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Nachrichten aus dem Buchhandel

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Für Buchhändler und Bücherfreunde.

Dieses Blatt wird seit 1. Oktober d. J. vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig heraus. gegeben und ist allen zu empfehlen, die über die Erscheinungen des deutschen Büchermarktes und die buchhändlerischen Derhältnisse ausführliche und zuverlässige Auskunft erhalten wollen.

Es erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Seiertage und ist durch die Post und den Buchhandel zum Preise von 6 Mk. jährlich ohne Bustellungsgebühr zu beziehen. Sür das laufende Vierteljahr (Oktobar bis Dezember 1891) wird 1 mk. 50 Pf. berechnet.

Anzeigen werden zum Preise von 30 Pfennigen für die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum aufgenommen.
Probenummern stehen kostenlos und portofrei zu Diensten.

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Karl Wilh.

Mit Jalustrationen von Georg Heil.
Preis eleg. brosch. 1,50 mik.

Die vom Oktober ab im 2, Jahrg. bei Fr. Frommann in Stuttgart erscheinende Halbmonatschrift

Die Wahrheit

herausgegeben von Chr. Schrempf

Monatlich 2 efte 80, vierteljährlich 1 m. 60 pfg., bringt in den ersten Beften Aufsätze von Theob. 3iegler, J. Bau mann, Wilh. Bode u. a.

Rücksichtslos ist das Blatt, wo es die Sache will, aber nie verlekend, selbst bitteren Worten merkt man das Ver langen zu heilen an.

Abonnements bei Buchhändlern und Postanstalten.

Porbehefte unberechnet und poftfrei vom Verleger.

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ianoforte-Fabrik,Euterpe"

Albert Gast &

Co.

Fabrik und Lager BERLIN O., Fruchtstr. 8.

Schriftsteller,

welche sich an einem großen Unternehmen, einer Sammlung von gediegenen

Volksschriften

beteiligen wollen, werden um Beiträge ersucht. Gefl. Off. unter Volksschriften durch Litterar. Institut, Berlin NW., Luisenstr. 1.

und Bur gefl. Beachtung.

Der gesamte Inseratenteil dieser Zeitschrift ist uns übertragen worden und bitten wir, Insertions Aufträge an uns direkt senden zu wollen.

Berlin NW. 6, Luisenstraße 1.

Anzeigen Verbreitung durch die

finden weiteste und wirksam te

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Bochachtungsvoll Litterarisches Institut

Dr. R. Burdinski & Comp.

Zukunft". Auflage 14 000. Leserkreis 10 fach so

gross, in allen Cafés und Lesezirkeln vertreten. Alleinige Inseraten - Annahme: Litterarisches Institut Dr. R. Burdinski & Comp., Berlin NW. 6, Luisenstr. 1.

Derantw. Otto Neumann, Hofer, Berlin-Charlottenburg. Sür den Inseratenteil verantw. Th. Liffner, Charlottenburg. — Verlag der Union Deutsche Derlagsgesellschaft, Berlin und Stuttgart. Gedruckt von Rosenbaum & Bart, Berlin W., Wilhelmstraße 47, Aufgang C. Expedition: Sriedrichstr. 207 Berlin SW

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für Sitteratur.

Berausgegeben von Otto Neumann - Hofer.
Redaktion: Berlin-Charlottenburg II, Farmerstraße 10.
Expedition: Berlin 8W., Sriedrichstraße 207.

Union

Deutsche Verlags-Gesellschaft Berlin u. Stuttgart.

Erscheint jeden Sonnabend. Preis 4 Mart vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem poftamt (Nr 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des magazin" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die viergespaltene Nonpareillezeile ∞ Preiß der Einzelnummer: 40 Pfg.

164. Jahrgang.

Berlin, den 5. Januar 1895.

Nr. 1.

Auszugsweiser Nachdruck sämtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet Unbefugter Machbruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Wir ersuchen unsere verehrlichen Abonnenten, die Bestellung auf das erste Quartal des neuen Jahrganges rechtzeitig erneuern zu wollen. Der Verlag des „Magazins für Litteratur", Friedrichstr. 207.

Inhalt:

J. J. David: Geistiges Leben in Wien Sp. 1.

Litteratur, Bissenschaft und öffentliches Leben.

