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Bewußtseyn kam, und wie es schien, war mein Führer sehr das mit zufrieden; auf seinen Ruf eilten einige feiner Gefährten hers bei, deren Gesichter Zufriedenheit ausdrückten; wie es schien, hatte man mich bis dahin für todt gehalten. Eine Viertelstunde ungefähr ritten wir im Schritt, als jedoch die Pferde sich erholt hatten, ging es wieder im Galopp vorwärts. Endlich, nachdem wir in einen tiefen Engpaß eingebogen hatten, hielten wir vor einem dichten Walde, aus welchem stellenweise Tscherkesische Wohns fiße hervorblickten; rund umher schwarze Felsen, über denselben ein mit schwarzem Gewölk bedeckter Himmel, in der Tiefe ein rauschender Bergstrom, ein blattloses finsteres Eichengehege und überall düsteres Schweigen; es war Chamursin's Residenz. Kaum näherten wir uns dem Aul, als wir von einem Rudel lautbellens der Hunde empfangen wurden; ihnen folgte ein Haufe von Weibern, Kindern und jungen Ticherteffen mit dem Freudenges schrei: Russen, Giaurn, Giäurn! Die Weiber hatten ihren Ges brauch vergessen und waren alle unverschleiert; die Knaben ließen uns keine Ruhe, indem sie unaufhörlich an unseren Mänteln zupften und unter lautem Geschrei uns Schnee und Koth ins Geficht warfen. Als endlich die allgemeine Neugier befriedigt war, führte man uns in eine Wohnung und schmiedete mich und meinen Kameraden in Fesseln. Die übrigen Gefangenen traten bei den Tscherkessen in Dienst, aber nicht auf lange; eine günstige Gelegenheit zur Flucht erlöste sie bald von dem schweren Joch, und sie waren bereits frei im Vaterlande, als ich noch mein uns glückliches Loos tragen mußte. In unserer Wohnung befanden fich noch sechs Tscherkessen und Chamurün's Bruder; sie bestand aus einer Scheune von trockenen Reisern, beworfen mit Lehm oder vielmehr mit einem Gemisch von Koth und Mist, ohne Dielen und Fenster und mit einem schlechten Dach gedeckt, einem nicht ganz fertigen Kamin, zwei oder drei Schemeln, einigen an Stricken schwebenden Stöckchen zum Aufhängen von Kleidern und tiefem Schmuß auf dem Fußboden! Hierzu denke man sich noch inwendig zwei Pfeiler und an diesen geketter zwei Offiziere, auf Stroh in ihren Mänteln liegend, welche nach einer langen Reise und einer falten, stürmischen Nacht ihre erstarrten Glieder nur sehr schlecht erwärmten; ferner, etwas weiter von ihnen, vor dem Feuer, eine Bande Räuber, die auf ihre rohe Weise ihren Sieg feierten, und über diese Scene werfe man noch ein düsteres Zwielicht, so hat man das Gemälde eines Kaukas fischen Gefangenen. Und doch hat man noch keinen vollständigen Begriff von diesem Gemälde, wenn man nicht einen Blick in das Innere der handelnden Personen wirft. In der Tiefe des Herzens des Gefangenen kämpfen Verzweiflung, Sehnsucht nach dem Vaterlande, Erinnerung an die Freiheit, die sich so schnell in harte Sklaverei verwandelte. Dagegen ist das Herz der Raus ber von wilder Freude, Blutdurst und Genuß an fremden Leiden erfüllt.... wie furchtbar!

