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als Materiales bediente, so verstand man unter dieser die Dichtkunst. Man wird sehen, warum ich dies für unrichtig halte. Es klingt wunderlich, wenn versichert wird, es sei bis jetzt eine Kunst, welche doch jeder in ihren Hervorbringungen kennt, übersehen worden, wenn also eine solche Kunst gewissermaassen jetzt entdeckt wird; aber es ist andererseits nicht schwer zu bemerken, woher es kommen konnte, dass die Aesthetik über diese Kunst hinwegsah, deren Abgränzung die schwierigste ist und deren Werke nicht bedeutend auffallen, weil sie mehr der flüchtig vorüberrauschenden lebendigen Rede angehören, als der Literatur.

Man sah in der Sprache die Kunst nicht, weil Sprache sich zugleich immer als Bedürfniss zeigt, und weil sie dem Auge zu nahe lag, um in ihrem wahren Wesen angeschaut werden zu können. Man wagte nicht, sich in der wunderlichen Lage zu glauben, dass man unwissentlich unaufhörlich eine Kunst übe, etwa wie M. Jourdain in Molière's: le bourgeois gentilhomme (A. II, Sc. 4): „Par ma foi, il y a plus de quarante ans que je dis de la prose, sans que j'en sçeusse rien." Was man aber doch als Kind in den Hervorbringungen der Sprache erkannte, das sonderte man von den verwandten Künsten und Techniken wegen einer Unklarheit nicht, wie sie z. B. ihren Ausdruck fand in der Aufstellung jener „, schönen Redekünste ", über welche sich schon Göthe (Gr. A. Bd. IV, p. 261) ärgert, „denn herkömmliche Ausdrücke, woran niemand mehr Arges hat, verüben doch einen schädlichen Einfluss, verdüstern Ansichten, entstellen den Begriff und geben ganzen Fächern eine falsche Richtung."

Man wird finden, dass durch die Einführung des Begriffs der Kunst eine bisher vermisste Ordnung und Bestimmtheit in die Theorie von der Sprache und von den sogenannten redenden Künsten gebracht wird, eine Ordnung nicht bloss äusserlicher Art, so dass wir etwa nur Namen und Rubriken änderten, sondern so, wie sie aus Klarheit der Grundanschauung und aus befriedigender Einsicht in das Einzelne hervorgeht. -

Wir haben dabei mit Sorgfalt die Traditionen verfolgt, und man wird sich vielleicht wundern, dass wir auch bei vielfach schwachen und dürftigen Figuren- und Tropensammlern, Rhetoren cet. uns aufhalten. Zunächst ist darüber zu bemerken, dass im Ganzen doch viel mehr Genauigkeit, Scharfsinn, Liebe in der Betrachtung der Sprache von jenen Alten bewiesen wird, als man nach den geringschätzigen Reden mancher Neueren erwarten sollte. Ferner aber ist zu bedenken, dass nur ein möglichst genauer Anschluss an die alte Ueberlieferung uns vor völliger Verwirrung in diesen Dingen bewahren kann. Achtung vor den Alten, grössere Genauigkeit und Vorsicht würden manche neuere Lehrbücher, in welchen diese Dinge behandelt werden, vor Verkehrtheiten und Missverständnissen bewahrt haben, und obwohl die Terminologie der Alten an Unbestimmtheit, Ueberfülle, Schwanken u. dgl. leidet, wird doch kein neueres Volk sie durch eigen Erdachtes ersetzen können. Die Rhetorik, wie die Logik, Metaphysik, Medizin u. A. ist nicht von uns erfunden, und die Continuität der Tradition kann für ihre Termini nicht aufgegeben werden. Dass eine Menge des Ueberlieferten in Wegfall kommen kann, dass Anderes genauer zu bestimmen ist, versteht sich von selbst - aber auch das wird erwünscht sein, dass sich hier in genügender Vollständigkeit bei einander findet, was festzuhalten und was aufzugeben räthlich erscheint.

