Zlnion Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart, Berlin, Leipzig. Bruno Gebhardt, Preis broschirt M. 16.-, clegant gebunden M. 18. Wir bieten Ihnen in obigem Buche ein Werk deutschen Wissens und deutschen Fleißes, welches Ihre freundliche Pe achtung in hohem Maße verdient. Unser Handbuch ist mit dem Bestreben redigiert. bei möglichster Prägnanz so vollständig wie möglich zu sein dabei nicht nur Fachleuten, sondern vor allem dem großen Kreise der Gebildeten cin ernstes, tüchtiges Werk gewissenhafter Geschichtsschreibung zu bieten, das durchaus dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft entspricht Es liegt auf der Hand, daß ein solches Werk nicht aus einer Feder fließen kann, wenn alle Ein elgebiete den Vorzug gleich kompetenter Bearbeitung erkennen lassen sollen. So hat sich eine Reihe tüchtiger Fachmänner zu der gestellten Ausgabe vereinigt, welche Ihnen viele bemerkenswerte Geschichtsdarstellungen in einem Pahmen bieten. Wir glauben in vorliegendem Werke. das nicht nur die politische, sondern auch die geistige, rechtliche und wirtschaftliche Seite der Entwickelung unseres Volkes darstellt, ein gediegenes, gehaltvolles Werk zu bringen, von gleich bemerkenswerter Bedeutung für die Wissenschaft, wie für den Bücherschaß der Gebildeten. Verfasser des „Handbuch der deutschen Geschichte“. Mit Illustrationen nach Originalen hervor: ragender Künstler. Vollständig in 25 vierzehntägigen Lieferungen à 50 Pfg. Das vorliegende Werk bietet in anziehender gemeins veritändlicher Darstellung die Biographien der deutschen Maijer von Kari. dem Groken bis zur Begründung des nenen Deutschen Reiches und stellt sich als ein Hausbuch edelster Art für jede deutsche Familie dar. Am Schluß des Werkes wird den Abonnenten cine nach künstlerischem Entwurf hergestellte Einband deck c zu mäßigem Preis zur Verfügung stehen. Die meisten Buchhandlungen nehmen Bestellungen an; wo der Bezug auf Hindernisse stößt, wende man sich direkt an die Verlagshandlung. Su beziehen durch die meisten Buchhandlungen. Gedrudit von der Buchdruckerei im Verantw. Otto Neumann Hofer, Berlin. Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin und Stuttgart. 1832 begründet von Joseph Lehmann. Erscheint jeden Sonnabend. für Sitteratur. Herausgegeben von Otto Neumann - Dofer. Redaktion: Berlin W., Lükow: Afer 13. Union Deutsche Verlags-Gesellschaft Preis 4 Mark vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazin" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. 63. Jahrgang. Berlin, den 27. Januar 1894. Nr. 4. Auszugsweiser Nachdruck sämtlicher Artikel, außer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Machdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt. Inhalt: Litteratur, Wissenschaft und öffentliches Leben: Friedrich Nietzsche: Ueber die Zukunft unserer Bildungs-Anstalten. Dritter Musik: A. M.: Das lekte Philharmoniekonzert. Sp. 122. — A. R.: Musikalische Chronik. Sp. 122. Ueber die Zukunft unserer Bildungs-Anstalten. | geforderter Uebungen mit dem bedenklichen Geiste unserer Sechs, im Auftrag der „Akademischen Gesellschaft" in Basel gehaltene, öffentliche Reden. Von Friedrich Nieksche. Dritter Vortrag. Gehalten am 27. Februar 1872. Verehrte Anwesende! Das Gespräch, dessen Zuhörer ich einst war und dessen Grundzüge ich hier vor Ihnen aus lebhafter Erinnerung nachzuzeichnen versuche, war an dem Punkte, wo ich das lekte Mal meine Erzählung beschloß, durch