Billeder på siden
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die drei würden sich Schlag auf Schlag so folgen: Sonette, Marlowe's Hero, Veroneser; alle nach 1590. Sei dem, wie ihm wolle, für mich ist nur wichtig, dass Shakespeare schon vor 1593 von dieser Philosophie erfüllt war. In den Stücken, die man vor 1590 geschrieben hält, fand ich nur im „Titus Andronicus" eine anklingende Stelle IV. Akt, 2, wo die Amme zum Mohren sagt:

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The empress sends it (ihr Kind) thee, thy stamp thy seal". (Anm. 18.) Nach 1590 folgt eine Menge Vergleichungspunkte mit den Sonetten, die hier nicht weiter zu erörtern, so in den „Zwei Edelleuten von Verona", „Verlorne Liebesmüh” etc.! obige Argumente aber finden sich in „Romeo und Julia“, „Ende gut, Alles gut“ und „Venus und Adonis". Ich möchte die Frage aufstellen, ob nicht vielleicht aus Romeo und Julia die Zeit zu bestimmen wäre, in welcher Shakespeare die Sonette begann? Dyce verlegt aus bekannten Gründen den Anfang des Drama's in das Jahr 1591.*) Der nur für den ersten Akt gebrauchte Chor lässt schon vermuthen, dass das Stück nicht in einem Zuge geschaffen worden. Prolog (nach Brook's Vorgang), Chor und die berühmte Begrüssung auf dem Balle sind in Sonetten form geschrieben und der gleiche (erste) Akt enthält auch die besprochenen Argumente könnte man nun nicht glauben, Shakespeare habe die Sonette und „Romeo und Julia“ zur selben Zeit, aus einer Stimmung heraus begonnen?

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Malone und Drake und nach ihnen Delius sagen,

Auch Edward Dowdon glaubt dies neuerdings. Siehe,,Shakespeare" 1877, London, p. 84 und ,,Shakespeare, Sein Entwicklungsgang in seinen Werken", 1878, übersetzt von W. Wagner, p. 43.

die 1592 erschienenen Sonette Daniels seien nach Form und Inhalt das unmittelbare Vorbild Shakespeare's gewesen, weshalb seine Sonette nicht vor 1592 geschrieben worden sein können. Das stimmt ganz gut mit meinen Vermuthungen über die Zeit ihrer Entstehung. Sonst ist die Aehnlichkeit mit Daniel bei weitem nicht so gross wie die mit Sidney, was ich später an diesem zu zeigen mir vorbehalte. Aehnlichkeit, die aber auch aus Sidney stammen könnte, verrathen nur das 1. 35. 39. und 52. Sonett Daniels, während die Form schon beim Grafen von Surrey (1557) und Spenser vorkommt.

Halten wir nun die Thatsachen zusammen, dass Graf Southampton 1589, 16 Jahre alt, nach London kam, dass Sidney's ,,Arcadia" 1590 erschien und Shakespeare 1593 Southampton,,Venus und Adonis" als ersten Sprössling seiner Erfindung widmete, so ist wohl die Conjectur nicht mehr zu kühn, Shakespeare habe die ersten 17 Sonette zwischen 1590 und 1593 geschrieben und dem Grafen mit No. 26 als Widmung übersandt (,,Dir send' ich diese geschriebene Botschaft"), und „Venus und Adonis" sei alsdann die „,würdigere Gabe" gewesen, mit welcher der Dichter zum ersten Male, wie in No. 26 verheissen, lautes, d. h. öffentliches, Zeugniss von seiner Verehrung für Southampton ablegte.*) Wenn dann später in den Sonetten Shakespeare in No. 38 sagt: „Wie kann es meiner Muse an Erfindung fehlen, so lange du lebst, der du deinen eigenen süssen Stoff in meine Verse

*) Es ist wahrscheinlich, dass Shakespeare,,Venus und Adonis" schon in Stratford geschrieben hatte, das Gedicht aber für Southampton umarbeitete, als er seiner Gunst versichert war und ihm etwas offen zu widmen wagen durfte; dabei kann er dann die Argumente aus der Arcadia eingefügt haben.

giessest?", in No. 83 von ,,deinen beiden Dichtern" und seiner „Dichterschuld" spricht, in No. 72 sich seiner dichterischen Erzeugnisse schämt, die des Freundes so gar nicht werth seien, in No. 78 den Freund versichert, ,,sein Auge, sein Einfluss habe ihm die Zunge gelöst und seine Unwissenheit so hoch getragen wie die Gelehrsamkeit die anderen Dichter"; wenn er in No. 100 sich ermahnt, wieder dem Ohre zu singen, dem „werthvoll seine Lieder", in No. 102 sich der Zeit erinnert, da er die noch neue Liebe mit Liederklang begrüsste, und Entschuldigung für sein längeres Schweigen sucht, in No. 76 frägt, warum denn sein Lied immer dasselbe sei, keinen Wechsel und stets die gleiche äussere Form zeige, so dass man ihn schon an jedem Worte erkenne, in No. 105 erklärt, sein Lied habe nur einen Stoff und all sein Lob sei nur ,,to one, of one" (an Einen, über Einen) mit welchem Rechte suchen wir hinter diesen eigenen Worten des Dichters alles Andere, nur nicht die so nahe liegende Erfüllung (wo wäre sie sonst?) des, in seiner Widmung der Lucretia" dem Grafen Southampton (die einzige Person, welcher, so viel wir wissen, Shakespeare überhaupt etwas gewidmet hat) gegebenen Versprechens:

