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der Tat jezt auf dem Monte Pincio in Rom ihre Marmordenkmäler haben, so hat selbst die einstige Republik Genua ihre alten historischen Namen der vom Columbusdenkmal in die Stadt hineinführenden Straßen in Via Cavour, Via Cairoli u. f. w. umgeändert. Da kann es uns denn nicht wundern, daß der dreihundertste Todestag Torquato Tassos in vielen Städten Italiens, nicht blos in seiner reizenden Geburtsstadt Sorrento, die er in seinem Hauptwerf, der,,Gerusalemme Liberata" gepriesen hat, feierlich begangen wurde. Das Programm für das am dreizehnten Juni dieses Jahres in Padua beginnende Fest des Schuppatrons der Stadt, des heiligen Auto

einige Gewinne feft. Er wies auf die Bevorzugung hin, mit der gerade die mittleren Regionen des Seclenlebens, in denen sich gutes und böses auf halben Wege berühren, fünstlerisch behandelt werden. Wie man fühl und ernst die Nachiseiten menschlichen Gefühlslebens zu deuten versucht. Man wird Spielhagen diese Anerkennung danken; man wird aber nicht unbedingt auf Goethe das anwenden, was er von ihm und den Epikern seiner Zeit summarisch aussprach: Eie hätten die Sonne zu lieb gehabt und die Sterne" und nur schüchtern angedeutet, was durchs Labyrinth der Brust wandelt in der Nächt." Der seelische Ehebruch Eduards in den Wahlverwant schaften, in Heinrich von Kleists und Hoffmanus Novellennius, den unser Busch freilich weniger feierlich behandelt locken doch geheimnisvoll genug: „Komm, folge mir ins dunkle Reich hinab."

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Auf der andern Seite, bei der Betrachtung etwaiger Fortentwicklung in Technik und künstlerischer Darstellung, fand Spielhagen ein dem Gewinn in erster Hinsicht entsprechendes Manko zu verzeichnen: Wir haben viel Romanschreiber, aber wenig Romandichter."

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Noch einen Blick auf das Ausland warf er und tat, schnell fertig siebentod auf einen Streich Zola nebst den andern französischen, russischen, kandinavischen Roman- und Novellenmatadoren, die recht fleißige und unterhaltende Leute, aber keine epischen Dichter find", endgiltig ab. Ich wage nicht zu widersprechen. Wie viel Play brauchte ich dazu, und wie viel oft gesagtes müßte ich wiederholen. Beffer geht mir doch der Schlußsaß ein, der ausführt: entscheidend ist, daß der epische Dichter Menschen nach seinem Bilde schafft, die sich allein durch ihr Tun und Laffen erklären und nicht erst eines Kommentars durch abstrakte Schilderung bedürfen; Menschen, die nach einem eigenen inneren Geseß, das ihnen der Dichter in die Brust pflanzte, leben.

Nach diesem lebten Saß weichen wir in voller Uebereinftimmung von Spielhagen, nur daß wir jenen Sag nicht allein auf den Epifer, sondern überhaupt auf jeden Künstler anwenden. Das ist die Hauptsache, nicht das restlose Aufgehen in das konstruirte Schema einer programm mäßigen Entwicklungstheorie. Tiefgründigere Erkenntnisförderung bringt sie nicht, sie ist nur Schmuck- und Schaustück der eleganten und formvollendeten weimarer Festrede eines eleganten und formvollendeten Schriftstellers, der wie in seiner Kunst, auch in seiner Aesthetik nach Ordnung, Afturatesse der Architektonik und Harmonie d.r Teile strebt und dabei leichte Retouchen auf Kosten der brutalen und unharmonischen Wirklichkeit nicht scheut.

Tassofeier in Italien.

Bon

Professor Karl Sachs.

Wol fein Volk ehrt mit solcher Begeisterung seine großen Männer wie unsere jetzigen Verbündeten, die Italiener. Ueberall finden sich Pläße und Straßen mit den Namen von Victor Emanuel, Garibaldi, Cavour und anderen, Gedenktafeln schmücken unzählige Häuser zur Erinnerung an ihren fürzeren oder längeren Aufenthalt in denselben, Büsten und größere Wandbilder die Pläße; und wie Mazzini, Garibaldi und andere Männer

hat, ist noch nicht erschienen; mir erzählte aber eine aus der besonders durch sein großes Café Pedrocchi berühmten Stadt stammende Dame, daß sich der Ort und seine Umgegend schon jetzt festlich schmücke, um die hoffentlich in großer Zahl hinströmenden Fremden würdig zu empfangen. zu Sorrent, wohin der unglückliche Sänger des ersten Kreuzzuges, der am elften März 1544 dort geboren war, im Jahre 1577 elend und als Hirte verkleidet kam, um bei seiner Schwester nach seiner eiligen Flucht aus Ferrara Schuß und Heilung zu suchen*), hatte schon früh ein von dem dortigen Sindaco Luigi de Majo gebildetes Komitee einen ausführlichen Plan für die, Feste tassiane' ausgearbeitet, zu dessen Ausführung sich die Stadt schon bei meiner Anwesenheit gegen Ende März rüstete.