August Strindberg: Die Modernen? Sp. 5.
Richard M. Meyer: Der neue und der alte Glaube. Sp. 9.
Brammy Willemers leßter Brief. Sp. 10.

Alfred Kerr: Drei Stücke. Sp. 13.

Eberhard Kraus: Russisches Leben und russische Dichtung. Sp. 15.

Walter Barlan: Neue Gedichte von Gustav Falke. Sp. 22. Otto Julius Bierbaum: Die heiligen drei Könige des Elends. Sp. 24.

Theodor Duimchen: Das stärkere Geschlecht. Zweites Bild. (Schluß.) Sp. 25.

Muak.

Hans Schliepmann: Böcklin ohne Farbe. Sp. 20. Litterarische Anzeigen. Sp. 31.

Geistiges Leben in Wien.

Von

I. 3. Davis.

VIII.

Die erste Hälfte der Saison naht sich ihrem Ende. Das neue Jahr bedeutet eben doch mehr als einen Kalendertermin; mindestens bei uns ist es auch ein wichtiger Abschnitt. Das gesellschaftliche Leben seßt darnach schärfer ein. Das macht einmal der Fasching, der dann beginnt, und macht der Gedanke an das rasche Ende der Saison, die bei uns so furzlebig ist, wie vielleicht nur noch in London. Die Theater sputen sich mit ihren Neuheiten, wenn sie nicht in der glücklichen Lage der Burg find.

Hier ist aber schon gar kein Siß mehr zu bekommen, wenn man nicht etwa Kabale und Liebe" mit Fräulein Reinhold als Luise herunterpiepsen läßt. Diese Luise! Es ist sonderbar, daß eigentlich jede Schauspielerin eine verhohlene Liebe zu dieser Gestalt im Busen nährt und in ihrem Vertrag irgend einen Paragraphen findet, der ihr alleiniges Recht auf diese Rolle beweist. Auch mit der Aufwärmung von Gutkows „Urbild des Tartüffe" hatte man nicht viel Glück. Die Komödie ist so schal," so matt: des Treppenwißes der Weltgeschichte, der sich gerade hier so recht behaglich breit macht, ist man so müde, und große Namen machen die Hohlheit der Puppen; die man damit behängt, erst recht fühlbar. Herr Mittermur zer, um den sich nachgerade alles mit einer sehr merklichen Bestimmtheit dreht, wollte einfach beweisen, daß er auch Intriganten der alten Schule spielen könne. Der Beweis ist ihm gelungen: er kann auch sehr unnatürlich sein. Dafür scheint der „Sommernachtstraum" durch tausend Zauberkünfte der Ausstattung, durch den allerliebsten Puck der Frau Hohenfels und durch Thimigs Zettel ein mächtiges Zugstück werden zu sollen. Es ist unglaublich, wie voйl innerlicher und quellender Luftigkeit dieser Künstler steckt, ihm strömen die Drolligkeiten und Schwänke mühelos und zwingend zu.

Im Volkstheater ist minder Jubel. Herr Karczag ist der Mann der Frau Kopaczy, der Operettendiva, der es gelang, die Leute ins Karltheater zu locken. Weil aber eine moderne Ehe eigentlich auf dem Erwerb beider Teile aufgebaut sein soll, so suchte auch er sich seine Nahrung und ward Dramatiker. Als solcher schrieb er ein sehr tugendhaftes Stück „Entsagung", in welchem ein sehr edler Graf eine mindestens eben so edle Gouvernante heiratet. Seinem Sohn erster Ehe ist die Stiefmutter erst gar nicht recht, um ihm dann nur zu sehr recht zu werden. Ehe aber das Aergste noch eintreten fann, ergibt sich das Aergere: der alte Graf wird blödsinnig, und sein Weib geht ihm nicht nur nicht durch, sondern sie bleibt bei ihm und pflegt ihn bis an sein selig Ende. Es ist paprizirter Rührbrei, ein Gericht, das im Lande der Magharen, dem der Dichter entstammt, kindlichen Gaumen