eine ernste und lange Pause unterbrochen worden. Der Philosoph sowol wie sein Begleiter saßen in trübsinniges Schweigen versunken da: jedem von ihnen lag der eben besprochene seltsame Notstand der wichtigsten Bildungsanstalt, des Gymnasiums, auf der Seele, als eine Last, zu deren Beseitigung der gutgesinnte Einzelne zu schwach und die Masse nicht gutgesinnt genug ist. Zweierlei besonders betrübte unsere einsamen Denker: einmal die deutliche Einsicht, wie das, was mit Recht „klassische Bildung" zu nennen wäre, jekt nur ein in freier Luft schwebendes Bildungsideal ist, das aus dem Boden unserer Erziehungsapparate garnicht hervorzuwachsen vermöge, wie das hingegen, was mit einem landläufigen und nicht beanstandeten Euphemismus jekt als „klassische Bildung" bezeichnet wird, eben nur den Wert einer ananspruchsvollen Illusion hat: deren beste Wirkung noch darin besteht, daß das Wort „klassische Bildung" selbst doch noch weiter lebt und seinen pathetischen Klang noch nicht verloren hat. An dem deutschen Unterricht sodann hatten sich die ehrlichen Männer miteinander deutlich gemacht, daß der richtige Ausgangspunkt für eine höhere, an den Pfeilern des Altertums aufzurichtende Bildung bis jekt nicht gefunden sei: die Verwilderung der sprachlichen Unterweisung, das Hereindringen gelehrtenhafter historischer Richtungen an Stelle einer praktischen Zucht und Gewöhnung, die Verknüpfung gewisser, in den Gymnasien journalistischen Deffentlichkeit alle diese am deutschen Unterricht wahrnehmbaren Phänomene gaben die traurige Gewißheit, daß die heilsamsten vom klassischen Altertume ausgehenden Kräfte noch nicht einmal in unseren Gymnasien geahnt werden, jene Kräfte nämlich, welche zum Kampfe mit der Barbarei der Gegenwart vorbereiten, und welche vielleicht noch einmal die Gymnasien in die Zeughäuser und Werkstätten dieses Kampfes umwandeln werden. Inzwischen schien es im Gegenteil, als ob recht grundsäßlich der Geist des Altertums bereits an der Schwelle des Gymnasiums weggetrieben werden sollte und als ob man auch hier dem durch Schmeicheleien verwöhnten Wesen: unserer jezigen angeblichen „deutschen Kultur", die Tore so weit als möglich öffnen wollte. Und wenn es für unsere einsamen Unterreduer eine Hoffnung zu geben schien, so war es die, daß es noch schlimmer kommen müsse, daß das, was von wenigen bisher erraten würde, bald vielen zudringlich deutlich sein werde, und daß dann die Zeit der Ehrlichen und der Entschlossenen auch für das ernste Bereich der Volkserziehung nicht mehr ferne sei. " „Um so fester halten wir," hatte der Philosoph gesagt, an dem deutschen Geist fest, der sich in der deutschen Reformation und in der deutschen Musik offenbart hat und der in der ungeheuren Tapferkeit und Strenge der deutschen Philosophie und in der neuerdings erprobten Treue des deutschen Soldaten jene nachhaltige, allem Scheine abgeneigte Kraft bewiesen hat, von der wir auch einen Sieg über jene modische Pseudokultur der „Iektzeit" erwarten dürfen. In diesen Kampf die wahre Bildungsschule hineinzuziehen und besonders im Gymnasium die heranwachsende neue Generation für das zu entzünden, was wahrhaft deutsch ist, ist die von uns gehoffte Zukunftstätigkeit der Schule: in welcher auch endlich die sogenannte klassische Bildung wieder ihren natürlichen Boden und ihren einzigen Ausgangspunkt erhalten wird. Eine wahre Erneuerung und Reinigung des Gymnasiums wird nur aus einer tiefen und gewaltigen