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um meine unschuldige Darstellungslust, welche aus der Freude an dem Vorbild und dem Nachgebildeten entspringe.

Uebrigens håtte ihm sein literarischer Dilettantismus eher Nußen als Schaden gebracht, wenn er nichtden unwiderstehlichen Trieb gefühlt hätte, auch im technischen und merkantilischen Fach aufzutreten. Denn wenn er einmal seine Fähigkeiten zu verwünschen anfing, und außer sich war, die Ansprüche an ein ausübendes Talent nicht genialisch genug befriedigen zu können, so ließ er bald die bildende, bald die Dichtkunst fahren und sann auf fabrikmåßige kaufmånnische Unternehmungen, welche Geld einbringen sollten, indem sie ihm Spaß machten.

In Darmstadt befand sich übrigens eine Gesellschaft von sehr gebildeten Männern. Geheimerath von Heß, Minister des Landgrafen, Professor Petersen, Rector Wenk und andere waren die Einheimischen, zu deren Werth sich manche fremde Benachbarte und viele Durchreisende abwechselnd gesellten. Die Geheimeråthin von Heß und ihre Schwester, Demoiselle Flachsland, waren Frauenzimmer von seltenen Verdiensten und Anlagen, die lettere, Herder's Braut, doppelt interessant durch ihre Eigenschaften und ihre Neigung zu einem so vortrefflichen Manne.

Wie sehr dieser Kreis mich belebte und förderte, wäre nicht auszusprechen. Man hörte gern die Vorle

Goeth's Werke. XXVI. Br.

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fung meiner gefertigten oder angefangenen Arbeiten, man munterte mich auf, wenn ich offen und umständlich er= zählte, was ich eben vorhatte, und schalt mich, wenn ich bei jedem neuen Anlaß das Früherbegonnene zurücksetzte. Faust war schon vorgeruckt, Göß von Berlichingen baute sich nach und nach in meinem Geiste zusammen, das Studium des funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts beschäftigte mich, und jenes Münstergebäude hatte einen sehr ernsten Eindruck in mir zurückgelassen, der als Hintergrund zu solchen Dichtungen gar wohl dastehn konnte.

Was ich über jene Baukunft gedacht und gewähnt hatte, schrieb ich zusammen. Das Erste worauf ich drang war, daß man sie Deutsch und nicht Gothisch nennen, nicht für ausländisch, sondern für vaterländisch halten solle; das Zweyte, daß man sie nicht mit der Baukunst der Griechen und Römer vergleichen dürfe, weil sie aus einem ganz andern Princip entsprungen sey. Wenn jene, unter einem glücklicheren Himmel, ihr Dach auf Säulen ruhen ließen, so entstand ja schon an und für sich eine durchbrochene Wand. Wir aber, die wir uns durchaus gegen die Witterung schützen, und mit Mauern überall umgeben müssen, haben den Genius zu verehren, der Mittel fand, massiven Wänden Mannigfakigkeit zu geben, sie dem Scheine nach zu durchbrechen und das Auge würdig und erfreulich auf der großen Fläche zu beschäftigen. Dasselbe galt von den Thürmen, welche nicht, wie die Kuppeln, nach innen einen Himmel bil

den, sondern außen gen Himmel streben, und das Dafeyn des Heiligthums, das sich an ihre Base gelagert, weit umher den Låndern verkünden sollten. Das Innere dieser würdigen Gebäude wage ich nur durch poetisches Anschauen und durch fromme Stimmung zu berühren.

Håtte ich diese Ansichten, denen ich ihren Werth nicht absprechen will, klar und deutlich, in vernehmlichem Styl abzufassen beliebt, so håtte der Druckbogen von Deutscher Baukunst D. M. Erwini a Steinbach schon damals, als ich ihn herausgab, mehr Wirkung gethan und die vaterländischen Freunde der Kunst früher aufmerksam gemacht; so aber verhüllte ich, durch Hamans und Herders Beispiel verführt, diese ganz einfachen Gedanken und Betrachtungen in eine Staubwolke von selt= famen Worten und Phrasen, und verfinsterte das Licht das mir aufgegangen war, für mich und andere. Def= sen ungeachtet wurden diese Blåtter gut aufgenommen und in dem Herderschen Heft von Deutscher Art und Kunst nochmals abgedruckt.

