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Der neue und der alte Glaube.*)

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Bon

Kichard M. Meyer.

Religiöse Studien eines Weltkindes" nennt sich das liebenswürdige Buch, mit dem der berühmte Kulturhistorifer wie er in der Einleitung anmutig erzählt fich selbst zum fiebzigsten Geburtstag überrascht hat. Der Titel scheint mir für das freundliche Werklein etwas zu anspruchsvoll und gleichzeitig möchte ich ihn durch einen noch anspruchsvolleren erseßen. Wer das Buch aufmerksam durchlieft, wird doch wol finden, sowol das Religiöse als das Studium bleibe hier ein wenig auf der Oberfläche; und wenn es dem Weltkind wol ansteht, Profete rechts und Profete links bleiben zu laffen, selbst aber gut Goethisch die Mitte zwischen Lavater und Basedow zu halten (wie Riehl denn auch durchweg tut), so möchte man meinen, auch den vielversprechenden Titel hätte er geistlichen oder wissenschaftlichen Profeten über lassen können. Ich würde das Buch lieber betiteln: „Der neue und der alte Glaube". Freilich unterscheidet es sich von dem berühmten Buch in sehr vielen Punkten, und es wird auch schwerlich so berühmt werden wie das Werk von Fr. D. Strauß. Aber grade daß es das nicht werden wird, liegt auch an Umständen, die Riehls Buch zu einem Gegenstück des Straußschen machen.

lagern): „der alle Pessimist findet, daß die Natur verderbt sei durch die Sündhaftigkeit der Menschheit, der neue, daß die Menschen verderbt seien durch die Schlechtigfeit der Natur" (S. 173). Das ist geistreich formulirt, aber reichlich schief. Aber wer ist gegen die Ueberfülle seiner speziellen Talente gefeit? Im ganzen ist Riehl doch ein so treuer und unparteiischer Berichterstatter, wie ein selbstdenkender Mensch es irgend sein kann. Aber seine eigene Meinung hat er freilich, und wir müssen beichten, daß sie die unsere nicht ist. Diese seltsame Art, Gott, Unsterblichkeit, Glück der Armut und andere Glaubenspunkte früherer Zeit durch halb umdeutende, halb umhüllende Betrachtungen wieder zu alter Geltung bringen zu wollen, wird den Strenggläubigen so wenig gefallen wie den Modernen. Das weiß Riehl selbst, und es ist ihm ein Grund mehr, Toleranz zu predigen Versöhnung nicht der Meinungen, sondern der Meinenden, wie er hübsch ausführt. Wir möchten nun aber eben meinen, daß vom Standpunkt einer entschiedenen Ueberzeugung diese Toleranz eher zu erreichen ist, als wenn jeder unter der nebelhaften Formulirung des Gegners jedes Böse und Törichte vermuten kann. In den geistigen Schlachten werden die Heere eben auch mit rauchlosem Pulver schießen müssen, um desto rascher zu einem dauerhaften Friedensschluß zu gelangen.

In geistreicher Weise polemisirt Riehl (S. 315f.) gegen die unhistorischen Kirchenrestaurationen; mir scheint doch sein Buch auch solch eine Kirchenrestauration zu sein. Es wirft barocke Zierrate fort und führt eine neue Gotik durch; mir scheint, ein ganz klein wenig Fabrikgeruch haftet doch auch an ihr. Und obwol ich auf Riehls Standpunkt nicht stehe, glaub ich doch nicht, daß an diesem allein die Schuld liegt. Man kann auch bei einer Restauration originell sein, und dient dadurch der Treue oft nur um so beffer. Mir scheint, daß jüngere Mitschüler des unvergleichlichen Justus Möser, Karl Jentsch z. B., glücklicher selbstgeflochtene Guirlanden an alte Tore zu hängen wußten. Richl flagt wiederholt über die Verarmung der kirchlichen Kunst, der Musik besonders; auch seinem Register fehlen allzu viel Töne. Den milden freundlichen Dorfpfarrer, der sein Ideal ist und der sein Ideal bleiben durfte, obwol Riehl Theologie studirte, ohne Theolog zu werden weshalb, erzählt anmutig der Beschluß persönlicher Erlebnisse" ihn werden wir jeder Zeit mit Andacht und Dankbarkeit predigen hören; aber um eine einstürzende Kirche aufzurichten, bedarf es (wie jenem Papst sein Traumbild zeigte) eines Franziskus von Affisi.

