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Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig.

Deutsche National-Litteratur

→* Hißorisch-kritische Ausgabe **

Unter Mitwirkung von

Dr. Arnold, Dr. G. Balke, Prof. Dr. H. Bartsch, Prof. Dr. A. Bechstein,
Prof. Dr. . Behaghel, Prof. Dr. Birlinger, Prof. Dr. H. Blümner, Dr.
F. Bobertag, Dr. K. Borberger, Dr. W. Creizenach, Dr. Joh. Crüger,
Prof. Dr. H. Düntzer, Prof. Dr. A. Frey, L. Fulda, Prof. Dr. L. Geiger,
Dr. H. Hamel, Dr. E. Henrici, Prof. Dr. M. Koch, Prof. Dr. H. Lambel, Dr.
K. Schr. v. Liliencron, Dr. G. Milchsack, Prof. Dr. J. Minor, Dr. F.
Muncker, Dr. P. Merrlich, Dr. H. Oesterley, Prof. Dr. H. Palm, Prof.
Dr. P. Piper, Dr. H. Pröhle, Dr. Abolf Kosenberg, Prof. Dr. A. Hauer,
Prof. Dr. H. A. Schröer, K. Steiner, Prof. Dr. A. Stern, Prof. Dr.
F. Detter, Dr. C. Wendeler, Dr. Ch. Zolling u. A.
herausgegeben von

Prof. Joseph Kürschner.

Alle 14 Tage erscheint 1 Band im Umfang von 20—36 Bogen 8o.
Der Freis des Bandes ift geh. M. 2.50 (Fl. 1,50, Fr. 3,50), gebd. M. 3,50.
Das Werk befriedigt die strengsten wissenschaftlichen Ansprüche und ist in
Sormat, Ausstattung und Preis die beste aller Klassikerausgaben.
Bis jekt erschienen 205 Bände.

Der neueste Band 205 enthält:

Herders Werke.

Erster Teil, 3weite Abteilung:

Stimme der Völker. Volkslieder. Nebft untermischten anderen Stücken.

Berausgegeben von
B. Meyer.

LXXXVII und 548 Seiten.

Bu beziehen durch die meisten Buchhandlungen.

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Union Deutsche Verlagsgefellschaft in Stuttgart, Berlin, Leipzig.
C. W. Allers.

LA BELLA NAPOLI.

220 Seiten 4o. Mit 11 Lichtdrucken, 50 Vollbildern u. 200 Textilluftrationen. Preis in Prachtband 40 Mark. Vereinigt sich in Allers' großartigem Bismarck-Werk ein hochinteressanter zeitgeschichtlicher Stoff mit einer Künstlerschaft eniten. Ranges, so ist es hier das Land der Schönheit - Neapel, Sorrent, Pompeji, Cavri, Camaldoli, ¿Amalfi, Ischia –, welches mit. charakteristischen, zum Teil höchst humoristischen Figuren zem Künstler Modell gestanden hat.

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Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin und Stuttgart. Gedruckt von der Buch, Gensch), Berlin M., Mauerstraße 80 u. Wilhelmstraße 47, Aufgang C. Epedition: Sriedrichstr. 207. Berlin SM.

Verantw. Otto Neumann Hofer, Berlin Charlottenburg. druckerei im 2uchhändlerhaus (

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Erscheint jeden Sonnabend.

für Sifferatur. →

Berausgegeben von Otto Neumann - Hofer.
Redaktion: Berlin - Charlottenburg II, Carmerstraße 10.
Expedition: Berlin SW., Sriedrichstraße 207.

Union

Deutsche Verlags-Gesellschaft
Berlin u. Stuttgart.

Preis 4 Mart vierteljährlich. Bestellungen werden von jeder Buchhandlung, jedem Postamt (Nr. 3589 der Postzeitungsliste), sowie vom Verlage des „Magazin" entgegengenommen. Anzeigen 40 Pfg. die dreigespaltene Petitzeile. Preis der Einzelnummer: 40 Pfg. &~~

63. Jahrgang.

Berlin, den 3. März 1894.

Nr. 9.