Erneuerung und Reinigung des deutschen Geistes hervorgehen. Sehr an höheren Bildungsanstalten sein müssen; ja wer erwägt, | in dem ihre kriechenden oder stelzfüßigen oder flügellahmen Gedanken in Tätigkeit sind, bestätigt, aus welchem | Ueberzahl von höheren Lehrern sagten; und gerade auf geheimnisvoll und schwer zu erfassen ist das Band, welches wirklich zwischen dem innersten deutschen Wesen und dem griechischen Genius sich knüpft. Bevor aber nicht das edelste Bedürfnis des echten deutschen Geistes nach der Hand dieses griechischen Genius, wie nach einer festen Stüße im Strome der Barbarei, hascht, bevor aus diesem deutschen Geiste nicht eine verzehrende Sehnsucht nach den Griechen hervorbricht, bevor nicht die mühsam errungene Fernsicht in die griechische Heimat, an der Goethe und Schiller sich erlabten, zur Wallfahrtsstätte der besten und begabtesten Menschen geworden ist, wird das klassische Bildungsziel des Gymnasiums haltlos in der Luft hin und her flattern; und diejenigen werden wenigstens nicht zu tadeln sein, welche eine noch so be schränkte Wissenschaftlichkeit und Gelehrsamkeit im Gymnasium heranziehen wollen, um doch ein wirkliches, festes und immerhin ideales Ziel im Auge zu haben und um ihre Schüler vor den Verführungen jenes glisernden Phantoms zu retten, das sich jetzt „Kultur" und „Bildung" nennen läßt." Nach einiger Zeit schweigsamer Ueberlegung wendete sich der Begleiter an den Philosophen und sagte ihm: „Sie wollten mir Hoffnungen machen, mein Lehrer; aber Sie haben mir meine Einsicht, und dadurch meine Kraft, meinen Mut vermehrt: wirklich sehe ich jetzt kühner auf das Kampffeld hin, wirklich misbillige ich bereits meine allzu schnelle Flucht. Wir wollen ja nichts für uns; und auch das darf uns nicht kümmern, wieviele Individuen in diesem Kampfe zu Grunde gehn, und ob wir selbst etwa unter den ersten fallen. Gerade weil wir es ernst nehmen, sollten wir unsere armen Individuen nicht so ernst nehmen; im Augenblick, wo wir sinken, wird wol ein anderer die Fahne fassen, an deren Chrenzeichen wir glauben. Selbst darüber will ich nicht nachdenken, ob ich kräftig genug zu einem solchen Kampfe bin, ob ich lange widerstehen werde; es mag wol selbst ein ehrenvoller Tod sein, unter dem spöttischen Gelächter solcher Feinde zu fallen, deren Ernsthaftigkeit uns so häufig als etwas Lächerliches erschienen ist. Denke ich an die Art, wie sich meine Altersgenossen zu dem gleichen Berufe, wie ich, zu dem höchsten Lehrerberufe, vorbereiteten, so weiß ich, wie oft wir gerade über das Entgegengesekte lachten, über das Verschiedenste ernst wurden." " „Nun, mein Freund", unterbrach ihn lachend der Philosoph, du sprichst wie einer, der ins Wasser springen will, ohne schwimmen zu können, und, mehr als das Ertrinken, dabei fürchtet, nicht zu ertrinken und ausgelacht zu werden. Das Ausgelachtwerden soll aber unsere lekte Befürchtung sein; denn wir sind hier auf einem Gebiete, wo es soviel Wahrheiten zu sagen giebt, soviel erschreckliche, peinliche, unverzeihliche Wahrheiten, daß der aufrichtigste Haß uns nicht fehlen wird, und nur die Wut es hier und da einmal zu einem verlegenen Lachen bringen möchte. Denke dir nur einmal die unabsehbaren Scharen der Lehrer, die im besten Glauben das bisherige Erziehungssystem in sich aufgenommen haben, um es nun guten Muts und ohne ernstliche Bedenken weiterzutragen. " Wie meinst du wol, daß es diesen vorkommen muß, wenn