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serer Congruenz mit der Natur erweist, welche unser Ideal als in den Bedingungen mit einbegriffen zeigt, unter welchen die Natur steht. Göthe spricht über diese Incongruenz der Natur gegen Sulzer (Gr. Ausg. Th. 26 p. 17), und sagt u. A. Was wir von Natur sehen, ist Kraft, die Kraft verschlingt; nichts gegenwärtig, alles vorübergehend; tausend Keime zertreten, jeden Augenblick tausend geboren, gross und bedeutend, mannigfaltig ins Unendliche; schön und hässlich, gut und bös, Alles mit gleichem Rechte neben einander existirend. Und die Kunst ist gerade das Widerspiel; sie entspringt aus den Bemühungen des Individuums, sich gegen die zerstörende Kraft des Ganzen zu erhalten."

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In dem Gefühl der Incongruenz unseres durch Naturnothwendigkeit bestimmten Seins und der Freiheit des Ich liegt ebensowohl der Keim des Stolzes auf unsere Menschenwürde, der zu Thaten treibt und die Natur sich zu unterwerfen strebt, wie das Leiden der Seele, welches sehnsüchtig nach Mitgefühl, Ruhe, Versöhnung trachtet; jener Stolz betont das Ich, dieses Leiden bekennt unsern Zusammenhang mit der Natur, unsere Trennung von einer Mutter. Theoretisch bethätigt sich jener Stolz in der Philosophie, praktisch in der Ethik und Politik; theoretisch bethätigt sich dieses Leiden in der Religion, praktisch in der Kunst, und der Cultus der Religion wird daher leicht zur Kunst selbst.

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Dieses Leiden ist also kein vorübergehendes, es ist mit dem Ich zugleich gegeben, dessen Wahlspruch Hobbes' Wort ist: exeundum e statu naturae" und steigert sich darum mit dem fortschreitenden Bewusstsein. Die Cultur, das Reich des Ich, wird zuletzt bedroht durch den Angstschrei des vereinsamten Herzens: Retournons à la nature! Wir sehen alsdann in der unvernünftigen Natur nur eine glücklichere Schwester, die in dem mütterlichen Hause zurückblieb, aus welchem wir im Uebermuth unserer Freiheit heraus in die Fremde stürmten: Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Cultur zu erfahren, und hören im fernen Auslande der Kunst der Mutter rührende Stimme." (Schiller: Ueber naive und sent. Dichtung. Gr. Ausg. Th. 10 p. 295.)

Es könnte im Hinblick auf jene Entgegensetzung, welche Schiller (Ueber naive und sentimentalische Dichtung.) zwischen naiver und sentimentalischer Dichtkunst macht, uns scheinen, als

hätte unsere Auffassung nur die letztere, d. h. also die moderne, im Auge, denn nach Schiller geniesst in jener die glückliche Menschheit die Natur als eine Wirklichkeit, welche ist, und strebt nur in dieser nach einem Ideal, welches sein sollte. Schiller übersieht indess, dass eben in dem Reiz des Schaffens der Schmerz schon sich kund giebt und von ihm aus sich immer schärfer zuspitzt, aufsteigend von Nichtbefriedigung bis zur Qual, und der von ihm entwickelte, im Uebrigen wohl begründete, Unterschied zwischen antiker und moderner Kunst ist ein gradueller, kein absoluter. Auf Göthe z. B., dessen Schöpfungen Schiller selbst in der Abhandlung als naive bezeichnet, welcher sich das Bedrückende von der Seele herunterschrieb, würde die Unterscheidung nur sehr bedingt anzuwenden sein, und es dürfte genügen, jene naive Dichtkunst als eine solche zu denken, in welcher der Anstoss zur Kunstschöpfung überwiegend von der Natur ausgeht, die sentimentalische als diejenige, welche vom Subjekt aus beginnt. Ein Sein bringt es jedoch nie ohne Entsprechen des andern Faktors zum wirklichen Schaffen. Es ist ferner selbstverständlich, dass, da die Kunst eben aus jenem Schmerze hervorgeht, sie (für jeden betreffenden Daseinsmoment) auch dessen Heilung ist, so dass er in ihr sich auflöst oder vielmehr zu Grunde geht. Die kunsterfüllte, kunstbegeisterte Seele weiss daher auch nichts mehr von ihrem Schmerz, wenn sie sich nicht besinnt, sondern sie freut sich jenes erhöhten Lebens als eines sich von selbst vorstellenden; freilich ist uns Menschen solches Leben nur zeitweilig vergönnt, und nur zeitweilig auch ist es berechtigt.

