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trachtete, während er dabei leicht durch die Nasenflügel, gähute. Ich erzählte ihm, daß die häßlichen Krämerbuden an der sogenannten Schloßfreiheit wol schon in kürzester Zeit fallen würden und daß sich dann ein Denk mal seines großes Nachfahren, des alten Kaiser Wilhelm, dort erheben solle. Er schien damit wohl zufrieden und richtete noch einige weitere Fragen an mich, die ich ihm beantwortete. Doch entzieht sich der intimne Charakter unseres Gesprächs der Veröffentlichung.

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und wies mit ausgestrecktem Finger auf die Denkmale der beiden Humboldt vor der Universität. Dort ist ein vielverheißender Anfang gemacht für eine fünftige Kulturmission der Kunst, innerhalb deren sie dennoch ganz Kunst bleiben kann. Wie ehrwürdig die beiden Alten auf ihren prächtigen Stühlen sizen! Wie sie mit großen Augen und breiten Stirnen als echte Weltweise, betrachtend und spähend zugleich, in das um sie quillende Leben blicken! Muß nicht auch der schlichteste Mann aus dem Volke fühlen, daß dies zwei Geistesgewaltige sind, denen er wie zwei Heiligen, mit Frömmigkeit und Ehrfurcht im Herzen, zu nahen hat! O möchten sie als. Schußgeister ewig unter uns weilen, uns durch ihr sonnenklares Auge meisternd, wenn wir die Beute rascher Triebe und heißer Begehrungen zu werden drohen! Sachte, sachte, mein junger Freund und Heißsporn," tönte da die Stimme meines unsichtbaren Begleiters neben mir, mit einem Anklang an wohlwollenden Spott. Wie du, so fühlen nicht alle, und so wie du jetzt fühlst, so fühlst du selbst nicht immer. Freilich, schön bleibt es darum doch, wenn ein gutes Kunstwerk solche Gesinnungen zu erwecken vermag. Aber vergiß mir über den beiden Humboldt meinen alten Friß nicht. Zwar weiß ich wol und habe des kein Hehl: der Meister, der mir zu ewigem Nachruhm seinen Meißel geliehen hat, hat seine Sache besser gemacht, als der des Standbildes da vor uns. Aber immerhin kann es sich unter seinesgleichen recht wohl sehen lassen, und der große Friedrich bleibt es eben doch, wenn er auch ein bischen hoch hinaufgerückt ist, und man die Gesichtszüge mir schwer unterscheiden kann. Hut ab vor dem da oben, junger Manit!" Ich tue es ja schon, sagte ich und wischte mir mit dem Taschentuch über die erhißte Stirn! Ich bedurfte einer kleinen Abkühlung, zumal da ich mich gerade jezt zu dem schwersten Teil meiner Führerschaft rüsten müßte.

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Sehr viele Freude hatte Friedrich Wilhelm, als wir vor dem Zeughause standen, und er wollte sein Roß gleich hineinlenken, um auf dem Hofe die Masken fterbender Krieger von seinem lieben, alten Schlüter" zu sehen. Doch machte ich ihn darauf aufmerksam, daß ein Kastellan im Torwege stände, der einen berittenen Herrn schwerlich einlassen würde; und von seinem Rosse sich zu trennen, das ginge doch wol nicht an. Er fäh dies ein und erkundigte sich, was sonst da zu sehen wäre. Viel des Interessanten für einen Kriegsmann, erwiderte ich. Und wenn Eure kurfürstliche Gnaden sich einmal von einem General herumführen lassen, so wird der vieles zu rühmen wissen. Aber für heute, lieber Geist, bis du schon einmal an einen Kunstmenschen geraten, und du wirst ihm gestatten, daß er spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Da meine ich denn: Es ist sehr schön, wenn sich der Patriotismus mit der Kunst verbindet, und vielleicht entstehen aus solcher Verbindung die höchsten Schöpfungen des menschlichen Geistes. Aber dann muß es reine Kunst und reiner Patriotismus sein, so wie es etwa im alten Athen gewesen sein mag, wo eine Anzahl von Künstlern in der Halle Poikile am Eingange der Akropolis die Heldentaten der Perserkriege verherr lichte. Da war, soweit wir dies erschließen können, jedes einzelne Gemälde zugleich eine Eroberungstat auf dem Gebiete der bildenden Kunst und des malerischen Stils. Eine derartige Poikile hat man nun auch hier am Zeughause anbringen wollen. Aber leider ist dabei blos der Wir befanden uns vor der Akademie der schönen Patriotismus auf seine Rechnung gekommen, während | Künste, und der Kurfürst war ihrer kaum ansichtig gedie Kunst sich als arme dienende Magd weinend in eine worden, als er auch schon fragte: „Was ist denn das Ede fauerte. Wie schön wäre es gewesen, wenn wir für ein unförmlicher grauer Kasten, der so anmaßlich in der Welt bewiesen hätten, daß wir nicht blos auf dem Berlins vornehmster Straße steht?" Da wird für das Schlachtfelde durch Kraft und Weisheit zu siegen verewige Fortblühen der schönen Künste gesorgt, antwortete stehen, sondern daß wir diese Heldentaten auch aus einem ich kleinlaut. So?" sagte mein Gefährte und runzelte genialen Kunstvermögen heraus zu verewigen wissen. die Stirn. Dort? Erzähle mir davon. Ich muß genau Aber leider sieht, wer oben in die „Ruhmeshalle“ tritt, wissen, wie es da zugeht.“ Ach Gott, stoßseufzerte ich, fast ausnahmslos trauriges Gestümper, und dem In- und bat alsdann, der hohe Geist möge mit mir Geduld halte nach wüstes Gemezel, das keiner Menschenseele haben, da ich ziemlich weit ausholen müsse. Darauf zur Erhebung zu dienen vermag. Es kommt nicht dar- äußerte ich mich folgendermaßen: auf an, den Massenmord, sondern den Heldenmut zu feiern, und deshalb sind nur wenige Momente vor und nach der Schlacht, ausnahmsweise auch der eine oder der andere während der Schlacht, ein Vorwurf für die Schöpfertätigkeit des Künstlers. Wir freilich, vom jungen und neuen Geschlecht, die begeisterten Propheten des zwanzigsten Jahrhunderts, wir träumen mit besonderer Vorliebe davon, daß man dereinst nicht mehr die Kriegstaten, sondern die Kulturleistungen eines Volkes in einem eigens errichteten Ruhmestempel künstlerisch darstellen werde. Wider Erwarten hörte der Kurfürft gerade meine letzten Worte mit tiefem Ernste an, während sich auf seinem streng gemeißelten Antlig keine Muskel bewegte. Darauf, nach einigem Schweigen, lächelte er fein und schier unmerklich und sagte alsdann: Es klingt zwar nen und überraschend genug, doch ist es auch mir nicht gänzlich fremd.“