In welchem Sinne wir übrigens die Sprache dem Begriff der Kunst einordnen, wird aus dem Werke selbst zu entnehmen sein. Vom Aberglauben an die Kraft von Titeln, Rubriken, wissenschaftlichen Kunstausdrücken wissen wir uns frei. Das Wort „Kunst" ist, eben als Wort, lediglich ein Bild, und wir wissen, dass es vergebliche Mühe wäre, mit Bildern Kunstmitteln schärfer bestimmen und abgränzen zu wollen, als es eben möglich ist. Wir sagen nur etwa Dies, dass es für die Erkenntniss sowohl des Wesens wie der Formen der Sprache von, wie uns scheint, entscheidender Wichtigkeit ist, wenn wir ihren Begriff in die Sphäre

des Sprachbildes „Kunst hineinsetzen, in dem Sinne, dass Kunst vor Allem ein freies Können bezeichnet, wie réxn auf dem Tixta beruht, ars ein dprúav ist, von dem Cicero treffend sagt (de nat. Deor. II, 22): „artis maxime proprium est creare et gignere; wir verzichten aber, durch diese Einordnung eine Bestimmtheit zu erreichen, welche das System zwar abrundet, der Natur der Dinge aber Gewalt anthut.

Der Verfasser muss befürchten, dass die Entwickelung desselben Gedankens bei seiner Anwendung auf verschiedene Fälle öfter, wenn auch in anderer Form, wiederkehrt, als es nöthig ist. Es liegt dies daran, dass seine amtliche Thätigkeit ein stätiges Arbeiten nicht erlaubte, so dass Spuren des öfteren Wieder-Anfangens und Sich-Hineindenkens entstehen mussten. Vielleicht ist indess bei der ersten consequenten Entwickelung einer neuen Auffassung, und da auch der Leser nach der Natur des Abgehandelten mehr nach Abschnitten sich mit der Sache beschäftigen wird, als mit der Darstellung des ganzen Gebietes, der angegebene Uebelstand nicht ohne Nutzen.

Den zweiten Band, welcher das Werk abschliesst, hofft der Verfasser in Jahresfrist vorlegen zu können; es wird demselben ein vollständiger Index terminorum beigegeben werden.

Bromberg, den 18. März 1871.

G. G.

Inhaltsangabe.

A. Allgemeiner Theil.

I. Das System der Künste. 1) Vom Wesen der Kunst. p. 1-10. - 2) Von der Betheiligung der Menschen an der Kunst. p. 10-15. 3) Vom Ursprung des Kunstwerkes. p. 15-20. 4) Von dem System der Künste.

p. 20-42.

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II. Von der Sprachkunst im Besonderen.

1) Die Aufstellung der

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3) Poesie und

Sprachkunst als einer besonderen Kunstgattung. p. 43–46. 2) Prosa und Poesie; die Prosa der Sprachkunst. p. 46-53. Sprachkunst. p. 53-74. 4) Die Sprachkunst und die Redekunst. p. 74 -79. 5) Ueber die Anerkennung der Sprachkunst als einer besonderen Kunstgattung bei früheren Forschern. p. 79—97. — 6) die Gliederung der Sprachkunst; die Sprache als Kunst; die Sprachkunst in ihrer Selbstständigkeit; die Sprachkunst im Dienste der Sprache. p. 97-113. 7) Andeutungen über die Geschichte der Sprachkunst. p. 114–122.

B. Besonderer Theil.

Abschnitt I. Die Sprache als Kunst.

I. Vom Ursprung und vom Wesen der Sprache. p. 123-135.

II. Entstehung der Sprache durch die Wechselwirkung des Lautvermögens mit dem Geiste des Menschen, der hierdurch zu seiner Entwickelung gelangt. p. 135-150.

III. Die natürlichen Vorstufen der Sprache bis zur Schaffung der Sprach-Wurzel, d. h. bis zum Hervortreten der Kunst der Sprache. p. 150 173. IV. Die Sprachwurzel als Werk naiver Kunst. Ihr Wesen im Gegensatz zu den Naturlauten, ihre Gestalt, ihr Lautmaterial; ihre Fähigkeit, der Mittheilung zu dienen. Die Symbolik der Laute. p. 173-229.