,,Lange Zeit mochte ich nicht an mein Schicksal glauben. Es erschien mir Alles wie ein schwerer Traum; doch das Erwachen war entseglich, und mit der schweren Eisenkette begann eine Kette von Leidenstagen. Der Tag verging, und der Hunger fing an, Lins ju qualen. Abends indessen brachte ein gefangener Russischer Knabe, den man uns zur Bedienung gegeben hatte, Brod und Wasser. Auch diese einförmige Nahrung machte uns Freude; das Wasser war uns das schmackhafteste Getränk, und das Brod, das heißt, in Wasser gebackenes Weizenmeht, Tschurek genannt, das leckerste Essen. Nach diesem elende: Abendbrød, das zu gleich als Mittagessen diente, wickelten wir uns in unsere Mantel und legten uns auf dem feuchten, uns auch nur spärlich zugetheilten Stroh schlafen. Unsere Ermattung war so groß, daß der Schlaf, dieser Trost der Unglücklichen, uns bald be ruhigte. Meine Träume waren qualend; immer glaubte ich, in einen Abgrund zu stürzen: es schien mir, als erhielte ich harte Schläge, die mich erweckten und mich nichts als Finsterniß um mich her blicken ließen. Nur durch das schlechte Dach meines Kerkers flimmerte _am_dunkelblauen Himmel ein Stern, der bange Hoffnung in meine Seele senkte. In der Todtenstille um mich her hörte ich nur das furchtbare Klirren meiner Ketten und die schweren Athemzüge meines Gefährten ・ ・ ・ ・

Täglich mit Sonnenaufgang erwachten lärmend die mit uns schlafenden Tscherkessen, reinigten ihre Gewehre, luden sie und verließen uns, nachdem sie eine Wache zurückgelassen hatten. Darauf waren wir den ganzen Tag über die Zielscheibe der Neugier der Bewohner des Auls, die zusammenliefen, um die Ruffen zu betrachten und sich über sie lustig zu machen. Nachts titten wir durch Kälte und am Tage durch Hunger und Vers fpottungen, mit denen man uns bestandig quálte: Alles, mußte geduldig ertragen werden. Einförmig gingen die Tage hin. Lödtlicher Gram nagte an meinem Innern. Mein Gefährte ward völlig muthlos: mehr als einmal tam ihm der entfeßliche Ges danke an Selbstmord in den Sinn; mehr als einmal wollte er nach den an den Wänden hängenden Dolchen und Pistolen greiz fen, doch immer hielt ich ihn zurück und tröstete ihn durch den Glauben an eine gütige Vorsehung. Endlich erlaubte man mir, an meine Gefährten in der Festung zu schreiben. Dazu gab man mir einige Feßen Papier; in Wasser aufgelöstes Pulver diente als Dinte, ein dannes Stäbchen als Feder und ein Kundschafter, de ren die Ticherteffen viele haben, als Postillon. D! man begreift es nicht, wie entzückend dieser Briefwechiel war, mit welcher Freude ich die Antworten meiner Freunde las, die mich mit der Aussicht auf baldigen Loslauf trösteten! Freilich wußte ich wohl, daß dieser Loskauf vom Zufall abhing; es ist aber so süß, zu hoffen, daß wir immer bereit waren, uns mit Hoffnungen, wie

Kinder mit Spielzeug, zu tduschen. Drei schwere Wochen nahmen einen großen Theil unserer Lebenskraft hin. Unsere Nahrung war mir zulegt so sehr zuwider geworden, daß ich sie nicht mehr ansehen mochte; schon seit drei Tagen hatte ich keinen Bissen in den Wand genommen und war höchst kraftlos und mager ges worden. Chamursin bemerkte es; und als er einst mit einem seus ner Gefährten sprach, vernahm ich, daß er zu ihm sagte: „Der Russe ist eigensinnig und will nichts essen; er stirbt, man muß ihm ein Schaf kaufen." Und wirklich hatten wir am nächsten Tage Fleisch, das uns sehr gut schmeckte; doch dieser Luxus währte nicht lange. Bemerkenswerth übrigens ist es, daß die Ticherkesen im Allgemeinen sehr wenig essen, sich meistentheils von Milch, Früchten und Tschurek nahren und nur höchst selten Schaffleisch, welches bei ihnen theuer ist, genießen. Dieses Mal diente das getödtete Schaf der ganzen Familie als Nahrung, und bald mußten wir wieder hungern.

,,Chamarsin ward inzwischen der Ruhe überdräffig; er fchärfte wieder feinen Säbel, reinigte sein Gewehr und machie Anstalt zu einem Raubzuge. Eines Morgens, früher als gewöhnlich, ward ich durch lauten Lärm in dem Aul erweckt, und bald hörte ich den Tritt vieler Pferde und das Geschrei der Tscherkessen. Alles verlor fich allmatig in der Ferne: es war Chamurfin's Auszug zu einem blutigen Fest.