Wir waren unterdes ein Stück Weges weiter gekommen und befanden uns am Eingang der Linden. Ich fühlte mich geistig stark angeregt und ließ meine Augen lebhaft hin- und hergehen. Dort, rief ich, dort!

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Es ist eine weit bekannte, obwohl felten ausgesprochene Tatsache, daß in Berlin ungewöhnlich viel gemalt und sehr wenig geleistet wird. Jeder, der nicht gerade Lehrer an der Akademie ist, und selbst von diesen der eine und der andere giebt diese Tatsache unumiwunden zu. Man sieht alljährlich eine Anzahl begabter junger Leute nach Berlin kommen, sich an der Akademie als Zöglinge einschreiben und dann mit redlichem Fleiße drauf los büffeln. Gehen dieselben Jünglinge ein paar Jahre später als bärtige Männer von der Hochschule ab, um als fertige Künstler den Ringplat des Lebens zu betreten, dann müssen sie nicht blos die allgemeine traurige Erfahrung machen, daß es mit der Kunst sauer ist, sich sein Brod zu verdienen, sondern sie können sich auch der Wahrnehmung nicht verschließen, daß sie selbst für diesen Kampf denkbar schlechtest ausgerüstet sind. Als sie zuerst der Kunst sich widmeten, da waren sie stolz auf ihren Beruf und durchdrungen von ihrer Begabung. Jezt sind sie flügellahm und gäben Gott weiß was darum, wenn sie von der Palette wieder loskommen können. Mit Neid sehen sie, wie Altersgenossen, die der Zufall

nach München verschlagen hat, und an deren Talent, sie selbst durchaus heranreichen, wie diese einen verhältnismäßig raschen Weg zurücklegen und jedenfalls über ein ungleich tüchtigeres Können und eine weit höhere künstlerische Freudigkeit gebieten. Warum sind sie selbst so verdrossen und unfähig?

Sie haben kein Gefühl ihrer Individualität.