Was ich hier vortrug, enthält keinen einzigen neuen Sah, keinen einzigen originalen Gedanken. Wenn dennoch manchem bedeutsam und bedenksam erscheinen sollte, was ich sagte, so wird dies grade um deswillen sein, weil es so unendlich oft schon ausgesprochen, so unendlich oft gefunden und erprobt worden ist im Glück und Unglück." (S. 163.) Dies ist der Grundton des Buches; hierin liegt seine Stärke und seine Schwäche. Und hierin liegt auch seine Gegenbildlichkeit zu dem „Alten und dem neuen Glauben". Seit jene „Bibel des gebildeten Mannes" erschienen ist, hat langsam aber stetig eine Gegenströmung fich geltend gemacht gegen alles, was Strauß für end giltig entschieden hielt. Auch seine Schrift war kein Programm, sondern eine Kodifikation; nicht durch Neuheit der Gedanken wirkte fie, sondern durch klares Aussprechen weit verbreiteter Ansichten. Und jest verlangen die entgegengesetzten Ansichten solches Aussprechen. Es handelt fich nicht um starre Orthodoxie, der Riehl fast so fern steht wie Strauß, in der milden Stimmung seines Wesens sogar noch ferner, wenn auch in der Färbung seiner Welt anschauung ihnen näher als der Profet des neuen Glaubens. Sondern es handelt sich um eine versöhnliche Stimmung, die vom neuen Glauben einen guten Schritt näher zum alten rücken möchte, mehr aus Pietät denn aus strenger Ueberzeugung. Riehl nimmt für sie das Wort. Er ist eine Gestalt, wie der von ihm (S. 293) liebevoll charakterifirte Döllinger: „kein Luther, kein zorneseifriger, leidenschaftlicher, gewalttätiger Glaubensstreiter, sondern ein überaus fleißiger, friedlicher Denker und Forscher . Er hat unendlich viel gelesen und wieder gelesen, viel zu viel, um ein schöpferischer Geist zu sein". Riehls Stärke Zu dem „Briefwechsel zwischen Goethe und Marianne ist die klare, einfache Darlegung der herrschenden Meivon Willemer (Suleika)," herausgegeben von Th. Creizenungen. Wie der Bauer und wie der Arbeiter die so nach (Stuttgart, Cotta) erwähnt der Herausgeber in der ziale Frage" auffaffen, das stellt er vor uns wie in Einleitung zum Jahr 1818 (S. 108) des Todes von einem zierlichen Modell von Bauernhaus und ArbeiterWillemers Sohn Brammy (Roseform für Abraham). Der junge Willemer, geboren am 24. wohnung auf den Tisch. Gelegentlich polirt er natürlich) ai 1794, etwas an den Objekten, namentlich um seine alte Lieblings aus Willemers zweiter Ehe, hatte sich nach den Freiheitsfigur, den Chiasmus, auzuwenden (so ziemlich alle No-friegen ganz der militärischen Laufbahn gewidmet, war im vellen Riehls ruhen auf freuzweis angeordneten Feder

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Brammy Willemers lehter Brief.
Mitgeteilt von Harl Hecker.

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Mai des Jahres 1816 als Rapitän bem zweiten westpreußischen Infanterie-Regiment aggregirt und zur allgemeinen Kriegsschule kommandirt worden. Im Frühjahr 1818 verlobte er sich mit einer jungen Witwe, Frau

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v. K., und hoffte von dieser Verbindung glückliche Zeiten. Aber infolge eines unbedeutenden Konflikts kam es am 19. Juni zu einem Zweikampf zwischen ihm und dem damaligen Eefonde-Leutnant Daman von Bockum, genannt von Collfs, der bei den Garde-Ulanen stand. Die Forderung ging auf Pistolen, das Duell fand statt bei dem Dorfe Wulfow unweit Neu-Ruppin Abraham von Willemer erhielt einen Schuß durch die Brust und starb nach Verlauf von etwa zwei Stunden. Gegen Bockum-Dollss wurde eine friegsrechtliche Untersuchung eingeleitet und derselbe durch Erkenntnis vom 4. Dezember zu zwanzigjähriger, in Magdeburg zu verbüßender Festungshaft verurteilt. Die Schreckensnachricht wurde dem Vater Vater durch den Hausfreund (Engelmann) in Frankfurt ohne jede Vorbereitung mitgeteilt, während Marianne sich mit ihrer Stieftochter, Frau Städel, in Baden-Baden zur Kur befand.

Goethe weilte zur Zeit, da Willemers Anzeige von diesem Todesfall in Weimar eintraf, in Karlsbad, und sein Sohn August, der selbst zu ergriffen war, um zu antworten, händigte seinem Vater den Brief erst nach deffen Rückkunft ein. Hierauf bezieht sich Goethe in einem Brief an Willemer vom 4. November 1818, dem ersten aus diesem Jahr, der zugleich einige Aushängebogen des Divan enthielt.

Des weiteren sagt Creizenach: „Die Nachricht von Brammys Tod war seinem damals in Lausanne lebenden Erzieher, dem Hofrat Mieg, mitgeteilt worden, samt einer Abschrift des Briefes, den der Verstorbene vor dem Duell an seinen Vater gerichtet hatte."