Auszugsweiser Nachdruck sämtlicher Artikel, außzer den novellistischen und dramatischen, unter genauer Quellenangabe gestattet. Unbefugter Machdruck wird auf Grund der Gesetze und Verträge verfolgt.

Inhalt: Moris Goldschmidt: Geistiges Leben in Frankfurt a. M. Sp. 257. Litteratur, Wissenschaft und öffentliches Leben: Leo Tolstoj: Christi Lehre und die allgemeine Wehrpflicht. I. p. 262. Friedrich Niessche: Ueber die Zukunft unserer Bildungsanstalten. Vierte Rede. (Schluß). Sp. 268. Paul Clemen: Georg Brandes. (Echluß). Sp. 275. Alfred Kerr: Der Maskenball von Bisson und Carré im Residenztheater. Sp. 281. Neue Bühnenerscheinungen. Sp. 282.

Bildende Kunft: M. S.: Chronik der bildenden Künste. Sp. 283.
Mufit: A. R.: Musikalische Ckronit. Sp. 284.

Litteratur-Tafel. Sp. 285. Anzeigen. Sp. 287.

Geistiges Leben in Frankfurt a. M.

Von

Moritz Goldschmidt.

III.

Porträts find Charaktere, von einem Charakter gemalt, einem Wahrheitssucher und -verkünder. Einer schönen Frau möchte dieser Charakter vielleicht zu keck die Wahrheit sagen, er würde zu wenig Rücksicht auf die Laune der Schönen nehmen, die auf ihrem Bilde unbedingt so auszusehen verlangt, wie fie auszusehen glaubt; er Es ist im Laufe dieser Berichte schon einmal gesagt würde ihre Seele in das Bild malen, die sie selbst kaum worden, daß Frankfurt viel bildende Kunst besitzt, aber fennt, aus ihren Augen würde manches vielleicht sprechen, fein Kunstleben hat — und das kann wol nicht bestritten was sie nicht zu gestehen liebt . . Freilich, die Arbeit werden; wer hätte indeffen ein Recht, zu behaupten, daß merkt man zuweilen etwas mehr als unbedingt nötig ist. das immer so bleiben müsse? Gewiß, der Boden ist in diesen Arbeiten Pidolls, man sieht wie der kraftvolle hier zu teuer für den Künstler; die kommerziellen In Künstler mit seinem Stoff gerungen hat. Seine Landtereffen der Stadt wiegen allzusehr vor der Künstler-schaften aber vor allem zeigen, wie tief das Auge der stand als solcher vermag hier noch keine besondere Rolle zu spielen, wenn es nicht eine rein dekorativ-gesellschaft liche ist; unsere Kommune hat herzlich wenig ästhetische Neigungen, die Städelsche Galerie wird nach wie vor als Stiefkind behandelt aber kann die Stadt nicht in naher Zeit einmal einsehen lernen, daß es durchaus in ihrem Intereffe wäre, der Kunst und dem Künstlerberuf etwas mehr Liebe entgegenzubringen, und vor allem in der Städelschen Schule einen Mittelpunkt zu schaffen, an den fich die feinblißenden Kristalle einer reichen jungen Kunst anzusehen vermöchten? - Schon heut ist Frankfurt die Stadt in Deutschland, die im Verhältnis die meisten Bilder kauft; einen hübschen, kräftigen Stamm von emfig schaffenden Jungen" haben wir auch bereits der Geschmack, das Auge bilden sich, müssen sich bilden — die Kunst, egoistisch wie alles Große, nimmt, wo man ihr einmal den Finger geboten, gern die ganze Hand haben wir nicht Grund viel Gutes zu erhoffen?

