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Der gesamte Inferatenter

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Deutsche Verlags-Gesellschaft Berlin u. Stuttgart.

Erscheint jeden Sonnabend. — Preis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem poftamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazin" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die viergespaltene Nonpareillezeile. → Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. &

63. Jahrgang.

Berlin, den 17. November 1894.

Nr. 46.

Auszugsweiser Nachdruck sämtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet.
Unbefugter Machbruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

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Es ist bekannt, daß viele unbewuste Bewegungen unserer Muskeln und unserer Eingeweide, die mit den Instrumenten von Mosso und Marey gemessen und festgestellt wurden, uns einen deutlichen Begriff von den verschiedenen Stadien der Gemütsbewegungen und sogar von der geistigen Beschaffenheit der betreffenden Individuen geben fonnten. Und ebenso können manche unserer neu ropathischen Zustände durch genaue graphische Beobachtung des Ganges, der Stimme, der Aussprache studirt werden. Jedermann weiß, daß das langsame schwere Einherschreiten eine Besonderheit des Kretins, das Gehen auf den Fersen eine Eigentümlichkeit des Ataktikers*) ist, der hüpfende Gang dem Idioten angehört; daß dem Ataftifer eine gewisse langgedehnte Aussprache eigentümlich ist, ebenso wie die übersprudelnde Aussprache

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*) eines Rückenmarkskranken besonderer Art.

dem Alkoholisten u. f. w. Aber von diesen Bewegungsarten entziehen sich einige der Beobachtung, andere geben von dem Seelenzustande einen nur annähernden Begriff, und man muß sie daher mit Zuhilfenahme äußerst feiner Instrumente, deren sich die physikalischen Laboratorien und die Kliniken bedienen, feststellen.

Es ist natürlich, daß die Wirkung einer zum großen Teile bewusten und freiwilligen Bewegung, die in so direkter Beziehung zur Vernunft steht wie das Schreiben, nicht nur noch weit mehr mit dem Gemütszustande in Uebereinstimmung stehen muß, sondern auch mit den ver schiedenen Formen des Erkenntnisvermögens, wobei überdies der große Vorteil in betracht kommt, daß, während die andern Bewegungen, kaum ausgeführt, sich verlieren oder nur durch sehr feine Instrumente festgehalten werden fönnen, die Bewegungen der schreibenden Hand von ihrem ersten Zuge an auf dem Papiere für immer firirt bleiben. Der Mensch lebt, während er schreibt, sagt Varinard, ganz in seiner Feder und folglich in der Hand, die das vermittelnde Werkzeug ist, und so wie das Wort die momentane Offenbarung des Gedankens ist, ebenso ist die Schrift deffen ebenso unmittelbare, wenn nicht noch raschere Kundgebung. In der Hand des Schreibenden entstehen unbewuste Bewegungen, die, obwol fie sehr gering und faum wahrnehmbar sind, dem Beobachter doch genügende Anhaltspunkte geben.

Alle Gefühle, alle Empfindungen, alle Gedanken entfließen dem Gehirn und werden, ohne daß wir uns darüber Rechenschaft geben, auf die Muskeln durch die motorischen Nerven übertragen. Und so wie die Sprache die psychischen Eindrücke in einer bestimmten Form überträgt, ebenso geschieht dies durch die Schrift, die ein anderer Uebertragungsprozeß des Gedankens ist. Die Oszillationen der Hand des Schreibers sind fortdauernde und ändern sich je nach der Art der Schrift. Diese schwingenden Bewegungen, die bald biegende, bald streckende, bald verbindende find, tragen durch ihre Gesamttätigkeit zu den Bewegungen der Feder bei, jede einzelne derselben versieht aber dabei ihre besondere Aufgabe.