Durch die Güte eines Großneffen Miegs, des Profeffors an der königl. technischen Hochschule zu Stuttgart, Dr. Wilhelm von Ahles, der selbst einen Teil seiner Jugend im Haus seines Großonkels zu Heidelberg verbracht hat und sich im Besit sehr wertvoller Korrespon denzen des letteren, insbesondere auch mit Pestalozzi, befindet, bin ich in der Lage, Ihnen den Wortlaut des von Engelmann f. 3. an Mieg gerichteten Schreibens mit der Abschrift des, meines Wissens bisher noch nie veröffentlichten Briefs Brammh Willemers an seinen Vater, sowie eines solchen von Savigny an Guaita nach dem mir vorliegenden Original mitzuteilen. Dasselbe

lautet:

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Gerbermühle, am 26. Junh Nachmittags. Mit mancherlen Gefühlen, geliebter alter Freund, bin ich schon seit 22 Jahren den Weg auf die Gerbermühle gewandelt, aber noch nie wie heute Vormittag! Welche mannichfaltige Erinnerungen; welche Betrach tungen, die mich von der herrlichen Natur umher aufwärts zogen zu dem Ewigen und Unerforschlichen! -Ich fand beh unserm Freunde schon den edeln v. Wangenheim, Thomas und Guaita, welche gekommen waren ihm den Tod seines braven Sohnes zu melden! Er nimmt die Nachricht auf als ein edler, viel- und mannichfaltig geprüfter Mensch. Seinen Auftrag, Ihnen die Nachricht mitzutheilen, kann ich nicht besser ausführen, als indem ich Ihnen einen Auszug gebe aus den Briefen, welche diesen Morgen eine Stafette über bracht hat.

Savigny an Guaita.

Berlin 22. Juni.

Ich schicke Ihnen diese Stafette, lieber G. mit der Nachricht von dem Tode des Hauptm. v. W.... Vor etwa 10 Tagen hatte W. in einer Vorlesung auf der Kriegsschule einen Wortwechsel über den Plaß mit einem jungen Lieutenant v. Dolfs. Die Sache war an sich sehr unbedeutend, verwickelte sich aber durch unglückliche Zufälle so sehr, daß nach einigen Tagen W. forderte, |

und zwar sogleich auf Pistolen. Donnerst. früh den 18. reisten beide Theile ab, und Freytag früh trafen fie in der Gegend von Ruppin zusammen. Mit ihnen waren die zwei Secundanten (der v W. ein Lieutenant v. Thilau) und ein Wundarzt. Das Duell war auf Barrieren verabredet, zu 20 Schritt; als beyde bey der Barriere anfamen, dauerte es wohl 5 Minuten, ehe geschoffen wurde, u. W. erklärte endlich, sein Gegner solle zuerst schießen. Dieser schoß u. d. Kugel ging durch die beyden Lungen in das Herz; W. fiel auf den Rücken; der Gegner entfernte sich; da raffte fich W. nochmals auf, rief ihm zu stehen und schoß ihm in die rechte Schulter, worauf er wieder zusammenfiel. Die Pist. hatte er in der Rechten, das Bild seiner Braut in der linken Hand stets festgehalten. Dolfs und sein Secundant flohen sogleich über die Grenze, Thilau u. d. Wundarzt bereiteten auf der Stelle ein möglichst bequemes Lager, verbanden und pflegten ihn; er war b. vollem Bewußtsein, sehr ruhig, u. schwach, doch mit Beschwerde. Um 54 in der Frühe war er gefallen, und nach 2-3 St. starb er an demselben Plake. Der Leichnam wurde nach seinem Willen zu seiner Braut nach Gr. geführt, daselbst im Garten beerdigt zu werden mit großem Ernst und eben so großer Ruhe hatte er schon vor der Abreise alles angeordnet. Thilan ist selbst hierhergekommen und hat die Sache angezeigt. Ich habe ihn gesprochen u. mich sehr an der warmen Theilname gefreut, die er dem Verstorb. in den letzten Tagen gewidmet hat. Er und andere, die mit W. noch vor der Reise zusammen gewesen sind, haben mir mit inniger Rührung u. Hochachtung den Zustand v. Ruhe, Klarheit und innerer Erhebung geschildert, den ihm Gott als einen milden Todésengel geschenkt hat. Was ich bey dieser Gelegenheit von dem Verhältniß von W. u. der Braut erfahren habe, hat mich von der Zartheit und Innigkeit dieses Verhältnisses völlig überzeugt.

"

Hierbey lag ein Brief von Br.