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behagen mag, und das auch hier in einer sehr braven Darstellung weit mehr macht, als es in irgend einem Sinne verdient. Daß Zwei Wappen" an dieser Bühne aufgeführt wurden, versteht sich ganz von selbst; so ein geschlagen wie manches andere Werk der firen und gewanten Bühnenrechenmeister haben sie nicht. Man hatte gar nicht übel Neigung in der Kritik, eine Wandlung im Geschmacke des Publikums aus dieser Tatsache abzuleiten. Um Gottes Willen! Wer denkt hier an so etwas? Und was follte man gar dann bringen oder beginnen? Der Schwant ist einfach minder luftig als andere der sehr be währten und beliebten Firma. Endlich sah man hier noch „Nora“ mit Frau Odilon in der Titelrolle; durch zwei Akte war sie sehr vortrefflich und, wenn ihr der ungeheuer schwierige dritte Aft auch nicht ganz geriet, so bedeutet ihr die Nora doch immerhin den künstlerischen Höhepunkt, den sie bisher in Wien erflommen. Sie hielt sich brav, selbst neben der Erinnerung an die gröfte Nora: an Eleonore Duse.

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Station Wallgasse! Wir erlebten - man wirft nämlich jest sehr gern wieder mit dem schönen Worte „inneres Erlebnis" herum eine harmlos-alberne Blüette: Des Pfarrers Geburtstag" von Eduard Dorn und das minder harmlose und noch albernere,Lustspiel „Heines junge Leiden" des vergeffenen und verdorbenen Journalisten A. Mels, mit dem mans einmal im Stadttheater versuchte. Man brachte: „Das neue Gebot" von Wildenbruch, das für mich mit den meisten Historien seines Verfassers eine beständige Erinnerung an jene Szene im zweiten Teile des Faust ist, in der Mephisto dem bedrängten Kaiser die Harnische aus der Rüstfammer zu Hilfe schickt. Das gebärdet sich heroisch, das flappert und flirrt ach, und es steckt so gar nichts dahinter; es ist Getöse, das die Seele betäubt. - Endlich fand Karl Costa mit einem Volksstück „Bruder Martin" einen hübschen Erfolg. Das ist ein stilles, gutlauniges, anspruchsloses Ding: ohne Charakteristik, ohne Tendenz; loje in der Fügung, nur zusammengehalten durch die Figur des Bruder Martin, eines Laienbruders, der mit seinem Eselein terminirend durch das Land zieht und dabei jede Gelegenheit wahrnimmt, Gutes zu tun und Frieden zu stiften. Es ist viel Spaß darin - recht in der Art des alten wiener Volksstückes. Sein Verfasser aber ist ein armer und ein totfranfer Mann, der im Lehnstuhl seinen legten Kampf mit dem Asthma kämpft, das ihm würgend nach der Kehle greift. Und unwillkürlich muß man einer Zeit denken, deren wir uns alle noch sehr wol entsinnen fönnen, und die dennoch ein Menschenalter hinter uns zu liegen scheint: da Costas: „Ihr Korporal,, und „Blißmädel“ von Wien aus einen Siegeszug antraten durch Deutschland, da das ungeheure Temperament der Gallmeyer, ihre unbändige Lustigkeit, ihre Genialität in der Paródie, die in ihrer Art an die verwante Genialität Nestroys nemahnte, noch auf der Bühne gerade in diesen Stücken ihre Koboldstreiche aufführte. Ach -die Gallmeyer ist tot, ist vergessen und nach einem sehr lustigen Leben nach einem sehr luftigen Leben eines sehr traurigen Todes gestorben und, die sie so meisterlich fopirte, die Nolter, ist eine alte und müde Frau, die wol faum mehr die Bühne betreten wird, und die daran nur Recht täte

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Immer noch ist die Affaire Franz Brentanos der Gegenstand vielfacher Erörterung; eine unablässige und zähe Zeitungspolemik folgt ihr immer noch nach. Denn, daß hier von Staatswegen Unbill geübt ward an einem Mann, der bedeutend und geistvoll ist, der als akademischer Lehrer anregend und befruchtend war, das leidet keinen Zweifel. Seit Jahren wirkte Brentano als Privat

