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Othellos!" in ihrem kreolischen Leichtsinn fortfuhr, den unsterblichen Namen ihres Gatten durch ehebrüchliche Lächerlichkeit in den Schmutz zu ziehen. In der Tat, es gibt zu denken über die seltsame Verfettung welthistorischer Dinge mit alltäglichen Begebenheiten, in denen jener dunkle Urgrund alles Seienden, die Erotik, vorherrscht, | wenn wir den Welteroberer vor St. Jean d'Acre jammern und zanken hören über ein albernes banales Weibsstück. Bekanntlich hat der siegreiche Widerstand dieser Festung, in welche ein eigentümlicher Zufall einen früheren Mit schüler von der brienner Kriegsschule verschlagen hatte, auf daß er hier als Emigrant den Revolutionsfeldherrn zum Stolpern bringe wie ein zufällig herverschleuderter Kieselstein, das Schicksal der Welt verändert. Augeekelt von den Zuständen daheim, als orientalischer Pascha sich wolfühlend, hätte Bonaparte den abenteuerlichen Alexander-Plan durchgesetzt, mit seiner handvoll Lente quer durch Kleinasien zu marschiren und der Türkei Gesetze vorzuschreiben. Ein orientalisches Sultanat gaukelte vor seinen erhißten Sinnen und er sah sich, ein neuer Muhammed auf dem alten Kameel, einen Koran diktiren. Verbindungen mit Persien und indischen Fürsten wurden angeknüpft für einen Zug nach Indien, um das Gebäude britischer Kauf mannsmacht zu zertrümmern, und solch Abenteuer spukie fogar in einem Znstruktionsbrief an das Direktorium. An Unmöglichkeiten hatte der wunderbare Mann die Geister gewöhnt. Er traute sich zu, die asiatischen Völker | schaften aufzuwiegeln und über Konstantinopel nach Wien zu ziehen, vom Nil über Donau und Rhein nach Hause zurückzukehren! Bonaparte gleicht in Anfällen solcher Fantasterei einem Halluzinirenden. Ausschweifende Einbildungskraft stellt aber nur den Erzeß unerschöpflicher Tatenlust vor. Hiermit entfräftet sich auch die Annahme, er habe lediglich aus innerpolitischen Gründen seine Meerfahrt angetreten, um die Dinge in Paris reifen zu lassen. Nein, wenn Europa zu eng war, so sollte der Orient dazu herhalten, daß seine antike Ruhmliebe sich in mittelalterlicher Räuberromantik berauschen dürfe. Selbst unter Selbst unter ärgster Bedrängnis spann er sich damals in Ergößungen seines regen historischen Sinnes ein, der sich durch direkte Berührung mit den Stätten der Kreuzfahrerzüge entflammte Er selbst hat diese Epoche die poetischeste seines Lebens genannt. An Pyramiden und Jordan knüpfte er poetische Reflexionen, wie ein Pilger Harald, sozusagen ein bewaffneter Byron oder Chateaubriand, mit Werther und Offiän in der Rocktasche. Dieser korsische Knirps mit dem bleichen klassischen Kopf ging in einem politischen Weltschmerzmantel spazieren und gierte nach keinem Eldo- | radogolde Indiens wie ein spanischer Konquistador, sondern nach alexanderhaften Heldentaten. Schon 1796 erschien ein Kupferstich: Bonaparte am Grabe Virgils. So hätte man ihn auch malen können in der Wüste vor einer verschütteten Sphinx, das Buch Volneys „Die Ruinen" in der Hand.

Wir haben hiermit nicht andenten wollen, daß Bonapartes ägyptischer Zug, der so weltbestimmend in seinen persönlichen Folgen werden sollte, nicht einem allgemeinen politischen Bedürfnis entsprochen hätte. Schälen wir aus den Hülsen der Nebenmotive den Kern heraus: Schon Talleyrand hielt Besißnahme des Nillandes für unumgänglich nötig, schon Leibnitz hatte Ludwig XIV. in einer Denkschrift darauf hingewiesen, und schon das Direktorium faßte die Durchstechung der Suez- Landenge ins Auge. Der lange Kampf Napoleons wider die britische Seeherr schaft wäre günstiger verlaufen, wenn ihm die Behauptung Alexandrias geglückt wäre.

Judem wir aber dies wichtige Glied in der Kaufalitätskette weltbestimmender Ereignisse betrachten, drängt sich uns die Vermutung auf, daß Bonaparte trotz der