"

Deinen Brief mein lieber V. habe ich erhalten u. ist er mir von rechtem Trost, den ich mit auf den schweren Weg nehme, den ich wandeln muß; so wirst Du mir Deinen Segen noch nachschicken, und segensreich wird Deine Liebe, Deine Versöhnung meiner nunmehr ganz unglücklichen Freundin seyn; nimm fie auf als Deine Tochter, fie wird Dich als eine solche lieben. Wenn Du diesen Brief erhältst bin ich nicht mehr; meine Ehre erfordert es mich mit einem jungen Officier zu schießen, ich bin, so lang ich konnte, dem Duell ausgewichen; indeßen es ging nicht. Tröste Dich, mein lieber, guter; alter Freund! ich verlasse eine Welt in der mein Sehnen schon lange nicht mehr war; Du verlierst den Körper eines sehr geliebten Sohnes, doch sein Geist bleibt Dir u. seine Ehre ist unbefleckt; ich bin preußischer Offizier, u. dem darf die Wahl zwischen Tod oder Schande nicht schwer werden; freilich würde ich lieber im Dienste meines geliebten Königs fallen, von Feindes Händen, doch es foll vielleicht nicht so seyn; wie Gott will! In seine Hände empfehle ich meine Seele. Ich bin sehr ruhig. Das Recht ist ganz auf meiner Seite, u. der Gedanke an den nahen Lod hat gar nichts Schreckliches für mich; nur Du, nur meine geliebte Freundinn jammern mich, wenn ich an Euch denke; ach da werde ich so weich; drum sehe ich auch meine Freundinn nicht mehr. Ich habe ihr geschrieben, u. wenn die Sache entschieden ist, wird Thilau ihr meine Papiere übergeben. Nimm Dich meiner hinterlassenen Freundinn an, u. sey ihr ein Trost in ihrem Kummer: Ich habe ein Testament gemacht Alle meine Angelegenheiten sind regu lirt, u. ich kann gehen, die Thüre ist offen; Herr Gott,

wie Du willst! meine Sache ist gerecht, u. in mir sind alle alten Officiere der Armee beleidigt worden; Thilau soll Dir die Sache mehr auseinanderseßen. Nun leb' wohl, mein guter edler Vater! falle ich, dann sehe ich meine Mutter und werde ihr sagen wie Du mich ge liebt u. für mich gesorgt hast; vergessen ist alles Unangenehme der legten Zeit, und mit meiner Mutter sage ich: tu auras un intercesseur de plus au trone de Dieu. Mein Segen, mein Dank, ist das Einzige was ich Dir laffen kann, aber beydes aus der Fülle meines Herzens. Lebe wohl! lebe wohl!, Morgen um 4 Uhr

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ist's entschieden.

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Ihr

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Fr. 26. Funh 1818. Engelmann. Wenn auch dieses Schreiben das Dunkel, das über dem Verhältnis Brammy Willemers zu seiner Braut. welches von Eltern und Freunden nicht mit hoffnungsvollem Blick angesehen wurde und ihn mit seinem Vater eine Zeit lang überworfen zu haben scheint, eher verstärkt als lichtet, so bietet doch der hier mitgeteilte Abschiedsbrief des jungen Willemer an seinen Bater, mit seinem seltsamen Gemisch von Resignation und Todesahnung, frommer Kindesliebe und altpreußischem Offizierstolz ein so hohes interessantes psychologisches Problem, daß seine Veröffentlichung auch weiteren Kreisen, als denen, für die er speziell um des Verhältnisses von Goethe zu der Familie Willemer willen nicht ganz ohne Wert ist, will kommen sein dürfte. Was die in Engelmanns Schreiben genannten fonftigen Personen aus Willemers engerem Freundeskreis betrifft, so darf ich die hierüber nicht näher orientirten Leser wol auf das eingangs erwähnte Werk Creizenachs verweisen.

Drei Stück e. Von

Alfred Kerr.

Ein Franzose und zwei Desterreicher: Sardou, Karlweiß, Davis. Mit einem Fünfakter und zwei Vieraktern: Ghismonda, der kleine Mann, die Katakomben. Die beiden Oesterreicher haben manches gemein. Mehr als die Nationalität. Und vielleicht liegt das, was sie gemein haben, in der Nationalität. Sie tun beide, was der dritte früher getan, der Rabagasdichter: sie schreiben politische Satiren. Allein sie sind (bei Gott!) weniger satirisch, als sie politisch find. Von diesen zwei Satirikern ist jeder ein zuvorkommender Mann und ein gemütlicher Mann. In ihrem schönen, etwas zurückgebliebenen Vaterlande wogt der Nationalitätenstreit. Das ist ein Thema, zu kindlich, um es auf die Bühne zu bringen. Die beiden Männer also greifen hinein in das ander weitige politische Leben: die Laufbahn des Volksvertreters nimmt der eine, die Laufbahn des Regirungsver

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treters der andre aufs Korn; das Strebertum auf beiden Gebieten ist zu zeigen; die unlauteren Mittel find zu zeigen, durch die man emporkommt Nun werden sie scharf ins Zeug gehn. Nun wird es schrecklich, schrecklich tagen. Nun hagelt es gewiß aristophanische Hiebe. Ja, fie werden euch was. Jeder von ihnen ist ein zuvorkommender Mann und ein gemütlicher Mann. Und ein taftvoller Mann. Am geeigneten Ort hält er inne und sagt, er jei blos ein harmloser Lustspieldichter, „und sonst kein Löwe nicht."