Dass aber jener Schmerz der Gattung in uns, welcher seine Heilung in der Kunst findet, erst später in das Bewusstsein tritt, sowohl bei den Individuen als im Leben der Völker, hat darin seinen Grund, dass er feiner ist, weil geistiger Art. Er wird desshalb nicht gefühlt, oder tritt doch auf so lange zurück, bis der erste Tumult unseres Naturdaseins sich gelegt hat, bis das Individuum als solches sein sinnliches Bestehen der Aussenwelt gegenüber gesichert hat. So lange noch der Kampf um die Existenz selbst geführt wird, so lange noch das rohere Bedürfniss unmittelbar uns zur Unterwerfung unter die Natur zwingt, so lange also der Mensch sich noch nicht loszulösen vermag von ihr, nur ihre Stimme hört und beachten muss, SO

lange also die Entzweiung nicht eingetreten ist und von dem Bewusstsein erfasst wurde, so lange bedarf er keiner Kunst und hat desshalb keine. In diesem Sinne gilt, was Schopenhauer sagt (Welt als Wille und Vorstellung Th. 2 p. 466): „Die Mutter der nützlichen Künste ist die Noth; die der schönen der Ueberfluss. Zum Vater haben jene den Verstand, diese das Genie, welches selbst eine Art Ueberfluss ist, nämlich der der Erkenntnisskraft über das zum Dienste des Willens erforderliche Maass."

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Es verhält sich ebenso mit jeder anderen Bethätigung der Freiheit des Menschen; die äusseren Voraussetzungen für das Entstehen von Wissenschaft, Gesetz, Religion, Kunst sind im Ganzen und Grossen dieselben, und darum ist für sie das Weib, wesentlich die Naturseite des Geschlechts darstellend und festhaltend es fehlt ihm eben die Entzweiung in ihrer Tiefe weniger angeregt und befähigt. Wie sehr verschwinden übrigens, von hier aus angesehen, die Ungleichheiten im Schicksal der Menschen! Ohne Tiefe der Entzweiung kein Denker, kein Künstler; erst der zerreissende Seelenschmerz fasst die Wahrheit, fasst den Glauben und kennt sie; ohne Hölle kein Himmel der Seeligkeit; schlafen die Sorgen des täglichen Brodes, so erwachen um so lebendiger die Kämpfe der Seele, wer ein Mittelmaass von selbst sich bewahrt, wen nie der Menschheit ganzer Jammer erfasst, weil seine Natur es ihm so verstattet, der ist doch auch in seinem Glücke immer nur mittelmässig.

Damit die Seele sich ausspreche, muss sie sich mit einem Leibe bekleiden, einem Stoffe, und diesen entnimmt sie der Natur. Sie schafft sich so eine von ihr belebte, vermenschlichte Welt, welche ihre Gleichgültigkeit und Fremdheit abgelegt hat und mit ihr sympathisirt. Schon unser Weinen, Klagen, Aussprechen erleichtert uns, und doch ist es nur der menschliche Laut, welcher durch das Medium der Luft an uns anklingt und wie ein Zeichen des Mitgefühls der Natur uns unserer Einsamkeit entreisst. Göthe entlastete seine Seele, wie er sagt, indem er, was ihn erfreute oder quälte, oder sonst beschäftigte, in ein Bild, ein Gedicht umwandelte“, d. h. indem er es dem Ich entriss und seiner KunstWelt übergab, und es ist hierbei in der That Dasselbe, ob die Seele, welche zur Darstellung sich gedrungen fühlt, ihre Anregung von freudigen oder von schmerzlichen Empfindungen em

pfängt, denn auch die Freude schmerzt, wenn sie einsam bleibt, kein Echo findet im All. Andere Arten der Praxis, Heilmittel gegen Leiden anderer Art, Leiden nämlich des Individuums als solchen, gehen nicht direkt auf diese Befreiung des Ich; sie zerstreuen allerdings, lenken die Empfindung ab, aber nur mittelbar, sofern sie eben Thätigkeiten sind, denn unmittelbar verfolgen sie eben andere Zwecke; die Kunst aber will allein diese Darstellung des Seelenmoments, und ihr fügt sich der Stoff nicht nur, sondern er scheint diese Darstellung selber zu suchen und herauszufordern. Und jeder Stoff, welchen die Seele in dem Gefühl, mit dem Vertrauen ergreift, dass die Natur ihr sich conform verhalte, leistet, was er verspricht. Doppelt also erfolgt der Reiz zum Kunstwerk, er regt sich in der Seele des Menschen, sobald sie sich frei fühlt, er ruht gebunden und schweigend, aber nur harrend, dass ihm der menschliche Mund geliehen werde, um sich zu äussern, in der Materie und in den Metamorphosen der Natur. Und hier

