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Gegenwart, die Evolution der neuen Zeit, des modernen Geistes in ihren Errungenschaften sowol wie teilweis auch in ihren Misgriffen. So regen fie an und fördern. Sie stehen nicht still, und es gibt keine Trägheit und Stagnation unter ihnen; lauter lebendige lebhafte Elemente. Sie weisen die Wage der Entwickelung zu neuem Wesen oder lenken wieder zu einer gefunden, verständigen Reaktion auf das, was schon ehedem gut war, aber wieder einmal vergessen wurde.

Zwischen den XI" und den „24" giebt es jedoch einen Unterschied, der sich nicht in den Ziffern blos be rechnen läßt. Die Mehrzahl der berliner Klubgenoffen find gereifte Charaktere, die genau wissen, wo hinaus sie wollen; aber die schon Bestimmtes erreicht haben, das ihre Stellung in der Geschichte figirt. Die münchener Ver einigung dagegen, zumal wie sie heuer sich zusammensett, refrutirt sich im numerischen Uebergewicht aus jungen, problematischen Naturen, die noch nicht aufhören werden, durch die unberechenbare Wandlung ihrer Persönlichkeit zu überraschen. Vielleicht werden die meisten von ihnen übers Jahr wieder mit ganz anderen Nuancen kommen wer weiß? Ihre Eigentümlichkeiten sind arg äußerlich; sie wechseln ihr Gewand mit der Mode, nach der Mode von Paris, das ihnen seine Schnittmuster alljährlich zuschickt. Davon treffen sie denn mehr oder weniger geschmackvoll ihre Auswahl und stußen sich vor dem Spiegel zurecht. zurecht. Einige sind darunter, die dann sogar ein bischen gigerlhaft ausschauen. Alle aber sind sehr geschickt und drapiren ihre Kravatten zu kunstvollen Knoten. Wenn auch unter diesen selbst Individualitäten sein mögen, so sind sie doch noch nicht ausgewachsen, haben sich in ihre Gewänder noch nicht eingewachsen; das Zeug sigt ihnen noch nicht ordentlich. Nicht einzeln jeder für sich, sondern lediglich als Gruppe stellen sie etwas vor: ein charakte ristisches Zeichen der Zeit.

sezt in den Stand, nicht über die Leistungen einzelner | kleinen exklusiven Zirkeln aber äußert sich das Leben der
nur ein Urteil sich zu bilden, sondern über die Produktion
der holländischen Malkünstler überhaupt. Denn man
fieht nun, daß einer malt, wie der andere, so ziemlich
alle mit derselben Tüchtigkeit. Holland ist ja ein Kultur-
land der Malerei. Man hat das Gefühl, als ob es dort
überhaupt keine schlechten Maler gäbe, aber auch feine
Ganzgroßen, welche unter sich oder gegen das Ausland
hoch hervorragen, weil die holländische Kultur nicht mehr
der höchste Begriff der internationalen Konkurrenz ist und
ein jeder Holländer in der Schule der alten Ueberlieferung
steht. Diese Holländer find in ihrer Kunst so charaktertypisch,
wie auf ihre Weise die Japaner, deren energische still be
wuste Ausdrucksart wir jest in ihrer modernsten Form,
den Darstellungen vom östlichen Kriegsschauplate, be
wundern können und müssen. Eine schwerflüssige zähe
Farbe ist mit breitem Strich auf die Leinwand getragen,
behäbig und unfehlbar sicher; denn man weiß ja aus
mehrhundertjähriger Erfahrung, wie mans zu machen hat:
Konind hat es den Landschaftern, und den Figurenmalern
haben es Rembrandt und Hals vorgemacht. Es gibt
garnichts befferes für fie. Ihr Temperament ist das
gleiche, und da sie an der Scholle kleben, haben sie auch
immer die gleichen Eindrücke. Die Malkunst ist in Holland
ein solides Handwerk, das seinen Mann nährt, weil die
Kunden befriedigt find durch das, was geliefert wird.
Natürlich gibt es auch Unterschiede zwischen den Erzeug-
nissen der zahlreichen fleißigen Werkstätten; die Marnen
der Familie Mesdag, die Sumpfwiesen mit und ohne
Kühe der Gebrüder Maris (die übrigens hier nicht ver
treten find), die Waldblicke des Shampeleer, das sind be
sonders berühmte und gern gekaufte Marken. Die Namen
aber der übrigen könnte man alle in einem Atemzuge
nennen. Doch wozu? Man vergißt sie sogleich wieder.
Woran könnte man sie sich auch merken? Vielleicht, daß
Willy Martens besonders interessirt, weil seine Vortrags-
weise der Technik Liebermanns so auffallend ähnelt.
Auch Arthur Briet bleibt im Gedächtnis haften; Die
frante Tochter" ist eine Geschichte, die mit mehr Teil
nahme und weniger Phlegma erzählt ist. Und dann der
alte Alfred Stevens, der vor Zeiten einmal in Paris eine
Rolle spielte, sodaß man sogar ein Gäßchen oben am Mont-
martre nach ihm genannt hat; er hat einen leisen Stich
ins Englische, also auch nicht gerade in das Gebiet
moderner Errungenschaften. Das ist auch gar kein Nach-
teil; denn ein junger, recht verfümmerter Johannes in
mattem blaffen Freilicht fällt noch mehr ab in dieser Um-
gebung von pastosen Behäbigkeiten. Und tritt man erst
in die Nebenräume. wo Holland aufhört und die berliner
Künstlervereinskunst anfängt, treten in schreckbarer Deut-
lichkeit einem Unterschiede vor Augen zwischen Kultur
und Unkultur, zwischen einer patrizischen Kunst und
einem proletarischen Künstlertum, welches an diesem Orte
seine traditionelle Stätte hat.