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Vernichtung seiner Flotte und troß der einladenden Wirren daheim nicht so rasch seine tollkühne Rückfahrt durch Nelsons Kreuzer hindurch angetreten hätte, wenn nicht zugleich Josefine, die verabscheute und doch noch geliebte, ihm vorgeschwebt hätte. Als am Vorabend der Schlacht von Abukir der staunende Murat die damals unverständlichen Worte vernahm: „Morgen wird das Schicksal der Welt entschieden," (weil Napoleon nur durch einen Sieg die Heimfahrt erkaufen konnte), mischte sich vielleicht unwillfürlich und unbewust das Gefühl ein: Morgen wird sich entscheiden, ob ich die Verabscheuenswürdige wiedersehe und ihr meinen Groll ins Gesicht schlendern kann! Von dem Einfluß Eugens in Aegypten weiß Masson nichts, das spätere Verhältnis von Stiefvater und Stiefsohn berührt er nicht, und doch stralt uns gerade hier ein edles Menschentum entgegen. Mein Herz weiß nichts lieberes als von dir zu hören," schreibt Napoleon einmal an den Vizekönig; 189 überwacht er mit väterlicher Sorgfalt die militärischen Operationen Eugens, 1812 vertraut er ihm den Oberbefehl über die Heerestrümmer an. Als alle Marschälle in undankbarer Schwäche abfallen, als Murat und Maymont bis zum Verrate gehen, ficht der Vizekönig am Mincio unerschütterlich fort. Die Verbündeten, die ihn schäßen, bieten ihm durch den Zaren den Königstitel und sichern seinen Kindern ein Reich, wenn er die Waffen niederlegt. Da antwortet der Sohn Josefinens ungefähr das folgende: „Eist heut erfahre ich, wie hoch ein Tron im Preise steht, da man mir deshalb Trenbruch, Undank und Verrat zumuten darf. Sie reden von Zurücksetzungen, die ich erfuhr." (Anspielung auf die Scheidungsgeschichte.) Ich weiß von feinen. Wäre dem aber so, so wäre jest wahrlich nicht der Augenblick, mich daran zu erinnern. Sie geruhen von dem zu reden, was Sie meinen Ruhm nennen. Besiße ich solchen, so schulde ich auch ihn dem Manne, der meiner Jugend Vater, meines Mannesalters Lehrer und mein Meister in den Waffen war." Er fämpft bis zur letzten Möglichkeit und fällt mit seinem Kaiser. Der aber erweist ihm auf St. Helena die letzte höchste Auszeichnung, die er noch verleihen kann, er adelt ihn nochmals vor der Nachwelt. Denn zum Vollstrecker von Cäsars Testament, wo jeder kleinste Ihm erwiesene Dienst seit Toulon mit einem Legat bedacht wird, ernennt er „Ünfern vielgeliebten Sohn Eugen." Trug nicht Josefine durch die Mitgift, die sie ihm in solchem Sohne brachte, einen Teil ihrer Schuld gegen Napoleon ab? Gestattet der anständige Charakter ihrer beiden Kinder nicht einen VererbungsRückschluß? Schlug Hortenfes Sexualität nach der Mutter? Masson scheint in seinem Hortense - Kapitel jeden Makel abzustreiten. Jedenfalls blieb auch die Stieftochter dem Andenken Napoleons treu.

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Wenn wir uns von der Menschheit großen Gegenständen wieder dem „Cherchez la femme" zuwenden, so wird man den Imperator um seine Erfahrungen gewiß nicht beneiden. Da ist diese Désirée Clary, seine Verlobte, die er für Josefine die Alte", wie Désirée echt weiblich sie ihr Leben lang nannte im Stich ließ. Es fängt schon hübsch an, daß sie später schreibt und drucken läßt, sie sei damals vierzehn Jahre alt gewesen, während sie doch ein erwachsenes Mädel von siebzehn Jahren war. Ich werde nie einem andern angehören," deflamirt fie pathetisch dem Untreuen vor, aber sie läßt fich erweichen, als dieser Mann, der nie vergißt und den sein peinlich zartes Gewissen eines Unrechts bezüchtigt, ihr einen General als Gatten verschaffen will. Als dieser vorzeitig einem Attentat zum Opfer fällt, heiratet Désirée munter den biederen Bernadotte, Napoleons ausgesprochenen Feind. Es ist rührend, es ist fast erhaben, wie der Egoist" Napoleon von mun an nichts als

Wol wahr, daß Napoleon keine Maitressenwirtschaft an seinem Hofe duldete. Ueber den Klatsch, den seine abgedankten „Vorleserinnen“ und andere Haremsdamen ihm anheften, ereifert sich Masson. Er versteigt sich bis zu folgender derber und drohender Anspielung: „Eine dieser Frauen, die als Schriftstellerin am meisten Gekannte, die mit Gunstbezeugungen am meisten Bedachte, entgeht uns diesmal noch, weil bloße Wahrscheinlichfeiten keine handgreiflichen Beweise bieten." Jeder Kundige weiß, wer hier gemeint ist und wie sehr es not tut, die giftige Kokotte Remusat an den Platz zu stellen, der ihrem Lügenbuch gebührt. Aus diesem Abgrund von Frauenrache schöpfen alle ihre Naseweisheit, deren Herz innig dem Beginnen entgegenjubelt, das Stralende zu schwärzen und das Große aufs Niveau ihrer eigenen Nichtigkeit herabzuziehen. Köstlich aber dünkt es dem Kundigen, wenn Erzschuft Talleyrand in seinen Memo ren elegisch zugibt: „J'aimais Napoléon" und die Remusat fast gleichlautend, aber noch stärker im Tonfall, ein posthumes Bekenntnis ihrer allzu feurigen Zuneigung beichtet, das selbst in solch halber Andeutung aus Frauenmund vielsagend genug wirkt. Masson scheut sich noch, die wahren Quellen dieser historischen Brunnenvergiftung aufzudecken; wir unsrerseits haben längst die verdächtigen und bestochenen Zeugen des Taineschen Napoleonurteils mit wolverdienten Fußtritten beehrt und sozusagen_aus cem kritischen Gerichtssaal hinaus verwiesen. Herzerfreuend aber leuchtet uns der stete Durchbruchsieg der Wahrheit auf, wenn wir uns jezt auch mit neuester Forschung eins wiffen und mehr und mehr jeder Unbefangene mit unsrer eigenen lange verfochtenen Auf| faffung übereinstimmt,

