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Haar.) Der Hausherr erkennt sie. Sie will fliehen, er hält sie zurück. Die Flucht könnte auffallen. Er trägt sich mit dem Gedanken, daß seine Frau Julie sich an sie gewöhne, ihre Freundin werde und sie alle drei einen cinigen trauten Bund der Seelen schließen. Der Intriguant des Stückes, der schurkische Assessor Wolf, verrät Julien das Verhältnis zwischen ihrem Gatten und der Gouver

nante.

Wolf: Ihr Herr Gemal hat seit einiger Zeit viel Humor.

Julie: Was sagte er denn?

Wolf: Er gleiche dem Grafen von Gleichen er habe zwei Frauen.

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Julie ist entrüstet. Der vorgeschlagene trauliche Dreibund der Seelen ist durchaus nicht nach ihrem Geschmacke. „Was die Liebe begehrt und zu fordern hat, das will sie ungeteilt. Alles oder nichts." Sie verläßt das Haus. Marie sucht den zerrütteten Frieden wieder herzustellen durch ihre Opferung. Sie will sich vermälen, eine ihr bereits angebotene Werbung annehmen. Ihn zu lieben, war mir Leben; ihm entsagen, war mir Tod; aber ihn retten, ihn dem Glücke erhalten, das sein Weib, seine Kinder gewähren, das ist Wonne der Auferstehung!" Der dadurch in der Tat gestörte Hausfrieden wird hergestellt. Nebenbei tritt Werner aus dem Adelstande wieder in den Bürgerstand zurück und verzichtet auf die ihn erwartenden Ehrenstellen. Die adelsstolze Julie folgt ihm auf diesem Wege. Was deine erste Liebe betrifft, Heinrich nun nehme ich sie als das Morgenrot deiner Jugend. Ich werde die Erinnerung an sie ehren wie deine Jugend.",,Warst du „Warst du auch nicht meine erste Liebe", erwidert er, so brennt dir dafür auf dem Altar meines Herzens eine reine ge= läuterte Flamme. Und so sind wir denn eins. Auch du" wendet er sich zu Mariens Verlobten Freund meiner Seele! Das bist du mir jezt doppelt geworden! Neber uns allen schwebt der milde Stern deiner unserer Liebe - Marie! Julie, durch das, was dir begegnete, hast du einen Blick in die Geschichte der Herzen getan, die euch Liebe schwören, einen Blick in die Region, die wir Männer euch Frauen so gern verborgen halten. In tausend Seelen unsrer Zeit schlummert der Widerspruch des Herzens mit der Welt still und schmerzlich verborgen. Wohl dem, der ihn so lösen Wohl dem, der ihn so lösen kann wie ich durch dich.“

Die Lösung durch das Mittel einer Heirat war im Grunde genommen nur eine ganz äußerliche. Es war keine eigentliche Lösung, sondern eine Auflösung des Verhältnisses im Wege des Verzichts des einen Teils auf seine Rechte. Nur der ziemlich flüchtig motivirte Umschwung in der Denkungsweise Juliens tritt einer innerlichen Lösung näher.

Gußkow wurde aber auch in seinem eignen Leben vor ein ähnliches Problem gestellt. Therese von Bacharacht, die Frau des russischen Konsuls F. von B., eine Tochter des russischen Ministerresidenten von Struve in Hamburg, beschäftigte sich nach dem Tode ihres einzigen Kindes zur Zerstreuung mit litterarischen Arbeiten und hatte sich, um für ihre Absichten Förderung und Rat zu erhalten, Guzkow genähert. Feodor Wehl nennt sie in seinen jüngst erschienenen Tagebuchaufzeichnungen („Zeit und Menschen") eine der schönsten, liebenswürdigsten und reizendsten Frauen, die er jemals kennen gelernt. Gußkow lebte bereits in glücklicher Häuslichkeit. Seine Frau Amalie war nach Wehls Schilderung eine hübsche

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stattliche Erscheinung, ruhig ernsten Charakters. Sie wußte besonders seine hohe Nervosität trefflich zu behandeln. War sie so das Abbild einer echten deutschen verläßlichen Hausfrau, so war Therese von Bacharacht das Bild einer glänzenden Weltdame, bezaubernd durch wohlwollende Güte und reiche Gaben des Geistes. Wir treffen sonach hier auf denselben Gegensah_wie__in Schillers Verhältnis zu den Schwestern Lengefeld. Guzkow befand sich nach Wehls Beobachtungen zwischen beiden Frauen von Gefühlen hin und hergeworfen, und Wehl führt die öfter wiederkehrenden Zeichnungen solcher Männer in seinen Schauspielen und Romanen - neben Werner befinden sich auch „Gustav“ in „Ein weißes Blatt" und „Ottfried" in dem gleichnamigen Drama schwankend zwischen zwei Frauen hineingestellt auf des Dichters eignen Herzens zustand zurück. Beide Frauen waren auch wir folgen hier immer unserm Gewährsmann über diese Zugehörigkeit" nicht im Zweifel, wenn auch Frau von Bacharacht die Sache mit vornehmer Reserve behandelte.