Auf der Akademie sind sie gedrillt worden, wie Kommißsoldaten von den Unteroffizieren. Sie haben sich eine bestimmte Art, zu sehen und das Gesehene | wiederzugeben, oft unter geheimem Widerstreben angequält, und sie haben an ihrem eigenen, an ihrem angeborenen Kunstschaße immer mehr Einbuße erlitten. Jetzt wissen sie nicht mehr recht, wo sie hin sollen. Sie wollen nicht so malen, wie mans ihnen eingetrichtert hat, und sie können nicht so malen, wie sie's wol möchten. Auf Schritt und Tritt fühlen sie sich von dem Erlernten nicht gefördert, sondern gehemmt. Sie seßen sich hin vor die Natur und betrachten sie. Sie freuen sich über die Frische und Feinheit der Farben, über die Zartheit der Uebergänge, über die wunderbare Vertiefung einer Berspektive. Kurz, wenn sie so da fißen und blos gucken, dann drängt es sich ihnen auf, wie außerordentlich malerisch ja malerisch im eigentlichsten Wortsinne die Natur überall ist. Kaum aber nehmen sie den Pinsel in die Hand, da drängt sich etwas zwischen sie und die Natur: die erlernte Schablone. Fast sind sie nicht mehr im stande, die Natur noch weiterhin so zu sehen, wie sie sie eben erst sahen. Die Formen und Farben tanzen ihnen durcheinander. Die köstlich unregelmäßigen Linien, die vor ihnen liegen, arrangiren sich zu einer langweiligen regelmäßigen akademischen Schönheit. Der Hauch des Eigenartigen, der Duft des Seltenen schwindet, und hervor kommt das graue Triviale, vielleicht mit einem glänzenden Schleier angezogen, aber doch sandig und steinig und unfruchtbar, reizlos für Künstler, die die Wahrheit suchen, und die auch die Schönheit stets nur in der Wahrheit zu finden vermögen. Da fluchen sie dann öfter, schmeißen Leinwand und Malkasten zusammen und ziehen betrübt nach Hause. Oder und das ist das Schlimmere — sie malen ohne ihre Ueberzeugung, und oft selbst gegen ihre Ueberzengung. Sie haben da zu Hause ein wol verschlossenes Fach, und in diesem Fach liegen weiße Zettel, und auf jedem dieser Zettel steht etwas geschrieben, oft nur wenige Zeilen und wenige Zahlen; aber diese Zettel sind Rechnungen, und die Rechnungen sind unbezahlt. Da sudelt man denn drauf los, in der beliebten alten Manier“, „nach der mit Recht so geschäßten Art des berühmten Herrn X." Denn auf diese Weise ist man sicher, wenigstens Einiges abzuseßen und sich das Nötigste für den Lebensunterhalt zu verdienen. Ist es doch einigen gelungen, auf diese Art reich zu werden. Sie haben noch etwas falscher gemalt wie ihr Herr Lehrer, aber sie haben die Gunst des Publikums im vollsten Maße dafür heimgetragen. Sie sind gefeierte Künstler geworden, auf Kosten ihres künstlerischen Gewissens.

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Indes, es giebt noch immer so viel Idealismus unter den Deutschen und auch unter der berliner Künstlerschaft, daß die Mehrzahl einen solchen mit Gold gepflasterten Weg nicht einschlagen will. Sie malen wohl einiges für den Lohn und für den Absaß, aber daneben ringen fie doch immer wieder mit den höchsten Aufgaben und stellen sich in den Dienst jener rüstig emporwachsenden neuen Kunst, deren Erstlinge in Paris und München entstanden sind und seitdem dort und anderswo reifen Nachwuchs erzeugt haben. Das Einfache, was jene da draußen gelernt haben und was die andern in der deutschen Reichshauptstadt nicht haben lernen dürfen, ist:

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unbedingter Respekt vor der Natur. In Paris sagt man: Es kommt gar nicht darauf an, daß eine Studie schön aussieht, wenn sie nur getreu und richtig ist. In Berlin dagegen fagt man: es kommt garnicht darauf an, daß eine Studie getreu und richtig ist, wenn sie nur schön aussieht. Insbesondere wird das Aktmalen nach dem menschlichen Körper auf diese Weise gelehrt. Damit es gut aussieht, muß diese und jene Linie so und verlaufen," oder: Diese Schatten pflege ich ein wenig ius Rötliche schimmern zu lassen“ und schließlich: Bitte sehen sie nur genau zu; man siehts nicht auf den ersten Blick, aber es ist, wie ich sage." Also dozirt der Herr Profeffor, und der Schüler, der mit seinem ganzen jugendlichen Unfehlbarkeitsglauben die Akademie betreten hat, wird entweder irre an sich und der Kunst, oder er unterwirft sich löblich", d. h. er sieht nicht mehr mit seinen eigenen Augen, sondern mit den Augen des Herrn Profeffor. Es kann nun nicht der mindeste Zweifel darüber bestehen, daß die einzige und heilsame Aufgabe einer Kunstakademie lediglich darin bestehen kann, die jungen Maler ihr eigenes Auge und ihre eigene Hand kennen zu lehren, damit sie später selbst schöpferische Meister werden können. Aeußere Fertigkeiten und technische Kniffe erwerben sich verhältnismäßig leicht und sind zudem einem beständigen Wechsel unterworfen. Das einzig sichere und unwandelbare, was der Künstler hat, ist sein Auge und seine Hand, und gerade diese beiden bestrebt man sich in Berlin nicht zu bilden, sondern zu verbilden. Von Manieristen können auch nur Manieristen erzogen werden. Die Manier aber ist, wie der Tod aller Kunst überhaupt, so vor allem der Tod des Wachstums in der Kunst. tums in der Kunst. Ein Lehrer, der seiner Aufgabe gerecht werden will, muß mit seiner eigenen Individualität möglichst wenig hervortreten, um desto mehr die Individualität seiner Schüler sich herausbilden zu lassen. Er darf nicht verlangen, daß die Schüler ihn studiren, sondern er muß die Schüler studiren. Er muß jedem einzelnen mit liebevoller Aufmerksamkeit entgegenkommen und herauszufühlen verstehen, wohin ihn Begabung, Temperament und Neigung drängen. Und alsdann muß er ihm den Weg ebenen, nicht aber verlegen. Damit erzieht man freilich keinen gleichmäßig uniformirten Knappenschwarm, die alle nur das eine Lied tuten können: „Allah ist groß", sondern man bildet lauter eigenartige Künstler, die unter sich sehr verschiedene Wege wandeln. Troßdem aber giebt es eines, was alle diese Künstler untereinander verbindet, das ist, wie oben gesagt, der unbedingte Respekt vor der Natur, und auf diese Ehrfurcht vor der Natur läßt sich durchaus eine Schule aufbauen von streng lokalem Charakter und von nationalem Gepräge, weil jedes Fleckchen Erde und jedes Volk seine besondere, unwillkürliche Art hat, der Natur gegenüberzutreten. Dann erst, wenn alle Lehrer (was jezt einige von rühmlichster Ausnahme tun) ihre Schüler immer und immer wieder auf die Natur hinweisen, auf die Natur um sich und in sich, ist zu hoffen, daß aus der berliner Akademie diejenigen großen und entschiedenen Individualitäten hervorgehen, die einzig und allein im stande sind, einer Schule einen bestimmten Charakter aufzudrücken. Für jezt haben wir als Meister ersten Ranges allein den alten Menzel, aber jeder weiß, wieviel die überwiegende Mehrzahl unserer Künstler von ihm nicht gelernt hat. Mehr hat man noch in Paris von ihm gelernt, weil man seine Naturtreue richtig zu schäßen wußte. In Berlin aber stand er zu vereinsamt da, um tieföringend wirken zu können. Man pries ihn, aber man begriff ihn nicht.