Schonung für den offenen and heimlichen Frondeur | beherrschend, dauerte kurz, wahrscheinlich aber hat eheliche fennt, Verschwörungen und Zettelungen schlimmster Art | Anhänglichkeit an Josefine sie gewaltsam erstickt. ebenso übersieht, wie die elende Korpsführung Bernadottes 1806 und 1809, ihn vom Marschall und Prinzen sogar bis zum Tron von Schweden befördert alles um der ehemaligen Verlobten willen, ihr abzubitten, was er doch gar nicht verbrach! Denn von wahrer Liebe der eitlen Närrin konnte keine Rede sein, die alle zahllosen Aufmerksamkeiten ihres gefrönten Jugendliebhabers damit vergalt, daß fie 1814 in Paris, wohin sie ihrem braven Jean Baptiste entlaufen war, als er sich grade zu seiner unsterblichen Blamage als Chef der verbündeten Nordarmee anschichte, mit Fouché und Talleyrand, d. h. den Todfeinden des Empire, vertrauliche Einverständnisse unterhielt. Als die Marschälle von ihrem Woltäter abfielen, zuckte Napoleon nur die Achseln: „Das sind die Menschen!" Er hätte wol nicht minder Grund gehabt zu feufzen: „Voilà les femmes! Da ist unter Napoleons Augenblicks - Maitressen - liaisons passagères nennens die Franzosen - die berühmte Sängerin Graffini, die sich einbildet, ihr Schlafgemach sei ein politisches Arbeitskabinet, und die den sehr bald erfalteten, doch bis zu legt immer freigebigen und huldvollen Kaiser haßt, weil sie bei ihrem Leisten bleiben soll. 1815 macht sie sich an ausgerechnet! Wellington Dieser," schreibt Masson boshaft, hatte eine merkwürdige Leidenschaft für Napoleons abgelegte Sachen." Auch der romantischen Polin Walewska vermögen wir keinen Geschmack abzugewinnen. Sie heiratete vergnügt, während der große Mann, dem sie einen Sohn (später unter Louis Napoleon Botschafter in London und Liebhaber der Rachel, gut, schön und dumm) geboren hatte, in Et. Helena schmachtete. Da muß man doch wenigstens, auch wenn man Josefinens sonstige Gutmütigkeit nicht in Anschlag bringt, zu ihrer Ehre gelten lassen, daß sie tatsächlich an Kummer über Napoleons Fall, am sogenannten gebrockenen Herzen, starb. Natürlich darf man dies nur cum grano salis verstehen. Josefine sah bereits ihrer Auflösung entgegen, nur hat das erschütternde Ereignis von Fontainebleau durch Gemütsbewegung ihr Ende beschleunigt. Ihren lezten Odem verhauchte sie in dem Seufzer: Napoléon. Marie Louise. . l'ile d'Elbe!" Kurz ehe sie sich zum Sterben niederlegte, beschäftigte sie sich noch mit Puß und Schminke, um den Besuch des Zaren würdig zu empfangen. Hoffte fie vielleicht durch persönlichen Zauber ihrer Liebenswürdigkeit vom Sieger günstigere Bedingungen für Eugen und Hortense zu er wirken? So wie sie Begleichung ihrer unendlichen Schneiderrechnungen und noch bei der Scheidung möglichst viel Geld von Napoleon erpreßt hatte? Sie machte fich anheischig, mit vier Pferden Vorspann als Kaiserin durch ganz Frankreich nach Elba zu fahren, um MarieLouise zu beschämen. Mehr selbstsüchtige Eifersucht oder Auffladern erloschener Zärtlichkeit für den gestürzten Gemal? Wer mag es enfcheiden! Einem neuerdings über Josefine erschienenen Werke entnehmen wir, daß Massons Spott über ihre verblühten Reize doch übers Ziel hinaus schießt. Zwei süddeutsche Prinzen verliebten sich noch in fie am pariser Hof und einer davon erbot sich sogar, sie nach der Scheidung zu heiraten, obschon sie seine Mutter sein konnte. Wollte er auch geduldig ihre ewigen Schulden bezahlen? — Masson schweigt gefliffentlich über ihren Kummertod, aber das ist keine Fabel. Hier sticht sie immerhin vorteilhaft von ihrer Nachfolgerin Marie-Louise ab, obschon diese schönen Seelen sonst einander würdig waren. Auch jene große Unbekannte, die heut nur noch als „Ma dame X." genannt wird, bewies noch 1815 ihre stille Ergebenheit und scheint ihren Jupiter aufrichtiger geliebt zu haben, als alle andern; seine Liebe, flammend und