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neuen Kunst, das in so viele Schatten- und Nachtseiten des Lebens erkennend geblickt, auch in die Nachtseite der Natur eingedrungen ist - wie weit sich diese Kunst die Nacht als Objekt neuerobert hat Den fecken Wurf, den man in manchem Werke Pidolls dem tiefen Empfindungsgehalt beigefellt wünschte, weisen in hohem Grade die Arbeiten eines anderen frankfurter Künstlers auf, die von Ottilie W. Röderstein, die in einer Sonderausstellung gleichzeitig bei Schneider zu sehen waren, moderne Schöpfungen auch im besten Sinne und wieder von sehr eigenartiger Prägung. In ihnen findet sich neben innerer Wärme und reichem selischen Leben, einem deutsch-gemüt vollen Gehalt, die glänzende Technik der französischen Porträtisten Ottilie Röderstein ist Schülerin ven Ca rolus Duran; auch sie giebt in ihren Porträts die ganze Persönlichkeit, aber in wesentlich anderer Weise als Bidoll: sie erzählt tausend Züge aus dem Leben des Kopfes, den sie konterfeit, und mit seltener Genialität vereint fie alle diese kleinen Züge in einem großen Zug. Es lebt eine durchaus männliche Energie in dieser feinen Frauenhand, die sich eben mit kräftiger Schrift in das Buch der Kunstgeschichte einschreibt. Auch im Genre hat sie wieder eine prächtige Leistung aufzuweisen, die zeigt, wie Ottilie Röderstein die große Seele im Kleinen zu erfaffen weiß: Das tägliche Brot" - um einen Tisch vier Kinder, effend; eine Frau, die ihnen Brot austeilt

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sonst nichts! Ein Bild so still und schlicht: ganz ein- | faches trockenes Brot und doch tägliches Brot" für Feinschmecker. Eine Feinschmecker Privatsamlung hat es denn auch bereits verschlungen.

Nicht so leicht kann man, besonders wenn man nicht Porträtmaler von Beruf, das Porträt eines anderen jungen Künstlers zeichnen, der sich mit Recht immer wachsenden Ansehens erfreut: Rudolf Gudden hat schon mehrfach Ueberraschungen bereitet, und wird dies auch wol noch fernerhin tun. Ungewöhnliches Können spricht aus vielen seiner Arbeiten, wenn auch noch keine mit furzen Worten zu kennzeichnende, fest ausgeprägte Eigenart. Interieurs von großem koloristischen Reiz, Früchte einer holländischen Studienreise, zeigt er uns, und Landschaften. Mit großer Liebe versenkt sich der Künstler in die Stimmungen des deutschen Waldes; Licht und Luft ist in seinen Bildern und viel tapferes Ringen und Streben. Und doppelt intereffant find uns Guddens Schöpfungen, weil auch sie wieder den Beweis erbringen, daß Frankfurt durchaus nicht, wie mancher meint, das „Capua der Künstler" ist, | die hier, auf dem allzufetten Nährboden der Millionen stadt, in Ueppigkeit verfallen, sich dem herrschenden Geschmack der upper ten anbequemen, oder gar von dem Bourgeoisie Philifterium aufgesaugt werden müßten. Gudden kam Gudden fam blutjung nach Frankfurt, und heute sehen wir ihn auf dem besten Wege zu hervorragender Künstlerschaft.

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Von einer fertigen Persönlichkeit des Schaffenden und von letter Reife zeugen die Werke eines frankfurter Plastikers, die Werke Ludwig Sands, der seit einigen Jahren als Lehrer der Holzschneideklasse an unserer vortrefflichen Kunstgewerbeschule angestellt ist. Ludwig Sand ein Name, der noch nichts sagt, in Berlin gewiß noch so gut wie unbekannt ist, höchstens in München dem Ohr des Stuckschen Kreises und wenigen Freunden lieb und bedeutend klingt! Einer jener Menschen, die aus so reichen Quellen ihres Juneren schöpfen, daß die leere, lärmende Welt ihnen wenig zu geben hat, eine jener Naturen, die eine kleine Welt so in Taschen Format in fich tragen, läßt Sand sich nur schwer bewegen, mit seinen Leistungen auf den Markt zu treten, der geräuschvoll eine feingestimmte Seele leicht verlegt. Aber in seinem stillen Atelier kann man Arbeiten sehen, die nach meiner Empfindung siegessicher mit dem Besten wetteifern können, das die plastische Kunst in den legten Jahren hervorgebracht hat. Einen so tiefen, leuchtenden Blick aus steinernen Augen, wie ihn diese Porträtbüsten zeigen, habe ich noch selten gesehen, Nerven aus Thon und Marmor gebildet noch kaum wie hier bewundert. Ja, Nerven sind in diesen Stein-Köpfen und Leibern Nerven von Stahl in jenem robusten Männerkopf dort; und feine, ewigzuckende Nerven, auf deren wunderzarten Saiten jeder Hall von Welt und Leben leise Melodien spielt, in diesem seltsam reizvollen Kopf einer jungen Künstlerin hier. Ein Todfeind aller Konvention, gilt Sand die Lehre und Sagung von der rein schönen Form nichts, ihm ist es um das Charakteristische zu tun, in dem er das höchste Schöne erblickt und wahrlich, wenige Künstler vermögen so die ganze Seele ihres Modells, Natur nachschaffend, in ein stilles Auge zu zaubern und den vollen Schein warmen Lebens verklärend über vielleicht höchst unschöne Züge zu gießen. Ein Soldat der Kunst, über den fein Capua etwas vermag!