Ich war nicht wenig erschöpft vom vielen Reden und blickte mich nach meinen Begleiter um. Aber der

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war mittlerweile nicht blos für die andern, sondern auch für mich selber, unsichtbar geworden. Ganz sacht hatte er, als ihn meine Auseinandersetzungen zu weit ab führten, fein Rößlein heimwärts gelenkt. Es fat mir leid, denn ich hätte so gerne gehabt, daß meine Ansichten zu den Ohren Machthabers gedrungen wären. Aber ich wußte mich zu trösten. Denn gerade stand ich vor dem Baffage Panoptikum, wo ich den würdigen Alten doch jedenfalls aus Schamgefühl hätte umschicken müssen, mit einem Klaps auf die Kruppe seines cavallo. Denn dort haben einige gestrandete Bildhauer im Verein mit wirklich namhaften jüngeren Malern (z. B. Georg Koch, Salzmann, Friese, Günther Naumburg) jenes Hohninstitut auf alle wahre Kunst ins Leben gerufen, das bei seinem Entstehen von allen Zeitungen und von den ersten Kunstkritikern als ein der Reichs hauptstadt wahrhaft würdiges Etablissement" auspofaunt wurde.

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Jezt ist u. a. der Knabe mit zwei Köpfen und die Langbärlige, übrigens echt weiblich läppische Esau-Lady dort zu sehen.

Wie man Schriftsteller werden kann.

Bon
Ludwig Pietsch.

X.

in das bekannte altertümliche Landhaus, tief hinter dem großen Vorgarten mit hohen, alten Bäumen an der Tiergartenstraße, zwischen Hohenzollern- und FriedrichWilhelm-Straße verlegt. Mit seinem bis zum Kanál reichenden parfartigen weiten Hintergarten, steht es wie ein Denkmal, oder ein vergessener, von dem allgemeinen Zerstörungs- und Umwandlungsprozeß des berliner Westens noch verschonter Rest einer anderen Zeit und Welt, zwischen den modernen Nachbarvillen und Sommerpalästen da.