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Dozent an der philosophischen Fakultät, nachdem er seine ordentliche Profeffur hatte niederlegen müssen. Er war nämlich in jungen Jahren Kleriker gewesen; hernach, nicht ohne innere Kämpfe, zog er den Habit aus und wendete sich der Weltweisheit zu. Er gewann Ansehn und Ruf. Schon als reifer Mann vermälte er sich mit Ida von Lieben, einem reichen Mädchen von ungemeiner Bildung. Das aber ging nicht an. Nach dem Geseze durfte er nicht heiraten; er galt als Klerifer, der alle Weihen empfangen, und nicht einmal sein Austritt aus der Kirche änderte etwas daran. So wurde denn sein Haus der Mittelpunkt einer vornehmen Geselligkeit. Hier fanden sich Reichtum denn seine Frau war mit der gesamten Finanzaristokratie verwant - Gelehrsamkeit und Kunst- denn sie malte mit einer Tüchtigkeit, die schon weit über den Dilettantismus hinausging. Jahr um Jahr kam in der philosophischen Fakultät die Frage der Besetzung des zweiten philosophischen Ordinariates zur Erörterung: doch mit einer rühmlichen Einhelligkeit schlugen die Professoren ihn und zwar ihn allein vor. So blieb die Kanzel lange verweist. Ihn selber aber hielt man mit müßigen Hoffnungen, mit eiteln Verheißungen hin. Man vertröstete ihn auf die Errichtung eines psycho-physischen Institutes, an deffen Spize er gestellt werden sollte. Endlich wards Ernst damit: da fiel mit dem Ministerium Taaffe auch sein Unterrichtsminister Baron Gautsch, und sein Nachfolger. der Pole Madeiski erflärte Brentano, er fühle sich durch die Versprechungen seines Vorgängers nicht gebunden. Das ist ein gefährlicher Grundsay; denn wir steuern damit amerikanischen Zuständen zu, wo jeder Präsidentenwechsel zugleich eine vollständige Revoltirung im Beamtenpersonal bedeutet. denn man So verläßt Brentano denn, unnüß verlegt mutete ihm zu, unter einem ehemaligen Schüler zu arbeiten beiten und verbittert Oesterreich, das ihm durch Jahre die Heimat gewesen. Seine Frau hat er zu Beginn dieses Jahres begraben. Viele haben bei ihm Förderung und Klarheit gefunden; so werden denn viele den Mann mit dem Christuskopfe, in dem die schönen Flammenaugen der Brentano standen, mit der leisen, wollautenden Stimme, der seine Worte gerne so vorsichtig und so mit Einschränkungen sette, als dürfte ein Philosoph auch im Gespräche nicht einmal seiner Verantwortlichkeit un eingedenf sein, der hübsche Verse und sinnvolle Rätsel schrieb, in freundlichem und herzlichem Angedenken behalten. An seine, des Freidenkers Stelle, fommt ein strenger Katholist, dem die Lehren der Kirche allein maßgebend sind auch fürs Denken. . .

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aus Münche

Hauptfache. Herr Baron Berger dichtete den Prolog, ohne den es nun einmal gar nicht mehr geht und der bei jedem Anlaffe, der nach etwas aussieht, von Baron Berger sein muß. Denn er allein hat jenen Vorrat gemeinverständlicher Gedanken bequem zur Hand, der für das Geschäft unumgänglich notwendig ist. Im übrigen stehen wir unter dem Zeichen der Sezession. Die Herren wie die Düsseldorfer können mit der Aufnahme sehr wol zufrieden sein, die sie hier fanden, wie wir es mit dem find, was sie uns brachten. Es ist die interessanteste und die anregendste Ausstellung seit manchem, manchem Jahr. Und die Kritik, insoweit sie ernst genommen werden kann, was durchaus nicht nach der Größe und dem Einfluß des betreffenden Blattes sich richtet, erkennt das auch an, und das Publikum bekundet seinen Anteil durch starken Besuch und, weil die Börse ein sehr gutes Jahr hinter sich hat, auch durch zahlreiche Ankäufe. Und man lernt viel und manche bedeutende Erscheinung tritt einem entgegen; man sieht Franz Stuck sich rastlos um den Ausdruck ernster und bedeutsamer Gedanken mühen; nun ist er schon am Ziele, wie in seiner „Sünde", die wirklich zwingend zu Herzen spricht, nun fucht er noch, wie in seinem großen, nur zu großgedachten Krieg": Studien von seltener Frische und Lebendigkeit deuten vor in eine reiche und verheißende Zukunft. Man gewinnt Achtung vor der Unermüdlichfeit, mit der Albert Keller jeder leisesten Farbe und ihrem Zusammenklingen mit anderen Tönen, ja Tönungen nachspürt; mit der er, ein Greis nach Haar und Jahren, umlernt, Neues prüft und Pfade zu gehen versucht, die unwegsam scheinen, wenig betreten sind und dennoch den Ausblick in lohnende Fernen bieten. Man lernt die neue Richtung in der Landschaftsmalerei kennen, die, wie bei Thoma, fich bemüht, den legten Reiz, die lette Stimmung auszuschöpfen und nachzubilden, der eben nichts mehr Nebensache ist, weil alles, was wir in bequemer Gewohnheit so nennen, in der Wirklichkeit doch zum Gesamteindrucke gehört und ihn mit bedingt. Man gewinnt Einblick in die Mühsale, mit denen auch der Begabteste nach der Kunst und ihren Höhen ringen muß, ehe er zu nur einiger Selbständigkeit und einiger Sicher heit auf den eigenen Füßen gelangt; Einblick in manche Wunderlichkeit, wie ins Treiben der Präraffaeliten, die hagere Menschen sich nackt in recht unbegreiflichen Landschaften ergehen laffen, auf die man vorläufig noch nicht fo recht einen Reim machen kann. Aber: man sieht mit aller Bestimmtheit, wie nur Suchen, Mühen, meinetwegen Tappen vorwärts bringen in der Kunst: wie ein originales Mondkalb unter Umständen denn doch höheren Wert hat, als eine banale Geledtheit. Und sowas hat immer seinen Nugen und, bei einiger Geduld, auch seine Frucht..