Beim Herrn Davis kriegt schließlich jeder etwas. Der Präsident friegt den Staatsratstitel, Herr Ruding friegt eine Frau, Fräulein Nastja kriegt einen Mann, Herr Mayregg friegt eine Frau, Fräulein Irene kriegt einen Mann, Herr Mayregg kriegt außerdem eine Million, Herr Blimm friegt einen Kammerdienerposten, Herr Bohrmann friegt die Ernennung zum Hoffefretär, Herr Sifert friegt die Erlaubnis zum Verbleiben im Amt, und die Erzellenz Malwine friegt einen Wutanfall. Ein edler junger Mann steht im Mittelpunkt des Stücks; er heiratet schließlich eine russische Fürstin. Sie nimmt ihn, obgleich er nur ein Schreiber ist (das heißt: er trägt glücklicherweise denn doch den Doktortitel). Sie nimmt ihn, obgleich er unsagbar arm ist (das heißt: sein Vater war glücklicherweise denn doch nicht ohne Vermögen). Richard Mayregg weiß sich auf dem glatten Parkett eines Präsidentenballs mit so edlem Anstande zu bewegen, daß selbst eine Ministerin an ihm Gefallen findet. Ja: die Tochter eines Präsidenten tanzt mit ihm. Zwei hochmütige Adlige beneiden ihn einfach. Beneiden ihn, sag ich! In den Wahlwirren des Herrn Karlweiß stehn schließlich, und das ist unendlich wertvoll, zwei Liebespaare ebenfalls froh vereint an der Rampe. Friz Rohrbed kriegt Anna Strohmeyer, und Gustav Hollmann kriegt Therese Rohrbeck. Gustav und Therese stehen sich lange Zeit nicht minder feindlich gegenüber, als Nastja und Mayregg oder Irene und Ruding. Sie treiben das bekannte Marlittspiel des Haffens mit größerem oder geringerem Eifer, bis Gott Amor sie denn doch überwindet. Das find so politische Satiren. O du mein Desterreich!

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Vom Politisch-Satirischen abgesehen, bleibt bei Davis ein nicht ohne Humor gezeichnetes Beamtenmilieu übrig. Der gallige, grobe, ehrliche Bohrmann ist der beste Gesell darin. Aber dieser Held! Durch Weiber wird er emporgetragen, o wär er doch frech wie ein fenstertletternder Monaldeschi, Laubeschen Geblüts: das könnte amüsant sein; o wär er doch so glückbegünstigt wie Bel-Ami, der auf Frauenleibern, alten und jungen, emporflimmt: das könnte noch amüsanter sein. Aber nein, er stammt von Feuillet, er ist immer edel und arm und äugt nach seiner holden Juchtenbestie.

Karlweiß ist in der Charakterzeichnung weniger banal. Er setzt, wenn man von den beiden Liebespaaren höflicherweise abfieht, ein paar kräftige Striche hin, ohne Furcht vor Uebertreibungen, er knüpft an das Volksmäßige, an die Tradition seines Vaterlandes an, nicht an das ausgeleierte falsche Gesellschaftsstück. Wenn Raimund, der den Harfenisten Nachtigall auf die Beine gestellt hat, wiener Kleinbürgertum fonterfeit, sucht Karlweiß dasselbe zu tun; und das ist schon was. Auch politisch ist Karlweiß der ernstere. Ibsen hat den gefährlichen politischen Streber im Rechtsanwalt Steinhoff verförpert, der zur gleichen Sorte wie Lemaîtres Abgeordneter Leveau gehört: den wetterwendischen ehrgeizigen Schwadroneur. Die politische Bekämpfung eines einzelnen wegen freier Gesinnung spielt sich in Rosmersholm ab. Zugleich wurde vom selben Dichter ein einsamer Wahrheitsucher der kompakten liberalen Majorität gegenübergestellt. Karlweiß kontrastirt kurz den Parvenu und den kleinen Mann, er zeigt beide

in ihren Schwächen und er zeigt den Schwindel der Wahimache. Daß sein Agitator schließlich die Stimmen auf sich vereinigt, während beide Parteien kämpfen, ist ein Zug, der nicht blos von Pailleron in den „Cabotins“, sondern schon in Freytags wackeren „Journalisten" vorgedeutet ist. Bei Kariweiß steht der Streber einmal in komischen Nöten zwischen dem Hausbesißerverein und den kleinen Leuten; er schwankt ängstlich zwischen beiden. So geht es auch dem Verfasser, der zwischen rechts und links laviren muß, um unparteiisch zu scheinen. Ueber den fleinen Mann, glaub ich, spottet er immerhin kräftiger als über den liberalen Proß. Dieser Spott erscheint nicht sehr weise, wenn man bedenkt, daß eben die Bewegung diefes kleinen Mannes jeßt in Oesterreich die liberalen Parteien bankerott macht und wegfegt.