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Als Wehl der leztern auf ihren Wunsch Auskunft über Gupkows Familienleben gab, fragte Therese: Und seine Frau, macht sie ihn glücklich?“ „So= weit Gugkow in der Ehe glücklich gemacht werden kann," erwiderte Wehl, gewiß! Seine Gattin ist liebevoll, gescheit und von wahrhaft einnehmendem Wesen."

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Sie sah mich, erzählt er weiter, einen Augenblick scharf und prüfend an, gab mir ihre Hand und sprach: „Ich erkenne, daß Sie Guzkows Freund sind, sein Sie auch der meine, lieber Wehl." Alles was Guzkow betraf, weckte ihre Teilnahme. Alles was in den Blättern über ihn und seine Bücher geschrieben war, jedes Wort darin war ihr von Bedeutung. Sie las alles mit den Augen der Liebe. Was er neues schuf, fand immer zuerst den Weg zu ihr. Da er eine ziemlich unleserliche Handschrift schrieb, machte sich Frau v. B. meist daran, die ihr zugesanten Manuskripte abzuschreiben. gab Wochen," erzählt Wehl, wo sie die Feder für ihn gar nicht aus den Händen ließ." Therese hatte sich in= des mit der Zeit doch in die Notwendigkeit gefunden, Guzkow als den Gatten einer andern Frau zu wissen und das Verhältnis zwischen ihm und ihr sich ganz in die Bahnen der Freundschaft zu leiten. Da starb Gußkows Frau in den Wirren der Märztage des Jahres achtundvierzig, Therese wollte zu Gußkow reisen, um ihn aufzurichten, zu zerstreuen, zu pflegen. Wehl riet ihr ab; sie blieb, ging aber dann doch noch in Begleitung von Fanny Lewald nach Dresden, 100 Guzkow sich aufhielt. Der Besuch brachte diesen in Verlegenheit. Bestürzt und ängstlich suchte er jeder Annäherung mit der Frau, die ihm so wert war, aus dem Wege zu gehen. Von Theresen gedrängt, sich zu er klären, zog er verstimmt und mißmutig sich ganz von ihr zurück. So kam es zum offenen Bruche.

Therese, die sich mittlerweile, nicht ohne Gußkows Verdienst, unter dem Schriftstellernamen „Therese" eine geachtete Stellung in der deutschen Schriftstellerwelt erworben hatte, betrieb ihre Scheidung von Herrn von Bacharacht und heiratete später einen in niederländischen Diensten stehenden Herrn von Lüßow, einen weitläufigen Verwanten, dem sie nach Java folgte. Vor ihrem Abschiede traf sie mit Wehl nochmals in Hamburg zusammen. Ein Tränenstrom entrollte ihren Augen. „Bleiben Sie sein Freund und wenn Sie können auch meiner. Sie, der Sie mich, der Sie Guzkow kennen, werden

alles wie es gekommen ist, begreifen und verstehen. Leben Leben Sie wol."

Guzkow mochte doch wol, meint Wehl nicht mit Unrecht, erkannt haben, daß die gehätschelte, vom Glück verwöhnte Frau für eine neue Lebensart nicht geeignet und besonders nicht dazu geschaffen sei, an der Seite eines sein tägliches Brot mühsam verdienenden deutschen Schriftstellers zu leben.

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Auch in der weiten Ferne verfolgt sie mit dem lebhaftesten Interesse Guzkows litterarische Entwicklung so gut wie sein häusliches Leben. Niemand", heißt es in ihrem lezten Briefe an Wehl,.,,kann ihm mehr Glück wünschen als ich, und wo das Glück nicht zureicht, da soll wenigstens Frieden sein. Friede und Glück sind die Höhenpunkte unserer Existenz, und daß ich die habe, sie im Anblicke eines treuen edlen Mannes und blühender Kinder genieße, das ist ein Segen, den ich nach dem vergangnen Schmerze nie hoch genug anschlagen kann." Sie starb am 16. Dezember 1852 auf der Reise nach der Heimat.

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Die Geschichte des Gleichenschen Problems ließe sich wohl noch mehrfach bereichern, aber schon die angezogenen Beispiele stellen einen gemeinsamen Typus fest. Sie bilden einen interessanten Beitrag zur Psychologie des menschlichen Herzens und gewähren namentlich einen tiefen Einblick in das Gemütsleben der Frau.