Napoleon sagte von sich: „Ich bin nicht für die Liebe gemacht." Aber er täuschte sich, nur zu sehr verstrickte ihn sein reizbares Nervensystem in verfeinerte und ausschließliche Herzensleidenschaften. Er wollte den Frauen keinerlei äußeren Einfluß einräumen, und doch bestimmte zum Teil die Walewska seine schwankende Polenpolitik. Wir haben sogar einmal die Vermutung ausgedrückt, daß eine gewisse Unordnung, die in den Operationen vor der Schlacht von Eylau einriß, auf jene Liebesgenüsse zurückzuführen sei, die der Imperator_in Marie Walewskas Armen durchkostete. Im übrigen müssen wir die Behauptung Graf Yorks (Napoleon als Feldherr" I.) mit Bezug auf 180 ablehnen, daß schon damals die Spannkraft des Feldherrn nachließ, weil er dem Weibe und Wolleben sich mehr als zuträglich ergeben habe. Mit Recht meint Masson: „Wer an seiner Stelle wäre anders gewesen! Wieviel Souveräne machen es weit schlimmer!" weit schlimmer!" Man braucht die Nachsicht nicht ein mal so weit zu treiben: es steht wirklich nicht so schlimm mit der erotischen Bilanz des Napoleonlebens, verglichen mit dem üblichen Lebenswandel vornehmer und reicher Gesellschaftskreise. Was so nebenbei abfiel, waren bloße Garnisonabenteuer. Und darunter manche, die ihm nur Ehre machen. Als ein achtbares Mädchen in Schönbrunn ihm ins Auge sticht, er aber merkt, das harmlose Ding bringe ihm harmlose Bewunderung entgegen, läßt er fie unberührt zu den Ihrigen bringen und seht ihr eine Milgift aus. Das erinnert an eine ähnliche Episode in dem Byronbuche der Guiccioli. Der vielverleumdete Dichterlord, diefer angebliche Don Juan, und sein Idol „Bony“ (wie die Engländer sich einen mitleidigen Kosenamen für ihren Todfeind zurechtmachten) glichen sich auch hierin. Masson behauptet, daß ein solcher Fall sich bei Napoleon dreimal wiederholt habe. Jedenfalls wußte der ungestüme Soldat seinen sinnlichen Drang zu zügeln.

Brutal im äußeren Gebahren als Gewalthaber, blieb er im Privatverkehr stets nobel bis in die Fingerspißen. Jene lächerliche Karrikatur, die Tolstoj in Krieg und Frieden" für Napoleon ausgibt, ist kaum ein Affe des wahren Löwen. Dieses panslavistische, von russischem Ohnmachtgeifer strozende Roman-Pamphlet auf Westeuropa konnte, seiner hohen poetischen Vorzüge im Genremalen unbeschadet, als Historienbild nur der heutigen Halbbildung einleuchten. Herr Maximilian Harden hat diese Frage zwar für ein glaubhaftes Abbild des „kalten (!) Dämonentums" erflärt; wir, die wir Napoleon etwas gründlicher zu kennen glauben, vermögen weder Kälte noch Dämonie in dem hier gemeinten Sinne zu entdecken. Denn dämonische" Genialität part sich recht gut mit naiver Menschlichkeit.

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Und so von Stern zu Stern,
Bis hin vor Gottes Stufen

Sie lchut sich an die Knie dem Herrn:
Vater, hast du gerufen?

Ihr hold verwirrtes Angesicht
Sieht fragend zu ihm auf und lauscht,
Wie lächelnd er herniederspricht:
Dir träumte wol, verwöhntes Kind.

Sie schweigt, und freut sich, wie im Wind
Des Götterworts der lange Bart
Ihm leise um die Hüften rauscht.

Neue Gedichte.

Von

Gustav Falke.

1.

Versteckt.

Ich hatte einen Traum

Von unsrer Liebe. Es sang
Eine Drossel im grünen Baum,
Und ein Häschen sprang.

Der Roggen stand still und schwer,
In Sonne. Da kam ein Hauch
Und wiegte ihn hin und her,
Und ein Wölkchen zog ein Rauch).

Tief unten lag das Dorf,

Aus Linden sah es herfür.
Eine Hütte mit Schindel und Schorf.
Deine Mutter stand vor der Tür.

Unter der hohlen Hand
Eah sie, als suchte sie wen.
Es flimmerte so das Land,

Sie konnte vor Sonne nicht sehn.
Im Roggen raschelte die Maus,
Und der Wind lief über das Korn.
Wir saßen im grünen Haus,
Und die Drossel fang im Dorn.

2.

Die Fantasie.