Wenn ich mich nun, theils aus Neigung, theils zu dichterischen und anderen Zwecken, mit vaterländischen Alterthümern sehr gern beschäftigte und sie mir zu verge genwärtigen suchte, so ward ich durch die biblischen Studien und durch religidse Anklånge von Zeit zu Zeit wieder abgelenkt, da ja Luther's Leben und Thaten, die in dem sechzehnten Jahrhundert so herrlich hervorglänzen, mich immer wieder zu den heiligen Schriften und zu Betrach=

tung religiöser Gefühle und Meinungen hinleiten mußten. Die Bibel als ein zusammengetragenes, nach und nach entstandenes, zu verschiedenen Zeiten überarbeitetes Werk anzusehn, schmeichelte meinem kleinen Dünkel, indem diese Vorstellungsart noch keineswegs herrschend, viel weniger in dem Kreis aufgenommen war, in welchem ich lebte. Was den Hauptfinn betraf, hielt ich mich an Luther's Ausdruck, in Einzelnem ging ich wohl zur Schmidtischen wörtlichen Ueberseßung, und suchte mein weniges Hebräisch dabei so gut als möglich zu benußen. Daß in der Bibel sich Widersprüche finden wird jezt niemand in Abrede seyn. Diese suchte man dadurch auszugleichen, daß man die deutlichste Stelle zum Grunde legte, und die widersprechende, weniger klare jener anzuähnlichen bemüht war. Ich dagegen wollte durch Prüfung herausfinden, welche Stelle den Sinn der Sache am meisten ausspråche; an diese hielt ich mich und verwarf die andern als untergeschoben.

Denn schon damals hatte sich bei mir eine Grundmeinung festgesetzt, ohne daß ich zu sagen wüßte, ob sie mir eingeflößt, ob sie bei mir angeregt worden, oder ob sie aus eignem Nachdenken entsprungen sey. Es war nåmlich die bei allem was uns überliefert, besonders aber schriftlich überliefert werde, komme es auf den Grund, auf das Innere, den Sinn, die Richtung des Werks an; hier liege das Ursprüngliche, Göttliche, Wirksame, Unantastbare, Unverwüstliche, und keine

Zeit, keine äußere Einwirkung noch Bedingung könne diesem innern Urwesen etwas anhaben, wenigstens nicht mehr als die Krankheit des Körpers einer wohlgebildeten Seele. So sey nun Sprache, Dialekt, Eigenthümlichkeit, Styl und zuleht die Schrift als Körper eines jeden geistigen Werks anzusehn: dieser, zwar nah genug mit dem Innern verwandt, sey jedoch der Verschlimmerung, dem Verderbniß ausgesetzt: wie denn überhaupt keine Ueberlieferung ihrer Natur nach ganz rein gegeben, und wenn sie auch rein gegeben würde, in der Folge jederzeit vollkommen verständlich seyn könnte, jenes wegen Unzulänglichkeit der Organe, durch welche überliefert wird, dieses wegen des Unterschieds der Zeiten, der Orte, besonders aber wegen der Verschiedenheit menschlicher Fähigkeiten und Denkweisen; weßhalb denn ja auch die Ausleger sich niemals vergleichen werden.

Das Innere, Eigentliche einer Schrift, die uns be sonders zusagt, zu erforschen, sey daher eines jeden Sache, und dabei vor allen Dingen zu erwågen, wie sie sich zu unserm eignen Innern verhalte, und in wie fern durch jene Lebenskraft die unsrige erregt und befruchtet werde: alles Aeußere hingegen, was auf uns umvirk sam, oder einem Zweifel unterworfen sey, habe man der Kritik zu überlassen, welche, wenn sie auch im Stande seyn sollte, das Ganze zu zerstückeln und zu zersplittern, dennoch niemals dahin gelangen würde, uns den eigentlichen Grund, an dem wir festhalten, zu rauben, ja

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