Von „Ghismonda“ kann ich nur sagen, daß ich während der ersten zweieinhalb Afte auf einem hinteren Parkettsessel schnarchte. Es ist ein Weihnachtsausstattungsstück für artige Fondsmakler von nie dagewesener Langweiligkeit. Deshalb wurde es auch in diesem Theater, das für ein Jambendrama eines Deutschen noch keine zehn Pfennige riskirt hat, mit ungeheuren Kosten ausgestattet. Im druten Aft versuchte ich wachzubleiben mit Rücksicht auf das Duett der beiden Liebenden und ein bereit stehen des Sofa, das mich, wie ich den Meister kenne, ungewöhnliche Ereignisse für diesen Akt erwarten ließ. Nachher glaube ich es war wol aber schon im vierten Aft einen Mord im Mondenschimmer wahrgenommen zu haben. Ghismonda wurde getötet. Nein, fie trat im fünften noch auf, also tötete fie wol jemanden; einen Verräter, wie mich dünkt. Jedenfalls wurde ich durch Orgelflänge noch einmal emporgescheucht, ich sah einen Altar, Ghismonda schien sich mit jemandem zu verehelichen, und das war der Schluß. Der Schluß war recht einfach. Diese Herzogin, die ihren Knecht heiratet und mit ihm und ihrem Kinde sanft an den Gottestisch tritt, während die Vasallen „Heil!" schreien: das soll etwas Legendenhaft-Schlichtes haben. Es erinnerte mich an die vollgegessenen Tiergartenfrauen, die vor Raffinement kindlich harmlos werden und wieder ein einfach Liedlein fingen:

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Und so weiter!

Ihren Damon zu erwarten

Trallala la la lallalala Schlich sich Phyllis in den Garten Trallala la la lallalala.

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Die russischen Heiligenbilder sind in düsteren, strengen Farben auf Goldgrund gemalt. Die ersten russischen Dichtungen waren in funkelnden Goldzügen auf den dunklen Grund des russischen Lebens leicht und genial hingeworfen. Aber die düstere Grundfarbe schlug bald durch und ließ von der Uebergoldung blos einen matten, vielfach durchbrochenen Schimmer übrig.

Mit förmlich zwingender Gewalt tauchte der eherne Arm des Geschickes das Schrifttum des Barenreiches tief hinein in den gährenden Kessel volkstümlichen Empfindens, in die trübe nationale Färbung.

Ein Volk, das sich fast ohne eigene Ausrüstung auf den geistigen Pionirzug begab und das wenige, was es

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von seinen Nachbarn entlehnt hatte, bald als unvereinbar mit den heimischen Verhältnissen verwerfen mußte, konnte sich nicht anders vorwärts arbeiten, als indem es sich ganz und gar den Bedingungen, den natürlichen Forde rungen seiner Umgebung anpaßte. Ihr selber mußten die Mittel abgerungen werden, mit denen allein sie zu durchforschen und zu beherrschen war.

Das rauhe Klima veranlaßte die Entstehung einer Fülle von äußeren Schußmitteln. Die Dede und Frostigfeit der geistigen Atmosphäre konnte nur durch eine heiße, innere Truggesinnung überwunden werden.

Die Zahl der Leute, welche die Welt durch die aufgezwängten Brillengläser von Lehren und Ueberlieferungen betrachten, war in Rußland an sich niemals allzu groß. Das slavische Naturell ist zu finnlich veranlagt, um sich um Genüffe, Schmerzen und Kämpfe des vollpulfenden Daseins betrügen zu lassen. Rußlands große Dichter standen alle mitten im Leben, lernten vom Leben und ließen das Erfahrene und Erduldete in ihren Schriften wahrheitsgetreu und erscheinungsmächtig wieder erstehen. Selbst die politischen und sozialen Tendenzschriftsteller find doch derart von ursprünglicher Anschauung durch. drungen, daß sie ihrer Richtung fast nur in den Gesprächen und den eingestreuten Bemerkungen, äußerst selten in den geschilderten Gestalten selber Ausdruck geben. Sie ges winnen es nicht über sich, diejenigen Personen, denen sie ihre eigenen Anschauungen in den Mund legen, nur in hellen, die Vertreter der Gegenpartei nur in dunklen Tönen darzustellen. Tönen darzustellen. Ein Musterbeispiel hierfür bietet der liberal gesinnte Turgenjem, der in seinen Romanen und Novellen Licht und Schatten so gleichmäßig auf alle Stände, Klassen und Parteien seines ausgedehnten Vaterlandes verteilte, daß gegen ihn aus dem fortschrittlichen Lager wiederholt der Vorwurf der Wankelmütigkeit und Untreue erhoben wurde. Dafür zollten spätere Geschlechter dem Dichter für seine Unbefangenheit vollste und reichste Anerkennung, die als Lorberkranz fünstlerischer Krönung, als Rosengewinde allgemeiner Volkstümlichkeit seinen Grabhügel freundlich schmücken.

Seit dem Eintritt der russischen Litteratur in ihre national selbständige, schaffenßkräftige Epoche ist in unserem Nachbarreich keine hervorragende Dichtung ent standen, die nicht als Kulturbild, als Quelle für den späteren Forscher, als Denkmal nationalen Wesens, Fühlens und Meinens dauernden Wert für alle Zeiten befäße.