Wer fängt mich? rief die Fantasie
Und schwang sich durch die Regionen,
Vorbei an Sternen, die noch ni:

Ein Fuß betrat. Hier möcht ich wohnen,
Sprach sie und ließ für kurze Zeit

Sich fachte auf die Füße nieder.

Ein Leben blüte auf in Glanz und Heppigkeit. Dann schied sie wieder.

Geistige Liebe.

Bon

Suftave Geffroy.

(Uebersetzt von Matilde Mann.")

Gegen Ende des Sommers hatte das junge Mädchen mit den Ihren das von der Tante Clémentine ererbte Haus, in der kleinen Stadt im Herzen Frankreichs bezogen, in dieser Stadt, die mit ihren stillen Gebäuden und den von Gras überwucherten Straßen mehr einem Weiler glich. Sie hatte sich gleich von Anfang an in das Aeußere dieses Hauses verliebt, in die hübschen Fenster im Stil Ludwigs XIV. und die über einem Perron von verschliffenen Marmorfliesen gelegene Hausthür, - in die Aussicht, die fie von innen auf den engen Hof mit seinen Jasminsträuchen hatte, auf diesen ganzen zurückspringenden Kompler von Duodez-Gebäuden mit dem Pavillon als Hintergrund. Mit demselben Entzücken hatte sie von der Einrichtung der Zimmer Befiß ergriffen, hatte sie die Geschichte ihrer Familie aus den Bildern gelernt, die sie von den Wänden herab ansahen und ihr aus der beftaubten Vergoldung der Rahmen zulächelten, aus dem Mobiliar der Zimmer, das unberührt von einer Generation auf die andere übergegangen war, als würde der Abwesende zurückkehren, und sein Eigentum wieder in Empfang nehmen.

In dem Salon, dem einzigen größeren Raum des ganzen Hauses, in den Zimmern und Kammern mit den hellen, verschossenen Tapeten, segte sich das melancholische junge Mädchen in die schweren Polsterstühle, in die Seffel mit den weichen Lehnen, auf die steifen Kanapés und versuchte, das Leben der entschwundenen Stun en wieder wach zu rufen. Ihre Augen bemühten sich, in die ́hermetisch verschlossenen Schränke, in die bauchigen Kommoden aus seltenem Holz mit fupfernen Schlössern und Hängen einzudringen, und sie fand, daß fie Gräbern glichen, Sarkophagen, fest verschlossenen Gewölben, in denen Tote ruhten.

Seit sie mit den Fingern über die Tasten des alten Spinetts, des alten Klaviers gestrichen und das Murmeln, das Klagen seiner schwachen Stimme gehört hatte, heate fie eine ehrfurchtlose Scheu vor allen den Geheimnissen,

*) Aus der demnächst erscheinenden Uebersetzung des jüngsten Buches Le Coeur et l'Esprit des führenden französischen Kunstfritikers. Die Uebersezung erscheint in dem Verlage von Albert Langen, Leipzig und Paris, der sich neuerdings so namhafte Verdienste erworben hat um die Vermittelung zwischen den Litteraturen Deutschlands und Skandinaviens und der Frankreichs

die dieses Haus barg. Sie fühlte sich umgeben von Erinnerungen und Ratschlägen, vielleicht auch von Vorwürfen, fie stand in Verbindung mit dem Unbekannten, lebte in einer geheimnisvollen Atmosphäre.

So wagte sie es denn auch nicht, gleich die Schlüffel herumzudrehen, die Türen der Schräufe zu öffnen, es machte ihr Vergnügen, den Augenblick hinauszuschieben, wo fie die Düfte und die Geheimnisse von ehedem in das stille Zimmer hinausflattern ließ, daß sie ihre fieberheiße Stirn umkreisten, sich an ihr pochendes Herz schmiegten. Bisher hatte eine unwiderstehliche Macht sie zögernd, fast wider Willen, täglich mehrmals in dasselbe Zimmer im zweiten Stockwerk unter dem Boden geführt, in einen leicht getäfelten Raum, dessen spärliches Ammeublement aus einem schmalen Bett, einer Kommode, einem schmucklosen Schrank, einem Lehusessel, einem Stuhl und einem Sekretär bestand, dessen Klappe sich zurückschlagen ließ und als Schreibtisch diente. Vor dem Bett lag ein fleiner, ebenfalls sehr schmaler Teppich. In einer Ecke befand sich eine Tür, die in ein Toilettezimmer führte, in dem Kleidungstücke aufgehängt waren, die einfache Ausstattung eines jungen Mannes, eines Studenten, der in die Ferien gereist ist.

Aber dies ein wenig kahle Zimmer mit seinem rotfarrirten, gebohnten Fußböden erschien dem jungen Mädchen das wärmste, geheimnisvollste im ganzen Hause, der bewohnteste Raum von allen.

Ein Porträt über dem Kamin erfüllte das kleine Gemach mit einem seltsamen Lebensfluidum.