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Alle diese zweiten Frauen, diese Melachselas, Venessas, Mollys, Carolinen, Johannas und Theresen, sind Naturen, die über das Alltägliche hinausragen, die durch besondere Reize des Körpers oder des Geistes den Mann fesseln, während die rechten Frauen zu den schlichten einfachen Geschöpfen gehören, die nicht den Mann durch ihre Größe zu imponiren, sondern durch hingebende Demut und Unterordnung unter seinen Willen zu fesseln suchen. Sie sind alle mehr oder weniger Griseldisnaturen. Insofern bilden jene Frauen eine Erweiterung, eine Ergänzung ihres Wesens. In der Vereinigung dieser Kontraste zu einem einheitlichen Wesen findet der Mann und es handelt sich hier immer um geistig hochveranlagte Männer, um dichterische Genies das ersehnte Ideal. Indem der Mann dies Ideal festzuhalten und seinen Besitz zu erringen strebt, kommt er dann freilich in Konflikt mit den Geseßen der Gesellschaft und Moral. Als ein weiterer Feind der Verwirklichung dieses Ideals erscheint die Gewalt mensch licher Leidenschaft, vor allem die Eifersucht, der Egoismus der Liebe, der namentlich auf Seiten der Frau den Alleinbesig des Mannes in Anspruch nimmt und gegen jede Teilung seiner Liebe protestirt. In dem damit hervorgerufenen Kampfe wächst die Frau oft zu einer übermenschlichen Größe heran, während der Mann meistens eine sehr klägliche Rolle spielt. Er kann die Geister, die er heraufbeschworen, nicht wieder bannen und überläßt es der Frau, die Sache ins rechte Gleichmaß zu bringen; und da weiß, indes er noch haltlos hin und her schwankt, der angeborne Takt der Frau die Sache in ein so leidliches Verhältnis zu seßen, daß wenigstens der Bruch mit der gesellschaftlichen Ordnung nicht so stark in die Erscheinung tritt. Dem Heroismus des weiblichen Herzens gelingt es dann auch, über die Leidenschaft den Sieg zu gewinnen. Wo dieser fehlt, fehlt dem Konflikt auch nicht der tragische Ausgang, wie in dem Falle von Jonathan Swift (und in Lessings Miß Sara Sampson). Hat indes das Verhältnis so wie es im Hirne des Mannes sich ausgestaltete, auch

wirklich einmal im Leben Existenz erhalten, so ist dieselbe doch immer nur eine scheinbare, mindestens aber nur von kurzer Dauer. Schon die räumliche" Nähe der drei Verbündeten wird ihm zum Verhängnisse. Mit der räumlichen Aufhebung aber und dem Bestreben, aus der Entfernung zu wirken, verflüchtet es sich langsam zu Luft und Hauch, wenn nicht die volle Resignation des einen oder andern Teils vorher schon seine Lösung her| beiführte. Wenn es aber wie in dem Falle Bürgers, mit allen Konsequenzen auftritt und bestrebt ist, der Welt und ihrer Moral zum Troß sich abzufinden, verliert es den Charakter des Ideals und führt ein Dasein mit Vorwürfen und Selbstanklage herbei, bis ein armes gebrochnes Menschenherz unter seiner Last sich zu Tode verblutet.

Die Lösung jenes Problems gehört eben zu jenen menschlichen Faustproblemen, für welche die Erde keine Lösung hat. Die Lösung desselben muß bis dahin verschoben werden, wo in der darwinistischen Fortentwicklung aus dem Geschlechte der Menschen ein Geschlecht von Engeln wird.

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In dem kleinen Drama von Turgenjew hat der Schauspieler Herr Klein Gelegenheit zu einem Virtuosenstückchen gefunden, d. H. er hat zeigen können, wie ein gewanter Schauspieler sich in der Trunkenheit benimmt, wie er Herzkrämpfe bekommt, wie er seine Tochter liebt und wie er stirbt. Vor hundert Jahren, zur Zeit der deutschen Komödianten, wurden die Mimen auf solche Proben hin in Lohn genommen. Theater-Agenten gab es damals noch nicht, und es ist immer ein Beweis von Tüchtigkeit, wenn man binnen einer Stunde Rausch, Liebe und Tod darstellen kann. Daß solche Virtuosenstücke aber doch im Grunde nur Schulübungen sind, daß der wahre Schauspieler erst bei der Darstellung des individuellen Menschen beginnt, das will das Theater auch heute noch nicht zugeben und Herr Klein beherrscht die kleinen Aufgaben seines Berufs so gut, daß er wahrscheinlich gern darauf verzichtet, sich große und neue Aufgaben zu stellen.

Es ist nicht meine Schuld, wenn ich aus Anlaß eines Dramas von Turgenjew zuerst von dem Darsteller der dicksten Rolle sprechen muß. Turgenjew, war niemals ein richtiger Dra= matiker und dieses Stück ist nun schon ganz und gar kein Drama. Wäre Turgenjew etwa ein gewanter Erzähler, dem die Forderungen der Bühne nur nicht ganz geläufig sind, so hätte er ein mittelmäßiges Stück geschrieben, von welchem die unbefriedigten Zuhörer sagen würden: das ist ja eigentlich kein Stück, sondern eine Novelle. Weil aber Turgenjew nicht etwa nur ein gewanter Novellenschreiber, sondern ein Erzähler von Gottes Gnaden ist, darum ist sein Drama bei allen seinen Schönheiten noch unter der Mittelmäßigkeit schwach geraten. Ein gewanter Erzähler besißt die vielfach geforderte Objektivität und Unpersönlichkeit; ein genialer Erzähler ist weder unpersönlich noch objektiv, er ist auch eine Art Dramatiker, er seßt sich unbewußt selbst in Scene, er verdrängt mit dem Zauber seiner eigenen Persönlichkeit

all die kleinen handelnden Menschen, mit Hilfe deren richtige | flingt nach etwas und könnte uns sogar etwas sagen, wenn die Dramatiker ihre Bühnenvorgänge zu stande kommen lassen, er zwingt die Zuhörer so sehr, die Menschen nur mit seinen Augen zu sehn, daß auch sein Leser schließlich zum Zuhörer wird. Der ganze Reiz Turgenjews geht darum verloren, wenn man mit verteilten Rollen sprechen läßt, was er sonst so charakteristisch für seine Personen und doch immer als er selbst vorzutragen pflegt. Im Dialog sowohl wie in der Knüpfung der Fabel läßt sich der Zwang nachweisen, unter welchem der Erzähler Turgenjew steht, fobald er fürs Theater schreibt.