Der finstere Grundton des russischen Daseins mit seinem unausrottbaren Ueberwuchern des Materiellen über das Ideale mit seinen Enttäuschungen und Verbitterungen für feinorganisirte, hochgespannte Gemüter, mit seineu Bedrückungen und Verfolgungen jedes unabhängigen, frei heitlichen Strebens war es, der allen diesen Meisterwerken zugleich ihre schwermütige, pessimistische Stimmung gab, ihnen etwas von seiner schweren, harten, unübertünchbaren Erdfarbe mitteilte.

Die russische Geschichte, das russische Leben und vor allem auch der Grundcharakter der ugro-slavischen Raffe sind arm an farbenfatter Romantik, an stolzem, freudigen Heroismus. In der russischen Litteratur wird mehr das Heldentum des Leidens, als das der Tatkraft verherrlicht.

Etwas Dumpfes, Schwüles, Beklemmendes laftet schwer über diesem eigenartigen Schrifttum.

Für die Romantik waren außer den alten Mythen und Sagen gar keine Vorbedingungen vorhanden. Es fehlte die poefievolle katholische Wunderlegende (die dürre und absurde griechisch-orthodore Heiligenfabel war kein Ersat dafür), es fehlte auch der abenteuernde Ritter-Roman, welche beide auf die westeuropäischen Litteraturen so lange nachwirkende Einflüsse ausgeübt haben. Endlich war das

Gemüt der Nation durch die heftigen Umwälzungen, die ihr von der zarischen Gewalt auferlegt worden waren und die doch nur sehr vereinzelt Behagen und wahrhaften Fortschritt im Gefolge gehabt hatten, herb, verbittert, steptisch gemacht worden. Die vielen Revolutionen von oben her streuten mit vollen Händen die Sturmsaat des später so wild ins Kraut schießenden Nihilismus aus. Dort, wo die russische Dichtung romantisch wurde, bewegte sie sich entweder auf den Pfaden des Byronis mus oder der deutschen nachklassischen Aera, oder fie schöpfte ihre Anregungen aus dem Zusammenstoß mit fremdartigen, glanzerfüllten Kulturen, mit der polnischen (Gogolis Taráß Buljba“), mit den orientalischen (Vjermentows Kaukasusgefänge) u. s. f.

"

In seinen zeitgenössischen, großrussischen Dichtungen ift beispielsweise Gogolj so wenig romantisch, daß die Helden in seinem Roman Tote Seelen" und feinem Lustspiel „Der Revisor" nicht blos nichts Ideales oder Heroisches an sich haben, sondern schlechthin spißbübische Abenteurer sind, die durch ein raffinirtes Schwindelsystem ihre ganze Umgebung ausbeuten und an der Nase herumzerren. Und nun vergleiche man mit diesen halb humoristischen (leider nur start überpfefferten), halb abstoßenden und widerwärtigen Gestalten einmal die kalifornischen Spieler und Hochstapler Bret Hartes, die bei aller Verkommenheit sich doch einen gewissen gentlemanliken Zug in ihrem Wesen und Auftreten bewahrt haben. Wem springt es da nicht in die Augen, daß in der litterarischen Graphologie" der germanischen Rassen - Individualität die aufsteigende, der slavischen die absteigende Schreiblinie eigentümlich ist!

Fehlt es der russischen Dichtung an eigentlicher originaler Romantik, so hat sie hingegen sehr viel Idealismus aufzuweisen. Es ist jedoch vorwiegend ein Idealismus der Morallehre und der humanen Empfindung, selten ein solcher des Temperaments und der durch einen Läuterungsprozeß hindurchgegangenen großen, befreienden Leidenschaft, am allerwenigsten eine idealisirende Anschauung und Betrachtung der Menschen, der Zustände.

Noch tiefer als Gogolj stiegen andere Vertreter der sogenannten Naturschule", im Roman Dostojewski, in der lyrischen Dichtung Njekrassow, zu den Armen und Elenden, den Gaunern und Verbrechern, den Idioten und Wahnsinnigen, kurz zu allem, was im Widerspruch zum nüchtern-gesunden Mittelmaß, zur Norm und zum felbftzufriedenen Wolergehen stand, in die modrigsten Tiefen hernieder.

Dieser Naturalismus, der das Niedrige, Häßliche, Kranke aufsuchte, bot weniger objektive Wahrheit der Gesamt-Erscheinung, als subjektive Aufrichtigfeit der sittlichen Anschauung und Richtung, und diese Offenheit und Schonungslosigkeit trugen ihm in der verwirrenden und beängstigenden Umgebung priesterlicher Gedanken-Labyrinthe und polizeilicher Schlagbäume, Verhaue und Kerkermauern hohes Ansehen und begeisterte Zustimmung ein.