Von den vier Söhnen des Duncker'schen Patriarchenpaares repräsentirte jeder eine andere Partei, der er aus voller Ueberzeugung anhing. Der Professor in Halle, der Gelehrte, Historiker, Verfasser der Geschichte des Altertums", Mar, der Aelteste, konnte damals, wie bis an sein Ende, zu den Freikonservativen gezählt werden. Sein Bruder Herrmann, der heute noch unter uns lebt, hochverehrt von seiner Vaterstadt, um deren Verwaltung er sich als Stadtsyndikus und Bürgermeister unvergängliche Verdienste erworben hat, stand damals auf dem linken Flügel der „Gothaer". Der jüngere Bruder Franz, der Begründer, Besizer und Herausgeber der radikalen „Volks-Zeitung" und spätere Abgeordnete, war Demokrat und Achtundvierziger vom reinsten Waffer. Alexander, der wie Herrmann das andere Bruderpaar überlebt hat, der Hofbuchhändler und Rittmeister in der Landwehr-Kavallerie, machte aus seinen streng altpreußisch- royalistischen Gesinnungen niemals ein Hehl, bekundete sie bei jedem Anlaß in Worten und Taten, in Reden, eigenen Dichtungen und Schriften, wie in manchen seiner Verlagunternehmungen. Diese Verschiedenheit und Gegenfäßlichkeit der politischen Standpunkte, Anschauungen, Bestrebungen und verfolgten Ziele hat indeß die Brüder, den Vater und die in ihrer Art nach Charakter und Naturell nicht minder verWährend der fünfziger Jahre, wenigstens bis zur schiedenen fünf Frauen nie verhindert, in verwantschaftUebernahnte der Regentschaft für den gehirnkranken Königlicher Zuneigung und Anhänglichkeit mit einander zu durch den Prinzen Wilhelm von Preußen, standen die verkehren und den festen Familienzufammenhang jedergroßen politischen Parteigegensäße sich in einer, durchzeit zu wahren, wie sehr auch zuweilen Manches, was die politischen Ereignisse der Reaktionszeit seit dem der oder die eine von ihnen tat und sprach, den anderen November 1848 cher noch verschärften als verminderten, gegen den Strich gehen mochte. Schroffheit einander gegenüber. Diese gegenseitige Er- Von diesen Angehörigen der Dunckerschen Familie, bitterung und Feindschaft übertrug sich vielfach auch mit denen ich im Hause Franzens und Frau Linas allauf die Beziehungen der den verschiedenen Lagern Anmälig bekannt wurde, hat nächst letterem Baar, besonders gehörigen im Privat- und Familienleben. Um so auf fälliger, merkwürdiger und erfreulicher, ja damals fast einzig in seiner Art, war das Bild, welches in dieser Hinsicht die Familie bot, aus der Franz Duncker her vorgegangen war, Der Vater, der Chef der berühmten Verlagfirma Duncker und Humblot, damals wohl schon ein Siebziger, eine imposante, vom Alter ungebeugte, hohe und volle Gestalt mit weißhaarigem, prächtigem Charakterkopf, glattrasirtem Gesicht, dessen eines Auge unter den dunkeln Brauen etwas schielte, und mächtiger kraftvoll geformter Nase, war immer ein konservativer gut preußischer Patriot geblieben, den sein Alter und Naturell aber vor jeder leidenschaftlicheren Parteinahme schüßten. Er bewohnte mit seiner Gattin, einer ganz herrlichen filberhaarigen alten Dame, einem rechten Muster typus ruhiger frauenhafter Würde, geistiger Feinheit und Herzensgüte, das gelbe, schlichte, ausgedehnte, ein stöckige Eckhaus an der Friedrich- und Französischen Straße, das nun längst schon durch den schönen und grandiosen monumentalen Prachtbau der Germania" von Kayser und v. Großheim verdrängt worden ist. Im Frühling und für die Sommermonate wurde die Residenz des greisen Paares und der Wittwe des Dundersch Socius, Frau Humblot, mit welcher jenes sich auch in die Räume des städtischen Eckhauses teilte,

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Alexander, der Hofbuchhändler eine große Wichtigkeit und
Bedeutung für die Weiterentwicklung meines bescheidenen
Fonds von Begabung und Können und somit für die
meiner ganzen Eristenz erlangt.

Auch wenn er die Landwehr-Rittmeisteruniform ablegte, die er mit Stolz und Freude trug, und den bürgerlichen Rock des Verlagbuchhändlers anzog, behielt er die ritterliche Haltung und die korrekten Manieren und Um= gangsformen des hochgebildeten Offiziers. Aufrichtige warme Kunstliebe und wohlgeschulter Geschmack machten den geschäftlichen Verkehr für den Künstler, der mit ihm als seinem Auftraggeber in Verbindung trat, sehr viel angenehmer, als mit vielen anderen seiner lieben Kollegen, denen oft keine Eigenschaften ferner liegen, als gerade diese. Es war damals eine durch Farbendruck (von Storch und Kramer) faksimilirte Lithographie nach einer Aquarelle von Eduard Hildebrandt Alexander von Humboldt in seinem Arbeitszimmer" erschienen; ein Blatt, das großen allgemeinen Beifall fand und viel gekauft wurde. Ich schlug (1855) Alexander Duncker vor, cin Gegenstück dazu in Verlag zu nehmen, zu welchem ich den Entwurf gemacht hatte: Christian Rauch in seiner Werkstatt. Die beiden greisen Meister, der der Wissenschaft und der der Kunst, beide damals der höchste Stolz und Ruhm Berlins und Preußens, gehörten gleichsam

zu einander, genoffen die gleiche ungeheure Popularität. Mit gleicher Verehrung und einer Art scheuer Bewunderung blickten alle Berliner zu ihnen auf; auch diejenigen, welche zur Kunst und zur Naturwissenschaft nur in völlig platonischen Verhältnissen standen. Ein solches Pendant zu Humboldt in seinem Arbeitszimmer", wie das von mir geplante und entworfene, schien mithin seines Erfolges ziemlich sicher sein zu können. Duncker ging denn auch bereitwillig auf meinen Vorschlag und das kunst händlerische Verlagsunternehmen ein und beauftragte mich, ein größeres Aquarellbild im Anschluß an meine Bleistiftstizze an Ort und Stelle auszuführen, wenn ich Rauchs Zustimmung dazu erhielte.