An der im Jahre 1870 errichteten Marmorstatue des Dichters, gegenüber dem großen Hotel Vittoria wie in der Hauptstraße wurden Gerüste zu Deforationen errichtet und alles für die Ausstellung von Erinnerungen an Tasso hergerichtet, welche der Prinz von Neapel am 25. im Kloster S. Antonino eröffnen sollte. Auf eine furze Begrüßungsrede des Vorsitzenden folgte ein begeistert aufgenommener Vortrag von Nicolo de Ni. colo über den Dichter, später Konzert und Ball im Hotel Vittoria. Am 26. wurde ein ländliches Fest im Deserto gefeiert, das hoch im Westen der Stadt gelegen, von dem Altane des alten Klosters eine entzückende Aus sicht über den Golf von Neapel und den Busen von Ealerno gewährt, und ein Fackelzug schloß diesen Tag, welchem sich am 27. große Segelregatten, Feuerwerk und Ball im Hotel Tramontano auschlossen. Dieser wunder voll gelegene große Gasthof mit entzückenden Gärten ist das Haus, in dessen einem Eczimmer, neben dem jeßigen Billardzimmer, Taffo geboren sein soll, während nach einer anderen Erzählung sein Geburtshaus schon seit langer Zeit in den Fluten des Mittelmeeres begraben ist. Jedenfalls erinnern in dem Vorzimmer Bilder von Tasso und seinen Eltern, dem 1569 gestorbenen Dichter des Amadigi, Bernardo Tasso, und Porzia de' Rossi, aus einem edlen neapolitaner Geschlechte, daran, daß die jetzigen Besizer des Hauses an der ersten Erzählung festhalten. Am 28. April wurden zwei Gedenksteine nach Ansprachen des stellvertretenden Staatsanwaltes von Neapel Francesco Saverio Gargiulo enthüllt, der eine an dem obengenannten Gebäude, der andere an dem seiner Schwester, der Casa Gersale in der Nachbarschaft desselben, in dessen Flur ein großes Deckengemälde eine Art Apotheose Taffos darstellt. Auch der Erzbischof Giustiniani wollte den unglücklichen Sänger als gläubigen katholischen Dichter feiern, zog es aber vor, dem Feste fern zu bleiben, das der Enkel Victor Emanuels einweihte, und enthüllte nach Messe und Tedeum einen Stein mit lateinischer Inschrift, welche an den Tag erinnert, quo Torquatus Tasso

*Die,,Illustrazione popolare" vom 25. April brachte ein Bild von Severio Altamura, welches die Begegnung mit seiner Schwester Cornelia darstellt.

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decretam triumphi laurum immortalitatis corona com- feffor Ghiarini im Beisein von Abgeordneten aus Perugia, mutavit. Taubenschießen, Blumenkorso und Konzerte Cremona, Livorno, Caserta u. a. . verlesen. Den Abend eine etwas eigenartige Ehrung des großen romantischen schloß die Aufführung von Torquato Tassos Aminta, Dichters füllten den 29. aus; am 30. aber, nachdem,,favola boschereccia in 5 atti con intermezzi musicali die Rede, welche der Minister Ruggiero Bonghi für diesen Tag versprochen hatte, da er durch Krankheit behindert war sie selbst zu halten, vom Professor Cimiro gelesen, und ein anderer Vortrag von dem amerikanischen Schriftsteller Crawford gehalten war, schloß die offizielle Feier mit einer kurzen Ansprache des Herren Gargiulo unter großer Beteiligung der Behörden, auch aus den umliegenden Ortschaften. Am ersten Mai aber beging die Società operaia di Sorrento noch ihr spezielles Fest, an das sich eine Lotterie und Feuerwerk auschloß. Auch in Neapel, wo der Dichter seine erste Schulbildung in einem von Jesuiten geleiteten Institute erhielt, wo seine Büste in einem Tempelchen der Villa Nazionale steht, und eine der schönsten Straßen hoch über der alten Partenope seinen Namen trägt, feierten wie in Ferrara | und andern Städten wenigstens die bedeutendsten Journale das Gedächtnis des Dichters. Nach ihm ist auch in der alten Universitätsstadt Salerno ein großes Lyceum genannt, das jetzt für die Bildung in jener Stadt sorgt, deren medizinische Schule im Mittelalter ihren Namen weit und breit bekannt machte.