"

Ueberkultur aber kann man jezt im Oberlichtsaal bei Schulte sehen, wo sich programmäßig mit dem neuen Jahre die münchener „24" wieder eingefunden haben In München werden die Ableger, die man auf den internationalen Ausstellungen von den neuesten Gewächsen anderer Zonen mit eklektischem Geschmack entnommen hat, fünstlich fultivirt. Für Berlin aber muß es immer noch ein Besonderes bleiben, wenn von dorther Erzeugnisse in geschlossener Reihe und auserlesener Anzahl zur Schau gestellt werden. Diese Veranstaltung der "24" und die Frühjahrsrevue unserer XI", das sind die beiden Ereigniffe im Kunstleben nicht nur des Winters, sondern des ganzen Jahres. Denn die großen Maffenversammlungen im sommerlichen Ausstellungspark demonstriren keine hervorragend künstlerischen Tendenzen. In jenen beiden

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Von dem Stamm der Vierundzwanzig, die vor zwei Jahren debütirten und auch beim zweiten Auftreten noch auf dem Plaze waren, find gerade die Reifen abgefallen. Meister Piglhein ist dahin; von Ludwig Dill sehen wir diesmal nichts, die Trübner, Eckmann, Olde, Schlittgen und Korinth, welche von der Sezeffion sezeffionirten, haben sich zu einer anderen Ausstellergruppe zusammengeschlossen, (die sich vielleicht auch schon wieder zerteilt hat). Über frische junge Reiser haben sich angesezt. Die Zahl, welche der Vereinigung ihren Namen gibt, ist nicht voll; ich zählte nur ihrer neunzehn.

Gerade die Neusten und Jüngsten bringen den be lebenden Zug in die Ausstellung; denn die alten anerfannten Autoritäten hospitiren nur mit einigen Belanglosigkeiten, als ob fies nicht der Mühe für wert hielten, sich in Berlin von einer bedeutenden Seite zu zeigen. Frig von Uhde, Franz Stuck, Albert Keller, Gotthold Kühl und Freiherr von Habermann sandten winzige Skizzen nur und Studien, die wenig oder nichts vorstellen. Letterer hat z. B. nichts als das flüchtig hingeworfene Profil irgend einer sonderbaren Heiligen mit einem pschütten Heiligenschein pastellirt. Das soll dann etwas sein.

Diese paar kleinen Sächelchen mit den großen Namen Namen verschwinden gegen das, was die anderen mit vollen Händen und aus vollem Herzen spendeten. Am reichlichsten gaben Josef Block und Reinhold Lepfius; ihre Portraits, von jedem ein halbes Dußend, bedecken fast die gesamten Wände. Dazwischen leuchten dann, als lustige Farbenflecke, Bilder, die wol Landschaften oder Innenräume zum Vorwurf haben, aber aus keinem anderen Grunde gemalt wurden, als aus heller Freude an der bunten lichten Erscheinungswelt, wo immer man sie sieht. Block und Lepfius find in Berlin beliebte