Die Modernen?

Von

August Strindberg.

Das Moderne ist zu jeder Zeit die Art zu schaffen, die am meisten fähig ist, die Zeitgenossen zu ergreifen.

Darum war in jenen guten alten Zeiten, wo das Leben sachte rann, wo man mit der Diligence reiste und mit Relais-Pferden, wo Briefe, an denen man drei

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Tage schrieb, und Zeitungen, die nur alle Woche einmal erschienen, durch Fußboten befördert wurden, modern: der Roman in sechs Bänden, das Drama in fünf Aften und sechs und dreißig Bildern, das Gemälde, das sechs Monate lang nach der Natur gemalt wurde.

Darum ist für uns, den Zeitgenossen des Dampfes, der Elektrizität, der Schnellzüge, des Telephons, der Band von 275 Seiten modern, die telephonische, schnelle, forrefte Ausdrucksweise.

Nur keine Analysen im Text! Die Analysen machen wir uns zuhause, vorher. Dem Leser geben wir dann, und auch nur andeutungsweise, die Synthese.

Zum Teufel mit den tischlermäßigen Schriftstellern, die uns in ihren Büchern erst das Rohmaterial zeigen, dann das Handwerkszeug, mit dem sie es bearbeiten, und die, nach getaner Arbeit, die Spähne und Abfälle zusammenkehren, sie stolz dem Leser serviren und ausrufen: Seht, das ist einmal eine Arbeit!"

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von einer

der Akt Uns genügt ein Aft Viertelstunde, oder von einer ganzen Stunde für die mit widerstandsfähigeren Nerven. Und weg mit allen Nebenpersonen: den Vertrauten, den Raisonneurs, den sympathischen Gegenspielern!

Warum ist man über den Erfolg der einaktigen Opern von Mascagni und Leoncavallo so erstaunt?. Kurz und gut, ist die Devise der Moderne.

Dasselbe gilt von der Malerei. Alla prima! Hoch diese Studien, die in fünf Minuten in den Konzertgärten auf die Leinwand geworfen werden!

Der Journalismus hat die Artikel von zweihundert Zeilen erfunden, wahre Perlen! Was ist nicht alles darin? Eine Beobachtung des Lebens, eine Anekdote, ein Korn Philosophie, eine poetische Stimmung, ein schlagendes Wort, ein Lichtblit. Beispiel: Zolas Artikel über Boulanger.

Die Kunst, Briefe von drei Seiten zustande zu bringen, verfällt. Im Zeitalter des Telephons genügt die Postkarte und die Depesche. Und die Depesche ist das Ideal. Die Adresse nur einmal hingeschrieben, blos der Name, ohne Titel. Das bloße Faftum, ohne Phrasen, der Text. der Tert. Eine Frage eine Antwort. Vorbei das Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung", dieser Hochachtung, die einen nicht fümmert, die einem egal ist, und deren Ernsthaftigkeit garnicht in Frage steht.