Die des großen Poeten würdigste Feier aber fand in der jetzigen Hauptstadt des geeinigten Königreichs, in Rom statt, in dessen altem Klöster San Onofrio auf dem Monte Gianicolo der Dichter nach langen qual vollen Leiden am 25. April 1595 seine edle Seele aus gehaucht hatte. Die Festlichkeiten wurden mit der Ausstellung der auf Tasso bezüglichen Autographen und anderu Reliquien des Gefeierten in dem Zimmer des Klosters von San Onofrio eröffnet, das seit seinem Tode ähnlich wie die Sterbezimmer Goethes und Schillers in Weimar unverändert geblieben ift. Zu dieser Mostra tassiana', welche noch längere Zeit gegen ein Eintrittsgeld von einem Franken zugang lich war, hatte auf Anregung des Bibliothekars Guido Biagi und des bedeutenden Tasso - Kenners, Angelo Solerti, eine große Zahl italienischer Städte Einsendungen | gemacht, unter welchen besonders die erste Bearbeitung der ,,Gerusalemme Liberata", ferner Manuskripte der „Gerusalemme Conquistata" und seiner andern Werke, wie auch ein früher Druck von 1583 (Venedig) und hoch interessante Ausgabenbücher vom Hofe der Este in der Efte in Ferrara bemerkt wurden, aus denen sich über Tassos damaliges Leben wichtige Fakta ergeben. Auch ein Autograph der beißenden Satire, welche der Dichter als Student in Bologna 1563 gegen seine Profefforen verfaßt hatte, und eine große Zahl bedeutender Bilder de Gefeierten, besonders die vcn Allori, Focosi und von Celentano, vervollständigten die Sammlung, welche auch das Königspaar inmitten einer zahlreich erschienenen Versamm lung mit großem Interesse besichtigte. Eine von der Accademia degli Arcadi gesante Deputation und Beauftragte verschiedener Schulen, wie auch des Ateneo in Bergamo legten auf das von Pius IX. 1857 restaurirte Grab und vor der Statute des Dichters Kränze nieder. Um 12 Uhr wurde eine Marmortafel mit entsprechender Inschrift vor dem Palast Negroni an der Piazza Cardelli enthüllt, in welchem Tasso von 1587 bis 1590 als Gaft des Kardinals Scipione Gonzaga gewohnt hatte. Am Nachmittag um 41/2 Uhr begann, wieder unter Anwesenheit des Königspars, in dem Horatier- und Curiatierzimmer des Kapitols die Prämienverteilung für die auf Tasso bezüglichen zur Konkurrenz eingeliefer ten Arbeiten, und zur selben Zeit wurde vor Tassos Büste in San Onofrio eine von Bonghi verfaßte Rede vom Pro

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del tempo e con prologo in versi composto per la circostanza e detto da Enrico Panzacchi." Die Darsteller, Schüler des Profeffors L. Rasi aus Florenz, ernteten großen Beifall, ebenso wie die Verse von Panzacchi; während ihres Vortrages, im Beisein der Königin Margherita, wurde auf der Bühne eine Büste des Dichters von Ximenes enthüllt. Auch in der Feier der Sapienza las de Gubernatis, in der Arcadia Prinzivalli, einen Vortrag über Taffo. Wie aber in Sorrent die Geistlichkeit eine besondere Feier veranstaltet hatte, so auch hier: der Kardinal Vannutelli las um 8 Úhr früh eine Messe in San Onofrio, wozu die Glocken geläutet wurden, welche einst Garibaldi aus Pietät gegen den Dichter verschont hatte, als er eine ganze Anzahl von Kirchenglocken einschmelzen ließ. Aus ähnlicher Rücksicht ließ man bei der Anlegung der wundervollen neuen Straße auf dem Gianicolo, der Passeggiata Margherita, welche den alten Klostergarten durchschneidet und bei der Fontäne Acqua Paola endete, die vielfach gestüßte und untermauerte Tasso-Eiche stehen, unter welcher der Dichter sigend oft das herrliche Bild der zu seinen Füßen liegenden Roma bewundert hatte. Am Nachmittag aber erschienen viele katholische Vereine, um auch ihrerseits den Sänger jenes Heldengedichtes zu feiern, der tieffte Religiosität und heidnische Vorstellungen so innig verquickte, daß Tasso selbst die Verfolgung der Inquisition befürchtet hatte.

Ausführliche Beschreibungen der Feste mit Abbildungen brachten besonders die illustrirte Zeitschrift Le Varietà vom 21. April (Neapel), der Corriere vom 24. und 26, die Tribuna vom 21, die Illustrazione vom 28., la Vera Roma und der Secolo illustrato von dem selben Tage, wie schließlich ein größeres Heft: Terzo Centenario di T. Tasso (Roma 1895, Unione cooperativa, 4o).

An die vielen Schriften, welche Taffos Leben béhandelt haben (wir erwähnen nur Serassi, Bergamo 1790, Manso, Venezia 1825, Giuseppe Ferrazzi, Studi biografii, Baffano 1880, Bier Leopoldo Cecchi, Il Pensiero 1877 und T. Taffo (Firenzo 1880), Hasell, Taffo (London 1882), wie die besonders Tassos Krankheit behandelnden Werke von Giacomuzzi, Verga, Carducci, Corradi, Girolamo, Rothe, de Sanctis, d'Ovidio, Canello und Settembrini schloffen sich als bedeutende Festschriften an: Virginio Prinzivalli, Vita ed amori di T. Tasso und T. Tasso in Roma (Roma, Perino 1895) und A. Solerti, Vita di T. Tasso (I. vita, II. lettere, III. documenti, appendice, Index) (Milano, Loescher 1895, 8o).