sie von Plänen hören, von denen sie ausgeschlossen sind und zwar beneficio naturae, von Forderungen, die weit über ihre mittleren Befähigungen hinausfliegen, von Hoffnungen, die in ihnen ohne Widerhall bleiben, von Kämpfen, deren Schlachtruf sie nicht einmal verstehen und in denen sie nur als dumpfe widerstrebende bleierne Masse in Betracht kommen. Das aber wird wol ohne Uebertreibung die notwendige Stellung der allermeisten Lehrer wie jetzt ein solcher Lehrer zumeist entsteht, wie er zu diesem höheren Bildungslehrer wird, der wird sich über eine solche Stellung nicht einmal wundern. Es existirt jekt fast überall eine so übertrieben große Anzahl von höheren Bildungsanstalten, daß fortwährend unendlich viel mehr Lehrer für dieselben gebraucht werden, als die Natur eines Volkes, auch bei reicher Anlage, zu erzeugen vermöchte, und so kommt ein Uebermaß von Unberufenen in diese Anstalten, die aber allmählich, durch ihre überwiegende Kopfzahl und mit dem Instinkt des similis simili gaudet", den Geist jener Anstalten bestimmen. Diejenigen mögen nur von den pädagogischen Dingen hoffnungslos ferne bleiben, welche vermeinen, es ließe sich die angenscheinliche, in der Zahl bestehende Ubertät unserer Gymnasien und Lehrer durch irgendwelche Gesetze und Vorschriften in eine wirkliche Ubertät, in eine ubertas ingenii, ohne Verminderung jener Zahl, verwandeln. Sondern darüber müssen wir einmütig sein, daß von der Natur selbst nur unendlich seltene Menschen zu einem wahren Bildungsgange ausgeschickt werden, und daß zu deren glücklicher Entfaltung auch eine weit geringere Anzahl von höheren Bildungsanstalten ausreicht, daß aber in den gegenwärtigen, auf breite Massen angelegten Bildungsanstalten gerade diejenigen am wenigsten sich gefördert fühlen müssen, für die etwas derartiges zu gründen überhaupt erst einen Sinn hat. „Das Gleiche gilt nun in Betreff der Lehrer. Gerade die besten, diejenigen, die überhaupt, nach einem_höheren Maßstab, dieses Ehrennamens wert sind, eignen sich jetzt, bei dem gegenwärtigen Stande des Gymnasiums, vielleicht am wenigsten zur Erziehung dieser unausgelesenen zusammengewürfelten Jugend, sondern müssen das beste, was sie geben könnten, gewissermaßen vor ihr geheim halten; und die ungeheure Mehrzahl der Lehrer fühlt sich wiederum, diesen Anstalten gegenüber, im Recht, weil ihre Begabungen zu dem niedrigen Fluge und der Dürftigkeit ihrer Schüler in einem gewissen harmonischen Verhält nisse stehen. Von dieser Mehrzahl aus erschallt der Ruf nach immer neuen Gründungen von Gymnasien und höheren Lehranstalten: wir leben in einer Zeit, die durch diesen immerfort und mit betäubendem Wechsel erschallenden Ruf allerdings den Eindruck erweckt, als ob ein ungeheures Bildungsbedürfnis in ihr nach Befriedigung dürstete. Aber gerade hier muß man recht zu hören verstehen, gerade hier muß man, durch den tönenden Effekt der Bildungsworte unbeirrt, denen ins Antlik sehen, die so unermüdlich von dem Bildungsbedürfnisse ihrer Zeit reden. Dann wird man eine sonderbare Enttäuschung erleben, dieselbe, die wir, mein guter Freund, so oft erlebt haben: jene lauten Herolde des Bildungsbedürfnisses verwandeln sich plötzlich, bei einer ernsten Besichtigung aus der Nähe, in eifrige, ja fanatische Gegner der wahren Bildung, d. h. derjenigen, welche an der aristokratischen Natur des Geistes festhält: denn im Grunde meinen sie, als ihr Ziel, die Emanzipation der Massen von der