Billeder på siden
PDF
ePub

une nicht einen Augenblick an der einmal gefaßten Zuversicht irre zu machen.

Diese aus Glauben und Schauen entsprungene Ueberzeugung, welche in allen Fållen, die wir für die wichtigsten erkennen, anwendbar und stårkend ist, liegt zum Grunde meinem sittlichen sowohl als literarischen Lebensbau, und ist als ein wohl angelegtes und reichlich wucherndes Capital anzusehn, ob wir gleich in einzelnen Fållen zu fehlerhafter Anwendung verleitet werden können. Durch diesen Begriff ward mir denn die Bibel erst recht zugänglich. Ich hatte sie, wie bei dem Religionsunterricht der Protestanten geschieht, mehrmals durchlaufen, ja mich mit derselben sprungweise, von vorn nach hinten und umgekehrt, bekannt gemacht. Die derbe Naturlichkeit des Alten Testaments und die zarte Naivetåt des Neuen hatte mich im Einzelnen angezogen; als ein Ganzes wollte sie mir zwar niemals recht entgegentreten, aber die verschiedenen Charakter der verschiedenen Bücher machten mich nun nicht mehr irre; ich wußte mir ihre Bedeutung der Reihe nach treulich zu vergegenwärtigen und hatte überhaupt zu viel Gemüth an dieses Buch verwandt, als daß ich es jemals wieder håtte entbehren sollen. Eben von dieser gemüthlichen Seite war ich gegen alle Spötte= reyen geschüßt, weil ich deren Unredlichkeit sogleich einsah. Ich verabscheute sie nicht nur, sondern ich konnte darüber in Wuth gerathen, und ich erinnere mich noch ge= nau, daß ich in kindlich fanatischem Eifer Voltairen, wenn

ich ihn håtte habhaft werden können, wegen seines Sauls gar wohl erdrosselt hätte. Jede Art von redlicher Forschung dagegen sagte mir höchlich zu, die Aufklärungen über des Orients Localität und Costům, welche immer mehr Licht verbreiteten, nahm ich mit Freuden auf, und fuhr fort, allen meinen Scharfsinn an den so werthen Ueberlieferungen zu üben.

Man weiß, wie ich schon früher mich in den Zustand der Urwelt, die uns das erste Buch Mosis schildert, einzuweihen suchte. Weil ich nun schrittweise und ordentlich zu verfahren dachte, so griff ich, nach einer langen Unterbrechung, das zweyte Buch an. Allein welch ein Unterschied! Gerade wie die kindliche Fülle aus meinem Leben verschwunden war, so fand ich auch das zweyte Buch von dem ersten durch eine ungeheure Kluft ge= trennt. Das völlige Vergessen vergangener Zeit spricht sich schon aus in den wenigen bedeutenden Worten: „Da kam ein neuer König auf in Aegypten, der wußte nichts von Joseph." Aber auch das Volk, wie die Sterne des Himmels unzåhlbar, håtte beinah den Ahnherrn ver: gessen, dem Jehovah gerade dieses nunmehr erfüllte Versprechen unter dem Sternenhimmel gethan hatte. Ich arbeitete mich mit unsåglicher Mühe, mit unzulånglichen Hülfsmitteln und Kräften durch die fünf Bücher und gerieth dabei auf die wunderlichsten Einfälle. Ich glaubte gefunden zu haben, daß nicht unsere Zehn-Gebote auf den Tafeln gestanden, daß die Israeliten keine

vierzig Jahre, sondern nur kurze Zeit durch die Wüste gewandert, und eben so bildete ich mir ein,' über den Charakter Mosis ganz neue Aufschlüsse geben zu können.

Auch das neue Testament war vor meinen Untersu= chungen nicht sicher; ich verschonte es nicht mit meiner Sonderungsluft, aber aus Liebe und Neigung stimmte ich doch in jenes heilsame Wort mit ein: „Die Evange= listen mögen sich widersprechen, wenn sich nur das Evangelium nicht widerspricht." Auch in dieser Region glaubte ich allerhand Entdeckungen zu machen. Jene Gabe der Sprachen, am Pfingstfeste in Glanz und Klarheit ertheilt, deutete ich mir auf eine etwas abstruse Weise, nicht geeignet sich viele Theilnehmer zu verschaffen.