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Auch Anton Burger, von dem zirka 100 Arbeiten sich in einer Sonderausstellung des immer rührigen Schneider-Ans dreasschen Salons eben vereinigt finden, ist im Reich wol noch wenig bekannt. Mancher hat Chance und bringts in seiner Jugend schon zum Profeffor; ein anderer hat weniger Glück oder kein Glück gehabt, und das gerade ist dann sein Glück geworden. Burger hatte das

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kann es so nennen: schlimme Schicksal, daß seine Bilder meistens gleich hier um Spottpreise ihre Käufer fanden; so ist sein Ruf über die Mauern unserer Stadt nur selten und wenig, hinausgedrungen. Erst jetzt bereitet sich_langsam eine Wandlung vor, da er ein Siebziger ist. Burger ist weder Naturalist, noch Impressionist oder Pleinairist man kann seine künstlerische Ärt nicht beffer charafterisiren, als indem man sagt: er ist Anton Burger. Wenn Sie ein Bild von ihm oder auch mehrere zum ersten Male sehen, entschlüpft Ihnen gewiß ein lauter Ausruf der Enttäuschung: „Das ist alles? Sonst nichts?“ Ja, das ist alles; sonst nichts. Der Taunus mit seinen lieblichen, stillen Thälern, im Frühlingssonnenlicht und in Schneehülle; Bauern bei der Arbeit und beim fargen Mahi; Jäger in ihrem fröhlichen Tun; ein Stückchen_des alten Frankfurt, alter Markt, Straßen, Gassen sonst nichts. Aber braucht eine schöne Frau viel Toilette? Braucht ein großer Künstler viel Stoffe? Da ist die Kirmes", die Kegelbahn", der Wirtsgarten in Kronberg" — mein Gott, wie klingen diese Titel alle unmodern, und doch, wieviel echte Kunst leuchtet aus den Bildern und Bildchen. In seinen Genre-Stücken direkt an die alten Holländer erinnernd, wenn auch oft wärmer als sie, ist Burger ganz einzig in seiner Art, wo er Genre und Landschaft verbindet. Keiner Richtung gehören diese Werke an, die in ihrem Stoffkreis der düsseldorfer Schule bedenklich nahekommen, die aber durch die Genialität thres Schöpfers jedem Vergleich mit den Erzeugnissen einer gutbürgerlichen" Kunstküche weit entrückt sind. Doch worin besteht die Größe eines Künstlers, der eigentlich nur Kleines und Kleinstes gemalt hat? Ich glaube darin, daß er das Einfache einfach, das Kleine mit scheinbar

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kleinen Mitteln dargestellt hat, und daß alle seine Arbeiten aus einer großen Liebe hervorgegangen sind, der tiefen Liebe, die ihn zeitlebens mit dem Milieu verbunden hat, das seine Bilder spiegeln... So ist er zugleich ein wenig zum Kulturhistoriker dieses stillen Weltwinkels geworden, den er so tren fonterfeit hat, und die Kunst gratulirt sich zu einem neuen coin du monde, vu à travers un tempérament... Die „neue Zeit“ kann nicht viel mehr für den bescheidenen Mann tun, als seinen Kronberger Adlerwirt" aus dem Jahre 69, in München einst prämiirt noch einmal zu prämiiren. Heute nach 25 Jahren! Und der Künstler darf sich sagen, daß er in diesem Fall ein Jubiläum feiert, wie es wenige seiner Kollegen zu begehen vermögen.... Viele sind, die das Große gemütlich dargestellt haben, nur wenige von je verstanden es, das Gemütliche mit Größe zu schildern.