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,Was ich geschrieben habe, gehört Ihnen, was ich zu schreiben habe, gehört Ihnen, als ein Theil alles dessen, was ich Ihnen zugelobt habe. Wäre mein Werth grösser, so würde auch meine Schuldigkeit sich grösser äussern, so aber ist sie, wie sie ist, Eurer Lordschaft gewidmet.“

In diesen Aussprüchen und in den Sonetten liegt die Charakteristik des Verhältnisses zwischen Shakespeare und Southampton: Dichter und Patron - Dichter und Freund.

Es ist bekannt, dass Southampton ein freigebiger Beschützer der Wissenschaften und schönen Künste und eifriger Besucher von Shakespeare's Theater war. Chapmann nennt ihn ,,den Preis der edelsten Geister unseres Landes", Richard Braithwait ,,der Gelehrsamkeit ausgewählten Liebling", Nash „einen lieben Liebhaber und Pfleger der Liebhaber der Dichter sowohl als der Dichter selbst", Florio „die Perle der Pairs". Barnaby Barnes spricht 1593 in einem Sonett an ihn die Hoffnung aus, dass seine Verse, ,, wenn sie jene himmlische Gunst schützt, welche den Musen Licht verleiht", vor den giftigen Pfeilen des Neides sicher sein mögen (vergleiche Shakespeare Sonett 38. 78. 79 u. s. w.). Und Jervais Markham sagt zu ihm in einem Sonett: „Du, der Lorbeer auf der Musen Hügel, dessen Auge die siegreichste Feder krönt" was man auf Shakespeare bezogen hat.*)

Dass Shakespeare's Gefühl für Freundschaft sehr entwickelt war, weiss Jeder, der seine Dramen gelesen hat; er gehörte damit eben ganz seiner Zeit an, welche die Freundschaft über die Liebe stellte. Henry Brown**) gibt vielfache Beispiele, welche darthun, dass die Freundschaftsschwärmerei nicht nur mit der Liebe den conventionellen Inhalt der damaligen Sonettendichtung bildete, sondern im wirklicheu Leben das Denken und Empfinden der hervorragendsten Geister erfüllte. Nur ein Ausspruch aus Allot's Wit's Commonwealth (1598) sei citirt: Die Liebe vom Manne zum Weibe ist etwas gewöhnliches und natürliches, aber die Freundschaft vom Manne zum Manne ist unendlich und unsterblich."

*) Massey 1. c. p. 90.

**) Henry Brown 1. c. p. 51. 196. 200.

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Man lese, was Elze über dieses Kapitel sagt.*) Vielleicht noch überzeugender als die mancherlei aus Schriftstellern zu schöpfenden Belege für diesen Ideenkreis mag ein lebendiges Beispiel solcher Männerfreundschaft wirken, und das haben wir in der Freundschaft des edlen Hugenotten Hubert Languet (geb. 1518) mit Sir Philip Sidney. Languet, der ehemalige Professor des Privatrechts in Padua, dann geheimer Minister des Kurfürsten von Sachsen, der Freund Melanchthons und der hervorragendsten Protestanten, der Vertraute der protestantischen Fürsten Deutschlands, lernte Sidney auf dessen deutscher Reise 1573 kennen und schloss mit dem Jünglinge eine Freundschaft, die bis zu seinem Tode dauerte. Die Trennung von ihm füllte eine Correspondenz aus, über welche Fox Bourne**) sagt:

„Sie gebrauchen, mehr als jetzt üblich ist, Ueberschwenglichkeiten in dem Ausdrucke der Freundschaft. Kein liebekranker Jüngling kann mit feurigerer Leidenschaft und zärterer Sorge schreiben, oder mit häufigeren Aengsten und grundloserer Eifersucht kämpfen, als Languet, damals 55 Jahre alt, in seinen Briefen an den neunzehnjährigen Sidney. Im Jahre 1574 schreibt er Sidney nach Padua, er solle sein Bild für ihn malen lassen uud darunter einige Verse setzen, die er ihm schickt: „den ersten Reimversuch, den er in seinem Leben gemacht.“

Sidney verspricht darauf, sich in Venedig bei Paul Veronese oder Tintoretto für ihn malen zu lassen: „Ich bin sehr glücklich, dass Sie mich so dringend um mein

*) Elze 1. c. p. 496 und Folge.

**) H.K. Fox Bourne. A Memoir of Sir Philip Sidney, London 1862.

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