"

I schweige von Allem, was meine Seele empfand und mein Körper ertrug in jenen Tagen der Abwesenheit des Räubers hauptmanns. Wie in einem Kaleidoskop, flessen die nämlichen Gefühle in immer neue Formen durch einander, aber die Farben in diesen geheimnisvollen Gestaltungen der Gedanken waren trúb und finster. Mein Leben schwand dahin, wie die Abendrothe vor der Dunkelheit der Nacht. Bisweilen knüpfte ich ein Gespräch mit dem armen Knaben an, der uns bediente, und versuchtc, etwas von den Umständen seiner Gefangenschaft zu erfahren. Dem Gedächtniß des Kleinen war fast Alles entschwunden. Er war ungefähr zehn Jahr alt und bereits seit drei Jahren hier. Ich erinnere mich nur, wie meine Mutter weinte", sagte er mir, als der Schwarze, der weggeritten ist (er meinte Chas murfin), einst am Abend in unsere Hütte stürzte, den Vater mit dem Sabel niederhieb und mich mit der Mutter mit sich nahm. Im Dorfe war ein solches Geschrei, eine solche Feuersbrunst, daß es schrecklich ist, daran zu denken. Der schwarze Tscherkesi warf mich einem Anderen so heftig aufs Pferd, daß ich laut aufschrie. Der Ataman selbst wollte meine Mutter zu sich aufs Pferd nehmen; sie verstand aber nicht zu reiten und fiel hinunter; man ließ fie liegen, und uns trugen die Pferde davon. Ich wollte nach Hause, aber man ließ mich nicht fort; seitdem bin ich hier; die hiesigen Knaben sind so böse; immer schlagen fle mich; und doch thue ich ihnen nichts.“

,,Diese einfache, aber rührende Erzählung tröstete mich durch den Gedanken, daß, wenn die Unschuld so leide, die Vorsehung mir Sünder gewiß eine Prüfung gesandt habe, die ich ohne Murren ertragen müsse. So verging ein Monat, und Chamurjîn war noch immer nicht zurück. Noch nie war er so lange ausges blieben, und schon begann man, in dem Aul unruhig zu werden. Auch ich ward unruhig, ich weiß nicht, warum; es schien mir, als ob mein Daseyn von Chamursin's Leben abhinge, und auch ich erwartete ihn. Vielleicht schlummerte in mir die Hoffnung, etwas von den Unsrigen zu hören, oder der etwas grausame Wunsch, noch einen Leidensgefährten zu sehen .... Der Mensc) wird hartherzig, wenn das Unglück ihn schwer heimsucht. Endlich erschien eines Tages einer von den Tscherkessen, die mit Chas mursin ausgezogen waren. Alles dringte sich um ihn her, bes gierig, etwas Neues zu erfahren. Finster blickte der Tscherkese um sich her und führte den jüngeren Bruder Chamur in's, als er ihn gewahrte, zur Seite. Neugierig folgte ihm mein Auge durch die offene Thår, und mein Herz wetsfagte mir nichts Gutes. Ein Haufe Ticherlessen und Ticherkessinnen stand in der Ferne und wartete angstvoll. Ich sah es und hörte es, wie während der Rede des Angekommenen Chamurfin's Bruder erblaßte, wie feine Augen rollten, wie er mit den Zähnen_knirschte, und wie er endlich laut wehklagend zur Erde stürzte. Es war die Nachricht vom Tode seines Bruders. (Fortseßung folgt.)

Ostindien.

Briefe aus Indien.

II.