Auch die Werke des Dichters wurden in diesem Jahre neu aufgelegt, vor allem sein Hauptgedicht, das zuerst nach dem Führer des ersten Kreuzzuges Goffredo, Dann Gerusalemme conquistata genannte Epos Gerusalemme liberata, das 1574 fertiggestellt und lange umgearbeitet, 1576 ohne des Dichters Wiffen gedruckt, erst zwei Jahre, bevor der Dichter nach Rom ging, um dort als Dichter gekrönt zu werden, seine erste echte Ausgabe fand. Das in neuerer Zeit öfter, besonders 1882 von Scartazzini (Leipzig), Falorzi 1884 (Firenze). Severino Ferrari 1890 (Firenze), Stiavelli 1890 (Roma) und im Auszuge für Schulen von G. Mezzatinti und G. Padovan edirte Werk wurde vom Verleger Sonzogno in Mailand und von Perino in Rom 1895 für das Volk in billigen Ausgaben veröffentlicht, wärend Hoepli in Mailand die große Ausgabe, welche Giovan Battista Albrizzi 1746 mit

(illustrationen von Tiepolos Lehrer Giambattista Piazzetta In Venedig) der Kaiserin Maria Theresia dedizirte, nen herausgab.

Auch von den kleineren Gedichten, welche Solerti 1881 in Bologna in 2 Bänden (16o) vorzüglich edirt hatte, wie er 1892 einen ausgezeichneten, alle bibliographischen Notizen enthaltenden Appendice alle opere in prosa (Firenze, 16o), veröffentlichte, erschienen Neudrucke, und über das Drama des Dichters eine Studie von Charlotte Banti, L'Amyntas (sic) du Tasse et l'Astrée d'Honoré d'Urtée (Milano, 8°). Endlich veröffentlichte Antonius Martinius die Carmina latina Torquati Taxi (Roma 1895).

Beinrich Bansjakob.

Von

Joseph Sarrazin.

Mit tragischer Naturtreue hat Guy de Maupassant den Dämon beschrieben, welchem sein hoher Geist zum Opfer fallen sollte, den langsam in sein Hirn sich einbohrenden Spufteufel Le Horla. Etwas ähnliches hat dem in Süddeutschland hochgeschätzten katholischen Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob vorgeschwebt, als er sein Buch schrieb „Aus kranken Tagen"), aber sein Flug reicht lange nicht zu Maupassants Höhe. Er bleibt hübsch auf dem Boden der Prosa, plaudert gemütlich, kommi vom hundertsten ins tausendste, nimmt hin und wieder aus den Hunderten von Zettelzitaten einen wirkungsvollen hervor und im Nu find 270 Seiten Tagebuch da.

So weit wie der geniale Franzose, hat es der badische Pfarrherr mit der tückischen Krankheit nicht kommen lassen. Sobald er sich klar war, daß die bleierne Schwere seiner Melancholie immer mehr zunahm und die Zwangsvorstellungen sich immer hartnäckiger einstellten, faßte Pfarrer Hansjakob den mannesmutigen Entschluß, sich freiwillig in eine Heilanstalt zu begeben. Am Dreifönigs tag 1894 traf er also in der musterhaften und weithin berühmten Frrenanstalt Illenau ein (bei Achern in Baden) und fonnte nach mehrmonatlicher sorgsamer Pflege geheilt nach Freiburg i. B. in seine Pfarrei zurückkehren. Die Empfindungen und Erlebnisse aus dieser schmerzlichen Periode seines Lebens sind in dem uns vorliegenden Buche Aus franken Tagen" niedergelegt. Gleichzeitig soll dasselbe dazu beitragen, die beim Volke vorhandene Abneigung gegen die psychiatrische Behandlung und den Aufenthalt in einer Irrenanstalt zu bekämpfen, sowie den Regirungen die Notwendigkeit der Gründung besonderer Anstalten nahe legen, worin den leicht affizirten Neurafthenifern und leicht verstimmten Neuropathikern sach gemäße Behandlung zuteil werden soll.

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Diese hohe Aufgabe hat der Verfasser der,,Kranken Tage" etwas leicht genommen. Das Buch ist mit epischer Breite angelegt, mit frommen und weltlichen Exkursen durch flochten und mit persönlichen Bemerkungen über diese und jene völlig gleichgiltigen und meist herzlich unbedeutenden Persönlichkeiten verbrämt. Es seßt sich Hansjakobs Buch aus zwei leicht erkennbaren Schichten zusammen. Die eine Die eine besteht aus den Aufzeichnungen des kranken Pfarrherrn,

*) Heidelberg bei Georg Weiß.

die zweite aus den im behaglichen Daheim gemachten Zufäßen, eine Art Abzahlung der Dankesschuld an alle Freunde und Besucher, nebst den vielen, vielen überflüssigen Zitaten.

Scheidet man diese Spreu aus, so bleibt manches Goldkörnlein übrig. Aber einen Fortschritt in Hansjakobs schriftstellerischer Entwicklung bezeichnet dieses jüngste Erzeugnis seiner Feder nicht.