Die zum Schreiben notwendige Muskel-Tätigkeit ist von Burckhardt, der fie myographisch untersucht hat, flar dargelegt worden. Er hat gefunden, daß die Kurve des Myographen mäßig ansteigt, wenn die betreffende Perjón schreibbereit ist, was darauf hin

weist, daß der Akt des Federhaltens eine tonische Tätigfeit von seiten der drei Muskelgruppen erfordert. Schreibt die Person nicht, so nimmt die aufsteigende Tendenz ab und verliert sich endlich gänzlich; schreibt sie hingegen sofort, so dauert die Aufsteigung fort und es bildet sich ein fefundäres Niveau da, wo die für die Bildung der Schriftzüge nötigen Bewegungen sich übereinanderlegen, wie die Kurven des Pulses während der Ausatmung.

Wir erklären uns auf diese Weise sehr gut das mechanische Entstehen der Schrift auf dem Wege der muskularen Tätigkeit unter dem Antrieb des Gehirns. Das Gehirn selbst ruft diese Tätigkeit hervor und die Erregung der Gehirnnerven wird durch das Rückenmarf auf den Körper übertragen.

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Damit die Schrift deutlich geführt sei, bedarf es also einer guten Uebertragung der psychischen Eindrücke. Diese Eindrücke müssen nicht nur regelrecht wiedergegeben werden, sondern die Nerven-Erregung muß sich in die verschiedenen Muskelgruppen verteilen, die ihrerseits sowol dazu geeignet sein müssen, den physiologischen Geseßen zu gehorchen, welche die muskulare Zusammenziehung regeln, mit eincr als auch infolge der großen Nebung

Es giebt Tatsachen, die uns zu der Annahme zwingen, das es ein besonderes zerebrales Zentrum für die Schrift ebenso großen Regelmäßigkeit und Genauigkeit reagiren müffen. giebt. Alle zivilisirten Völker schreiben mit der rechten Ein dergestalt komplizirier Apparat wird selbstverHand; es ist also die linke zerebrale Hemisphäre, die befiehlt, und demnach steht die Schrift in engster Verständlich zahlreiche mehr oder weniger bedeutende Unvollbindung mit der Sprache. Bei den primitiven Völkern kommenheiten zeigen müssen, von welchen jede einzelne hingegen, wo die Sprache in jener Hemisphäre weniger die Schrift in irgend einer Weise beeinflussen wird; und vorherrschte, schrieb man mit der linken Hand. Dottor solchermaßen werden die mannigfaltigsten Schriften entHolder zitirt den Fall eines Kranken, der infolge eines stehen. Jenachdem diese Unvollkommenheiten mehr oder minder bedeutend sind, werden sie der Schrift ein mehr zerebralen Schlaganfalles, während deffen er die Sprache oder weniger charakteristisches Ge. räge geben. verloren hatte, diese nach und nach wiedererlangte, ausAuch das Gehirn ist nicht immer in normalem Zugenommen die Buchstaben f, r und 1, und der auch nicht stande. Die Erregbarkeit wird je nach den verschiedenen imstande war, diese Buchstaben zu schreiben. Beim Sprechen Temperamenten eine verschiedene sein. Das Gehirn des ließ er sie aus, beim Schreiben erfette er sie durch ein Häfchen. Derartige Resultate erzielt man übrigens auch Künstlers wird in anderem Maße erregt sein wie das des Mathematikers, und dasjenige des einfachen in vorübergehender Weise durch hypnotische Suggestion, Schreibers wird sich gewiß in keinem beträchtlichen Grade ohne eine dauernde Beschädigung des Gehirns befürchten der Erregung befinden u. s. m, und diese Nervenreize zü müssen. fönnen überdies durch das Rückenmark sehr ungleichmäßig verteilt werden.

Abgesehen von dem unbewusten Eindruck des Gehör durch welchen die Schrift mit der Sprache verknüpft ist, Es wirken mithin auf den Mechanismus der Schrift entspringen die Eindrücke der im Raum beschriebenen und zahlreiche Faktoren ein, die ihre große Mannigfaltigkeit in unserem Gehirn aufbewahrten Figuren aus zwei ver hervorbringen. Andererseits aber werden selbstverständschiedenen Quellen: aus dem binokularen, durch die Augenlich ein und derselbe Gemütszustand und ein und dieübertragenen Eindruck und aus dem unbewusten Eindruck der durch die rechten Gliedmaßen ausgeführten Bewegungen. Die Bilder entstehen also (nach Erlenmeyer und Bogt) in den beiden Hemisphären durch die Koordination der Worte und der Linien und vorzugsweise in der linken Hemisphäre durch die Koordination der Form der Buchstaben.