Kandy auf Ceylon, den 23. Juni 1837. Ich habe meine Reise nicht ganz so fortfeßen können, als ich mir vorgenommen. Von Bombay ging ich zuerst nach Mangalore auf der Küste Malabar. Hier fand ich das Land im Aufs stand, was mich hinderte, mir die nothwendigen Transportmittel zu schaffen; auch hätten mich die Insurgentenhaufen aufgehalten, welche die Gegend inne hatten und einen Tag vor meiner Ans Punft die Stadt Mangalore angezündet und geplündert hatten. Unter den Europäern herrschte großer Schrecken, und daher übers trieb man auch die Zahl der Insurgenten; aber es ist wahr, daß jeder Anfang einer Empórung in Indien gefährlich ist, weil Tan fende von Individuen immer bereit sind, dem Ersten, der ihr Führer seyn will, sich anzuschließen, und das Uebel rasch gunch men kann. Die ganze Macht der Maratten ist aus eince solchen Empörung entstanden, die, anfangs verachtet, bald furchtbar wurde und zuleßt die ganze Halbinsel ergriff. Die Maranten ließen dem Großmogul seinen Thron nur mit der Bedingung,

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daß er ihnen gehorche. Die Pindarries waren ein Haufe von Menschen, die man auf eine ungerechte Weise von ihrem Boden vertrieben, und die nun einen unternehmenden Führer suchten. Sobald ein solcher erschien, empfingen sie ihn, wie eine Gabe des Himmels; bald waren sie Herren, und aus den Unterdrückten wurden wieder neue Tyrannen und Unterdrücker. Seit die Engs lische Herrschaft in Indien von den Pindarries bedroht worden, dauert derselbe Zustand fort. Tausende oder vielmehr Millionen Menschen sind bereit, sich zu erheben, nicht bloß gegen die Engs lander, sondern gegen jede höhere Macht, um ihre Lage, die nicht schlimmer werden kann, zu verbessern. Bei der leßten Ins surrection hieß es:,,Besser einem Hunde, als der Compagnie ge horchen." Nach einer Herrschaft von 150 Jahren ist nichts oder fast nichts gethan worden. Man sieht hier nicht, wie in den übrigen Englischen Kolonieen, einen besser angebauten Boden, gute Straßen, Kandle, Wasserbehälter und andere Verbesserungen, und daran ist nur die Unwissenheit oder Nachläffigkeit der Ofts Indischen Compagnie Schuld. Die Lage des einfachen Ackers bauers (not) ist um Vieles schlimmer geworden: er ist nicht mehr, wie seine Vorfahren, der Eigenthamer des Bodens, sons dern ein wahrer Leibeigner.

Vor wenigen Tagen wäre ich beinahe die Beute der Hais fische geworden. Ein Boot, in welchem ich fuhr, schlug an der Küste Malabar um, wo diese gefräßigen Thiere sehr zahlreich) find; doch retteten wir uns noch, ehe sie uns sahen. Ich hatte in Bombay den Oberst Pasmore kennen gelernt, der mich aufges fordert, mit ihm zu Schiffe nach Madras zu gehen. Schon hatte er seine Bestimmung erreicht und war im Begriff, zu lans den, als das Boot, in welchem er sich befand, umschlug und die Haifische ihn verschlangen. Es kamen noch einige Passagiere um, doch die Meisten wurden von den Fährleuten gerettet, die im Wasser eine wunderbare Gewandtheit haben. Da ich den Oberst Pasmore nicht begleitet habe, so kann ich nicht sagen, daß ich mit genauer Noth entkommen bin; doch bin ich nicht außer Gefahr, da ich in wenigen Tagen von hier nach Madras fahren werde, in einem leichten Kahn, der nur Fuß breit ist, ich müßte denn eine beffere Gelegenheit finden. Diese Kihne haben einen merkwürdigen Bau; fie führen nur Ein Segel und gehen mit dem Winde. Man sieht sie nur in Ceylon; ich werde der Kuriosität halber einen solchen Kahn nach England schicken. Es ist unbeschreiblich, wie heftig die Brandungen an dieser Küste find, aber in Madras ist's noch schlimmer.

