt bei R. Gensch, Berlin SW,

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Joseph Lehmann.

für Sitteratur.

Berausgegeben von Fritz Mauthner und Otto Neumann-Hofer.

Redaktion: Berlin W., Winterfeldtstraße 8.

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S. & P. Lehmann. Erscheint jeden Sonnabend. Preis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazins" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. &

60. Jahrgang.

Berlin, den 21. März 1891.

Nr. 12.

Inhalt: Marie v. Ebner-Eschenbach: Margarete. H. Thal: Die erperimentelle Methode in der Kunstwissenschaft. Mielke: Proletariat und Dichtung. Franz Servaes: Tino Moralt. Nach jüngsten Mustern, vierundzwanzig Stunden auf dem Lande, nach Johannes Schlaf. Theater von Friz Mauthner: Widmanns,Denone". -Litterarische Chronik. — Litterarische Neuigkeiten: M. G. Conrads „Erlösung", besprochen von C. G.; Deutschlands Schule im Jahre 2000, besprochen von F.

Auszugsweiser Nachdruck sämmtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Nachdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Margarete.

Bon

Marie v. Ebner-Eschenbach.

III.

Die Hochzeitsgäste warteten in der Kirche und die Geistlichen in der Sakristei, die Brautmutter mußte bereits ihre Zuflucht zu dem krampfhaftesten Lächeln nehmen, um ihre Unruhe über das lange Ausbleiben des Bräutigams zu verbergen, als dieser erschien und sich mit einem Unfall entschuldigte, der ihm auf der Fahrt zugestoßen war. Alsbald verschwand die leise Verstimmung, die schon begonnen hatte, sich der Gesellschaft zu bemächtigen. Unter allgemeiner Teilnahme wurde die Trauung vollzogen und nach derselben im Dome geschwaßt und gescherzt wie in einem Salon. Die Neuvermählten nahmen von dem großen Kreise ihrer Bekannten einen heiteren Abschied und fuhren, nur von den nächsten Verwanten und Freunden begleitet, zum Déjeuner in das Haus der Gräfin von Walsegg. Gegen Abend trat das junge Paar die Hoch zeitsreise nach Italien an. Graf Steinau, die Mutter und die zwei Schwestern Priskas gaben ihm das Geleite zum Bahnhofe.

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Gute Mama!" schluchzte Priska und drückte ihre Mutter und ihre Schwestern abwechselnd an ihr Herz, sogleich aber wante sie sich wieder zu ihrem Manne.

„Verzeih mir, Robert, daß ich weine," sprach sie. Statt anderer Antwort umfaßte er seine Frau mit beiden Armen und hob sie in den Waggon. Der Schaffner verschloß den Schlag, die Lokomotive pfiff... „Veb' wohl!... Schreib' bald!" riefen drei Stimmen auf einmal, und der Zug braufte davon.

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Gräfin Walsegg wischte sich die Augen! „Sie ist fort unfere. Diese Kinder! da hat man sie, zieht sie groß, ja, wir armen Mütter! Welch ein Schicksal, das lebt nur für sie und wenn sie endlich anfangen, uns statt einem

Sorge Freude zu machen, verlassen sie uns wildfremden Menschen zu Liebe -“

„Dem wir sie an den Kopf würfen, wenn er sie nicht gutwillig nähme," dachte Steinau und sprach: „Das ist der Lauf der Welt. Aber seien Sie ruhig, gnädigste Gräfin, Ihre Enkel werden Sie rächen.“

Troß der Munterkeit, die er zur Schau trug, war war unzufrieden mit der ganzen Welt, war es vor allem ihm nicht wol zu Mute. Er befand sich in übler Laune, mit sich selbst.

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