Wenn dieses Zentrum zerstört oder erloschen ist, so wird es durch ein analoges, in der rechten Hemisphäre gelegenes Zentrum erseßt, welches auf der linken Seite eine der ersten symmetrische Schrift hervorbringen wird, das heißt eine der ersten entgegengesetzte Links-Schrift oder die sogenannte „Spiegelschrift" der Lithographen. Andere Forscher verlegen dieses Koordinations-Zentrum in das Rückenmark auf der Höhe der Lenden-Ausbreitung, indem sie fich auf die Experimente Woros chilows stüßen, welchem es, da er beim Hunde die miteinander vereinigten Bewegungen der vorderen und rückwärtsigen Extremitäten studirte, gelang, dieses Koordinationszentrum in das Mark, in einen Punkt der Nackenregion, zu verlegen.

Erb dagegen bestreitet dieses Koordinationszentrum der Schrift. Seiner Ansicht nach steht jeder Schriftzug in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Serie ganz besonderer Willensäußerungen; und zur Erklärung der verschiedenen unbewusten Bewegungen beim Schreiben nimmt er an, daß die willkürlichen Impulse, welche vom Gehirn zur Peripherie gehen, gewiffe Punkte der grauen Gehirnsubstanz durchschreiten, die ihrer Uebertragung einen geringeren Widerstand entgegenseßen und zwar infolge der langen Gewohnheit und der häufigen Wiederholung der gleichen Tätigkeit.

felbe muskulare Tätigkeit eine gleichmäßige Wirkung auf die Schrift ausüben müssen, und die so entstandene gleichmäßige Form der Schriftzüge wird also ein Bild jener intellektuellen Kräfte geben, mit welchen die Schrift in so engem Zusammenhang steht Der so sich ergebende Eindruck ist also derart charakteristisch, konstant und präzise, daß wir die Personen nach ihrer Schrift ebenso leicht beurteilen fönnen wie nach ihrer Physiognomie. Ja, aus einer gewissen Eurhythmie der Bewegungen wird man sogar in bezug auf die physische Beschaffenheit bes Schreibenden Schlüsse ziehen können, welche allerdings keine so große Sicherheit bieten als jene, welche wir zur Beurteilung der moralischen Eigenschaften dés Schreibers ziehen können.

Man braucht gerade kein Graphologe zu sein, um herauszufinden, daß eine flare, deutliche Schrift mit ordnungsmäßiger Interpunktion auf einen ordnungsliebenden Menschen schließen läßt, daß die Schrift mit vielen Punkten und mit dicken und breiten Strichen den heftigen Leuten eigen ist, daß die zitternden, unsicheren Schriftzüge alten Leuten und die unsicheren, großen, langgezogenen Schriftzüge Kindern angehören u. f. w.

Aus dem Gesagten kann man also ersehen, auf welcher breiten wissenschaftlichen Grundlage die Graphologie aufgebaut ist.

1444

Antoines Theater.

Ein Nachruf von
Alfred Kerr.

Das Théâtre Libre hat in Berlin nicht alles gespielt, was es spielen kann. Die Gäste empfahlen sich vor der Zeit. Sie mußten das, weil immer nur eine sogenannte Gemeinde sich einfinden wollte: die misera, aber nicht contribuens plebs aller Premièren. Tröstlich ist, daß der Geldverlust keinen Künstler, sondern blos einen Im presario getroffen hat. Uns geht bei diesen Aeußerlich feiten das eine an: daß bei der beschränkten Auswahl des Gebotenen doch ein Grundsatz geherrscht hat. Wo ein Mann vom Schlage Antoines waltet, ist anzunehmen, daß diese unvollständige Zahl der aufgeführten Stücke immerhin den Kern der französischen Freien Bühne zur Anschauung gebracht hat.