Herrschaft der großen Einzelnen; im Grunde streben sie darnach, die heiligste Ordnung im Reiche des Intellekts umzustürzen: die Dienstbarkeit der Masse, ihren unterwürfigen Gehorsam, ihren Instinkt der Treue unter dem Szepter des Genius. „Ich habe mich längst daran gewöhnt, alle diejenigen vorsichtig anzusehu, welche eifrig für die sogenannte „Volksbildung", wie sie gemeinhin verstanden wird, sprechen: denn zumeist wollen sie, bewust oder unbewust, bei den allgemeinen Saturnalien der Barbarei, für sich selbst die fessellose Freiheit, die ihnen jene heilige Naturordnung nie gewähren wird; sie sind zum Dienen, zum Gehorchen geboren, und jeder Augenblick, Tone die Natur sie formte und welches Fabrikzeichen sie diesem Tone aufgebrannt hat. Also, nicht Bildung der Masse kann unser Ziel sein, sondern Bildung der einzelnen, ausgelesenen, für große und bleibende Werke ausgerüsteten Menschen: wir wissen nun einmal, daß eine gerechte Nachwelt den gesamten Bildungsstand eines Volkes nur und ganz allein nach jenen großen, einsam schreitenden Helden einer Zeit beurteilen und je nach der Art, wie dieselben erkannt, gefördert, geehrt, oder sekretirt, mishandelt, zerstört worden sind, ihre Stimme abgeben wird. Dem, was man Volksbildung nennt, ist auf direktem Wege, etwa durch allseitig erzwungenen Elementarunterricht, nur ganz äußerlich und roh beizukommen: die eigentlichen tieferen Regionen, in denen sich überhaupt die große Masse mit der Bildung berührt, dort, wo das Volk seine religiösen Instinkte hegt, wo es an seinen mythischen Bildern weiter dichtet, wo es seiner Sitte, seinem Recht, seinem Heimatsboden, seiner Sprache Trene bewahrt, alle diese Regionen sind auf direktem Wege kaum und jedenfalls nur durch zer störende Gewaltsamkeiten zu erreichen; und in diesen ernsten Dingen die Volksbildung wahrhaft fördern, heißt aber nur soviel, als diese zerstörenden Gewaltsamkeiten abzuwehren und jenes heilsame Unbewustsein, jenes Sich-gesund-schlafen des Volkes zu unterhalten, ohne welche Gegenwirkung, ohne welches Heilmittel keine Kultur, bei der aufzehrenden Spannung und Erregung ihrer Wirkungen, bestehen kann. „Wir wissen aber, was jene erstreben, die jenen heilenden Gesundheitsschlaf des Volkes unterbrechen wollen, die ihm fortwährend zurufen: „Sei wach, sei bewust! Sei klug!" Wir wissen, wohin die zielen, welche durch eine außerordentliche Vermehrung aller Bildungsanstalten, durch einen dadurch erzeugten selbstbewusten Lehrerstand ein gewaltiges Bildungsbedürfnis zu befriedigen vorgeben. Gerade diese und gerade mit diesen Mitteln kämpfen sie gegen die natürliche Rangordnung im Reiche des Intellekts, zerstören sie die Wurzeln jener aus dem Unbewustsein des Volkes hervorbrechenden höchsten und edelsten Bildungskräfte, die im Gebären des Genius und sodann in der richtigen Erziehung und Pflege desselben ihre mütterliche Bestimmung haben. Nur an dem Gleichnisse der Mutter werden wir die Bedeutung und die Verpflichtung begreifen, die die wahre Bildung eines Volkes in Hinsicht auf den Genius hat: seine eigentliche Entstehung liegt nicht in ihr, er hat gleichsam nur einen metaphysischen Ursprung, eine metaphysische Heimat. Aber daß er in die Erscheinung tritt, daß er mitten aus einem Volke hervortaucht, daß er gleichsam das zurückgeworfene Bild, das gesättigte Farbenspiel aller eigentümlichen Kräfte dieses Volkes darstellt, daß er die höchste Bestimmung eines Volkes in dem gleichnisartigen