Bildnismaler geworden. Die Kreise, von denen sie, jeder für sich, bevorzugt werden, find so verschieden, wie die beiden Künstler untereinander. Während Lepfius in den guten Stuben der vornehmen wolfituirten Gelehrtenwelt zuhause ist, verfehrt Block in den Boudoirs und Salons der Finanzaristokratie und ihres Anhanges. Und da Und da zwischen unterscheiden Nuancen, die für den Maler äußer lich genug find, besonders in den repräsentirenden Frauenerscheinungen. Dort eine strenge, fast puritanische und fühle Zurückhaltung in den Mienen, der Pose und dem Schmuck, hier ein freieres Sichgeben, ein weicheres, wärmeres Genießen, das den Persönlichkeiten eine üppigere Fülle der Formen und Farben verleiht, und einen Ausdruck, der mitunter pikant sein kann. Doch hat diese Pifanterie bei Block nichts Herausforderndes; es ist immer nur ein vergessenes Träumen, ein mattes, refignirtes Lächeln und ist darum diskret. Was die beiden, Block und Lepfius, trot all diesem so gleichartig erscheinen läßt, ist, daß einer wie der andere für sein spezielles Milieu den eigentümlichen einzigen Stil gefunden hat, der ganz ihrer eigenen fünstlerischen Persönlichkeit entspricht. Als der Reichere erscheint immerhin Josef Block; jedenfalls hat er, von außen betrachtet, die dankbarere Aufgabe. Aber nicht nur das. Er hat tatsächlich immer wieder neue, feine, koloristisch stimmungsvolle Einfälle; Lepfius dagegen scheint mit dem schmalen Lichtspalt im Hinter grunde sich erschöpft zu haben. Und was damals auf dem ersten Frauenportrait als ein geistreiches Moment, als ein hochkünstlerisches Mittel erschien, ist nun zu einem manirirten Truc geworden. Dazu noch haben seine Per sonen miteinander dasselbe verzärtelte Inkarnat, das spgenannte Fleischfarbene" aus dem Tuschkasten; ein frockener, gleichmäßiger Anstrich ohne Leuchtkraft und ohne Abstufungen. Besonders auffällig ist das neben den frappanten Farbengemälden der nächsten Nachbarn, sogar gegen die Genrebildnisse des Frit Alexander, die bei aller Trübheit doch nuancirt find in den Lönen. Eins dieser nicht sonderlich erfreulichen Bilder ist Aschermittwoch" getauft; man könnte sie alle beide so nennen. Es sind rechte Katerideen und deshalb nicht hervorragend geschmack voll. Die merkwürdige zittrige Pinselführung ließe auf eine entsprechende physische Verfassung des Malers schließen; das ist jedoch wol ebenso affettirt, wie manches andere an ihm. Die gesuchten Farbenkontraste auf einem Damenbildnis von Hierl-Deronco würden vermutlich noch roher gewirkt haben und die deutliche Pikanterie noch undelikater, wenn man es nicht so hoch wie möglich gehängt hätte. Unendlich viel feiner und intereffanter als die beiden lettgenannten, find Christian Landenberger, Charles Vetter und Hans Borchardt, obwol der Inhalt ihrer Rahmen feinen Gedankenstoff veranschaulicht, sondern lediglich das Resultat ihrer malerischen Betrachtungen. Die find allerdings mit einer großen Liebe zur Sache angestellt, mit einer Begeisterung, die freilich einseitig ist. Denn zärtlich find nur die Farben behandelt, nicht auch die Gegenstände im ganzen, auch in ihrer Körperlichkeit, wie Kühl . B. die Dinge sieht und malt. Und dann hat noch ein jeder sein ganz bestimmtes Farbenproblem. Borchardt, der zur Zeit gerade ein gelbes Grün mit einem rosigen Violett zusammenbringt und diese Lichtpunkte auflöst in den schwärzlichen Schatten dunkler Innenräume; Landenberger, der sonniges Freilicht auf den nackten Menschenförper scheinen und es ausstralen und verschwimmen läßt in den vielfachen Refleren der blauen Luft und des grünen Laubes. Da ist es denn nicht sonderlich wichtig, ob zu diesem Zwecke ein junges Mädchen bei einer Lampe näht oder ein nackter Bürsche auf einem Brückensteg sitt. Sie find nur Objekte, an denen die Wirkung des Spieles von Lichtern und Farben demonftrirt wird. So lange der