ist es nun, wo das Genie, der schöpferische Mensch, die Interpretation übernehmen muss. Denn nicht jedes Auge sieht, nicht jedes Ohr hört, nicht jedem Sinne enthüllt sich von selbst, was die Natur freigebig dem Genius offenbart; nur den Sonntagskindern der Kunst ist es vergönnt, den Menschengeist sogleich auch wiederzufinden in dem bewusstlosen Regen und Weben der Schöpfung, den anderen giebt die Natur nur zufällig, bei einem Zusammentreffen vieler glücklicher Momente, in der Seele sowohl, wie in der äusseren Welt, das uns Entsprechende, unsere Natur Bejahende zu sehn, zu hören, zu fühlen. Die KunstWelt aber, zu welcher der Genius den Menschen den Eingang erschliesst, tilgt das Zufällige in dieser vermenschlichten Natur, und so ist sie uns wirklich die Welt geworden, welche die wirkliche nur ahnen lässt. An solche Welt glaubt der Mensch in der Religion wie in der Kunst; Gott wird in beiden Sphären zum Menschen, die Welt gilt nur als Mittel ihn zu offenbaren.

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Man kann sich also vorstellen, die Natur reize zur Nachahmung, nnd so entstehe die Kunst; man kann aber ebensowohl sagen, dass ein Kunsttrieb der Seele inwohne, welcher sie nöthige, zu schaffen; in der That ist es das Zusammentreffen beider Bewegungen, welches die Kunst hervorbringt. Natur und Mensch sind mit und für einander geschaffen, und darum trifft

das Sehnen im Menschen auf jene Andeutungen seiner Befriedigung in der Natur. Wollen wir hier vorgreifend nach dem Gesagten die Reihe der Künste ordnen, so scheint, als ob bei der Baukunst, Bildkunst, Malerei, welche wir oben (p. 9) als Künste des Gesichts bezeichneten, die Anregung vorwiegend von aussen erfolgt, bei den Künsten des Gehörs dagegen: Musik, Sprachkunst, Poesie vorwiegend von innen.

4. Von dem System der Künste.

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Wenn, wie wir ausführten, der Mensch in der Kunst sich selbst darstellt und nur sich, so werden auch die verschiedenen Formen, in welche Kunst sich auseinanderlegt, durch psychologische Untersuchung sich ergeben. Andrerseits stellt sich die Kunst in Wirklichkeit doch eben nur in diesen verschiedenen Formen dar es giebt ja keine Kunst als solche und da deren Verschiedenheit sichtlich auf dem Material beruht, welches die Seele ergreift, um sich ihm einzubilden, so würde ebensowohl aus einer Gruppirung des Materials eine brauchbare Uebersicht und Rubrizirung der Kunstformen zu gewinnen sein. Aber beide Eintheilungen würden nur die eine der beiden Seiten berücksichtigen, um die es sich handelt, denn die menschliche Seele bewegt sich nicht unabhängig von den Reizen der Aussenwelt, und ebenso zeigt uns die Welt im Gebiete der Kunst ihren Stoff als einen solchen, wie er der Menschenseele conform ist. Es ist ja z. B. die architektonische Seele, wenn wir uns so ausdrücken wollen, keineswegs auch eine malerische oder musikalische oder dichterische, und die Verschiedenheit der Künste beruht also nicht nur auf dem Aussen oder dem Innen, sondern auf beiden vereinigt. Das Charakteristische, Unterscheidende der einzelnen Künste wird daher nur dann richtig verstanden werden, wenn es zwar im Menschen selbst aufgesucht wird, aber nicht in dem abstrakten, begrifflichen Menschen, sondern in dem wirklichen, welcher als Naturwesen und in der Wechselwirkung mit der Natur lebendig ist, die sowohl in ihm wie ausser ihm ihn trägt und umfasst. Nennen wir also jene endlose Menge von inneren und äusseren Faktoren, welche helfend und hindernd sein Naturdasein bedingen, das Sinnliche, Leibliche, und bezeichnen wir Jenes, was

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