Wesen eines Individuums und in einem ewigen Werke zu erkennen giebt, sein Volk selbst damit an das Ewige anknüpfend und aus der wechselnden Sphäre des Momentanen erlösend das alles vermag der Genius nur, wenn er im Mutterschoße der Bildung eines Volkes gereift und genährt ist während er, ohne diese schirmende und wärmende Heimat, überhaupt nicht die Schwingen zu seinem ewigen Fluge entfalten wird, sondern traurig, bei Zeiten, wie ein in winterliche Einöden verschlagener Fremdling, aus dem unwirtbaren Lande davonschleicht." „Mein Lehrer", sagte hier der Begleiter, „Sie sehen mich mit dieser Metaphysik des Genius in Erstaunen und nur ganz von ferne ahne ich das Richtige dieser Gleich nisse. Dagegen begreife ich vollständig, was Sie über diesem Gebiete habe ich Erfahrungen gesammelt, welche mir bezeugen, daß die Bildungstendenz des Gymnasiums sich geradezu nach dieser ungeheuren Majorität von Lehrern richten muß, welche, im Grunde, nichts mit der Bildung zu tun haben und nur durch jene Not auf diese Bahn und zu diesen Ansprüchen gekommen sind. Alle die Menschen, die in einem glänzenden Moment der Erleuchtung sich einmal von der Singularität und Unnahbarkeit des hellenischen Altertums überzeugten und mit mühsamem Kampf vor sich selbst diese Ueberzeugung verteidigt haben, alle diese wissen, wie der Zugang zu diesen Erleuchtungen niemals vielen offen stehen wird und halten es für eine absurde, ja unwürdige Manier, daß jemand mit den Griechen gleichsam von berufswegen, zum Zwecke des Broterwerbs, wie mit einem alltäglichen Handwerkszeuge verkehrt, und ohne Schen und mit Handwerkerhänden an diesen Heiligtümern herumtastet. Gerade in dem Stande aber, aus dem der gröste Teil der Gymnasiallehrer entnommen wird, in dem Stande der Philologen, ist diese rohe und respektlose Empfindung das ganz Allgemeine: weshalb nun auch wiederum das Fortpflanzen und Weitertragen einer solchen Gesinnung an den Gymnasien nicht überraschen wird. „Man sehe sich nur eine junge Generation von Philologen an; wie selten bemerkt man bei ihnen jenes beschämte Gefühl, daß wir, angesichts einer solchen Welt, wie die hellenische ist, gar kein Recht zur Existenz haben, wie kühl und dreist dagegen baut jene junge Brut ihre elenden Nester mitten in den großartigsten Tempeln! Den allermeisten von denen, welche von ihrer Universitätszeit an so selbstgefällig und ohne Schen in den erstaunlichen Trümmern jener Welt herumwandern, sollte eigentlich aus jedem Winkel eine mächtige Stimme entgegentönen: Weg von hier, ihr Uneingeweihten, ihr niemals Einzuweihenden, flüchtet schweigend aus diesem Heiligtum, schweigend und beschämt! Ach, diese Stimme tönt vergebens: denn man muß schon etwas von griechischer Art sein, um auch nur eine griechische Verwünschung und Bannformel zu verstehen! Jene sind aber so barbarisch, daß sie es sich nach ihrer Gewöhnung unter diesen Ruinen behaglich einrichten: alle ihre modernen Bequemlichkeiten und Liebhabereien bringen sie mit und verstecken sie auch wol hinter antiken Säulen und Grabmonumenten: wobei es dann großen Jubel giebt, wenn man das in antiker Umgebung wiederfindet, was man erst selbst vorher listig hineinpraktizirt hat. Der eine macht Verse und versteht im Lexikon des Hesychius nachzuschlagen: sofort ist er überzeugt, daß er zum Nachdichter des Aeschylus berufen sei und findet auch Gläubige, welche behaupten, daß er dem Aeschylus „kongenial" sei, er, der