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Auf diese mangelhafte Würdigung eines Künstlers, der eine Ernte bedeutet, eine Silbe noch über einen, der erst eine Hoffnung ist: von F. Boehle, einem Frankfurter, der sich in der guten Schule Hasselhorsts sein zeichnerijches Können angeeignet und bei Diez in München weiterlernt, haben einige in diesen Tagen gleichfalls bei Schneider zur Ausstellung gelangte Radirungen, vor allem in den Kreisen der Kunstgenoffen, ungewöhnliches und verdientes Aufsehen erregt.

Es treibt und knospet...

*

Wir sind eben in der Hochsaison: Leben und Bewegung und Kunst überall! Wahre Tonsturmfluten wälzen sich aus den Konzertsälen, und mehrere Theater haben in der leßten Zeit eine recht rege Tätigkeit entfaltet. Sie haben in ihrer Auslage viele neue Stoffe und Moden gebracht, die sie für diesen Winter acceptirt zu sehen wünschten. Freilich, die Herren Kunstschneider haben kaum Chance gehabt, und nur wenige ihrer vielangepriesenen neuen

Oper und Schauspiel brachten natürlich

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Façons und Muster hat Publikus sich aufschwagen lassen, lezte Winkelchen gefüllt. Auch der weniger kunstsinnige nicht einmal alle geschmacklosen! und verständige Teil unseres Publikums wurde durch die hohen Preise mit fortgeriffen. Alle Rollen waren vertauscht: Theater spielte einzig unser Publikum, das in einem Rausch und Taumel war; die Kritik spannte Frau Duse die Pferde aus. Nun ist sie fort, In unferm Schauspielhause wird wieder Tragödie und Komödie gemimt, Ruhe kehrt in Frankfurts Seele zurück. Aber man kommt sich vereinsamt, verlassen vor.. Ein scharfzüngiger Junggeselle, der sich nicht leicht begeistert, fagte mir, er fühle sich verwitwet.

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eren Brot und Premieren!" heißt ja nun einmal das Postulat der modernen Bourgeoisie! Unsere In tendanz dachte wol, es wäre an der Zeit, einmal wieder romantisch zu fommen, und sie ging hin und studirte die Willis" ein, Oper in 2 Aften von Puccini. Ein interessantes Unternehmen! Die alte Romantik, die Marschnersche, ist tot: es lebe die Romantik! Seitdem Richard Wagner die blaue Blume" mit den Wurzeln ausgerissen und sich in seiner fühnen_Art ins Knopfloch gesteckt hat, sind viele ausgegangen, sie zu suchen, aber, ach! fie fanden wol blaue Blümchen die blaue Blume" nicht. Und Puccini? Auch er hat kein Glück gehabt, und man muß das bedauern, denn die Musik, mit der er die traurig schaurige Schwarzwald-Geschichte umkleidet hat, die Sage von der verlassenen und im Gram gestorbenen Braut, die, mitternächtiger Weile wiederkehrend, den ungetreuen Bräutigam zum Tanze zwingt, bis er entseelt aus ihren Armen sinkt, diese Musik weist viele packende Momente auf und offenbart so viel künstlerischen Geschmack und dramatisches Können, daß man fast über fieht, wie spärlich die Melodie fließt. Die Oper würde sich gewiß eine Weile gehalten haben, wäre ihr Libretto ein glücklicher gewähltes. So vermochte selbst die Erfenntnis, die sie uns verschaffte, daß es vor Mascagni schon Mascagnische Harmonieen und Modulationen gegeben hat (die Oper stammt aus dem Jahre 84 oder 85!) und daß der Komponist der „Cavalleria“ nicht fürderhin der Erfinder des Intermezzos genannt werden kann, die „Willis" nicht zu retten. —

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Im Schauspiel hat man gar die dramatische Crinoline wieder einführen wollen, in Gestalt eines vieraftigen Dramas Auf Triburg und Rodeck" von Klaus Arsen, wie sich der Verfasser oder die Verfasserin pfeu donym nannte. Da diese sehr moralische und sehr gut endende" Arbeit nicht die vielen vornehmen Züge des Puccinischen Werkes aufwies, brachte sie es zu fünf oder sechs Aufführungen, konnte eine Weile lang Charleys Tante" den Plaß im Repertoire streitig machen, und mit „Hannele" rivalisiren das, ausgezeichnet dargestellt, auf einen Teil unseres Publikums einen tiefen Eindruck gemacht hat.