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denkmalstatue Ernst Augusts von Hannover, dessen Gestalt halb mit dem Königsmantel überdeckt auf prächti gem Katafalk hingestreckt liegt (für das Mausoleum in Herrenhausen), wie in der Modellskizze einer GoetheSchiller-Denkmalsgruppe, welche beide Dichter, im Gegensatz zu Rietschels Entwurf für Weimar, in antifer Idealtracht darstellt. In der kolossalen Marmorgruppe des Moses mit Aaron und Hur zur Seite, welche die erhobenen Arme des Sieg erflehenden während der Schlacht gegen die Amalekiter stügen, wie in den Modellen der Monumentalstatuen Yorks und Gneisenaus. Ich näherte mich ihm nicht ohne heilige Scheu. Ermunterude, entgegenkommende Freundlichkeit war nicht seine Sache. Aber er hörte meine Bitte, feine Werkstatt und ihn in derselben arbeitend darzustellen, auch nicht gerade ungnädig an und wies mich mit derselben nicht ab. Ich habe dann in den folgenden Herbsttagen den ganzen vorderen Atelierraum mit dem Blick in den zweiten, den der etwas zurückgeschlagene stumpfblaue Zwischenvorhang frei ließ, mit allen hier und dort umherstehenden Modellen nach der Wirklichkeit aufgezeichnet und aquarellirt, belebt im Vordergrund mit der Figur eines jungen Marmorarbeiters, der an einem am Boden liegenden Block knieend beschäftigt ist und mit Rauchs eigner Gestalt im sandfarbigen Atelierrock, die schwarze Sammetmüße auf dem weißen Haar. An seinem Modellirstuhl stehend, giebt er mit Hammer und Meißel einer Marmorbüste König Friedrich Wilhelms IV. die leßte Vollendung. Er nahm genügenden Anteil an meinem Bilde, oder an mir, um mir zu diesem Portrait in Aktion, so lange ich dessen benötigt war, zu stehen, und drückte seine Befriedigung dadurch aus, daß er mit eigener Hand unten auf das Blatt die (auf den Abdrücken faksimilirten) Worte schrieb: Meine Werkstatt meine Heimat". Zu diesen Beweisen des Wohlwollens fügt er noch einen mir besonders willkommenen. Er faufte mir eine sehr durchgeführte Bleistiftzeichnung seines Grabdenkmals Ernst Augusts von Hannover ab, die ich behufs der Kopirung auf Holz mit seiner Bewilligung nach dem marmoruen Originalwerk angefertigt hatte. Jenes Bild der Werkstatt Rauchs ist denn auch durch Farbendruck von Storch und Kramer, wenn auch nicht eben faksimilirt, vervielfältigt im Verlage von Alexander Dunckers Hofbuchhandlung erschienen.

Des großen Meisters Werkstätten befanden sich in dem weitläuftigen, düstern grauen Gebäude des alten Lagerhauses" zwischen der Kloster- und Neuen Friedrich straße, auf dem zwischen beiden gelegenen Hofe, dessen Westseite an der ersteren heute der moderne Backsteinbau der königlichen Kunstschule einnimmt. Hier im Erdgeschoß zu beiden Seiten eines langen Mittelganges lagen die hohen überwölbten, weiten hallenartigen Räume, in welchen Rauch und seine Schüler arbeiteten. Außerdem benuzte er bei der Ausführung von Kolossal modellen noch die Werkstattsäle in dem, gegenüber dem Lagerhause selbst, auf demselben Hof und ebenfalls an der Neuen Friedrichstraße errichteten, kleineren Gebäude, das später Albert Wolff und nach ihm Siemering zu gleichen Zwecken zugewiesen wurde. Unwirtlichere, schmuck losere Atelierräume, als die im Lagerhause, lassen sich kaum denken. Die zur rechten östlichen Seite des Mittelganges befindlichen, empfingen ihr Licht von der traurigen Neuen Friedrichstraße, die an der linken von dem arkadenumgebenen kahlen Innenhofe her. Den größten Saal mit grünlich grau gestrichenen, vom Gipsstaub wie mit Mehl gepuderten, Wänden teilte ein ebenso verstaubter bläulicher Vorhang aus Sackleinwand in zwei Abteilungen. In beiden stand ein Heer von Gipsabgüssen bekannter Werke Rauchs, zwischen Hilfsmodellen, Skizzen, Büsten, noch unvollendeten Thonmodellen nach seinen Entwürfen, welche von einzelnen vorgeschrittenen Schülern, damals besonders von Hugo Hagen, seinem langjährigen treuen Mit- und Hilfsarbeiter, ausgeführt wurden. In der vorderen Abteilung hielt sich Rauch vorzugsweise auf. Damals, zwei Jahre vor seinem Tode, war der Achtund sicbenzigjährige noch eine Erscheinung von unvergleich licher Majestät und Würde. Noch immer hielt seine, Noch so mancher erfreuliche, gerne übernommene die große Mehrzahl der Menschen überragende Gestalt künstlerische Auftrag ist mir damals und in den folgenden sich hoch und strack aufgerichtet, trug er das von vollem, Jahren noch von diesem gegeben und von mir für ihn silberweißem, weichfließendem, seidenem Haar umwallte, ausgeführt worden. Lieb, wichtig und folgenreich vor edle Haupt mit dem groß und schön gemeißelten, bart- allen aber wurde mir der, welchen ich im April des losen Antlig, dessen blaue Augen scharf, streng und Jahres 1856 empfing. Alexander Duncker hatte Th. Storms gebieterisch blickten, so stolz und frei, wie vor Jahre Immensee" und ein paar andere kleinere Erzählungen zehnten. Man brauchte kaum zu wissen, was und wer und Skizzen des schleswig-Holsteinschen Dichters in Verer war und was er geschaffen hatte, um unwillkürlich lag genommen. Der große Erfolg der erstgenannten. von Ehrfurcht bei seinem Anblick ergriffen zu werden mit feinster und zartester Stimmungspoesie durchwehten und sich innerlich sehr klein zu fühlen, wenn man dem, in und durchwürzten Novelle gab ihm den Gedanken ein, seinen sandfarbenen, tuchenen, faltigen Talar mit breitem fie auch einmal, statt als Miniaturbändchen, in großem Kragen, wie ihn Drakes Marmorstatue zeigt, oder in Format und mit Holzschnittbildern und Initialen illustrirt, seinen langen, weiten Atelierrock von demselben licht- erscheinen zu lassen. Er forderte mich auf, ein paar gelbgrauen Farbe gekleideten, greifen Meister gegenüber Zeichnungen dafür zu entwerfen und sie Theodor Storm trat. Wie ein König und Herrscher im weiten Reich in Potsdam selbst vorzulegen, damit dieser sein Urteil der Künste, und mit dem vollen Bewußtsein dieser Würde über sie und seine Meinung von dem beabsichtigten und Stellung, stand er da und wandelte er unter den Unternehmen ausspreche. Nichts konnte mir willkommener Menschen seiner Zeit. Wenn je ein Sterblicher Grund Wenn je ein Sterblicher Grund sein und gelegener kommen, als eine solche Aufgabe, die und Recht dazu hatte, das stolze Wort Goethe's zu sprechen: an sich schon höchst reizvoll, mir die Aussicht eröffnete, Was ist denn Hoheit? Mir ist sie geläufig", so war dem innig bewunderten Poeten persönlich näher zu Ueber welche ungebrochene Bildnerkraft er noch treten und die flüchtige erste Begegnung mit dem mir gebot, hatte er in den eben damals von ihm ausgeführten Unbekannten vor der Blechenschen Wahnsinns-LandWerken glänzend bewiesen. In der marmornen Grab-schaft" unter so viel günstigeren Umständen zu erneuern.