dichtende Schächer! Wieder ein anderer spürt mit dem argwöhnischen Auge eines Polizeimannes nach allen Widersprüchen, nach dem Schatten von Widersprüchen, deren sich Homer schuldig gemacht hat: er vergeudet sein Leben im Auseinanderreißen und Aneinandernähen homerischer Fetzen, die er selbst erst dem herrlichen Gewande abgestohlen hat. Einem dritten wird es bei allen den mysterienhaften und or giastischen Seiten des Altertums unbehaglich: er entschließt sich ein für allemal, nur den aufgeklärten Apollo gelten zu lassen und im Athener einen heiteren verständigen, doch etwas unmoralischen Apolliniker zu sehen. Wie atmet er auf, wenn er wieder einen dunklen Winkel des Altertums auf die Höhe seiner eigenen Aufklärung gebracht hat, wenn er z. B. im alten Pythagoras einen wackeren Mitbruder in aufklärerischen politicis entdeckt hat. Ein anderer quält sich mit der Ueberlegung, warum Dedipus vom Schicksal zu so abscheulichen Dingen ver die Ueberzahl der Gymnasien und dadurch veranlaßte | urteilt worden sei, seinen Vater töten, seine Mutter hei = raten zu müssen. Wo bleibt die Schuld! Wo die poetische Gerechtigkeit! Plötzlich weiß er es: Dedipus sei doch eigentlich ein leidenschaftlicher Gesell gewesen, ohne alle christliche Milde: er gerate ja einmal sogar in eine ganz unziemliche Hike - als ihn Tiresias das Scheusal und den Fluch des ganzen Landes nenne. Seid sanftmütig! wollte vielleicht Sophokles lehren: sonst müßt ihr eure Mutter heiraten und euren Vater töten! Wieder andere zählen ihr lebenlang an den Versen griechischer und römischer Dichter herum und erfreuen sich an der Proportion 7:13 14:26. Endlich verheißt wol einer gar die Lösung einer solchen Frage, wie die homerische vom Standpunkt der Präpositionen und glaubt mit ἀνὰ und κατά die Wahrheit aus dem Brunnen zu ziehn. Alle aber, bei den verschiedensten Tendenzen graben und wühlen in dem griechischen Boden mit einer Rastlosigkeit, einem täppischen Ungeschick, daß ein ernster Freund des Altertums geradezu ängstlich werden muß: und so möchte ich jeden begabten oder unbegabten Menschen, der eine gewisse berufsmäßige Neigung zu dem Altertum hin ahnen läßt, an die Hand nehmen und vor ihm in folgender Weise peroriren: Weißt du auch, was für Gefahren dir drohen, junger, mit einem mäßigen Schulwissen auf die Reise geschickter Mensch? Hast du gehört, daß es nach Aristoteles ein untragischer Tod ist, von einer Bildsäule erschlagen zu werden? Und gerade dieser Tod droht dir. Du wunderst dich? So wisse denn, daß die Philologen seit Jahrhunderten versuchen, die in die Erde versunkene umgefallene Statue des griechischen Altertums wieder aufzurichten, bis jest immer mit unzureichenden Kräften: denn das ist ein Koloß, auf dem die einzelnen wie Zwerge herumklettern. Ungeheure vereinte Mühe und alle Hebelkräfte moderner Kultur sind angewendet; immer wieder, kaum vom Boden gehoben, fällt sie zurück und zertrümmert im Fall die Menschen unter ihr. Das möchte noch angehn, denn jedes Wesen muß an etwas zu Grunde gehen; wer aber steht dafür, daß bei diesen Versuchen die Natur selbst nicht in Stücke bricht! Die Philologen gehen an den Griechen zu Grunde das wäre etwa zu verschmerzen aber das Altertum zerbricht durch die Philologen selbst in Stücke! Dies über lege dir, junger leichtsinniger Mensch, gehe zurück, falls du kein Bilderstürmer bist." (Schluß des dritten Vortrages im nächsten Heft) Politisches Temperenzlertum. Seit dem ersten