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Verzeihen Sie mir, wenn ich vom Theater und von allerlei Theaterdingen direkt zur Duse übergehe ich weiß, es ist ein wenig geschmackvoller, vor allen Dingen ein sehr gesuchter Uebergang - ein Sprung über eine weite luft! Aber dieser Bericht soll nicht gar zu lang werden.

Ich will diesen Brief nicht schließen, ohne zwei Novellenbücher erwähnt zu haben, die von Frankfurter Autoren jüngst veröffentlicht worden sind: Abseits vom Wege" von Leo Hildeck und „Poveretto!" von Rudolf Presber.

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Auch abseits vom Wege" führt heute schon eine breite Chauffee, so ein allgemeiner Fahrweg der Gedanken", durchs litterarische Land. Leo Hildeck (Fräulein Leonie Meyerhof) hat Geschmack und Talent genug, ihren eigenen Seitenweg zu gehen. Bedeutet ihr erster Novellenband, der goldene Käfig", ein rüstiges Voranschreiten hochgestecktem Ziel entgegen, so sehen wir die ernst strebende Dichterin in ihrem zweiten Buche bereits auf einer gar respektablen Höhe angelangt. Leo Hildeck liebt es, in Wunden zu wühlen mit einer sanften, zarten Poetenhand berührt Rudolf Presber Wunden und Narben, wo er sie aufdeckt; ein mildlächelnder, junger Arzt, der einem fiebernden Kranken beruhigend die Hand auf die Stirn legt, während es wehmutsvoll in ihm flüstert: Poveretto!", der aber über dem Anschauen des Lebensleides das Lachen, ein wärmendes und erwärmendes Lachen, noch nicht verlernt hat. Beider Novellenbände des eingehenderen zu besprechen, versage ich mir. Sie gehören nicht zu den Büchern, die verlieren, wenn man fie liest. Avis au lecteur!

Christi Lehre und die allgemeine Wehrpflicht.

Von

Leo Tolstoj;*)

Am 9. September suchte ich mit der Eisenbahn einen Also die Duse war hier Ich kann nur sagen: Ort auf, wo im vorigen Jahre die Hungersnot geherrscht gesucht werden originelle Superlative, Adjektive ganz hatte und in diesem Jahre die Bauern noch schlimmere neuer Prägung Sie hat Frankfurt im Sturm ge- Hungersnot litten, in den Gouvernements Tula und nommen. So vollkommen hat sich unsere gute Stadt seit Rjasan. Auf einer Station begegnete der Zug, mit dem dem Jahre 66 nicht mehr gefangen gegeben! Es war ich fuhr, einem Extrazug, der unter Führung des Stattein Mirakel. Ich habe die Frankfurter in solcher Erhalters Soldaten mit Waffen, Kriegspatronen und Ruten regung lange, lange nicht gesehen. Das Vitalitätsgefühl zur Züchtigung und Tötung dieser hungernden Bauern des ganzen Stadt- und Landkreises war ein erhöhtes, und brachte. acht Tage lang gab es nur die eine soziale Frage noch: "Haben Sie Bläße zur Duse?" Talma spielte in Erfurt vor einem Parkett von Königen fie hat hier vor einem Parkeit von Millionären gespielt. Für andere Menschen waren nämlich höchstens die Galerie- und Stehplätze erschwinglich; aber anfünf Abenden die unvergleichliche Frau trat auf als Cameliendame, Magda, Fe scheinenden neuen Buche Tolstois Chrifti Lehre und die allgeCora, Locandiera" und Santuzza, sowie als Cyprienne, an fünf Abenden war unser Schauspielhaus bis auf das