Neben seinem sittlichen Ernst unterscheiden vor allem zwei Eigenschaften den russischen Naturalismus vorteil haft und erfreulich von so manchem Erzeugnis der Kloafen-Litteratur westeuropäischer Großstädte.

Vor allem ist es sein feiner Künstlergeschmack, sein ästetisches Empfinden, seine zarte Poesie. Die russischen Dichter und Künstler haben alle ein mit ihrem weichen Naturell, ihrem Leben in reicher Geselligkeit, ihrem häufigen Verkehr mit gebildeten Frauen zusammenhängendes, untrügliches Taftgefühl, das sie auch den widerwärtigsten Stoffen eine vornehme und geistig überlegene Behandlung abgewinnen läßt.

In zweiter Linie wird er auch durch die ihmfzur Ver

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fügung stehenden Modelle auf eine bemerkenswerte Kunststufe erhoben. Das sind nicht äußerlich abgeschliffene, innerlich disharmonische, in hunderterlei gebrochenen Tönen schillernde moderne Großstädter, sondern einsam verstreute Kinder eines urwüchsigen Volkes, in dem meilenweit auseinander wohnende Familien sich noch als Nachbarn betrachten, in dem der mangelhafte Verkehr, die geringe gesellschaftliche Beeinfluffung und Nivellirung die wunderlichsten Spielarten und Typen des Homo sapiens" nebeneinander bestehen läßt. Und dieser Stoff- und Gestaltenfülle bemächtigte sich eine junge, aus erster Quelle schöpfende und auf eigene Finder- und Ausbeuterkraft angewiesene Litteratur. Das waren günstige und förderliche_Umstände, wie sie früher nur einem Rabelais, einem Shakespeare zur Seite standen! Die fast traum- und spukhafte Verquickung halbasiatisch-mittelalterlicher Zustände mit den modernsten, fortschrittlichsten Gedanken und Strebungen gibt der russischen Prosadichtung ganz besondere, einzig in ihrer Art dastehende Reize

Selten wol war ein Land reicher an Individualitäten, als das Rußland _Nikolaus des Ersten und Alexanders des Zweiten. Wolgemerkt, an Individualitäten, nicht an Charakteren! Die Charaktere find im öffentlichen, wie im privaten Leben des Zarenreiches nicht allzu dicht gefät. Zum Charakter gehört schon eine gewiffe Aktivität, die Individualität kann sich auch im Müßiggang, im Schlendrian entfalten.

Und wie viele von diesen Müßiggängern haben den Dichtern der „Kunstschule“, wie des feinsinnigen Realismus Modell stehen müssen, von den wüsten Halbbestien Gogolis, bis zu den närrischen, bizarren Gestalten Schischedrin Ssaltykows, von den sprichwörtlich gewor denen Oblomow Gontscharows bis zu den „überflüssigen Menschen“ Pissemskis, Turgenjews, des Lyrikers Ogarew. Welch ein karrikaturenhafter Totentanz der Trägheit, der Nichtsnußigkeit, des fauligen, verlotferten Herrentums!

Viel Sonderlingtum, viel Zopf und alter Wust, viel Auseinanderliegendes in Persönlichkeit wie in Umgebung, viel Typisches, Nationales, Osteuropäisches treibt sein Wesen auch im russischen Drama, vor allem in den Kaufmanns- und Bauernstücken Ostrowskis. Aber auch hier überall der Mangel an handelnden Charakteren! Es fehlt infolgedessen an Reibung, an Spannung, an Fortbewegung. Man wird fast an eine russische Litanei ge= mahnt. Hier und da ein schrilles Aufjauchzen, dann ein | brausendes Anschwellen. Doch das dauert nur kurze Zeit, dann sinkt alles wieder in das alte, einförmige Summen und Brummen zurück.

Deutschland, das Land der Raufhändel, der wiffenschaftlichen Kontroversen, des politischen Parteihaders, erlebt neuerdings das Glück, in seiner Mitte eine dramatische Litteratur von einer Kraft und Fülle erstehen zu sehen, wie sie sonst nur einer jugendlichen Nation beschieden ist, die mit dem ersten Feuer, dem ersten Enthusiasmus ans Werk geht. Die stärksten Antriebe gab wol die Entstehung des neuen Reiches mit seiner Meinungs- und Betätigungsfreiheit, die so zahlreiche Konfliktsfälle zwischen alt und jung, erhaltend und neuernd, gläubig und freidenkerisch, ernsthaft und lebensfroh, sittenstreng und leidenschaftlich herbeigeführt hat. Die Wurzel dieseš Blütenflors liegt aber doch wol in der streitbaren GermanenNatur. Das Drama ist im Grunde nichts anderes als der in eine künstlerische Sphäre gerückte Kampf. Kampf der Körper, Kampf der Gemüter, Kampf der Geister eins von diesen dreien muß sich auf den weltbedeutenden Brettern abspielen.

Das russische Volf ist trok seiner durch fast zwingende geographische und ethnologische Bedingungen bewirkten

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