Es war das Bild eines jungen Mannes mit ungegepudertem Haar und in die Höhe stehendem Kragen, wie er zur Zeit der Revolution getragen wurde. Er glich feinem einzigen der Vorfahren, deren Gutmütigkeit, Gewichtigkeit und vergängliches Wesen von den verschiedenen Ehrenpläßen der Wohnung herabschaute. Er hatte nicht ihr Advokaten-, Beamten- oder Militärgesicht, ihren Ausdruck ruhiger Verschlagenheit, bewuster Würde, behäbigen Familienfinns. Vielleicht glich der Schnitt seines Gesichts, die Zeichnung der Wangen, der Augen und des Mundes ein wenig den Frauen in den Kostümen des achtzehnten Jahrhunderts, die im Salon hingen und aussahen, als hielten fie ununterbrochen einen pomphaften Empfang ab, er hatte aber nicht ihren leichtlebigen Ausdruck, ihr verheißungsvolles Lächeln flüchtiger Wollust, ihre stolze und ironische Kopfhaltung

Dieser Tote, der so einsam in diesem Zimmer weilte, hatte zweifelsohne den Hauch des Geistes verspürt.

Er war nicht so gemalt wie die anderen Bilder, mit peinlicher Sorgfalt inbezug auf die Kleidung, die Umgebung, die Einzelheiten, er war einzig in seiner Art, von Schatten umgeben, aus denen er plötzlich unvergeßlich hervortrat, mit seiner geisterhaften Blässe, den geschlossenen Lippen, den klaren Augen unter der Marmorstirn. Obwol sein Antlig bleich war, schien eine Flamme über seine Haut zu huschen, seinen Mund zu versengen, sich als helles Feuer in seinem Blick festzusetzen.

stummem Zwiegespräch, bis die Schatten der Dämmerung hereinbrachen und nach und nach die Wände, die Möbel, das Bildnis verhüllten. Der kleine Hof lag wie in Rosenschimmer getaucht da, die weißen Blüten des Jasmins hauchten einen feineren, wärmeren Duft aus. Dann entfernte sich das junge Mädchen leise auf den Fußspißen, schloß geräuschlos die Tür, einen letzten Blick schüchterner Zärtlichkeit zu dem an der Wand erblaffenden Antlit emporwerfend. Auf der Treppe hemmte sie ihren Schritt fast bei jeder Stufe, sehnsuchtsvoll und ängstlich, die Hand auf den zitternden Busen gepreßt, als kehre sie heim von einem geheimnisvollen, gefährlichen Stelldichein. Und dann ward ihr Name gerufen und sie lief in den vergoldenden Schimmer der brennenden Lichter hinab.

Wol waren es geheime Zusammenkünfte während dieses scheidenden Sommers, jeden Augenblick zu ermöglichen, die lange Träumerei einer Liebenden vor dem stummen Bilde, eine selige und qualvolle Zeit der Ge. ständnisse, die sie diesem Abglanz eines auf ewig verlorenen Geliebten widmete.

Der Inbegriff der ganzen Erbschaft war für das junge Mädchen fortan nur der Gedanke, daß sie das einzige Wesen gefunden hatte, das sie hätte lieben können, denjenigen, für den sie bestimmt war, infolge unbeirrbarer Anziehungskraft, und daß gerade dieser Mann unwiederbringlich fern von ihr weilte, aufgelöst in Grabesschatten.

Lange wollte sie nicht wissen, wer er gewesen, wie er gelebt, was aus ihm geworden sei. Ehe sie die Schubfächer in seinem Zimmer öffnete und mit zitternder Hand nach dem Wort forschte, das ihr sein Leben offenbaren würde, weilte fie bei den Ahnenbildern, erquickte sie sich an all den Figuren aus sächsischem und chinesischeni Porzellan, die Verbeugungen machten und Menuetts auf den Marmorfonsolen tanzten.

Ganz plötzlich entschloß sie sich dann eines Tages, das Schweigen zu brechen, das den Unbekannten umgab, eine glühende Neugier trieb sie in sein Zimmer, wo sie sich einschloß.

Das erste, was ihr beim Oeffnen des großen Schrankes in die Hand fiel, waren Bücher und wieder Bücher. Bücher, deren Titel sie fennen, deren Inhalt fie lesen wollte, die ganze Litteratur und Philosophie der beiden letzten Jahrhunderte, politische Broschüren, die um die Morgenröte der Revolution das Licht der Welt erblickt hatten. Ueberall zwischen den Blättern eingeschaltete Notizen, und auch an den Rändern Anmerkungen, mit feiner, vielleicht ein wenig krankhafter Schrift, Aussprüche, die von Gelehrsamkeit und edlem Sinn zeugten. Es war eine leidenschaftliche Seele, ein hoher Geist; das begriff das junge Mädchen, und sie erschauerte im Gefühl des Stolzes.

In den Schubfächern der Kommode fand sie Stöße von Papieren, Entwürfe zu Büchern, Pläne zu sozialen Umgestaltungen, Briefe, zum Teil mit berühmten Namen unterschrieben, Zeichnungen, Landschaften.