Und da wir diese Freie Bühne nun in der Nähe sehen, senken sich die Nebel, die sie nicht nur verdeckend, sondern auch leuchtend für den entfernten deutschen Blick umschwebten. Wir erkennen bei aller Achtung und sogar bei aller Dankbarkeit: um wie viel mehr sie doch impulsiv als produktiv gewesen ist. Wir schulden ihr vielleicht das beste, was wir jetzt befizen. Aber nicht daß es besteht, ist ihr zu danken; blos, daß es ans Licht dringen konnte. Sie war eine ganz mittelbare Anregerin: sie bewirkte die deutsche Freie Bühne, durch welche der Aufschwung unfres Dramas zeitlich und ursächlich zu bestimmen ist. So hat sie unseren Boden glattmachen helfen: aber die Blumen, die auf dieser Erde wuchsen, hat diese Erde selbst gezeugt.

Die Blumen drüben scheinen matt und etwas frieplicht dagegen. Sie lassen sich in Klaffen scheiden.

Einen Teil seiner Stücke hat das Théâtre Libre über nommen, weil sie zu unfranzösisch waren, um von anderen Bühnen gespielt zu werden. Diese Gattung läßt uns am gleichgiltigsten. Die Dramen, die ihr angehören, wecken an sich starken Anteil; aber grade innerhalb des Théâtre Libre fommen sie zulezt in Betracht. Wir selbst fennen sie, und wir haben ihre Bedeutung schon früher erfaßt als das Théâtre Libre. Die Norweger und die neue deutsche Dichtung gehören hierhin. Es mag ver dienstlich sein, durch ihre Vorführung den allgemeinen litterarischen Horizont in Frankreich zu erweitern, aber eine Initiativtat ist es nicht.

Anderes ist allein aus stofflichen, Gründen über nommen worden. Hier steht Anceys École des Veufs obenan; fünf Akte, in denen ein Vater und ein Sohn einig werden, die unplatonischen Freundlichkeiten eines Frauenzimmers christlich zu teilen. Diese Kollegialität ist ein starkes Stück; das Ganze aber ist ein schwaches Stück. Ancen, der in,,la Dupe" immerhin feinere Einzelzüge aufweist, geht hier knüppelderb allein auf den Stoff los. Er führt den verliebten und betrogenen Greis vor, aber er verzichtet darauf, die Gefühle des verliebten und betrogenen Greises in Abschattungen oder Halbtönen näher zu zeigen. Er verzichtet überhaupt darauf, das Wesentliche zu zeigen. Es kommt ihm auf einen Inhalt an, auf einen Inhalt, der den sichren Bürger schrecket. Im übrigen gehört er zur urältesten Schule. Er arbeitet mit außergewöhnlich ungeschickten Mitteln. Wahrscheinlich ist er der liederlich-bequemste Dramatiker der Gegen wart. Wenn er sagen will, daß ein Kaufmann Witwer ist, macht er einen Akt, in welchem die Frau begraben wird! Es kommen darin zwar ein paar Kondolationsscherze vor, aber sonst nichts, und das Ganze ist überflüssig. Wenn er sagen will, daß eine Frau ihren Gatten einst gegen ihren Willen geheiratet hat, zeigt er in einem

besonderen Akt jene Brautwerbung! Er weiß keine andere Art, die Vorgeschichte mitzuteilen, als daß er sie dramatifirt und breitschlägt. Mit der neuen Kunst berührt er fich darin, daß er feine Schönfärbereien bietet, sondern Wirklichkeitsbilder. Hie und da gelingt ihm eine erstaunliche genrehafte Szene.jab