Ein seltsames Gemisch aus schwermütiger Selbstbeobachtung, wortreicher und wolgefälliger Selbstbespiege lung und echtem Humor bringt dieses Tagebuch „Aus kranken Tagen". Das Episodenhafte drängt sich zwar aufdringlich vor, aber nirgends mit unangenehmer Aufdringlichkeit. In urwüchsiger Weise schimpft z. B Hansjafob troß des elegisch angekränkelten Tones auf alles, was ihm als ehrlichem Bauernsohn und Bauernpfarrer wider den Strich geht, auf Preußen, auf Büreaukratie, auf atheistische Profefforen, auf Bauern, die städtische Tracht annehmen, auf eitle Weiber, Wibervölker", wie man sie in seiner Heimat nennt. Er schreibt: „X. trägt den Scheitel seiner wolgepflegten Haare in der Mitte, wie Leutnants, Kellner und derartige Lente, die sich viel mit dem Kopfe beschäftigen." (S. 111.) Dann ein andermal, aus Freude darüber, daß trok städtischer Kultur eine alte ländliche Volkssitte noch in Illenaus Nähe gepflegt wird:

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„Mögen Geistliche und Lehrer in den Dörfern_um Achern herum die obige ehrwürdige, poesievolle Sitte erhalten helfen, und möge nie versimpelter Aufkläricht unter dem ebenso versimpelten Tite! Aberglauben der reizenden Petersnacht" entgegen. wirken." (S. 150) An solchen Säßen erkennt man den lustigen maulfrohen“ Kinzigtäler, den „Mauldemokrat und Wolfensegler", wie Pfarrer Hansjakob sich selbst S. 117 titulirt.

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Manchmal erinnert er sich seines geistlichen Lehramts und moralisirt in ernstestem Tone wider die neue Weltanschauung, oder wider den und den Unfug (vergl. S. 225 ff., G. 266 ff.). Aber es schaut der Humorist immer wieder aus Säßen heraus, wie: „Die Einführung des Spinnrads wäre ein wichtiger Beitrag zur Lösung der sozialen Frage" (S. 79), oder gar aus der sprachwissen schaftlichen Fantasterei über den Ursprung des Wortes Seele: Es kam mir da der Gedanke, ob nicht die Worte See und Seele eines Stammes sein möchten. Nennt doch das Volf, dieser große Sprachforscher und Sprach. bildner, einen fleinen See ein,Seele (le lein ist eine alemannisch schwäbische Diminutivform). Und spiegelt sich nicht alles in der Seele ab, wie in einem See? Und stürmts und tobts nicht in der Seele oft, wie in einem aufgeregten See? Und gehen die Stürme und Wetter der Natur nicht über den See, wie die Stürme und Wetter des Lebens über die Seele?" (S. 53).

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Man merkt aus diesen Worten, daß Hansjakob an einem See gelebt und geträumt haben muß. In der Tat hat er fünfzehn Jahre als Landpfarrer in Hagnau am Bodensee gewirkt, und dieser Aufenthalt unter den „See. hasen" des badischen Ländchens mag die dichterische Fantafie des finzigtäler Bauernsohnes auch geweckt und gefördert haben.

Das badische Kinzigtal ist weltbekannt geworden durch die großartige Schwarzwaldbahn OffenburgSingen-Konstanz, welche der Sömmering und Brennerbahn ebenbürtig zur Seite steht. Ein Strom von Touristen hat sich seit zwanzig Jahren in die fernsten Täler ergoffen und die ursprüngliche Rauheit der Schwarzwaldbauern etwas abgeschliffen.

Wenn der Zug an Ortenberg und am Schloß des Finanzbarons Hirsch vorüber das mittelalterliche Städtchen

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Gengenbach mit seinen Mauern und Türmen im Halb. der stille Ingrimm des ehrlichen Mannes, der sich bei bogen umfreist hat, hält er an der achten Station an, seinen unduldsamen Parteigenossen verfehmt sieht, weil er Haslach, oder „Hasle“. Hier, wo die Häuser echten den Mut eigener Ueberzeugung besißt und nicht mit geSchwarzwaldstils noch häufig auftreten, wuchs Heinrich | bundener Marschroute zur Landtagstagung nach KarlsHansjakob auf, ein Menschenalter ehe das Kinzigtal von ruhe zog. Die Unduldsamkeit und Verbissenheit des Sommerfrischlern überschwemmt war. badischen Ultramontanismus neuerer Observanz hat dem einst streitbaren Pfarrer von St. Martin die politische Laufbahn dauernd vergällt.