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Vorgang nicht auch seelisch oder geistig als bedeutsam charakterisirt ist, werden diese Art Produkte in den Augen aller Nichtkünstler Vorstudien bleiben, so sehr dem Maler die sichere Beobachtung und Handfertigkeit imponiren muß und er entzückt sein kann von der Fülle neuentdeckter intimer malerischer Einzelheiten. Denn Landenberger z. B. feßt fühner und lustiger die blizenden und schimmernden Flecke hin, als Harrison und Stewart, die ihn anregten. Better richtet seine Naturausschnitte schon etwas bildmäßiger ein, ohne daß er darum weniger refolut wäre. Der Blick aus dem Fenster seines Ateliers auf die Straße, die in der schweren, naffen, kalten Herbstluft daliegt, kann unmittelbarer garnicht gesehen werden, und mit den differenzirtesten Sehnerven ist der Kampf des verblaffenden Tageslichtes mit dem matten Lampenscheine empfunden. Bilder, in mehr landläufigem Sinne, haben F. Keller Reutlingen, Julius Erter und Benno Becker beigesteuert. Das sind Landschaften. Ein homo novissimus, Viktor Thomas, kann mit seinen kleinen Täfelchen nicht für voll in dieser Rubrik angesehen werden. Denn wenn er auch eine Dorfkirche, Häuser und Bäume und Wolken mit einem bestimmten Farbengeschmack malt, so ist doch nichts von dem Geheimnisvollen darin, das über der stummen Natur lagert, nichts von dem unhörbaren Geräusch, dem Raunen, Summen und Rauschen, von dem die Lüfte über der still vegetirenden Erde erfüllt sind, das man nicht hört, aber doch fühlt. Keller-Reutlingen aber ist so ein hellhöriger Lauscher. Ein unsagbar Zauberisches geht durch diese Nacht, die dunkelblau über dem glatten Flusse, über dem niedrigen unbeweglichen Gesträuch der flachen Ufer drückend liegt; von fern blinzelt noch ein helles Fenster, dort legen sich müde Menschen zum Schlafen nieder. Und wie die Dämmerung sich schweigend auf die weiten Fluren herabfenkt, davon hat auch Erter erzählen können. Auch so schlicht und doch start im Mitgefühl. und darum ist mir dieser immer noch sich selbst suchende Künstler bisher niemals so sympathisch gewesen, wie mit diesem kleinen Landschaftsbilde aus der Rheinpfalz. Keine Spekulation auf moderne oder originelle Effekte, kein be dachtes Reflektiren; jenes Bild ist aus Passion gemalt. An dem inneren Beruf aber von Benno Becker muß man besonders vor dem jegigen Bilde der florentinischen Villa" verzweifeln. Das ist eine Komposition in einem gewiffen Stile, der jedoch nichts weniger als gerade persönlich ist So berührt es mich; ich sehe darin einen Formengedanken Böckling mit der Couleur von Trübner, noch dazu mit der moltigen, grünlich-weißlichen.

Auch die Plastik hat ihre Vertreter unter den „24"; sie ist sogar qualitativ und quantitativ stärker vertreten, als sonst, trosdem Maison sich diesmal nicht beteiligt hat. Für ihn ist ein, wies scheint, nicht nur fleißiger. auch ein sehr begabter Erfagmann eingetreten: H. Hahn. Dieser, Josef Floßmann und Hugo Kaufmann sind geistreiche Porträtisten und vielseitig geschickte Techniker, die für Bronce, Marmor, Ton die entsprechende charakteristische Behandlundsweise künstlerisch anwenden. Durch eine freie malerische Auffassung unterscheiden sie sich vorteilhaft von dem allgemeinen starren Formenritus. An ihren Sachen sieht man doch, was Haut und was Haar ist.

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Die Abonnenten des Herrn Schulte entrüsten sich über die gelinde ausgedrückt modernen Malereien". Für ihre drei Mark jährlich verlangen fie fertige Bilder zu sehen. Die Mittel fümmern sie nicht, fie können nur den erfüllten Zweck allenfalls verstehen. Nicht einmal das Wolwollen haben fie, die Strebsamen gewähren zu lassen. Sie verwahren sich gegen die Zumutung, diese Schmiere reien" in ihre guten Stuben zu hängen, als ob sie je Bilder kauften; es wäre auch schade darum. Zu ihrem entschiedenen Urteil fühlen fie fich berechtigt und befähigt;

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denn es ist ja auch die Meinung der durch Druckerschwärze | seiner Zeit, in der er ganz aufging und die er ganz durchfanftionirien Tageskritik. Und was hat einst ein großer drungen hatte. Gelehrter geschrieben, der Anatomieprofeffor Fritsch! Dieser streitbare Philister aber, der mit dem Sezirmesser wild umherfuchtelte und die ganze duftige glänzende Welt von Licht und Luft und Farbe in die camera obscura sperrte, fand einen überlegten und überlegenen Widersacher in einem persönlichen Freunde, dem man Mangel an Sachkenntnis und Vorurteilsfreiheit am wenigsten vorwerfen konnte, in August von Heyden, dem Monumentalmaler des Rathauses, der Nationalgallerie und des Opernhauses, der aus den Ateliers von Gleyre und Couture herfam und dunkle farbenprächtige Kostümbilder malte. Das hat ihn aber nicht blind gemacht und für seinen Ruhm um