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unter ihren Schutz genommen und sich stets seiner bedient, darum sahen sie diesen Wald als ihren an oder wenigstens als gemeinsamen Besit; der Gutsherr aber eignete fich den Wald an und begann ihn zu fällen. Die Bauern reichten eine Klage ein. Der Richter der ersten Instanz entschied die Angelegenheit mit Unrecht (ich sage mit Unrecht nach den Worten des Staatsanwalts und des Gouverneurs, Leuten, die die Sache verstehen müffen), zu Gunsten des Besizers. Alle späteren Instanzen, auch der Senat, bestätigten den Beschluß, und der Wald wurde dem Gutsbesiker zugesprochen. Die Vauern aber, die nicht glauben konnten, daß die höchsten Behörden eine so augenscheinliche Ungerechtigkeit gegen ste hätten verüben können, fügten sich der Entscheidung nicht, verjagten die Arbeiter, die ausgeschickt waren, den Wald zu fallen, und erklärten, der Wald gehöre ihnen, und sie würden bis zum Kaiser gehen und würden den Wald nicht fällen lassen.

Die Sache wurde nach Petersburg gemeldet, und von dort aus wurde dem Statthalter Befehl erteilt, den Gerichtsbeschluß zur Ausführung zu bringen. Der Statthalter bat um Militär. Und so kamen die Soldaten mit Gewehren, mit Bajonetten, mit Kriegspatronen ausgerüstet und überdies mit einem Vorrat an Ruten, die abfichtlich zu diesem Zwecke vorbereitet waren und in einem der Waggons mitgeführt wurden, um den Beschluß der höchsten Behörde zur Ausführung zu bringen. Die Ausführung des Beschlusses der höchsten Behörde aber vollzieht sich durch Totschlag, durch Züchtigung von Menschen oder durch die Androhung des einen oder des andern, je nachdem sie Widerstand leisten oder nicht. Im ersten Falle, wenn die Bauern Widerstand | leisten, vollzieht sich in Rußland und dasselbe vollzieht sich überall, wo nur eine staatliche Ordnung und ein Recht des Eigentums herrscht - folgendes: Der Vorgesezte hält eine Rede und fordert Gehorsam. Die aufgeregte Menge, die meist betrogen ist von ihren Rädelsführern, versteht kein Wort von dem, was der Vertreter der Macht in seiner Kanzlei- und Büchersprache sagt, und fährt fort zu toben. Da verkündet der Vorsitzende, wenn sie nicht fügsam sein würden und auseinander gehen, würde er genötigt sein, zu den Waffen zu greifen, und wenn die Menge nun nicht gehorcht und nicht aus einandergeht, befiehlt der Vorgesetzte, die Gewehre zu Laden und über die Köpfe der Menge hinzuschießen. Wenn die Menge noch nicht auseinandergeht, befiehlt der Vorgesezte, mitten in die Menge hineinzuschießen aufs geratewol, und die Soldaten schießen, die Straßen bedecken sich mit Verwundeten und Toten. Dann rennt die Menge gewöhnlich auseinander, und die Soldaten nehmen auf Befehl der Vorgesezten diejenigen gefangen, die ihnen als die Haupträdelsführer erscheinen und führen fie unter Bewachung ab. Dann sammelt man die blutigen, terbenden, verstümmelten, erschlagenen und verwundeten Männer, manchmal auch Weiber und Kinder, auf; die Toten begråbt man, die Verstümmelten schickt man in das Krankenhaus, die vermeintlichen Rädelsführer aber bringt man in die Stadt und stellt fie unter ein besonderes Kriegsgericht. Und wenn sie sich besonderer Gewalt schuldig gemacht haben, werden sie zum Tode durch den' Strang verurteilt. Man errichtet einen Galgen und erwürgt feierlich mit Stricken wehrlose Menschen, wie das so oft in Rußland geschehen ist, wie es überall geschieht und geschehen muß, wo die gesellschaftliche Ordnung auf der Gewalt ruht.