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er es.

Gerade damals befand ich mich in besonders glücklicher Gemütsverfassung und besser als je zuvor dazu gestimmt und befähigt, die von der Dichtung geschaffenen Gestalten und. Vorgänge in meiner Phantasie lebendig werden zu lassen und sie durch. Zeichnung zur Darstellung und Anschauung zu bringen. Zu dieser Stimmung trug nicht wenig die Wohnung bei, welche wir im April jenes Jahres 1856 bezogen hatten. Lag sie doch in einem Häuschen der Straße des Potsdamer Torviertels, welche den Namen Auf dem Karlsbade" führte und heute noch führt.

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| erbaut worden und trug in allen Teilen seiner äußeren Gestalt wie seiner innern Anlage und Raumdisposition den scharfausgeprägten Stempel seines lannenhaften Geistes und Wesens. Auf den Wendeltreppen im Innern konitten moderne Möbel gar nicht in die oberen Stockwerke hinaufgebracht werden. Erker, Söller, Loggien, Fenster, hie und da willkürlich angebracht, gaben dem Gebäude ein ganz wundersames, von allen damals in und bei Berlin stehenden gründlich abweichendes Aussehen. Im Volksminde führte es den Namen: die Stierburg. Im obersten Geschoß, das sich noch hoch über die Wipfel der höchsten Bäume seines Parkes hinaushob, lag das Atelier des Architekten. Nach Westen hin grenzte Unter allen Straßen und Gaffen des damaligen der ebenfalls vom Karlsbade bis zum Kanal-Ufer reichende, Berlin war sie vielleicht die landschaftlich reizvollste, große, reizende Garten, der zum näher der Straße geselbst die Tiergartenstraße kaum ausgenommen. An legenen zweistöckigen schlichten Wohnhause des Affeffor ihrem Eingange nahm die Nordecke bis zum Kanal-Ufer Heusler gehörte. In deffen Mansardenwohnung, zwei hin der halb verwilderte parkartige Garten mit seinen kleine Treppen hoch, zog ich am 1. April 1856 ein. Sie Birken-, Faulbeer- und Kastanienbäumen und Flieder- | enthielt einige kleine und etwas größere in ziemlich vergebüschen ein, welcher die schon verfallenden Baulich-fallenem, schäbigem Zustande befindliche Räume, an der keiten des alten Karlsbades mit seinem hölzernen Turm Süd- und Nordseite, welche durch Dachfenster in tiefen und seiner Badeanstalt umgab. Dieser Park erstreckte Nischen erhellt wurden; aber auch ein Stübchen mit sich nach Osten hin weit hinein an der Nord- einem Fenster im östlichen Giebel, welches unmittelbar feite der Straße bis zu jenem heute noch in seiner alten auf den die Stierburg umgebenden Wald hinausging. Ausdehnung und Gestalt erhalten gebliebenen großen Dank dem frühe eingezogenen Frühling jenes Jahres Gartengrundstück, auf dem immer noch auch das alte, sahen wir im April bereits das zarte junge Laub der kleine, trauliche, einstöckige Haus aus den Zeiten des nun Akazien und Linden, deren Zweige die Scheiben dieses verschwundenen damaligen Karlsbad steht. Die Straße Fensters streiften, einen wehenden goldig-grünen Schleier war ein ungepflasterter, unregulirter; unbeleuchteter, zwischen unseren Giebel und der Burg bilden. Als 'die trottoirloser Sandweg zwischen den von Staketenzäunen hohen alten Akazien in Blüte standen, hingen uns ihre eingefaßten Gärten, von denen die auf der Nordseite bis an weißen Blütentrauben fast in das Zimmer herein und das Kanal-Ufer, die wenigstens der östlichen Hälfte der hauchten ihren füßen Duft durch alle Räume der kleinen Südseite bis an die Ließowerwegstraße reichten. In jedem Wohnung. Abends sah man das Licht der Lampen auf dieser Gärten stand, frei und auf allen Seiten unberührt den Altanen und hinter den Fenstern der Burg zwischen von den Nachbargebäuden, ein einfaches Landhäuschen oder den Laubkronen der Bäume mit magischem Schimmer