[ocr errors]

In eine der Hauptlehren des Lutherthums, welche die Brüdergemeine noch geschårft hatte, das Sündhafte im Menschen als vorwaltend anzusehn, versuchte ich mich zu schicken, obgleich nicht mit sonderlichem Glück. Doch hatte ich mir die Terminologie dieser Lehre so ziem= lich zu eigen gemacht, und bediente mich derselben in einem Briefe, den ich unter der Maske eines Landgeistlichen an einen neuen Amtsbruder zu erlassen beliebte. Das Hauptthema desselbigen Schreibens war jedoch die Loosung der damaligen Zeit, sie hieß Toleranz, und galt unter den besseren Köpfen und Geistern.

Solche Dinge, die nach und nach entstanden, ließ ich, um mich an dem Publicum zu versuchen, im folgen

den Jahre auf meine Kosten drucken, verschenkte sie, oder gab sie der Eichenbergischen Buchhandlung, um sie so gut als möglich zu verhöcken, ohne daß mir dadurch einiger Vortheil zugewachsen wäre. Hier und da ge= denkt eine Recension derselben, bald günstig, bald ungünstig, doch gleich waren sie verschollen. Mein Vater bewahrte sie sorgfältig in seinem Archiv, sonst würde ich kein Exemplar davon besitzen. Ich werde sie, so wie einiges Ungedruckte der Art, was ich noch vorgefunden, der neuen Ausgabe meiner Werke hinzufügen.

Da ich mich nun sowohl zu dem Sibyllinischen Styl solcher Blåtter als zu der Herausgabe derselben eigent lich durch Haman hatte verleiten lassen, so scheint mir hier eine schickliche Stelle, dieses würdigen einflußreichen Mannes zu gedenken, der uns damals ein eben so gro= ßes Geheimniß war, als er es immer dem Vaterlande geblieben ist. Seine Sokratischen Denkwürdigkeiten erregten Aufsehen, und waren solchen Personen besonders lieb, die sich mit dem blendenden Zeitgeiste nicht vertragen konnten. Man ahnete hier einen tiefdenkenden gründlichen Mann, der, mit der offenbaren Welt und Literatur genau bekannt, doch auch noch etwas Geheimes, Unerforschliches gelten ließ, und sich darüber auf eine ganz eigne Weise aussprach. Von denen, die damals die Literatur des Tags beherrschten, ward er freilich für einen abstrusen Schwärmer gehalten, eine aufstrebende Jugend aber ließ sich wohl von ihm anziehn.

Sogar die Stillen im Lande, wie sie halb im Scherz, halb im Ernst genannt wurden, jene frommen Seelen, welche, ohne sich zu irgend einer Gesellschaft zu bekennen, eine unsichtbare Kirche bildeten, wendeten ihm ihre Aufmerksamkeit zu, und meiner Klettenberg, nicht we niger ihrem Freunde Moser, war der Magus aus Norden eine willkommene Erscheinung. Man setzte sich um so mehr mit ihm in Verhältniß, als man erfahren hatte, daß er von knappen häuslichen Umständen gepeinigt, sich dennoch diese schöne und hohe Sinnesweise zu erhalten verstand. Bei dem großen Einflusse des Pråsidenten von Moser wåre es leicht gewesen, einem so genügsamen Manne ein leidliches und bequemes Daseyn zu verschaffen. Die Sache war auch eingeleitet, ja man hatte sich so weit schon verståndigt und genåhert, daß Haman die weite Reise von Königsberg nach Darmstadt unternahm. Als aber der Präsident zufällig abwesend war, kehrte jener wunderliche Mann, aus welchem Anlaß weiß man nicht, sogleich wieder zurück; man blieb jedoch in einem freundlichen Briefverhältniß. Ich besize noch zwey Schreiben des Königsbergers an seinen Göne ner, die von der wundersamen Großheit und Innigkeit ihres Verfassers Zeugniß ablegen.

Aber ein so gutes Verständniß sollte nicht lange dauern. Diese frommen Menschen hatten sich jenen auch nach ihrer Weise fromm gedacht, sie hatten ihn als den Magus von Norden mit Ehrfurcht behandelt, und

« ForrigeFortsæt »