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Bei seinem Heimatsstädtle" tun sich zwei malerische Täler auf, welche die Römer schon fannten, wie Votivsteine beweisen. Aber trotz Eisenbahn und fortschreitender Erst seit Abschluß des leidigen,,Kulturkampfes“ ist HansKultur haben die Bauern dieser Täler viele ihrer Eigen- jakob der volkstümliche Schriftsteller geworden, den man außertümlichkeiten gewahrt, und es ist Hansjakobs bleiben halb des badischen Ländchens immer mehr würdigen lernt. des Verdienst, ein Verdienst, welches erst die Er ist ein Sohn des Volkes und ist in steter Fühlung fortschreitende Einebnung alles Urwüchsigen und mit ihm geblieben. Wäre er, wie die junge PriesterKnorrigen klar machen wird, in einer Reihe von generation, lediglich vom Knabenseminar ins bischöfliche Erzählungen und Augenblicksbildern die Physio- Konvikt und von da in die praktische Seelsorge gekommen, gnomie der biderben Kinzigtäler, ihre Lebens- so hätte sich nimmermehr seine scharfe Menschenkenntnis, gewohnheiten und Anschauungen festgehalten seine präzise Beobachtungsgabe, seine durchaus selbständige und festgelegt zu haben. Wer einmal die Wilden und selbsttätige Auffassung von Menschen und Dingen Kirschen" und die Schneeballen" Hansjakobs entwickeln können. Hansjakob mußte aber zuerst bei gelesen hat, in deffen Geiste haftet jeder einzelne seinem Vater als Bäckerjunge arbeiten, ehe er für befähigt Zug einer jeden Persönlichkeit. Der Eselsbeck von erfannt wurde, das Gymnasium zu Rastatt zu beziehen. Hasle, der Jaföbele in der Grub, der Christian, Dort war er nicht gerade ein Musterknabe; denn eine der Nagler Valentin und alle die anderen Gestalten sind recht bierselige Kneipenstimmung spricht aus seinen Ermit echtem und lebenerfülltem Humor abfonterfeit. Die innerungen aus der Studienzeit". Zum Studium der alte Landessitte, die dem Untergang geweihten Volks- Philologie und Theologie trieb ihn nach des Durstes bräuche stellt der Poet Hansjakob weit höher, als die mit ausgibiger Stillung sein Wissensdrang, und heute rühmt den Eisenbahnen in die Schwarzwaldtäler und nach den sich Hansjakob noch im Scherz, geprüfter Dr. phil. und Bodenseegestaden vordringende Kultur. Eine Bäuerin in geprüfter badischer Philologe zu sein. Diese philologische · Landestracht dünkt ihm eine Fürstin neben der „Städtle- und historische Schulung kam seinen kleinen lokalgeschichtbauersfrau" in halbstädtischer Kleidung, die ihrem Mannlichen Arbeiten zugute, obschon hinter dem Forscher und ihren Buben auf dem Jahrmarkt Papierkragen kauft. immer wieder der Poet herausschaut: so glaubt HansMit der Definition des Humoristen trifft Hansjakob jakob ernstlich, der schwarze Berthold, dessen Statue vor den Nagel auf den Kopf, soweit er sein eigenes Bild feinem Pfarrhof steht, habe wahrhaftig das Schießpulver malt: Echter Humor ist nur in der Natur und im zu Freiburg erfunden („Der schwarze Berthold", FreiNaturmenschen, drum findet man die feinsten Humoristen | burg i. B. bei Herder, 1891). unter dem Landvolk und unter den Kleinbürgern älteren Schlages.... Der wahre Humorist ist derb, unhöflich, wahr, frei, demokratisch; drum darf man ihn nicht bei Salonmenschen, Bureaufraten und servil n Seelen suchen" (S. 19 von Aus kraufen Tagen")

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Der Verfasser der Wilden Kirschen" (Heidelberg, Gg. Weiß, 1888), der „Dürren Blätter" (ebd. 1889 ff.). der Schneeballen" (ebd. 1891 ff.) wäre also unter den humoristischen Realisten im besten Sinne des Wortes einzureihen. Seinen Landsleuten für diese schreibt er in erster Linie - bietet er gesundes, kräftiges Schwarzbrot; uns misachtete Stadtleute weht zugleich würziger Schwarzwaldduft und rauher Bodensecodem an, wenn wir in Hansjakobs Erzählungen uns vertiefen. Seine anderen Bücher freilich lesen wir mit gemischten Empfindungen, da ihnen jede künstlerische Eigenart und gleichzeitig der äußere sprachliche Schliff abgeht.

Heinrich Hansjakob hat viel geschrieben. Er war ein streitbarer Politiker und Polemiker, ehe er ein Meister der Volkserzählung ward. In manche liberale Versammlung fuhr er mit seinen Bauern hinein, wie der Hecht durch den Karpfenteich; er war badischer Landtagsabgeordneter und vergeblicher Reichstagskandidat. Seitdem er aber im schönen Freiburg im Breisgau die Martinspfarrei innehat, ist Hansjakob lediglich Schriftsteller, soweit Seelsorge und Predigeramt ihm Muße lassen. Wer sich darüber wundert, daß ein so hervorragender Geistlicher unter den Plänklern der ecclesia militans und den Vorfämpfern des Antrags Rintelen fehlte, wer sich fragt, weshalb Pfarrer Hansjakob jeder politischen Tätigkeit entfagt in einem Ländchen, wo der Ultramontanismus mit terroristi scher Gewalttätigkeit auftritt, der lese die Erinnerungen des Landtagsabgeordneten Hansjakob (In der Residenz", ebd. 1878). Aus jeder Seite des Büchleins spricht

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Das stürmische sanguinische Poetentemperament schadet leider der äußeren Form von Hansjakobs Schriften. Abgesehen von der nachlässigen Komposition und den allzuausgedehnten Abschweifungen, abgesehen von den unumgänglichen Provinzialismen, sind auch grobe Grammatikversehen zu finden. In dem jüngsten Werke ist z. B. auf Seite 9 folgender Satz zu lesen:

Ich verlebte einen seligen Abend neben dem alten Oberamtmann, vor dessen Geist ich Alt-Haslich aufleben und seine Gestalten von ihm beurteilen ließ."