Kein Frauenbildnis. welche Freude für die unglücklich Liebende, die Witwe, die Eifersüchtige! Aber ein andres Bild von dem jungen Mann fand sie, in der Blüte der Jugend gemalt, in den Augen einen nach Glück ausspähenden Blick und in den Winkeln des Mundes bereits die Bitterfeit des künftigen Antlißes.

Jedes Mal, wenn das junge Mädchen die Tür öffnete, wußte fie, woher der Lichtrefler kam, der dieses Gesicht belebte, und doch befiel sie eine unerklärliche Unruhe, wenn sie diese Augen mit so viel Angst auf sich gerichtet fah, mit einer Besorgnis, als fönne fie es möglicherweise nicht sein. War dann die Tür geschlossen und der Schatten zurückgekehrt, saß sie wieder in dem Lehuseffel, dem Kamin gegenüber, so nahm auch das Antliß des jungen Mannes den Ausdruck tiefer Trauer, erhabenen Ernstes wieder an. Angesichts dieses unbeweglichen Toten wagte die Lebende nicht, fich zu rühren, blieb sie stundenlang dort fißen inzweiten Grades heraus, eine vereinzelte Angabe. Heine

Hier blieb sie an jenem Tage stehen. Sie wußte den Namen, und sie fand diesen Namen wieder in einem alten Buch, in das Tante Clementine ein Geschlechtsregister und Erinnerungen verzeichnet hatte, fie fand eine Verwantschaft

Heirat, feine Nachkommenschaft. Am folgenden Morgen eilte fie auf den Friedhof, dort fand sie das Grab. Mit achtundzwanzig Jahren gestorben. Unsagbar beglückt und tieftraurig fehrte sie heim.

Bis an das Ende der Ferien dieses Jahres verbrachte fie von nun an alle freien Augenblicke ihrer Tage in der felben Allee dcs Friedhofes. Die Zeit, in der sie sich ihren Träumereien hingab, in der sie das verflossene Leben wieder wachrief, wurde jetzt geteilt zwischen dem Zimmer, in dem die Augen des Bildnisses stralten, und der düstern Stätte, über der die unsichtbare Erinnerung an den Toten schwebte.

Mit leichten, lebhaften Schritten verließ sie das Haus, flüchtig und schnell, als ginge es zu einem geheimen Stelldichein, eine Liebende, die sich verspätet hat und nun unterwegs noch die Bänder ihres Hutes bindet, ihre Handschuhe zuknöpft, den Sonnenschirm aufspannt. Bald hatte sie die Hauptstraße verlassen und die kleine Gaffe durcheilt, die auf die Felder hinausführte. Dort, ganz nahe an der Stadt, auf freiem Felde, in der Ebene, vou Mauern eingeschlossen, zeichnete sich das Viereck des Gaitens der Toten ab, in das eine Pforte führte. — Ein Garten im wahren Sinne des Wortes, in dem wildsproffende Kräuter und Blumen, die zum Naturzustand zurückgekehrt waren, mit ihrem unregelmäßig rankenden Gewebe die Regelmäßigkeit der geradwinkeligen Alleen und die Umgebungen der Gräber bedeckten. Die Lebensbäume und Cypressen warfen ihren freppfarbenen Schatten auf die Grabsteine, die Epheuranken schmückten sie mit ihren Gewinden, die Buchsbaumsträuche umrahmten sie mit ihrem dunklen Grün. Und überall auf diesem Begräbnisböden blühten und erschlossen sich Rosen hinter einem aus Dornen geflochtenen Gitterwerf. Sie würzten diesen ganzen finstern Garten mit ihrem füßen Duft, sie überschütteten ihn mit ihrem Ueberfluß, umschlangen die Bäume, flétterten an den Mauern und den Grabgittern empor, fielen wieder zu Boden, gleich schleppenden Stoffen.

Das junge Mädchen empfand hier nicht jene hoffnungslose Verzweiflung, welche die großen Friedhöfe der Städte stets auf sie gemacht hatten. Zu dem hellen Sonnenschein, inmitten der farbenstralenden Blumen verlor der Gedanke an den Tod alles Finstere, nur die Empfindung der Ruhe blieb zurück. Dies war nicht der große, prunküberladene Père-Lachaise, umgeben, eingeschloffen, begrenzt von den Häusern der Faubourgs, beständig in den Rauch der pariser Fabriken gehüllt. Hier, inmitten der duftenden Wiesen, der fummenden Bienen, nicht weit von den schlafenden Wassern eines Teiches, über die der nimmer ruhende Flug der Libellen huscht, rief die lächelnde Schwermut des ländlichen Friedhofs, die blütenbedeckte Trauer der Gräber den Gedanken an einen Weiler wach, der, in ferne Einsamkeit versunken, in der Glut, in dem Frieden des Mittags entschlummert ist.