Aus verwanten stofflichen Rücksichten gehört noch anderes dem Théâtre Libre an: natürlich die,,Dupe" von Anceh, welche anstößig ist, weil das Verhältnis zwischen der ewig liebenden Frau und dem brutalen und ehrlosen Mann unbeirrt bis ins äußerste dem Leben nachgemalt ist. Aber auch durch ein zweites Element, neben der Rücksichtslosigkeit gegen Schwachnervige, wurde dieses Stück und zugleich die meisten übrigen einer Ausnahmebühne zugewiesen: durch die Einfachheit, die gegen das frühere Drama etwas ungewöhnliches ist. Sie zeigt ich in den Stücken des Théâtre Libre überall. Eine simple Handlung wird überall fimpel durchgeführt. Es gibt keinen Episodenreichtum, es gibt keine verschlungenen Beziehungen, es gibt keine Feuilletons und feine Aphorismen, es gibt keine Spannungen, es gibt oft nicht einmal eine Verknüpfung und Lösung; es werden Tatsachen nebeneinandergereiht. Die meisten dieser Stücke nehmen sich aus wie die Dramatisirung einer Romanhandlung oder einer Anekdote. Ancey ist im Anfang gern etwas episodisch, aber sonst geht auch er schlicht und bequem auf ein einheitliches Ziel los.

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Soziale Anstößigkeit brachte - neben allen fünftlerischen Gründen die Weber" auf Antoines Theater. Eine gewiffe soziale Anstößigkeit scheint bei der „Tante Léontine" mitgewirkt zu haben. Wie in Geldiachen nicht nur die Gemütlichkeit, sondern auch die bürgerlichste Moral aufhört, zeigt diese ergögliche Komödie. Und nur wenn man sie als antibourgeoise Satire faßt, ist ihre Zugehörigkeit zum Théâtre Libre erklärlich. Sonst hat sie nichts Ungewöhnliches; sie hätte von vornherein auf auf jeder beliebigen Bühne gespielt werden können. Technisch ist sie in Einzelheiten so lässig gearbeitet wie die sämtlichen französischen Stücke des Théâtre Libre. Es wird mit Monolog und Beiseite zwangslos hantirt, und sogar der epigrammatisch zugespißte Włonolog angesichts des fallenden Vorhangs fehlt nicht. Aber eine größere Straffheit besteht im Bau des Ganzen. Das ist kein dramatisirter Roman: das ist als Drama gedacht. Hier ist zeitliche Einheit streng gewahrt, hier ist engere Verknüpfung. Eine wichtige Wendung wird durch das Schwaben eines Dienstmädchens herbeigeführt, und an diefem Bug, den das Stück mit einem anderen Drama des Théâtre Libre, den ,,Fossiles" von Curel, gemein hat, läßt sich der Unterschied in der Technik ermessen. Bei Curel, der ein lose gearbeitetes echtes Théâtre-LibreStück gibt, schwaßt einfach plöglich eine Kammerfrau bei ihrer Entlassung, und die Wendung tritt ein. In Tante Léontine schwaßt das Dienstmädchen auch, aber der Grund wird klar in einer Szene, welche zugleich ein integrirendes Moment für die Charakteristik einer Hauptperson bildet: es gehört zur Kennzeichnung der egoistischen Bourgeoise, daß sie ihre Dienstboten schlecht behandelt; als jie das getan hat, tritt jene Wendung ein. Vielleicht war die straffere Technik mit ein Grund für die starke Wirkung dieses Stücks auf die Hörer, die von der herrschenden Schlendriantechnik des Théâtre Libre genug hatten. Sie freuten sich, nicht mehrere Bilder" hintereinander zu sehen, in denen dieselben Personen vorfämen, sondern ein Drama in Aften.

Die Soeur Philomène habe ich nicht gesehn. Es war das einzige Mal, daß ich fehlte. Uebereinstimmend wurde mir nachher gesagt, es sei der langweiligste aller Abende gewesen, und ich hätte nichts versäumt. Auch