In seinen Skizzen giebt er zum Beispiel nur selten vollständige Gespräche wieder. Nach einer intimen Schilderung zweier Menschen und ihrer Absichten wird mit wenigen Zügen die Stimmung angeschlagen: wir wissen, was die beiden wollen und wenige malende Stichproben aus ihrem Gespräch genügen, damit wir sie sprechen hören. Mit dieser echten Erzählertechnik arbeitet Turgenjew mitunter auch für die Bühne. Man hat von Zeit zu Zeit das Gefühl, als müßte der Dichter sich in einem Fauteuil umwenden und mit einigen erklärenden Worten über eine innerliche Lücke hinweghelfen.

Stärker hat der Zwang auf die Fabel gewirkt. In einer seiner Skizzen hätte Turgenjem sich damit begnügt, die Gestalt des verarmten Adligen zu zeichnen, der in dem reichen Hause

sein Gnadenbrot findet. Eine Andeutung, daß die Mutter der gegenwärtigen Schloßherrin den armen Teufel einst in seiner Jugend geliebt hat, würde vielleicht den bettelhaften alten Mann in den Augen romantischer Leserinnen heben. Das wäre alles. Und das Ende wäre ein Ausblick, so weit wie der Horizont der ruffischen Steppe. Keine harten Linien, kein Eingreifen der Mächte des Zufalls. Das Drama aber will feste Grenzen und so hat auch Turgenjew sich verleiten lassen, in seine beiden Akte eine höchst kuriose Geschichte hinein zu pressen, die für die Virtuosenstücke eines Schauspielers nicht zu gut ist. Ja, diese Geschichte ist stellenweise so rührend, daß eine bessere Ausgestaltung der Nebenpersonen das Stück leicht zu einem sogenannten dauernden Besiß der deutschen Bühne machen könnte.

Auf das mißglückte Werk des großen russischen Dichters folgte Fortuna“, ein Schauspiel in drei Aufzügen von Hermann Faber. Der Verfasser scheint kein Poet zu sein, aber er kann sich mit der Zeit zu einem ganz ordentlichen Theaterschriftsteller

herauswachsen, so unglücklich auch sein erster Versuch ausgefallen ist. Das Gefühl, mit welchem uns der pseudonyme Herr Faber

entläßt, ist etwa dies: Wir haben es zwei Stunden lang mit einem anständigen Geschäftsmanne zu tun gehabt. Ist das nun schon sehr erfreulich, so kommt dazu noch eine gewisse Jugendlich feit der These. Darf ein Staatsanwalt die Tochter eines betrügerischen Bankerottierers heiraten? Das Publikum würde nichts dagegen haben, der Verfasser aber will es nicht. Auch nicht, wenn jeder Richter mildernde Umstände bewilligen würde? Auch nicht, wenn Vater und Mutter des Mädchens in den Zwischenakten gestorben sind? Auch nicht, wenn der Staatsanwalt sein Amt niedergelegt hat und Reichstagsabgeordneter, vielleicht sogar Mitglied des Vereins zum Besten entlassener Sträflinge geworden ist? Auch nicht, wenn Reichstagsabgeordnete dermaleinst Diäten bekommen sollten? Der Verfasser sagt nein und begründet sein Beto mit einer ganz spannend erfundenen Fabel, die nur den einen Fehler hat, daß sie in allen Kleinigkeiten sehr realistisch motivirt wird, in den großen Zügen aber nicht glaubhaft ist. Wenn das Publikum aber einige tragische Augenblicke mit natürlicher Heiterkeit aufnahm, so liegt die Schuld nicht am Stoff, sondern an der unglaublich schablonenhaften Theatersprache aller Personen.

Charakteristisch für diese gezierte und altmodische Sprache ist der Titel des Schauspiels. Fortuna! Das soll etwas bedeuten, soll sogar tiefsinnig sein, wenn die Titelheldin ahnungsvoll die Frage aufwirft, ob Fortuna selbst glücklich gewesen sei. Das

Fortuna der alten Mythologie irgendwie lebendig unter uns wäre, oder auch nur bei den Alten irgend eine hübsche Mythe aufzuweisen hätte. Soweit mein Wissen reicht, war aber die Fortuna der Römer eine ebenso lederne Allegorie wie die Tyche der Griechen. Kein Dichter vermochte ihr Gestalt zu geben und nicht einmal in der Familienlegende des Olymps hat Fortuna Plaz gefunden. Und so ist sie eine lederne Allegorie geblieben, gerade gut genug für die Plakate eines Lotteriekollekteurs, aber kaum geeignet als Schußgöttin des modernen Dramas. „Arme Fortuna!"