Da ich die Halbinsel nicht durchreifen konnte, so war ich von Mangalore in einem kleinen Boot nach Cananore gegangen, und von da aus besuchte ich, theils zu Wasser, theils zu Lande, die ganze Küste Malabar, indem ich mich mehrere Tage in den größeren Städten, Tellichern, Calicut, Cochin u. f. w., aufhielt. Diefe ganze Küste ist wunderschön; ich würde kein Ende finden, wenn ich die herrlichen Bäume jeder Art, die langs dem Ufer wachsen, beschreiben wollte. Die westlichen Ghauts, eine Hügelkette, die mit dem Ufer parallel läuft, unterscheiden sich im Anblick von anderen Ketten der Art, geben aber an Schönheit feiner etwas nach. Bis jezt bin ich von meiner Reise entzückt; ich weiß nicht, ob mir der brennende Sand und die Dürre der Küste Coromandel eben so sehr gefallen werden. Man sagt mir, die Hiße ist daselbst so start, daß zuweilen die Vögel aus der Luft toot herunterfallen, und noch Anderes, was übertrieben ist. Bis jest hat die Hige meine Kraft um nichts geschwächt und weder Ermüdung noch Trägheit in mir hervorgerufen, obwohl ich den Süden Indiens in der heißesten Jahreszeit besuche. Ich bin hier sechs Grade vom Aequator und trug gestern mein Ges wehr auf der Dammhirschjagd mit derselben Leichtigkeit, wie in England. Die Wahrheit ist, meine jungen Landsleute gehen nach Indien mit dem Gedanken, daß man daselbst ganz trage seyn muß, und da sie, um sich zu konserviren, wie sie sagen, reichlich effen und trinken, so werden sie mit der Zeit immer schlaffer.

Es

Es ist jest mehr als ein Monat, daß ich auf der Insel Ceylon bin, und nun wundere ich mich nicht, daß die Orientalen hierher das Paradies verlegt haben; doch das ist nicht genug: wahrend auf dem Kontinent Trägheit, Elend und Unterdrückung herrschen, macht die Civilisation hier merkliche Fortschritte. ist bekannt, daß diese Insel nicht mehr unter der Ostindischen Compagnie steht; seit etwas mehr als zwanzig Jahren wird sie von der Regierung des Königs verwaltet. Früher hatte die Insel keine Landstraße, und man zwang die Eingebornen, ohne Lohn zu arbeiten, wie Deportirte in einer Straf Kolonie. Kein Europder durfte Ländereien kaufen, und alle Ausführungs- Produkte waren mit einem Monopol belastet, das den Handel ruinirte. War es ein Wunder, daß das Land arm und unglücklich war? Jezt aber wird die Insel auf allen Seiten von Straßen durchzogen, die es mit den besten in Europa aufnehmen, und einige unter ihnen verdienen noch viel mehr Bewunderung, als die Simplonsstraße oder eine ähnliche, wenn man alle Schwierigkeiten bedenkt, die bei ihrer Anlegung zu überwinden waren. Eine dieser Straßen im Centrum der Insel erhebt sich 6800 Fuß über dem Meer; sie ist nicht so hoch, als die des Stelvio, die von Tyrol ins Veltlin führt, aber die Ausreutung der Wälder allein hat mehr Menschen und Geld gekostet, als alle Arbeiten am Stelvio.

Hier, wie im übrigen Indien, bedeckt sich ein verlassener Plaß sehr rasch mit dicken Bdumen; denn es herrscht hier eine Vegetation, von der man in Europa kein Beispiel hat. Die

Verbesserung der Straßen hatte eine außerordentliche Zunahme des Handels zur Folge, und es fehlt der Kolonie weiter nichts, um in Englands Augen einen großen Werth zu bekommen, als daß sie mehr gekannt wird und so Kapitalisten oder industrielle Gesellschaften herbeilockt. Für arme Auswanderer wdre Ceylon ein schlechter Ort: nicht weil hier Elend herrscht, sondern weil die Laufende von Arbeitern, die vom Kontinent kommen, die Arbeit selten machen.

Das Christenthum verbreitet sich hier immer mehr. Die meisten Küstenbewohner und Mehrere, die im Innern leben, haben die Buddha Tempel verlassen, und die Englische Sprache verbreitet sich nach allen Seiten. Das Volk ist frei von jeder Auflage und hängt mit Liebe an der Regierung, die es aus Knechten zu Freien gemacht. Man baut eine Straße, eine Brücke nach der anderen; man legt Kaffee, Pflanzungen an; man bes dient fich der Pflugwerkzeuge, die in England gebraucht werden: furs, ich wiederhole es, Alles strebt nach Verbesserung. Der beste Beweis davon ist, daß man nun schon ein reines Einkommen von der Insel zieht, das sich im vorigen Jahr auf 2 Millionen Franken (75,000 Pfd. St.) belaufen hat.

