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Ich habe nun die Arbeit, die uns zu solchem Ziele führen soll, in drei Hauptabschnitte eingetheilt:

I. Shakespeare's Freundschaft zu Southampton.
II. Die schwarze Schöne der Sonette.

III. Shakespeare als Mensch.

Es

Die erste Abtheilung ist eigentlich nur eine Ergänzung meines Buches über die Southampton-Sonette,*) das die Geschichte von Southampton's Liebe und die Erklärung der ihr gewidmeten Sonette enthält. schien mir wünschenswerth, die Shakespeare-SouthamptonFreundschaft und was sich daran knüpft, neu zu beleuchten und zu begründen, da sie für die Beurtheilung von Shakespeare's Persönlichkeit von grösster Wichtigkeit ist. **)

Der Hauptabschnitt vorliegender Arbeit ist jedoch der zweite. Kann die berüchtigte schwarze Schöne der Sonette identifizirt werden, oder ist es wenigstens möglich zu beweisen, dass sich darunter keine Maitresse des Dichters verbirgt, so eröffnet sich eine ganze Reihe von neuen Perspektiven auf Shakespeare's Bild. Und wie sich dieses nun darstellt, das soll die dritte Abtheilung zeigen.

Einigermassen mühsame Untersuchungen werden auf diesem Gange hie und da nicht zu vermeiden sein; allein ich hoffe, dass die wirklichen Verehrer des grossen

*) Shakespeare's Southampton-Sonette. Deutsch. Leipzig, W. Engelmann. 1872.

**) Einen Auszug aus dieser ersten Abtheilung brachte „Nord und Süd" von Paul Lindau, Februar 1879.

Dichters im Ausblicke auf das erfreuliche Ziel genügend guten Willen für die Wanderung mitbringen.

Dass ich das Ziel wirklich erreicht habe, wage ich nicht zu behaupten. Ich bin aber zufrieden, wenn ich ein neuer Wegweiser in der Richtung war, die, wie man sehen wird, ein Anderer vor mir angegeben hat und in welcher vielleicht ein Dritter noch zum Ziele gelangt. Mancherlei Neues dürfte sich ja doch hier finden, was künftig mit zu beachten sein wird.

Die Uebersetzungen im Anhange stammen, sofern nicht ein anderer Uebersetzer angegeben ist, von mir selbst. Ich benutzte die Gelegenheit, die zweite Abtheilung der Sonette, die in meinem citirten Buche nicht enthalten, hier vollständig zu geben.

Zürich.

Fritz Krauss.

Einleitung.

Ein Blick in die 154 Sonette Shakespeare's zeigt, dass sie in zwei Hauptgruppen zerfallen, die nach Inhalt und poetischem Werthe verschieden genug sind, um sich auseinander halten zu lassen, wenn sie auch nicht äusserlich geschieden wären. Der Herausgeber Thomas Thorpe hat jedenfalls gewusst, dass diese zwei Hauptabtheilungen zu sondern seien und deshalb das Bruchstück No. 126, das sich in Reimstellung und Zeilenzahl von allen Sonetten unterscheidet, als Markstein dazwischen gesetzt. Ueber diese Aeusserlichkeit hinaus ging aber Thorpe's Kenntniss oder Verständniss der Sonette nicht, sonst wäre es ihm nicht begegnet, innerhalb dieser Abtheilungen die grösste Unordnung zu schaffen, ja, wie es scheint, einige Sonette von einer Abtheilung in die andere gerathen zu lassen. Durch diese Verwirrung und durch den Mangel an Correctur wird die Unrechtmässigkeit und Heimlichkeit der Veröffentlichung charakterisirt, denn es steht wohl ausser Zweifel, dass der Dichter selbst damit nichts zu thun hatte. Wie hätte sonst Thorpe in seiner oft citirten verkünstelten Widmung „die, in den folgenden Sonetten von unserem unsterblichen Dichter verheissene Unsterblichkeit dem einzigen

Beschaffer*) Mr W H" wünschen können? Es sieht aus, als habe ein Freund Shakespeare's die in seinem Besitze befindlichen Sonette und jene, deren er sonst habhaft werden konnte (sie zirkulirten ja unter den „besonderen Freunden") zusammengerafft und dem Verleger Thorpe, um sie vor dem Untergange zu retten, zum Drucke übergeben, wofür ihn dieser dann als „einzigen Beschaffer" in der Widmung ehren zu müssen glaubte wenn er den Mr W H" nicht zugleich als Schild vorschob. Ich denke, einen solchen Vorgang kann man sich ohne allzugrossen Zwang vorstellen; wer aber der Mr W H gewesen sein mag, werden wir später zu untersuchen haben.

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Halten wir ein solches Entstehen der Thorpe'schen Ausgabe**) von Shakespeare's Sonetten für wahrscheinlich, so können wir uns ferner denken, dass Thorpe kaum alle Sonette, die der Dichter unabhängig von seinen Dramen schuf, in seinen Besitz bekam, dass die uns überlieferte Sammlung also Lücken zeigt, was ihre Erklärung natürlich erschwert.

Von den vielen zur Erklärung der Sonette aufgestellten Theorien will ich, um einige Uebersicht zu gewinnen, hier nur die hauptsächlichsten anführen.

Drake (1817) äusserte als der erste die Vermuthung, der Graf v. Southampton möchte der Freund gewesen sein, den Shakespeare in den 126 ersten Sonetten besingt; mit den letzten 28, die an ein Weib gerichtet scheinen, weiss er nichts anzufangen. Boaden (1832) sah in „Mr W H" William Herbert, späteren Grafen von Pembroke, und hielt diesen für den Freund. Charles Armitage Brown (1838) brachte die von Boaden angebahnte *) Andere lesen das Wort,,begetter" als Erzeuger. **) erschienen 1609.

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