Die Beitschriften und die Litteratur.

Bon Alfred Kerr.

I.

Die Bedeutung der periodischen Litteratur kann unter gewissen Bedingungen eine großartige Steigerung erfahren. In solchen Zeitläuften nämlich, wo eine normal gebaute Wahrheit", welche weite Kreise angeht, alt und dürr geworden ist, und eine unverbrauchte andere Wahrheit sie über den Haufen zu rennen strebt. Nirgends ist dann der jeweilige Stand des Kampfes so klar zu erkennen, wie in der periodischen Litteratur, welche alle Schwankungen genau verzeichnet: die Buchform ist ebenso ungeeignet für die Kürze der Mitteilungen wie für Schnelligkeit der Veröffentlichung.

Aber auch im Kulturfrieden ist die Zeitschriftenlitteratur von Bedeutung, -die hauptsächlich auf einem Umstand beruht. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des deutschen litterarischer Erscheinungen nur in Zeitschriften zum_Bort Schriftstellertums bringen es mit sich, das eine Anzahl kommt. Ich denke dabei weniger an produktive als an kritische Talente, die, gezwungen aus der Hand in den Mund zu leben, niemals dazu kommen, ein Buch zu veröffentlichen. Aber jede Darstellung unseres Litteraturlebens, welche diese geistvollen Märtyrer überginge, wäre eine lückenhafte.

Dennoch verzichte ich darauf, einige dieser Gestalten zu zeichnen: ich will späterhin eine besondere Gallerie ihrer ihnen vorbeischreiten, an den edleren Gestalten und an den Bildnisse auftun, wo ich mit der elektrischen Laterne an Karrikaturen, und ihnen ins Gesicht leuchten werde

Wenn ich hier einfach mitteilen will, inwieweit sich die gegenwärtige Litteraturbewegung im periodischen Schrifttum spiegelt; wenn ich zu solchem Zweck mehrere Dußend europäischer Zeitschriften in die Hand nehme und dann zuerst die schöpferischen Leistungen moderner Litteratur, die in ihnen niedergelegt find, nennen will, so gerate ich in unleugbare Verlegenheit.

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Außer dem, Magazin", welches Sudermann und den heimische und fremdländische moderne Novelle pflegt, außer naturalistischen Wildenbruch geboten hat und die kürzere der Freien Bühne“, welche Gerhart Hauptmann und die norwegischen Epifer darbietet, nur eine einzige Ver= öffentlichung eines modern-litterarischen Werks: Fontanes dänischer Hof- und Gesellschaftsroman Unwiederbringlich" in der Deutschen Rundschau." Im übrigen aber ist's fürchterlich. In der Gartenlaube grassirt die Heimburg, in Nord und Süd" führt ein in hohem Grade unbekannter Wilhelm Fischer eine sehr gleichgiltige „RebenFräulein Martha Asmus ihren Mondschein" ab; die bäckerin“ vor, in Bienemanns Unsere Zeit" lagert ein Deutsche Revue" kränkt ihre Leser mit einer Novelle von Max Brehna - Firdusy, in der es bald am Anfang heißt: Die hohe Gestalt des Mannes schien zu beben, als er diese Worte zu der Frau an seiner

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Seite sprach, und seine dunklen Augen blickten dabei wie flehend in die ihren" - und so mit Anmut weiter. Überall Weiberlitteratur, im besten Falle mißlungene Storm-Nachahmung. Die englisch-amerikanischen Zeitschriften verzichten für gewöhnlich ganz auf die Mitteilung fünstlerischer Erzeugnisse; in Frankreich veröffenlicht wol die populäre "Illustration" einmal einen Roman von Daudet, — aber die tonangebende,,Revue des deux mondes" hält alle charakteristischen Litteraturäußerungen von sich fern.

Es ist also nicht die produktive Seite der periodischen Litteratur, welche ihre Bedeutung ausmacht, sondern die kritische und historische. Nach dieser Richtung findet der Zeitschriftenstudent in dem gegenwärtig Vorliegenden reiche

Ausbeute.

Den Hauptgegenstand der europäischen Kritik machen die Ruffen aus. Die Revue internationale allein befaßt sich mit ihnen in zwei großen Auffäßen. Ernest Tissot, der eine Skizze von Nekrassow entwirft, giebt gleichzeitig einen allge= meinen Überblick über die Aufnahme der russischen Litteratur in Frankreich. Mit leisem Staunen sehen wir, daß sich das französische Urteil mit dem bei uns landesüblichen deckt: Raskolnikom und Anna Karenina erhalten die Palme. Aber während in Deutschland die russische Litteratur völlig heimisch ward, ist sie nach Tissots Bekenntnis in Frankreich niemals,,familiere" geworden: hauptsächlich wegen ihrer angeblichen starken Kompositionsmängel, welche gegen die glatte Meisterschaft der „parnassischen" Schule scharf absticht. So faßt Tissot sein Endurteil in die strengen Worte zusammen: „,au fond l'ésprit russe est resté ignorant des subtilités esthétiques".