jüngeren Generation zu verkennen uns eltanschauung der

Wie groß ist seitdem die Welt geworden, und wie schnell und wie vieles erlebt der, welcher lebt! Jeder Tag bringt Neues und nach Neuem verlangt hastig der veränderliche, verwöhnte Sinn. Was ist uns heute noch fremd? Naiv soll der Künstler sein und originell. Manche Maler taten darum das, was nur übrig blieb, und flohen hinaus in die Natur. Vor ihrer Unerschöpflichkeit könnten sie noch in naivem Staunen stehen und bewundern. Jeder suche sich sein stilles Fleckchen und schildere das Stückchen Welt, das sich dort seinem Ausblick bietet. Und aus vielen einzelnen Teilchen feßt sich dann das Panorama zusammen, das Panorama des fin de siècle.

Ein herrlicher Tag.

Bon

Sermann Bang.

Autorisirte Ueberseßung aus dem Dänischen von R. Blumenreich (Schluß.)

Endlich rückten Direktors an. Die Luft in der Gesellschaft wurde sofort gewissermaßen frischer und weniger drückend man wußte, es waren die letzten — während die Direktorin, eine ungewöhnlich dicke Dame, in einem bronzefarbenen, mit möglichst vieler selbstgearbeiteter Spike garnirten Atlaskleide, wie eine wandelnde Fregatte auf den General lossegelte und in einem äußerst nachdrücklichen Tone, den man durch das ganze Zimmer hörte, sagte:

imponirender Offenheit ist er für ihre gute Sache eingetreten und eine praktische Bekundung seiner Sympathie, die nicht nur aus verwantschaftlichen Beziehungen natürlich ist, hat er jest geliefert, indem er bei Gurlitt gleichzeitig mit seinem Sohne Hubert eine Ausstellung seiner Werke veranstaltete. Und ist nun, man sehe genau, der Unterschied zwischen dem Alten und Neuen, zwischen Vater und Sohn so ungeheuerlich? Beseelt sie nicht beide derselbe Geist, diefelbe Liebe, dieselbe Achtung vor der Kunst und vor der Natur? Die Gebiete, auf denen sie ihre Stoffe suchen, find allerdings entfernt von einander. Den Vater entzückt ein schöner Frauenkopf, den er im gedämpften Lichte des Ateliers mit seinen feinen Linien und Schatten malt, aber so wahr, wie er ihn sieht. Hubert, der Sohn, geht hinaus in den hellen Sonnenschein, der ihm allés, alles verklärt, auch die Schweineherde am Wege. Das haben ihm die geschmackvollen Herrschaften arg verdacht. Und doch, was war dieses Bild mit den Schweinen anders, als ein starkes Stückt seiner großen malerischen Anschauung und seines derben Humors: der Kontrast, Frau Etvös öffnete nun die Tür nach dem Speisedas in einer lieblichen Landschaft sich räkelnde Borsten-zimmer, und man sah, daß die Kerzen auf dem Tische vieh, und die Harmonie, die von üppiger Fülle strohende angezündet waren. Die Herren fingen an sich zu rühren, Natur? Welch eine heilige inbrünstige Anbetung der um eine Tischdame zu suchen, und Etvös klatschte in die Gotteswelt_liegt in den_Landschaftsschilderungen von den Hände. Frau von Linden, eine blonde, fette LandadelsUfern des Starnberger Sees, und welch launige Psychologie dame, die ungefähr dieselbe Höhe mit dem General hatte, steckt in den Tierdarstellungen, die doch garnicht spielerisch, erhob sich schwer von einem der Etvösschen Flechtstühle sondern in malerischer Größe angeschaut sind! Und der und sagte, sich an der Seite des Präsidenten aufstellend, Vater ist dem Sohne ins Freie gefolgt, hat dort seine äußerst wolwollend: Staffelei aufgestellt und sich mit ihm ergött an den vielfarbigen Wunderdingen. Wenn doch alle Leute also tun wollten und die Augen weit öffneten!