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die gedruckten Kritiken klagten über die Dede dieser dramatifirten Romanpartie. Und nun leje ich doch im Tage buch der Goncourts,*) daß die erste Aufführung der Soeur Philomène im Théâtre Libre ein Bombenerfolg" war, ja: ein succès à tout casser! Der glückliche Tagebuch schreiber fragt sich nach den Ursachen und findet sie im Zusammenwirken der Gefühlszartheit, des Stils und der theaterrealistischen Handlung. Das war wann? Im Jahre 1887. Jezt sind also sieben Jahre verflossen, und die Auffassung hat sich vollständig geändert? Die Entwicklungsgeschwindigkeit der realistischen Bewegung ist daran zu ermessen oder es war damals nur ein demonstrativer, ein theoretifirender Beifall, den man der Bearbeitung eines Naturalistenromans spenden wollte. Jedenfalls wird die Zugehörigkeit zu einem Werk des epischen Naturalismus die Einverleibung dieses Dramas in das Théâtre Libre bewirkt haben. Und dasUnd das selbe scheint bei Henniques Jacques Damour der Fall zu sein, in welchem eine Zolasche Arbeit einaktig dramatisirt wird.

Hier aber wirkt noch ein anderes Moment mit, durch welches wieder eine ganze Gattung der Dramen des Théâtre Libre gekennzeichnet wird. Es handelt sich um das Stimmungsdrama. Jacques Damour ist als Ganzes ziemlich gering anzuschlagen. Das Stückchen frankt auch an jener schlimmen Art der Exposition, deren klassisch schlimmes Beispiel Jbsens Stüßen der Gesellschaft im ersten Akt find. Ein Totgeglaubter fehrt hier zurück und findet die Frau vermält. Grade vor dem Eintreffen des Verschollenen werden die einschlägigen Verhältnisse ohne zwingenden Grund ausführlich besprochen. Worauf es vor allem in diesem Einakter ankommt, ist der Ausdruck einer Stimmung. Ueber das nette, reinliche Eheglück eines Schlächterpaars huscht der Schatten eines Strolches. Der Kerl selbst taucht dann, in tieffter Seele elend, in Nacht und Nebel und Verzweiflung unter. Grade am Schluß wird es deutlich, daß der Ausdruck der Stimmung die Hauptsache war. Es gibt ein lebendes Bild: die Personen stehen, die Gläser an den Mund gesezt, am Tische; sie haben leztes Lebewol getrunken und der Ueberflüffige verläßt das Haus. Nicht darauf kommt es an, ob er überhaupt gehn wird oder nicht; das ist vorher entschieden. Sondern darauf, daß die Zerrissenheitsstimmung beim Gehn gefühlt wird. Ein Unglücklicher verschwindet ,,wohin? wen kümmerts? man weiß es nicht!" Und weil solche Stücke, die mehr ausklingen als enden, in Frankreich vor kurzem noch selten und neu waren, scheint Jacques Damour auf das Théâtre Libre gelangt zu sein. Aus dem ganzen Verfahren spricht der tiefe Ekel, der allmählich vor Schlagern und Aktschlüssen über die Dramatik gekommen ist. Die neuere Dichtung zeigt mehrfach analoge ausklingende Akte. In Deutschland sind sie bei Gerhart Hauptmann am häufigsten. Bei den Franzosen endete auch Blanchette nur mit einem Seufzer des Be dauerns. Vollends ganz Stimmung und ganz schlußlos ist die symbolistische winzige Trilogie,,les Fenêtres." Das Wesentliche ist hier die Erkenntnis einer jungen Frau, daß ihr freigesprochener Mann ein Mörder ist. Doch diese Erkenntnis bildet wieder nicht die Schlußpointe: der leßte Teil des Stücks besteht in einer Berspektive auf die Art des fünftigen Zusammenlebens. Sie wird sich an solche Erinnerungen gewöhnen müffen" der Vorhang fällt. Ein Nachtstück ist das Ganze, das die beklommene Stimmung in dem Grauensmilieu eines Mörders malt, mit dunklen Zügen. Der Symbolismus, der für sich allein keine

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murmelt der Mann

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*) Tome septième. Paris 1894. 6. 218.

| starken Aussichten hat, läßt hier ahnen, eine wie große Zukunft ihm als ingrediens sicher ist. Das Publikum aber wird sich an den Genuß solcher Kunstwerke und an ein anständiges Verhalten bei ihrer Vorführung ge| wöhnen müssen.