Januar dieses Jahres giebt Herr v. Egidy ein „Mittwochsblatt für unsere vaterländische Gemeinsamkeit" als „Ergänzung für die Tageszeitungen aller heutigen Parteien und Richtungen" heraus. Diese Ergänzung heißt: Versöhnung! Ein gewanter Spötter könnte bereits aus dem Titel eine reichlich lange Plauderei über sonderbare Schwarmgedanken und Schwarmdenker ziehen. Aber ich mag nicht spotten, obwol mir bisher kein Gerichtsbeschluß eine „ernste Lebensanschauung" aufgenötigt hat, weshalb ich freilich auch nicht genötigt bin, gegen solches Erkenntnis bescheidener und ehrlicher Weise Revision einzulegen. Ich mag nicht spotten, liegt doch in dieser entkörperten, ins Wesenlose lyrisch verdunstenden Humanitätssehnsucht eines sich frei und zukunftsträchtig fühlenden Edelgeistes so viel des Erwärmenden, Beruhigenden, Seelenlösenden. Das Zwecklose heiligt die Mittel. Nicht atmet uns erhikt und üblen Hauches die nahe drängende Brutalität eines Erfüllung brünstig heischenden Zweckes entgegen; in reine, in zerflatternden Linien mystisch gleißende Ferne ruft uns humanitäre Aolsharfenmusik. Und weil kein stofflich-roher, nasennaher Zweck uns im Gemeinen bannt, darum ist uns auch das Mittel heilig, diese Traktate im gehobenenen Erbauungsstil ohne dringliche Wucht, ohne farbige Bestimmtheit. Das Problem der himmlischen Liebe, ins Politische übertragen, die uranische Politik statt der vulgivagen! Daß man durch gutes und vernünftiges Zureden die Welt gut und vernünftig machen könne, ist ein alter Glaube, an dem man immer noch hängt, weil er eben bislang nicht zur Gewißheit geworden ist. Eine tausendmal getäuschte Hoffnung scheint mit jeder neuen Enttäuschung die Gewähr für endliche Erfüllung zu steigern. Wie viel träumende Idealisten, wie viel wache Tatmenschen haben an diesem vorausgesetzten Willen zur Vernunft schon geknetet und gebildet, und die erhoffte Gemeinsamkeit ist immerdar unversöhnliche Vielgestaltigkeit geblieben. Niemals vielleicht hat ein Mensch so fest und so realistisch an die Kraft der Verführung zur Vernunft geglaubt wie der großindustriöse Philanthrop Robert Owen. Gerade am ersten Tage dieses Jahrhunderts hatte er die Leitung der als sozialen Versuchsstation weltberühmt gewordenen Spinnerei zu New-Lanark übernommen, und in verhältnismäßig furzer Zeit gestaltete er aus der Stätte des Elends und aller Laster ein kleines Paradies der Arbeit. Es hatte zwar etlicher Mühe und mancher Separationen bedurft, bis sich endlich die Kompagnonschaft von der Möglichkeit überzeugte, daß auch eine Kapitalverzinsung von 5 Prozent dem Unternehmer genügen könnte; aber das Werk gelang, Säufer wurden zu Wassertrinkern, Ausschweiflinge zu Asketen, Faulenzer zu Fanatikern des Fleißes, überschuldete Bettler zu wolsituirten, in geordneten, reinlichen Verhältnissen lebenden Arbeitern. Seitdem glaubte er felsenfest an sein Dogma, daß alle Gewohnheiten und Gefühle sich der Menschheit anerziehen lassen. Zur Zeit der Freiheitskriege erschienen seine Abhandlungen: A new view of society; or essays on the principle of the formation of the human character and the application of the principle to practice. Und wie verstand der Mann es, die Nüzlichkeit der Vernünftigkeit, die Rentabilität der Humanität den Leuten zu demonstriren! Die Arbeiter standen einfach auf dem Maschinenkonto: je besser man mit diesen lebenden Maschinen umginge, um so reichlicher würde ihr Arbeitsertrag sein, so rechnete er |