Was heißt das schließlich „modern sein?” Daß man der Maler seiner Zeit sei? Daß man aus dem Geiste schöpfe, der sie erfüllt? Vor hundert Jahren, ja da war es noch ein leichteres, sich in der Welt zurecht zu finden, denn sie war noch eng und man schritt bedächtig fort. Ein Mann, der wie Daniel Chodowiecki das Leben seiner Tage schildern konnte, deren Sitten und Gebräuche, deren Geist, Gemüt und Geschmack, kann der heutigen Zeit in solcher Universalität nicht erstehen. Die köstliche Ausstellung, welche Amsler und Ruthardt jezt bei sich arrangirt haben, diese reiche Sammlung giebf einen unmittelbaren vollkommenen Begriff von der feinen Künstlerschaft des Chodowiecki, der gemächlich von Berlin nach Danzig trabte und mit behaglicher Beschaulichkeit seine Erlebnisse aufzeichnete. Damals hatte man noch die füße Muße, neben der Realität der Alltäglichkeit in arkadischen Reminiszenzen zierlich zu tändeln und mit zärtlichem Pinsel solche Vorstellungen graziös darzustellen. Das war aber auch realistisch. Chodowiecki war kein Raffael Mengs, der in die grauen Theorien antiken Geistes fich verlor und deshalb längst vergessen ist. Er malte die Kulturgeschichte

Wollen Sie mich vielleicht vorstellen?"

„Na Gott gebe nur, daß alles klappt!"

Etvös näherte sich Frau Simonin -fie sollten natürlich vorangehn. Diese, inmitten ihrer Truppe stehend, war durch die vielen klingenden Namen der Versammlung etwas milder gestimmt worden übrigens war sie ja auch so ziemlich an gesellschaftliche Ueberraschungen gewöhnt.

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„Na lustiges Nest", sagte sie auf ihr bairisch, mit den Schultern zuckend, zum Violinisten und ging mit Etvös los.

Buchstäblich mitten in der engen Tür keilte sich eine blonde kleine Spiznaje mit Lorgnette mitten zwischen Frau Simonin und die Generalin, welche von Graf Silverjhelm vom Steuerdepartement geführt wurde, und betrachtete starren Auges die reichen Diamanten der Künstlerin, als wäre diese selbst leblos und in irgend welchem Schaufenster ausgestellt.

Frau Etvös sollte sich mit dem Tenoristen anstellen, aber erst huschte sie noch zu Fräulein Zelchen hin und steckte ihren mageren Arm in den der Dame.

„Dante", sagte sie leise, ihre Augen leuchteten, als hätte sie hohes Fieber.

Die Kronbergschen Schäße wackelten bedenklich auf der Festtafel, ehe alle Beine und Schleppen ordentlich untergebracht waren, und die Gäste endlich glücklich in

zwei ziemlich bergigen Reihen saßen die Etvösschen Stühle waren leider etwas ungleich in der Höhe

Ericsson trug mit bedeutender Feierlichkeit die Suppe auf.

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Hinter Frau Etvös schloß sich leise die Tür des Salons. Es war Emmeline, welche vorsichtig Birkenholz durch das Entrée hereingeschleppt hatte, um Feuer zu machen.

Ein paar Gänge waren mittlerweile aus und eingetragen worden.

Die Honoratioren der Stadt saßen da, als wären fie eingeladene Zuschauer, und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Die Truppe aß.

Etvös hörte man von Zeit zu Zeit sagen: „Aber Sie trinken ja nicht, lieber Freund, aber Sie trinken ja gar nicht!" Dabei machte er einige Echnißer in der ihm so ungewohnten deutschen Sprache, welche überhaupt noch dazu beitrug, die Konversation zu dämpfen, so daß nur ab und zu gelähmte Bruchstücke einer Unterhaltung laut

wurden.

Der armen kleinen Frau standen die Schweißtropfen anf der Stirn; sie sah alles nur wie durch einen Schleier. Es ist keine richtige Munterkeit," sagte fie verlegen mit ihrer schüchternen Stimme und hob ihr Glas gegen die unbeweglich und steif dasißende Direktorin.

Ach, finden Sie?" antwortete diese mit einer Freund lichkeit, welche ungefähr wie ein Dolchstoß wirkte.

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Die Truppe fühlte sich verpflichtet, ein paar Anekdoten zum besten zu geben, jeder eine wobei die ganze Gesellschaft, mit Ausnahme von Generals, zu effen auf hörte danach wurde es stille, eine ganze lange Weile.. „Aber Sie trinken ja gar nicht! Trinken Sie auch nur dort unten!" sagte Frau Etvös nun auch ihrerseits.

Rascher, mein Freund, rascher,“ flüsterte sie dem Lohndiener zu.

Ericsson hatte die angenehme Angewohnheit, ab und zu beim Serviren inne zu halten, um zu hören, was gesprochen wurde.