Ein drittes Werk, das ausgedehnteste und bedeutendste, das in diese Sphäre schlägt, sind die,,Fossiles" des François de Curel. Tiefer Stimmungszauber schwebt über dem Ganzen. Die Stimmung ist das A und O. Ein Katafalk, brennende Lichter, fallende Blätter, erlöschende Geschlechter; eine schwermütige, tränenlose Welt, trockne Blumen auf schwarzem Tuch verstreut, eine leßte Sehnsucht im legten dämmerigen Licht, stummes Sterben und Verschollenheit. Leider ist die Sprache voll von Lyrik, Pathos und Antithesen; es wird nur Gedrucktes gesprochen. Leider ist der namen lose Stolz dieser Herzöge melodramatisch geraten. Leider sind auch Ohnetsche Elemente drin, und ein edles Mädchen schwört an einem Sarge, sich nie zu verehelichen. Leider spielen die rois en exil von Daudet und die rois von Lemaître eine Incognitorolle; es ist nur alles aufs Herzogliche übertragen. Leider lieben auch hier Vater und Sohn dasselbe Fräulein. Leider wird eine banale Tendenz eingeflochten, des Inhalts, daß Menschentum wichtiger ist als Geburtsadel. Leider. Aber die Stimmung, die über diese melancholischen vier Akte ausgegossen ist, macht sie dennoch zu einem nicht gemeinen Kunstwerk. Es läßt seltsam tiefe Spuren in der Erinnerung zurück. Vielleicht ist von allen Dramengattungen des Théâtre Libre die Gattung des Stimmungsdramas die wichtigste für uns; wir haben sie am wenigsten gepflegt.

Jedenfalls ist sie wichtiger als die legte Klaffe, die Antoines Bühne enthält: neuere Versdramen, die irgend eine verwegene Spielerei der inneren Form bieten, romantischer Ironie innig verwant, und an die fich nor male Theater deshalb im Anfang nicht herantrauten. Banvilles,,Baiser und die Nuit Bergamasque" von Bergerat (die ich nicht spielen sah), gehören hierher. So wären wir am Ende.

Der französischen Dramatik, wie sie alles in allem im Bestand des Théâtre Libre zur Erscheinung kommt, ist gegen die frühere Bühnenkunst eine stärkere Innerlichkeit eigen. Das Streben ist redlicher, die Mäßchen fallen unter den Tisch, ein Zug nach Sachlichkeit wird fühlbar, das Schlichte kommt zu Ehren. Die unteren Volfsschichten erfahren stärkere Berücksichtigung, an die Stelle der scherzhaften Behandlung des Schlüpfrigen tritt ernsteres Betrachten der dunklen Seiten des Lebens, das brutal Dramatische, das brutal Technische tritt zurück, und kontemplative und sensitive Elemente gewinnen an Boden. Aber kein einziges Kunstwerk noch ist dort erstanden, das eine hinreißende Wirkung üben könnte. Es bleibt dabei: die neue Bühnenkunst in Frankreich ist größer in der Vermeidung von Fehlern als durch den Besitz von Vorzügen; sie ist mehr korrekt als liebenswürdig; fie sorgt mehr für das Notwendige, als für das UeberschüffigAngenehme; fie ist mehr ein Polizist als ein fröhlicher Mensch, sie ist mehr eine besorgte Wirtschafterin als eine schöne Wirtin. Kurzum: sie ist mittelmäßig.

Wann endlich wird es uns zu vollem Bewustsein fommen und wie oft werde ich es wiederholen dürfen: daß wir Deutschen die vordersten Europäer sind auf dem Gebiete des neuen Dramas? Wir leben litterarisch wahrhaftig nicht im Lande Schlauraffia. Aber fein andres Land darf sich so tiefer und schlichter Innigkeit im neuen Drama rühmen wie Deutschlaud. Nicht Fragen:" Gefühle, die ein ganzes Zeitalter bewegen, haben in unserem neuen Drama den klassischen Ausdruck gefunden; den klaffischen Ausdruck für die kultivirten Weltteile. In

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