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Weniger eindringend als Tissot, aber graziös und flott ist eine andere Studie über die russische Litteraturbewegung, welche Jean Fleury in derselben Zeitschrift veröffentlicht. Er analysirt einen gewissermaßen" epochemachenden Roman der Frau Nagariewa „Eine SchauEine Schauspielerin" -, welcher den vom Gatten freundlichst bewilligten Ehebruch der Frau zum Gegenstand hat. Es ist das eine Erscheinung, die nicht nur in der harmlosen litterarischen Theorie eine Rolle spielt, sondern auch in der ernsthaften Wirklichkeit des heutigen Rußland zahlreich auftritt: ein Gegenschlag gegen die drakonischen Ehescheidungsgefeße. Fleury berichtet dann über Eine Symphonie", das Musikantendrama Modest Tschaikowskis, das mit je einem „schlimmen“ und einem „guten" Schluß in Petersburg und Moskau auf den Brettern lebt, und über Potapenkos „Gemäßigte Ideen"-: an diesen Namen schon, die uns völlig unbekannt sind, sehen wir, wie viel umfassender das französische Interesse an der russischen Litteratur ist als das unsere.

Dafür wird Tolstoj dort nicht mit demselben Ernst behandelt wie bei uns. Fleury nennt den Grafen, der jetzt wieder in der Contemporary Rewiew gegen Nikotin und Alkohol wettert —, zwar respektvoll,,un centre autour duquel toute une fraction de notre monde intellectuel évolue"

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und er tut Galißins kindische Gegenschrift zur Kreuzer sonate entschieden ab, aber der Franzose kann sich nicht enthalten, über den Propheten von Jasnaja Polnaja ein wenig zu ulken. Er erzählt eine Anekdote, nach der sich Tolstoj vor seinen Bauern fürchterlich blamirte, als er das Amt des Dorfschäfers versehen wollte und hier, wo es sich ernstlich darum handelte, jeden Morgen um 4 Uhr aufzustehen, bald kläglich abdanken mußte..

durch den Mund eines weichherzigen, aber geistig nicht unvornehmen Mannes, daß der litterarische Salat der Zukunft mit einem reichlichen Tropfen naturalistischen Öls angemacht" werden müsse.

Harnack findet in seiner Untersuchung den Grund für Tolstojs deutsche Erfolge lediglich in der Tendenz seiner Werke: von dem enormen künstlerischen Wert der Kreußersonate scheint er nichts gemerkt zu haben. Aber er trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er die merkwürdige Tatsache feststellt, daß Tolstojs asketische Forderungen inmitten des unendliche Wünsche erzeugenden und befriedigenden" Lebens der Gegenwart um so bereitwilligere Zustimmung gefunden haben, je mehr sie durch ihre Unmöglichkeit den tatsächlichen Gehorsam ausschlossen. Der Grund für diese Zustimmung liegt für Harnack in einer Art krankhafter Übersättigung, die sich unter Völkern hoher Kultur zeitweise zu zeigen pflegt.

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In das innere Wesen dieser ebenso vergötterten wie unbefolgten moralischen Forderungen sucht endlich der Philosoph und Dichter Hieronymus Lorm in der Gegenwart" kritisch einzudringen. Er stellt zwischen Tolstojs Bestre= bungen und denen без Amerikaners Salter einen Vergleich an, und merkwürdigerweise erkennt er den Vorrang der russischen Doktrin zu, welche die Religion zur wie Quelle der praktischen Moral machen will, statt Salter die praktische Moral zur Religion zu erheben. In Sachen der Geschlechtsliebe aber, die Tolstoi dem tierischen Trieb gleichseßt --, bäumt sich in Lorm der Lyriker: nach seiner Meinung liegt dem Jüngling," der in Liebe für die Jungfrau erglüht," die Sinnlichkeit "himmelweit fern." Warum, Herr Lorm, benimmt sich dann der Jüngling" so zärtlich wie wir es meist sehen? - Der Jüngling hofft -antwortet Lorm für seine einsam auf Erden wandelnde Seele die einzig mögliche Ergänzung zu finden.“ Warum, Herr Lorm, sucht er diese gerade bei jungen Mädchen?

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Die französische Litteratur steht an einem Wendepunkt. Drei Generationen treten uns deutlich entgegen. Der Dahingeschiedenen gedenkt in der ,,Revue des deux mondes" mit wehleidigem Gesichtsausdruck der konservative Brunetière: halb trozig, halb klagend ist sein großer Nachruf an Octave Feuillet; rührend wirkt sein Zorn gegen die naturalistische Unduldsamkeit,“ rührend sein froher Glaube an die Auferstehung des reinen Idealismus. Der lebende Schriftsteller, der lebende xai' ¿§oxýv, ist Zola. Ihm, dem,,peintre brutal des grands desordres sociaux," weiht Edouard Rod in der ,,Revue bleue" eine warmblütige Apologie: der Lärm verstummt, bald wird man auch in Frankreich über den genialen Emil sich ebensowenig empören wie über die Rohheiten der Rabelais und Molière, Ganze klingt fast wie ein Huldigungsgruß an den künftigen Träger des Palmenfracks. Aber