Silla ging eifrig mit den Saucen herum, dabei ließ sie beständig die Tür zum Durchgang offen, so daß dichte Wolken von Frau Börners Werkstatt herein drangen.

Im Zimmer, wo es mittlerweile schon heiß genug geworden, war es bald einfach nicht mehr zum Aushalten; die Herren bekamen nach und nach rote Köpfe.

Auf einmal begannen die Kinder sich hören zu laffen. Gott mag wissen, was sie da drin alles anstellen, dachte Frau Etvös, welche wie auf Kohlen saß. Plöglich ertönte ein Bums, als ob ein Donner wetter in die Nebentür eingeschlagen hätte.

„Ob ich wol aufstehen darf?" fragte sie leise, zu Frau von Linden gewant. Ach

-es find nur die Kinder," damit fuhr fie von ihrem Size in die Höhe.

Es wurde lautlos stille nach dem Plumps, so daß man Frau Simonin über das ganze Zimmer fagen hörte es war das erste, was sie überhaupt bei Tische sprach -:

"

Sie haben Kinder?" Das kam ganz naiv heraus. ,,Ja, neun," antwortete Etvös.

"

Neun!"

Frau Simonin legte Meffer und Gabel aus der Hand, und fah Frau Etvös mit ungeheucheltem Ent sezen an.

„Sie Unglückliche," sagte sie darauf in einem Tone, der aus der Tiefe ihres Herzens fam.

Da brachen alle in ein unwiderstehliches Gelächter aus. Sie lachten so, daß sie sich förmlich schüttelten, während die Künstlerin, welche nicht verstehen konnte,

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Sie konnten gar nicht aufhören. Cerlachius, der fast erstickte, sagte:

Ja, wahrhaftig meiner Seel, sie hat recht!" und trant dem Oberlehrer zu.

Darauf lachten sie wieder, und die Unterhaltung fam in Fluß.

Der Hausfrau fiel ein Stein vom Herzen.

Der Präsident trank ihr zu, auch der General hob fein Glas gegen fie. Sie stralte vor Freude, und ihr Herz flopfte zuni Zerspringen.

und tauchte es ungenirt in ihr Glas. Fran Simonin nahm ihr Diamantenarmband ab ihrem Lieblingsthema angelangt: „Ueber die Vermehrung Sie war jest bei des Menschengeschlechts".

Ihr luftiger Baierdialekt übertönte alle munter und schelmisch ging fie näher auf die Sache ein, die herrlichen Arme auf den Tisch gelehnt. Die Herren fahen nur sie, deren wunderbare Büste wie der Kelch sproß. Die Generalin und Fräulein Zelchen schienen einer großen weißen Blume aus den Spizen hervor mit ihren feierlichen Fächern den allzu starken Duft von sich fernhalten zu wollen.

Die Spitnase jaß noch immer, seit sie zu Tisch ge= gangen, mit der Lorguette bewaffnet, die Handschuhe an ihrer Seite, als befände sie sich als Zuschauerin im Parkett. Die Direktorin sagte indignirt zu ihrem Herrn, der nicht zuhörte, daß sie das von solchen herumreisenden Damen" nicht anders erwartet hatte.

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Gott, daß die Weiber sich dazu hergeben!" rief Frau Simonin aus, welche sich von ihrem Thema gar nicht trennen fonnte, und rang die Arme vor Verwunderung.

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Frau von Linden lachte mit den Herren um die Wette und stüßte beide Ellbogen auf den Tisch konnte nicht mehr.

„Amüsante Person," sagte sie zum Präsidenten, der seine Goldbrille weggeschoben hatte und die Künstlerin mit bloßem Auge anstarrte.

Nun kam Cerlachius guter Burgunder an die Reihe, und alle Welt stieß mit Etvös an, der vor Freude förm lich breit wurde.

danke viel

„Dank, Dank, liebe Freunde mals, liebe Fremde," sagte er und schlug sich an die Brust.

Und seine Frau sagte mit einem leisen, noch immer furchtsamen Lächeln zu ihrem Nachbarn:

"

Nun glaube ich doch nicht, daß sie sich zu sehr langweilt;" und als der Tenorist sich beeilte, fie des Gegenteils zu versichern, lächelte sie glücklich mit ganz offnem Munde:

„Ach wirklich? — Ach, Gott sei Dank, glauben Sie wirklich?..

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"

Graf Silverjhelm trank verständnisvoll Cerlachius zu er fannte den Burgunder- und der Violinist schoß mit einer Geschichte los, welche alle unter Lachen anhörten. Frau Simonin hatte es oben an ihrem Tischende zwischen Etvös und dem General so gemütlich wie in einem Kachelofenwinkel.