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Die Spezialitäten-Theater, die das wirkliche Theater verdrängen, sind ein Symptom der Epoche. Die „Nummer" herrscht auf der Bühne, wie die Anekdote oder die Skizze im Journal.

Ein anderes Symptom ist das Zweirad, das Roß des Armen, ohne Stall und Reitknecht Haferdieb, ohne Streu und Futter.

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Es ist auch die Eisenbahn der Individualisten, mit ihrer Schnelligkeit, ohne ihre verpestete Luft und ohne die fatale Berührung mit der Maffe.

Und bald wird sich das Zweirad zum Flugrad um. wandeln. Das Luftschiff, der Ballon, das ist vieux jeu, das ist Kollektivismus, das ist eine bloße Wiederholung der Eisenbahn mit Bahnhof, Schaffnern, Billet, Zufalls gesellschaft, Kursbuch. Das fliegende Bicycle, das ist Unabhängigkeit, Freie Bühne, Plein-air.

Braucht die Möglichkeit eines Flugrades bewiesen zu werden? Die Frage liegt so:

Jeder Körper verliert mit wachsender Bewegung an Gewicht. Siehe die Kanonenkugel, das Renupferd, das Zweirad.

Man konstruire ein Zweirad aus Bambus, selbst aus Stahl; man versehe es mit einem Trapez, das zwei sehr große Flügel aus Seide trägt, welche bei Beginn der

Fahrt zusammengefaltet sind und sich entfalten, wenn das Maximum an Geschwindigkeit erreicht ist. Sie werden funktioniren, wenn die Are des großen Rades durch Ueberfegungstäder mit zwei Lenkstangen verbunden ist, die die Flügel bewegen.

Aber nicht vergessen, daß man vor allem fliegen lernen muß, wie man schwimmen lernt.

Einige Defiderata im Sinne der Modernen: Die Dauer der Kindheit abkürzen, da man heut das Leben schneller lebt und das Alter zeitiger fommt. Daher das Sterben der Fünfzigjährigen, was ein Glück ist. Warum hier als alter, zahnloser, verbitterter Esel herumlaufen, der die Jungen anfnurrt oder den die Jungen anfnurren? Warum das widerwärtige Schauspiel mit ansehen, zu vertrocknen oder zu verfaulen? Leben wir mit Dampf! Verschwinden wir beizeiten!

Alsdann die Einheitsschule, von der Fibel bis zur Encyklopädie, mit Abiturienten von zwölf Jahren.

Die Kinder als fünftige Männer erziehen, nicht als Kinder, die ewig Kinder bleiben werden.

Die Ministerien so oft als möglich stürzen, damit so viel wie möglich Mitbürger sich bereichern können: die allgemeine Unzufriedenheit wird sich vermindern, die brachliegenden Kräfte werden benutzt, der Ehrgeiz beder Ehrgeiz be ruhigt. Gibt es einen folgsameren und unschuldigeren Menschen als einen ehemaligen Minister?

Für die Künstler permanente Ausstellungen, alle feien hors concours. Das Strebertum perliert seinen Reiz und die Ueberproduktion von Kunstwerken hört auf. Die Geselligkeit vereinfachen. Bier Schüsseln für große Diners, entsprechend Wein, und die Gäste können gehn, wann sie wollen.

Keine Reden. Niemand glaubt ihnen. Ein kurzer Toast - nichts weiter. Sechsstündige Soupers find unter Strafe zu stellen. Unterhaltung: Guten Tag, Guten Abend." Warum mehr sprechen? Reiner glaubt dem andern ein Wort und niemand will gern düpirt werden.

Folglich auch keine überflüssigen Debatten in den Kammern. Abstimmen, meine Herren Deputirten und Senatoren! Aber um Gottes Willen nicht reden!

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Nein, Madame, ich befürchte nichts, ich habe so viele moderne" Epochen gesehen, daß ich durchaus nicht mehr die Hoffnung habe, dieses alte Ding mitzumachen, das Sie "modern" nennen.