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das

So weit im Leben ist zu nah' dem Tod" sagt Hebbel. Zola steht im Zenith der allgemeinen Anerkennung, er ist also vorüber. Das Lebenskräftige, das Werdende, die Zukunft der französischen Litteratur erwägt in einer freien Studie der ,,Revue internationale"*) wiederum Edouard Rod, ein begabter Sohn der romanischen Schweiz. Stolz und freudig stellt er die Weltmacht der gallischen Litteratur fest ,,en Allemagne, le nom de Sardou est certainement plus connu que celui de Wilbrandt ou Die Wirkung Tolstojs in Deutschland, die sicherlich weit de Wildenbruch," und doch herrscht in der ganzen stärker ist, als sie es in dem beau pays de France sein kann, Betrachtung eine kaßenjämmerliche, eine Aschermittwochuntersucht Otto Harnack, der Bruder des Theologen, instimmung. Man weiß nicht weiter! Überall feste einem dispositionslosen, doch über das feuilletonistelnde Durch schnittsgeschwäß sich erhebenden Auffat in den Preußischen Jahrbüchern. Daß diese ästhetisch konservative Zeitschrift sich mit naturalistischer Litteratur befaßt, ist seit der Redaktionsübernahme Harnacks nichts Merkwürdiges. Merkwürdig aber ist, daß sie jetzt in einer Betrachtung Robert Hessens über die berliner Freie Bühne" - sich zu einer Anerkennung der neuen Richtung gezwungen sieht: sie erklärt hier

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Formen, welche

Formen, welche Monotonie
Monotonie und Langweile
Langweile erzeugen
müssen. Die Kunstfertigkeit ist zu groß! Im Drama
darf niemand eine Befreiung von den Konventionen wagen,
ohne in ganz Frankreich ausgepfiffen zu werden. Henry
Becque ist der Einzige, der sich konsequent auflehnt. Der
Roman geht gleichfalls in vorgezeichneten Formen auf;

*) „Le bilan de la littérature française contemporaine.“

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die Romanschriftsteller wissen zu gut comment il faut couper les chapitres, ramener les personnages, les grouper en tableaux", ein Übelstand, welcher deutsche Erzähler nicht drückt. Endlich wirken die großen Vorbilder hinder lich: man ahmt Tolstoj oder Dickens nach und bildet sich cin, ein Original zu sein. So sieht Rod in den Leistungen des gegenwärtigen Romans selbst Bourget wird ange= fochten nur Geringwertiges. Die Rettung erwartet er von dem Dreigestirn Huysmans, Paul Hervieu, Maurice Barrès: sie sollen das Zeug zu einer Verjüngung" der Erzählungskunst haben; qui vivra verra. Mit der Lyrik aber geht es schon jetzt aufwärts: Führer sind Richepin und Bourget; auch Maurice Bouchor der Dichter der Aurore" und einzelne, Perlen" der Decadents kommen in Betracht. Doch der Eine, der Einzige, der Große, der die Geister und Seelen aufrüttelt durch eine hinreißende, eine epochale Dichtung: er ist und bleibt vorläufig der cavalier attendu.

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Da scheinen die nordischen Germanen bessere Litteraturzustände zu besißen oder wenigstens ein besseres Selbstgefühl. Dla Hansson, der Champion künstlerisch anempfindender Charakteristik, preist in „Nord und Süd" mit Riefenlettern drei neue Werke dreier Dichter an, die in sich „drei Schicksale" darstellen sollen. Der Eine ist der Verfasser des Poetenlebens in Norwegen", Arne Garborg, der Vielgeplagte, Vielgeheßte, der selbst ein robinsonartiges Poetenleben im Gebirge führen mußte. Der Andere ist Strindberg mit seiner Tschandala-Fortsetzung „An offener See" einem graublauen Gemälde, in dessen Mitte ein Nietzschescher Übermensch steht. Der dritte, Holger DrachDer dritte, Holger Drachmann. Sein folossalischer Roman Verschrieben", mit einer Heldin, die halb Tingeltangelfrauenzimmer, halb Mondscheinelfe ist, will Naturalismus und Romantik und Symbolismus vereinigen.

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Ungarn ist mit einer Litteraturäußerung vertreten: ein indifferentes Verslustspiel aus alten Zeiten, ,,der Komödiant" von Gregor Czisky - überseßt Julian Weiß in „Nord und Süd."

Einen modernblütigen alten Dichter des Morgenlandes, den arabischen Heine" führt August Wünsche, mehr ausführlich als geschickt schildernd, in derselben Zeitschrift vor. Abu Nuwâs, welcher im achten Jahrhundert in Bagdad lebte, dichtete, wie Heine, sarkastische und Liebeslieder. Frechheit und Sinnlichkeit sind seine Note". In naivem Semitismus richtete er seine rachsüchtigen Spottverse gegen jeden, der ihm eine Bitte in Geldangelegenheiten abschlug.. An Nietzsches Philosophie der Brutalität erinnert seine selbstverfaßte Grabschrift:

Es predigen die Gräber stumm,
Die Zeiten gehen schweigend um;

Du, dem geworden Wunsch und Erbe,

Leb' wie es Dir beliebt dann sterbe." Aber der Vergleich mit Heine scheint in einem Punkte zu hinken: Abu Nuwâs dichtete auch Sauflieder und Heine hat doch zum großen Schmerz des Herrn von Treitschke dergleichen nie fertig gebracht.