Derartiges würde sich kein französischer Schriftsteller leisten. Aber unsre Nachbarn von drüben haben unter ihrem jeßigen Dichtergeschlecht keinen Volksschriftsteller, der auch nur entfernt an unseren Hansjakób reicht. Minima non curat praetor.

Napoleon und die Frauen.

Von

Karl Bleibtreu.

I.

Von der deutschen Uebersetzung des Massonschen Buches „Napoléon et les Femmes", das seiner Zeit in Frankreich berechtigtes Aufsehen erregte, liegt schon die dritte Auflage vor (Schmidt ut. Günther, Leipzig). Noch übt die Erinnerung an den „korsischen Parvenu“ ihren

alten Zauber, der schaurigsüße Liebesruf „Vive l'Empereur" verklang noch nicht in Vergessenheit.

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Kleinhacken ist kein Zimmern, Herostrat war ein schlechter Baumeister. Die große Nörgelschule LanfreyTaine tat ja ihr Möglichstes, um des Spruches ewige Wahrheit neu zu belegen: Du gleichst dem Geist, den du begreifft." Ihr Bandit Bonaparte als direkter Abfömmling Cesare Borgias hat sich der heutigen Vorstellung des gebildeten Kulturbürgers, der schadenfroh Riesen mit Krämerellen zu meffen liebt, als eine lebens wahr plastische Wirklichkeit eingeschmeichelt. Nur schade, daß diese Schöpfung ihrer kritischen Fantasie dem natur wahren Helden so ferne bleibt, wie die Idealgestalt der Napoleon-Legende. Daß Taine sogar Urkundenfälschung nicht scheute, hat Jerome, der Neffe des Onkels, leider nachgewiesen, dessen Buch Napoleon und seine Verfleinerer" neben manch schiefer Uebertreibung doch im ganzen auf unumstößlichen Tatsachen fußt. Und wie wird die systematisch gezüchtete Anti-Napoleon-Legende (denn auch der Haß spinut Legenden) mit Massons Dokumenten fich abfinden? Was werden die Pfeudo-Nietzscheaner, die so gerne Uebermenschen nach ihrem Ebenbilde formen, mit diesem weichherzigen Gemütsmenschen anfangen, dem feine ideologische Zärtlichkeit so oft in Lebenskrisen verhängnisvoll wurde? Es bleibt nun schon beim Alten: der Uebermensch als ritterlicher Löwe, nicht als tigerhafte Bestie.

Wir für unser Teil möchten freilich wünschen, der Imperator wäre weniger Mensch als vor allem Mann“ gewesen. Schier unbegreiflich, wie ein Riesengehirn, das mit Weltgedanken schwanger geht und alles menschlichen Wirkens Grenzen umspannt, so manche Bagatelle beherbergen konnte! Dem Psychologen freilich, um nicht zu sagen dem Physiologen, wird es gewiß nicht auffallen, daß diesem Uebermenschen nichts Menschliches und allzu Menschliches fremd blieb. Stellt doch das Normalgenie einen Mikrofosmus für sich dar, in dem alles Hohe und Niedere zugleich Raum findet! Wenn die Vertreter der verschiedensten Berufszweige sich einfach „starr“ erklärten über die umfaffende Durchdringungskraft dieses Intellekts, ohne daß irgendein vorbereitendes Studium des Ersten Konsuls seiner herkulischen Augiasausstallung vorhergegangen wäre, warum sollte dieser flammende Wille nicht auch im intimsten Privatleben, in der Erotik, sein verzehrendes Feuer ausgesprüht haben! Der Halbgott war eben auch nur ein Mensch, aber nie ein kleiner Mensch Wie in seinem Verhältnis zu Freunden, Dienern und Verwanten, soweit die Tatsachen nicht durch Hintertreppenklatsch_entlaffener vornehmer Domestiken wie Bourienne und Frau von Remusat verdunkelt worden sind teilweise, denn selbst diese undankbaren Schwäßerzungen gestehen seine Gutmütigkeit zu, so erscheint Napoleon auch den Frauen gegenüber: ganz Löwe voll langmütiger Geduld und schonender Großmut, jeder Zoll kein Parvenu, was manchem Purpurgeborenen der Weltgeschichte recht sehr zu wünschen wäre. Darum sollte niemand das Massonsche Buch ungelesen lassen, der für die gewaltigste Heldenerscheinung und eigenartigste Genieverkörperung noch Empfänglichkeit bewahrte.