Ich sah Eduard Manet und seinen Impreffionismus entstehen; ich habe ihn entdeckt, eingeführt, angepriesen. Ich entdeckte Bastien-Lepage und seinen Naturalismus: ich habe ihn eingeführt, angepriesen und gepredigt. Ich entdeckte, empfahl und protegirte ich weiß nicht, wieviel Symbolisten. Ich entdeckte endlich auch die Synthetiker. Jezt aber empfehle ich keine Modernen mehr, ich habe es viermal verschworen. Und, Sie können es mir glauben, Madame, ich habe auch diesen unglückfeligen Manet verleugnet, Bastien-Lepage verhöhnt, die Symbolisten verlacht, derart, daß ich in fünf Jahren nicht

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wissen werde, was mit den Synthetikern anfangen, wenn die Pointillisten sich durchgerungen haben.

Die Lebenden reiten schnell in einer jagenden Zeit, und das tröstet mich, da man unter solchen Umständen seine Verspätung eines Tages einholen kann und als einer, der mit den leßten kommt, zu den ersten gezählt wird. Ich kann die Geschichte des guten Mannes nicht vergeffen, der so um 48 herum einen ganzen Haufen Cylinder kaufte. Im ersten Jahr war er der Dandy seines Ortes; im dritten war er nicht mehr auf der Höhe seiner Mode; nach fünf Jahren zählten die Jungen ihn nicht mehr zu den ihrigen. Er war nur noch ein Fossil. Nach sieben Jahren, wurde er mit seiner Angströhre wieder der Modernste der Modernen", um von neuem alle Peinlichkeiten eines zu vorzeitigen Modernismus zu erdulden. Als er im Jahre 1880 wieder obenauf war, hatte dieser Stoiker den Mut bewiesen, sechsmal unmodern, und das Glück gehabt, sechsmal modern gewesen zu sein.

Wenn die Jugend nur wüßte, Madame, wie es um die „Modernität" beschaffen ist!"

Wenn das Alter wüßte... ein Mittel wüßte, die Jugend zu lehren, wie schnell das Moderne schwindet, und heute schneller als früher, und daß das geschwundene Moderne älter ist als das Alte, dann würde man mistrauischer gegen die Etikette,modern" sein. Leider aber gibt es solch ein Mittel nicht. Es liegt in der Natur des Kampfes, daß man seine Konkurrenten für veraltet erklärt. Und die Jugend wird, gehorsam dem Geseß der Differenziation, immer darauf aus sein, uns mit neuen fatalen Erfindungen zu geniren, mit guten oder schlechten, das ist gleich. Neulich wollte ich mir für mein Maleratelier eine Palette kaufen. Ich dachte an die Palette meiner Jugend, oval, klassische Form, die RaffaelPalette aus der Schule von Athen, furz, an eine wirkliche Palette. Man macht sie nicht mehr.*) Alle waren vierecig. Warum viereckig? Warum? Um uns zu ärgern, weil die ovale Palette, obgleich praktischer und hübscher, vieux jeu ist! Ach, verdammte Jugend! Ja Madame, ich beuge mich nicht vor der Jugend, wie jene feigen greisen Dummköpfe, die sich an ihre eigene saubere Jugend nicht mehr erinnern. Ich erinnere mich nur zu gut, wie unangenehm ich war, in jenem Affenalter, wie eitel, albern, unwissend und hochmütig ich war. Alles, was ich damals besaß, hatte ich aus Büchern gestohlen, aus Zeitungen, aus den Vorträgen meiner Lehrer. Und zehn, fünfzehn Jahre lang kämpfte ich für diese erborgte Weisheit, diente ich ihr, wie einem ganz Neuen. Und nach fünfundzwanzig Jahren fand ich, daß alles, was ich geschaffen hatte, alt oder veraltet war.

Ift nicht grade die Jugend konservativ, nachahmend, unoriginell in dieser Welt der Widersprüche, und zwar aus dem Grunde, weil sie Vorhandenes lernen muß, Geschaffenes nehmen muß, und weil sie nach dreißigjähriger Entwickelung des „Ichs" das alte Gepäck abgeworfen haben muß?

Und darum hieße es feig ohne gleichen sein, diese konservative Jugend zu ehren und zu achten. Jugend? Das ist ein Begriff ohne reales Korrelat, eine Fiktion, eine Chimäre! Hat jemals die Jugend etwas erfunden? Neulich kam ein junger dramatischer Autor zu mir, um meine Ansicht über ein „modernes" Stück - wie er meinte zu hören.

Ich las es. Es war reiner Jbsen.

Der Junge" sah also die Welt mit den Augen dieses Sechzigjährigen!

Die ganze Jugend" und der ganze „Modernismus“ liegt darin.

* In Paris.

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