Um die deutsche Litteratur scheint man sich im Auslande nicht viel zu kümmern. Paul Heyse wird zwar in der Rivista critica von G. Nardelli enthusiastisch gelobt, aber nur für seine Überseßung italischer Poeten. Dagegen bieten die heimischen Zeitschriften der letzten Monate für die deutsche Litteratur eine Reihe geschichtlich wertvoller Veröffentlichungen.

Die Deutsche Rundschau" teilt eine Anzahl ungedruckter Briefe Wilhelm von Humboldts mit, welche auf die idealistischen Torheiten seiner Studienjahre ein bezeichnendes Licht werfen. Der Mittelpunkt, um den sich diese Briefe drehen fie find an Karoline von Wolzogen und seine spätere Frau gerichtet, ist ein Geheimbund zur Beförderung von Liebe und Humanität“, welchem der Einundzwanzigjährige angehört. Die Seele des Ganzen scheint Henriette Herz gewesen zu sein, über die Humboldt begeistert schreibt:

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Unbekannte Jugendbriefe Karl Augusts an Wieland veröffentlicht die Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte". Ein liebenswürdiges Entgegenkommen gegen den künftigen Erzieher und die Fähigkeit scharfen Charakterisirens spricht sich darin aus. Über Klopstock heißt es be= zeichnend: si j'ose le dire, il me semble qu'il sent un peu trop qu'il est Klopstock."

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Die Stellung Grillparzers zur französischen Litteratur, welche freundschaftlich, ja apologetisch war, kennzeichnet Rich. Mahrenholz in der Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur".

Wichtiger ist eine vergleichend-litterarhistorische Untersuchung, die R. von Payer in der „Österreichisch-Unga= rischen Revue" über die Quelle zu Grillparzers Traum ein Leben" anstellt: er weist nach, daß der Stoff dieses Schauspiels vom vierten bis zum neunzehnten Jahrhundert durch die Weltlitteratur gewandert ist, von der persischen Arta Vivâf-Legende zu einem Mahommet-Mythus, von da zu Voltaires,,le blanc et le noi", bis zu Klingers Varmacidenroman und Grillparzers Drama.

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Mit Heinrich Heines Erdentagen befaßt sich Professor Bernhard Seuffert in der Vierteljahrsschrift für Littera= turgeschichte." Er stellt in mühsamer Untersuchung fest, daß dem Liederzyklus Die Heimkehr“ zwei hohe" und zwei niedere“ Verhältnisse des Dichters zugrunde liegen; die eine der Gruppen bezieht sich auf Amalic Heine, die unglücklich angebetete Kousine, während zwei andere ihrer kleinen Schwester Therese gelten, Therese mit den blauen Veilchenaugen“.

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Neue Beiträge zur geschichtlichen Beurteilung modernster Schriftsteller liefert die Franzossche,Deutsche Dichtung", welche den Briefwechsel Gottfried Kellers mit F. Th. Vischer aus den Jahren 1872/73 mitteilt. Vischer hat in dem Verhältnis der beiden Männer den anregenden Protektor ge= spielt, Keller ist in jener Zeit noch von kleinlauter Bescheidenheit. So spricht er von seinen „Sieben Legenden“ als von einem Kümmerling"; er hofft, die Scharte dieser. lückenbüßerischen Legenden auszuweßen" und fürchtet sehr, man könne sie ihm als Kinderei" auslegen. Wie er im Leben auf Stoffe" überall aufmerkte, zeigt seine köstliche Mitteilung der "tragikomischen Geschichte" des Freiherrn von Auffäß, der in Straßburg bei einer vaterländischen Feier, zu der er eigens gereist war, für einen „auspfeifenden Franzosen" gehalten und von alten Patrioten geholzt" wurde. Keller empfindet über diesen Vorfall, der dem armen Freiherrn das Leben kostete, ein diebisches Behagen und fügt Hinzu, das sei eine ganz Jean Paulsche Schnurre".

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Otto Brahm flicht in einer Besprechung der Bettelheimschen Anzengruberbiographie in der Freien Bühne“ persönliche Erinnerungen an den Dichter ein, - seine Erlebnisse in der "Anzengrube" zu Wien, welche den Mann trefflich kennzeichnen. Mir selbst liegt ein charakteristischer Brief Anzengrubers vor, der aus der Autographensammlung einer liebenswürdigen Österreicherin, Fräulein Manci Bergwein zu Berlin, stammt. Anzengruber weist darin mit kühler Reserve die Bitte eines angesehenen Herausgebers um Rezenfirung eines Alfred Meißnerschen Werks zurück. „Mit Besprechung von Büchern", heißt es etwas von oben herab, gebe ich mich für gewöhnlich garnicht ab". Daß ihm das Produziren nicht leicht von der Hand ging, zeigt das Bekenntnis, er vermöge nicht vom 9. Dezember 1882 bis zum 17. irgend etwas niederzuschreiben“. „Ich arbeite keineswegs rasch"...

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Aus dem Archiv für Geschichte der Philosophie“ von Ludwig Stein ist eine Studie Diltheys über Carlyle

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