Ja, wer nur jest a gutes Glas Bier hätte!" sagte fie, als wäre das der Gipfel der Glückseligkeit. Etvös sah sie ein wenig unsicher an. „Aber das läßt sich ja herbeischaffen!" sagte er und er war bereits ein wenig unsicher in den

erhob sich Beinen.

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Darauf lief er Drinnen hatte inzwischen die kleine Hausfrau Ericsson erwischt:

Emmeline hat Geld," flüsterte sie ihm zu und schickte ihn hinaus.

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Gustav Adolf von den Neunen sprang nach Bier. Es wurde wieder stiller, und Frau Simonin, deren Blick leicht über die Reihe der Generalin hingestreift war, (diese war eine geborene Prinzessin Trubeßkoi und ertrug ihre Verbannung nach Finnland mit einer Miene, wie ein Potentat, der eine Galavorstellung bei einem geringeren Vetter erdulden muß) schlug in französisch über und brachte der Generalin einen Gruß von der Fürstin Ghika, welche sie eben in Paris getroffen hatte. Sie fuhr fort, französisch zu reden, während sie zu Rumänien übersprang, und erzählte von der Königin Elifabet la charmante femme- und dem Hofe in und dem Hofe in Bukarest.

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Des perles exquises n'est-ce pas, madame?" n'est-ce pas, madame?" Die Generalin brach in Entzücken über die Perlen aus. Und Frau Simonin rief den Violinisten zu sich. Etvös war inzwischen wieder nach dem Bier hinausgegangen -:

"

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Otez ça, fagte sie. Er löfte die Agraffe, welche rund herum, von Hand zu Hand ging, während die Künstlerin wieder in Deutsch überschlug und erzählte, wie sie mit Seiner Majestät, dem König Alfons, Billard gespielt hatte.

Die Agraffe ging weiter herum, während Frau Simonin zu erzählen fortfuhr, daß es nur so mit königlichen Namen um die gräflich Kronbergschen Auffäße schwirrte. Alle hörten mit frohen, stralenden Gesichtern zu, als fiele all der Schein der Hofsonne auf sie selbst, die hier mit der Berühmtheit zu Tische saßen.

Einer nach dem andern fühlte den Drang, mit den

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„Nun redet der Oberlehrer," rief Silla, welche das Kompot trug, im Vorübergehen und riß die Tür zur Schlafkammer auf, wo Emmeline auf der Bettkante bei einem Talglicht in der Flasche saß und sich mit dem weißen Kleidchen abmühte: Sie wollte noch einen legten Riß mit Spike decken, während Inga, klappernd vor Kälte, in ihrem weißen Unterröckchen wartend dastand. „Nun redet der Oberlehrer," hörte man Silla wieder in der Küche.

Emmeline legte die Hände in den Schos und saß ganz steif in dem matten, flackernden Lichte hörte alles durch die offene Tür.

man

Etvös räusperte sich ein wenig, darauf sagte er mit ziemlich leiser Stimme, als spräche er nur auf Frau Simonin ein:

Ich wollte nur Ihnen danken Ihnen danken, weil Sie heute uns Freude und Glanz verliehen haben Freude und Glanz," wiederholte er noch leiser, während er über den Tisch starrte, nach Worten suchend, die er aber nicht fand...

Es entstand eine ziemlich peinliche Stille. Doch bald darauf riefen alle Hürrah, neun Mal, und die Herren standen auf, um mit Frau Simonin anzustoßen.

Frau Etvös saß wie festgebannt und starrte sie an, wie sie so, allen sich neigenden Gesichtern zulächelnd, dastand auch die Generalin in ihrem „Seidnen“ hatte jich rauschend erhoben.

„Wie glücklich Sie sein müssen!" sagte die kleine Frau zögernd und halblaut zum Tenoristen, ohne die Augen von der Künstlerin zu lassen.

„Ach nein," antwortete er nur langsam und starrte ebenfalls vor sich hin aber einen andern Weg.

Inga wurde nun zum Nachtisch präsentirt. Während sie von Schos zu Schos wanderte, fiel Frau Simonin ihre Agraffe ein. Diese fand man bei der Dame des Vizekonsuls gelandet, welche sich nicht davon trennen fonnte.

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Die Tafel wurde aufgehoben, und von allen Gruppen, die fich vildeten, hörte man lautes Danken; alle sprachen munter und mit satter Behaglichkeit, und Etvös ging von Umarmung zu Umarmung:

„Dank, mein Bruder," sagte Graf Silverjhelm und schlug den Oberlehrer auf beide Schultern.

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