Die Sittlichkeitsproßen der Umsturzvorlage, welche gern den Begriff der Ehe gegen jede Antastung gesichert sehen wollten, hätten sich ergöglicherweise auf den Unmenschen Napoleon berufen können als einen begeisterten Vertreter und Anhänger der Monogamie. Seine vorübergehenden Schäferstündchen mit beliebigen Hofdirnen, deren Berechtigung in korsischem Temperament und französischen Sitten beruht und zu deren „moralischer“ Entschuldigung seine Fesselung an eine ältere verblühte Frau genügt, spielten sich in den Jahren vor der Scheidung von Jose

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fine ab. Nichtsdestoweniger darf man diese kleinen „Zerstreuungen“ nicht irgendwie ernst nehmen, sein Herz gehörte der gealterten Kokette, feiner ersten und genau genommen einzigen Liebe. Seiner zweiten Gattin, der Habsburgerin, blieb er unverbrüchlich treu und gefiel sich sogar in der Rolle eines eifersüchtig verliebten Gatten. Marie-Louise gewann auf ihn einen bestimmenden Einfluß, der sich sogar zum Unwürdigen steigerte, daß er ihretwegen die Geschäfte manchmal vernachlässigte und unterbrach, ihren Launen sich gefügig unterordnete. Ueber die Tochter der Cäsaren" hat man sich nie Illusionen gemacht; die Erbärmlichkeit dieses Frauenzimmers, die aus den Armen Napoleons in das Bett eines Kammerherrn Neipperg stieg, steht über allem Zweifel erhaben. Doch die vergötterte Josefine, von Legende und Poesie umwoben, erscheint uns heute gleichfalls in bedenklichem Lichte. Selbst ihr Apologet Imbert de St. Amand mußte in seiner Serie „Les Femmes des Tuileries" zwischen den Zeilen gar manches durchschimmern laffen. Üm ihre voreheliche Vergangenheit befümmerte fich ihr Anbeter Bonaparte nicht: überaus bezeichnend für seine vernunft. mäßige Anschauungsweise. Über ihr niederträchtiges Benehmen und ihre gleichgiltige Kälte, als er in Aegypten fern von ihr war, gingen doch selbst ihm über den Spaß. Aber sein fester Entschluß, sich von dem würdelosen Weibe zu trennen, zerschmolz vor ihren Tränen: dieser echte Mann konnte Frauen nicht weinen sehen und sein großes Herz, allem Kleinlichen abhold, kannte nur Verzeihung.*) Rücksichtslos in Verfolgung seiner Weltumwälzungspläne, die er als seine Mission betrachtete, hat Napoleon im Privatverkehr nie etwas anderes gekannt als Milde, Versönlichkeit, Nachsicht. Mit Behagen erzählt Talleyrand in seinen Memoiren von Napoleons staunenswerter Geduld in Familiensachen und muß ihm recht geben, wenn der Kaiser sich z. B. über Murats schwarzen Undank" beklagt, deffen Großmannssucht sogar den Vizekönig Eugen verdrängen wollte. Seine Brüder und Schwestern machten ihm das Leben sauer. Ebenso bezeugt sein späterer Sekretär Baron Menneval, daß der cholerisch heftige Mann gleichwol ein gütiger Gebieter gewesen sei, der sogar das Seltenste über sich gewann: Aufwallungen zu fühnen und Unrecht zu tilgen. Schade, daß Masson sich in seinem Buche nur mit den Frauen beschäftigt. Wenigstens den Stiefsohn Eugen hätte er wol ein wenig berücksichtigen können, da diesem bei dem Jojefine-Verhältnis eine so entscheidende Mitwirkung zufiel. Masson erwähnt nicht einmal, daß zur Versöhnung mit Josefine 1799 wesentlich die väterliche Zuneigung Bonapartes für seinen Adoptivsohn beitrug. Auch wird berichtet, daß es in Aegypten zwischen Bonaparte und seinem Adjutanten Eugen zu unliebsamen Auftritten fam, weil letterer hinterm Wagen des Generals herreiten mußte, wo dieser mit seiner Maitresse Madame Fourées saß. Bonaparte habe aus Rücksicht auf Eugen später diese Ausfahrten unterlassen. Als dann Junot, nebst gleichlautenden Briefen Bruder Josefs, Gerüchte über Josefinens Verhalten in Paris, das sie schon früher 1797 in Mailand und Montebello fed begonnen hatte, in die Laufgräben von St. Jean d'Acre trug, wollte Eugen sich für die Ehre seiner Mutter schlagen. Bonaparte verbot ihm aber in zärtlicher Besorgnis, Junot zu fordern, und versprach Eugen, vorerst von entscheidenden Schritten Ab. stand zu nehmen und die „Verleumdung“ ununtersucht zu laffen. So blieb denn alles in der Schwebe, bis unwiderlegliche Beweise ihn belehrten, daß die angebetete Frau, der er einst geschrieben hatte Fürchte den Dolch

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*) Den unzufriedenen ungehorsamen Bruder Louis erinnert er in einem rührenden Briefe an die Zeit, wo er ihn von seiner Leutnantsgage ernährte!

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