Im andern Falle, in dem Falle, daß die Bauern fich fügen, geschieht etwas Besonderes, etwas speziell Russisches. Es geschieht folgendes: Der Statthalter, der an den Schauplaß der Handlung gekommen ist, hält dem

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Volk eine Rede, macht ihm Vorwürfe wegen seines Ungehorsams und legt entweder die Soldaten in die Häuser des Dorfes, wo die Soldaten manchmal im Laufe eines Monats durch ihre Einquartirung die Bauern herunterbringen, oder er läßt es bei der Drohung bewenden, verabschiedet gnädig das Volk und reitet davon, oder was am häufigsten vorkommt, er erklärt ihnen, daß die Rädelsführer bestraft werden müssen, nimmt willkürlich ohne Gericht eine gewisse Zahl von Menschen mit, dié er als die Rädelsführer bezeichnet, und vollzieht an ihnen sofort die Züchtigung.

Um eine Vorstellung davon zu geben, wie diese Dinge vor sich gehen, will ich einen Fall beschreiben, der in Orel stattgefunden, und der die Zustimmung der höchsten Behörde gefunden hat.

Folgendes ist in Orel geschehen:

Ganz wie hier, wollte auch im Gouvernement Tula ein Gutsbesitzer den Bauern ihr Eigentum nehmen, und ganz ebenso widerseßten sich auch hier die Bauern. Es handelte sich darum: Der Besizer wollte ohne Zustimmung der Bauern in seiner Mühle das Wasser auf einer Höhe halten, bei der ihre Wiesen überschwemmt wurden. Die Bauern widerseßten sich dem. Der Gutsbesißer klagte bei dem Landrat. Der Landrat entschied ungeseßlich (wie dies später auch vom Gericht anerkannt wurde) zu Gunsten des Besizers und gestattete ihm, den Wasserspiegel zu erhöhen. Der Besizer schickte Arbeiter an Ort und Stelle, um einen Kanal zu graben, der das Waffer herleiten sollte. Die Bauern waren über diese ungerechte Entscheidung aufgebracht und schickten ihre Frauen hin, damit sie die Arbeiter des Besizers in der Herstellung des Grabens hinderten. Die Frauen gingen hin, warfen die Karren um und jagten die Arbeiter fort. Der Gutsbesizer klagte gegen die Frauen wegen eigenmächtigen Vorgehens. Der Landrat erließ eine Verfügung, nach der im ganzen Dorfe von jedem Hause je eine Frau in ein („kaltes") Gefängnis gesteckt werden sollte. Der Beschluß war nicht leicht auszuführen, da in jedem Hause mehrere Frauen waren und man nicht wissen konnte, welche der Bestrafung unterliege, und so brachte die Polizei den Beschluß nicht zur Ausführung. Der Besizer klagte bei dem Statthalter über die Läffigfeit der Polizei. Und der Statthalter gab, ohne die Sache näher zu prüfen, dem Kommissar gemessenen Befehl, unverzüglich die Weisung des Landrats auszuführen. Der Kommissar gehorchte dem höheren Vorgesezten, kam ins Dorf und befahl mit der der russischen Behörde eigenen Nichtachtung von Menschen den Schußleuten, je eine Frau aus je einem Hause aufs geratewol zu er greifen und ins Gefängnis zu bringen. Die Bauern verteidigten ihre Frauen und Mütter, ließen sie nicht fortschleppen und schlugen dabei die Schußleute und den Kommissar. Ein neues, entseßliches Verbrechen: Widerstand gegen die Behörde! Und dieses neue Verbrechen wurde in die Stadt gemeldet. Da kommt der Statthalter ganz so, wie hier der Statthalter von Tula an gereist fam, mit einem Bataillon Soldaten, mit Waffen und Ruten, mit Benütung des Telegraphen, des Telephons und der Eisenbahn in einem Extrazuge mit einem studirten Doktor, der auf die Hygiene bei dem Peitschen achten sollte, ganz die Verkörperung des von Herzen vorhergesagten Dshingis-Khan mit Telegraphen nach dem Schauplah der Handlung.

Vor dem Gemeindehaus stand das Heer, eine Abteilung von Polizisten mit roten Schnüren, an denen die Revolver hingen, die bäuerlichen Beamten aus dem Dorfe und die Angeschuldigten. Rings umher stand eine Menge Volks, tausend oder mehr Menschen. Der Statthalter fuhr bei der Gemeindeverwaltung vor, stieg aus

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