eine zierliche Villa. Mit Ausnahme von zwei größeren Ge- herüberblinken. Während der Frühlingstage schlugen die bäuden an der Nordseite hatte kaum eins oder eine von jenen Finken, flöteten Pirole von den nahen Wipfelzweigen über dem zu ebener Erde mehr als ein Stockwerk und ihren vertrauten lieblichen Ruf, und in den lauen Nächten ein Dachgeschoß. Ein schlechter und rechter alter Bretter schluchzten und schmetterten in allen Gärten hüben und zaun schloß die Straße in der Flucht der heutigen Flott drüben die Nachtigallen ihre selig-trüben füßen Lieder. wellstraße ab und machte sie zur Sackgasse. Durch eine Der große Garten unseres Hauses war auch den wenigen nur leicht verriegelte Tür in diesem Zaune trat man auf Mietern vom Wirt freundlich zur beliebigen Mitbenußung cine Wiese hinaus, auf der einzelne Ziegen, Schafe und überlassen. Auf unserm Lieblingsplay in der GartenKühe weideten. Die dort noch stehende, wenn auch stark mitte im Schatten des alten Rotdornbaumes und einer verkümmerte und beschnittene, mächtige alte Weide be- Kastaniengruppe oder auf dem hohen hölzernen Balkon, schattete mit ihrer breiten Krone einen Teil dieses idyllischen der an dem Bretterzaun an dem Kanal-Ufer neben deffen Wiesenplanes, welcher im Osten von dem Damm der Ausgangstür angebracht war, saß an schönen sonnigen Potsdamer Eisenbahn begrenzt wurde. Frühlings- und Sommertagen mein junges Weib, nicht selten auch ich selbst, mit einer Arbeit beschäftigt. Ringsherum spielten und tummelten sich in glücklicher Freiheit in der noch von keinen Miasmen der Stadt verdorbenen und vergifteten reinen Luft dieser Gartenparadiese, unsre Kleinen. Ein guter Freund trat auch wol ein und setzte sich an unsern Tisch oder schlenderte plaudernd von den Kindern umringt auf den Wegen zwischen den Beeten und Rafenflächen auf und ab. Wenn ich, auf jene Sommier 56, 57 und 58, die wir dort verlebten, zurückblicke, wie viele stillbeglückte Stunden ziehen an meines Geistes Augen vorüber! Stunden, deren Glück ich an erster Stelle doch nur dieser Wohnung und der unvergleichlichen Art dieser Straße des alten Berlin verdanke.

Die erwähnten beiden einzigen höheren und größeren Gebäude „auf dem Karlsbade" waren das Haus des berühmten Malers Professor Karl Begas und das des genialen Architekten Profeffor Gustav Stier. Die ausgedehnten Gärten, zwischen deren Obstbäumen, alten Linden, Kastanien, Akazien, Wallnuß- und Rotdornbäumen diese Häuser emporragten, grenzten aneinander. Das des ersteren zeigte einen hohen vierseitigen Aufsaß über dem ersten Geschoß, der nach dem Vordergarten hin von wenigen Fenstern, in der dem Kanal zugekehrten Nordwand von einem koloffalen Atelierfenster durchbrochen wurde, an das sich das große schräge Oberlicht im Dache anschloß. Der Garten war vor allem ein wolgehaltener Gemüse- und Obstgarten, wenn es ihm auch an hohem, schattigem Laubholz nicht gänzlich fehlte. Der Stiersche aber glich einem Walddickicht. Das Haus, welches seine Bäume umschatteten, war von seinem Be fizer um dieselbe Zeit, wie das Begassche, in den ersten dreißiger Jahren in dieser damals so stillen, menschen verläffenen Garteneinsamkeit ganz nach den eigenen Be dürfnissen und romantischen Liebhabereien, des Meisters'

Karl Begas war im November 1854 verstorben. Seine Witwe, eine der eigenartigsten Frauencharaktere, die mir nur je begegnet sind, eine Matrone von wahrhaft großem Stil der ganzen Erscheinung, von hohem Wuchs mit noch unergrautem, welligem, dunkelblondem, vollem Haupthaar, hoher, leuchtender Stirn, hinter welcher ein ernster, tiefer, ganz originaler Geist mit unverrückbaren, tren festgehaltenen Anschauungen ́ ́und

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