V. Bedeutung der Wurzel als Satz und Bild.

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Die Bedeutung der Wurzel ist am nächsten der Form des unpersönlichen Verbums zu denken. Das Auseinandertreten der Wurzel zum Wörtergeflecht ist zugleich Sondern und Verbinden. Erzeugung der Wörterklassen und der Beziehungsausdrücke, und wahrscheinliche Reihenfolge in der Bildung dieser Formationen nach Steinthal und Curtius. Fortschritt in der Entwickelung der Seelenthätigkeit zum Urtheilen und zur Begriffsbildung durch die Formirung des Satzes. Der Satz als entfaltetes Bild im Unterschiede vom Urtheil.

des abstrakten Denkens; Bezeichnung des Unsinnlichen.

Die Sprache

Die Bedeutung

der Worte ist weder individuell, noch allgemein, sondern bildlich. p. 229 - 252.

VI. Verhältniss der Sprache zu der menschlichen Entwickelung überhaupt. — Die Sprache als Mittel. — In welchem Sinne die Sprache unser Eigenthum ist. - Das Denken und das Sprechen. Die Die sogenannte innere Sprachform. Sprache des Bedürfnisses, die Sprache der Mittheilung, die Sprache der Prosa, die Sprache der Poesie in Bezug darauf, wiefern sie Sprache als Mittel verwenden. Die Sprache an sich ist Verwirklichung des menschlichen Erkennens durch fortgesetzte Kunstschöpfungen; als Bild des Menschen vereinigt sie in sich sinnliche und geistige Natur, stellt nur eben dieses Mittlere dar, und hat hieran ihre Gränze. Sprache bezeichnet ungenügend das Sinnliche, wie das abstrakt Geistige. Untersuchung, wie der Kunstcharakter der Sprache die gesammte Entwickelung des Menschengeistes, namentlich in der Wissenschaft, bedingt. logie der Entwickelung von Schrift und Sprache. p. 252-313. VII. Wiefern Lexicon und Grammatik als Darstellung der Technik der Sprachkunst zu betrachten sind. Die Verwirklichung der Sprachkunst, bedingt

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Anhang: Ana

durch die Natur, d. h. von der Verschiedenheit der Sprachen. Die Entwickelung der Sprachkunst, bedingt durch die Geschichte der Sprache. Die Entfaltung der Sprache, bedingt durch den usus. p. 313

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VIII. A. Das Wort, betrachtet nach seiner Bedeutung und deren Wandel; d. h. von den Tropen. Möglichkeit einer Bedeutungslehre; der Wandel der Bedeutung; alle Wörter sind von Anfang an Tropen; die Tropen als ästhetische Figuren; die sogenannte eigentliche Bedeutung der Wörter; die Synekdoche in der Sprache; die Metapher bei dem Nomen, in der Bezeichnung des Geschlechts, bei den Formwörtern; die Metonymie im Gebiete des Unsinnlichen; die Katachrese. p. 332–391.

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B. Das Wort, betrachtet nach seinem Lautkörper; von den grammatischen Figuren phonetischer Art. Die Kunsttechnik der Sprache vom Standpunkt der vergleichenden Sprachwissenschaft, der historischen Grammatik, vom Standpunkt eines als feststehend angenommenen usus aus.

Die grammatischen Figuren; vitium und virtus orationis; Euphonie und Kakophonie; Hiatus, Gleichklänge, Mundarten, Idiotismus, Fremdwörter, Lehnwörter, Archaismen und Neologismen; Terminologie und Betrachtung der etymologisch-grammatischen Figuren. p. 391-460.

C. Das Wort, betrachtet in seinen Beziehungen; von den syntaktisch-grammatischen Figuren Analogie der Sprachformationen in der Etymologie und Syntax; Begriff und Terminologie der syntaktischen Figuren; Pleonasmus, Ellipse, Enallage mit ihren Unterarten p. 460–596.

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