Die Heldin dieses überfinnlichen Liebes verhältnisses hielt dort an jedem Tage, zu jeder Stunde des Tages eine wonnevolle Rast in dem traulichen, von langen Pausen unterbrochenen Zwiegespräch der Verliebten. Sie schwelgte in stummen Geständnissen, in geflüsterten Worten, in Seufzern, in süßen Plänen, die für sie, ach! nur ein Sehnen nach längst entst wundenen Zeiten, Pläne der Vergangenheit waren. Aber in der Illusion, in der sie befangen war, in der sie das Leben wieder neu zu gestalten glaubte, bemerkte sie nicht, daß das Leben fehlte, daß sie dem Tode Gewalt antat. In den heißesten Tagen dieses Septembermonats, wenn sie um sich her nur die luftige Musik der Mücken vernahm, hallucinirt von Hiße und Licht, in Träume versunken, halb betäubt, wie sie war, wollte es ihr hin und wieder scheinen, als nähme ihre

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Einbildung Gestalt an, als spräche ihr eine schwarze, leichte Erscheinung, die neben ihr auf dem Hügel saß, leise zu, erfaßte sanft ihre Hände. Mit stockendem Atem, der poglich gehemmt ward von den aufsteigenden krampfhaften Zuckungen, die ihren Busen hastig hoben und sentten, lauschte sie dieser Stimme, die wie aus weiter Ferne an ihr Ohr drang, und obwol es ihr später ganz unmöglich war, sich der einzelnen Worte zu entsinnen, die ie gehört hatte, bewahrte sie doch in ihrem Innern den Eindruck leidenschaftlicher Liebeserklärungen, lange verhaltener Klagen, die sich in süßen Frieden auflösten. Oft meinte sie auch das bis zum Wahnsinn gesteigerte Verlangen nach Leben zu verspüren, glaubte sie sich von Schattenarmen umfangen, die sie leidenschaftlich umschließen wollten, während ein welker Mund sich ihrem Antlik näherte und ihre Lippen suchte.

Von diesen geheimen Zusammenkünften, von diesen Zwiegesprächen fchrte sie zuweilen still und träumerisch, zuweilen aufgeregt und zitternd heim, oft war ihr Antliß in Feuer gebadet, erglühte wie die Rosen der Gräber, an andern Tagen schimmerte es bleich, als habe sie eine Begegnung, eine Berührung mit dem Tode gehabt. Das Wetter wurde regnerisch, der Himmel, der des Morgens blau und des Abends veilchenfarben gewesen war, verwandelte sich in einen trüben, weinenden Himmel. Die Spaziergänge waren mit Schwierigkeiten verknüpft, und der aufgeweichte Boden des Friedhofes ward selbst für Füße in Holzschuhen fast unzugänglich. So wurden denn die Besuche kürzer und seltener. Auch war der teure Schatten bei dem falten Wind, inmitten der verwelkten Rosen nicht wiedergefehrt, die leidenschaftlichen Worte hatten sich nicht mehr hören laffen. Der Liebende schien tiefer in das Reich der Nacht hinabzusteigen, sich mit jedem Mal weiter zurückzuziehen in die schwarze Gruft, in der er ruhte, in die tiefste Höhlung der Erde, in einen verborgeneren, wärmeren Schlupfwinkel. Das junge Mädchen empfand einen tiefen Schmerz, wenn sie von diesen erfolglosen Besuchen in der veränderten Umgebung heimkehrte, und der Liebende, den sie heraufbeschworen hatte, schien ihr wieder verloren, bis zu dem Augenblick, wo sie das Bild wiederfand, wo sie ihre Nachforschungen in dem vom Feuer belebten, von den brennenden Kerzen erhellten Zimmer wieder aufnahm.

Der Sefretär wurde von neuem durchstöbert, verborgene Schubfächer geöffnet, und das junge Mädchen entdeckte noch mehr Briefe, den ersten ähnlich, eine Fortsehung derselben. Da lernte sie den, der sie über die Zeit hinweg gewonnen hatte, vollauf kennen Der ganze An. lauf zu einer Karrière, der ganze glühende Tatendrang spiegelte sich in dieser Korrespondenz ab, in den Manufripten, in denen die Liebe zur Menschheit unter den Worten der stolzen Sprache hindurchschimmerte.

Auch die Enttäuschung schien nicht ausbleiben zu sollen. Sie trat an sie heran in Gestalt eines versiegelten, zusammengebundenen Heftes, das sie öffnete, das sie zu lesen begann, eines ganzen Haufens von Briefen in seiner Handschrift, Briefen, die an eine Frau gerichtet waren, das sah sie bei der ersten Zeile.

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Sie durchflog das alles hastig, mit brennendem Blick. Die Leidenschaft redete eine schöne, verlangende Sprache, forderte von dem flüchtigen Leben in beredten, tief traurigen Werten Anteil am Glück. Und das alles verwoben mit den Schilderungen dramatischer Ereignisse, eine ruhe. lose Liebe, verknüpft mit den Gewalttaten der Geschichte.

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Das junge Mädchen las genauer, gelangte weiter, stieß auf erdichtete Namen, überzeugte sich bald, daß sie einen seiner Romane in Briefen, so wie sie damals Mode gewesen waren, in Händen hatte, sonderbarer Weise aber einen Brief - Roman ohne Antworten, eine Art von

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