Wofür ich mich überall, wo ich hinlomme, besonders inter esfire, das ist die Beschaffenheit der verschiedenen Umstände, die am häufigsten den Tod herbeiführen. In England kann man in einer Feucrsbrunst umkommen, man kann ertrinken, durch Wagen oder Pferde zertreten werden u. f. w. Hier läuft man Gefahr, in Brunnen zu fallen oder von Elephanten und Büffeln getödtet zu werden, oder von einer auf den Kopf fallenden Kolosnuß zer schlagen oder von giftigen Schlangen gebissen zu werden. Vier Offiziere, die ich kenne, haben erst neulich eine von diesen Ges fahren aufgesucht. Sie sind auf die Elephanteniagd gegangen und haben 105 in fünf Tagen erlegt. Capitain R. hat die vier erften in einem Moment mit zwei doppelläufigen Karabinern ges tödtet. Ein Anderer, Capitain G., erlegte ihrer 80. Die Eles phanten sind die Plage dieses Landes; sie zerstören in einer Nacht die Aerndten eines ganzen Distrikts, indem sie sie nieders treten. Civilisation und Zunahme der Bevölkerung werden dieser Geißel ein Ende machen. 1

Mannigfaltiges.

-Lord Brougham über Instinkt und Vernunft. Lord Brougham hat die Mußestunden, die ihm die Parlaments. Ferien gelaffen, abermals zu philosophischen Arbeiten benußt, welche er jest, eben so wie feine früheren Betrachtungen über die Theologie der Natur (Natural Theology), als Anhange zu Dr. Paley's bekanntem Werke erscheinen läßt. Seine neuesten philosophischen Betrachtungen) haben den thierischen Instinkt und dessen Verhältnisse zu der menschlichen Vernunft zum Gegens stand. Das Ganze besteht aus Dialogen zwischen dem Verfasser und seinem ehemaligen Kollegen im Ministerium, Lord Althorp (jeßigem Grafen von Spencer), und zerfällt in vier Bücher, von denen das erste viele bekannte Geschichten und eine Menge neuer Thatsachen über die Natur des Instinktes zusammenstellt und das zweite die Erläuterungen und Folgerungen giebt, welche sich daraus machen lassen. Das dritte Buch geht in das Gebiet der Intelligenz und der höheren Vernunft über, beschränkt sich aber wieder nur auf die Zusammenstellung von Thatsachen, die dann das vierte endlich zur Theorie erhebt und so das Ganze zu einem Schluffe bringt. Noten zu den Dialogen, wobei auch noch ins tereffante Beobachtungen, namentlich über die Bienen Zellen, mitgetheilt werden, bilden einen Anhang zu dem Werke, von welchein wir nächstens einige Auszüge mitzutheilen gedenken.

"

Der Roman des Harems. Die bekannte Miß Pardoe, Verfasserin bes besten Englischen Buches über Konstantinopel (The City of the Sultan), bat jeßt einen Cyklus orientalischer Erzählungen unter dem Titel,,Der Roman des Harems" (The Romance of the Harem) herausgegeben. Mit Ausnahme von Morier's Persischen Darstellungen trägt kein occidentalisches Pros dukt (hier ist natürlich nur von Schilderungen in Prosa und nicht von poetischen Nachahmungen die Rede, wie wir sie von Goethe, Rückert und Heinr. Stiegliß besißen) so sehr den Charakter des Morgenlandes, als der Roman des Harems". Mig Pardoe giebt auch zu, daß ihre Novellen nach Arabischen und Türkischen Mustern gearbeitet sehen. Eine dieser Novellen,,,der Diamantens Handler", ist ihr, wie sie versichert, von der Geheim-Secretairin der Sultana Asmé, Perusse Hanum, selbst mitgetheilt worden. Zum Ueberflusse hat die Verfasserin oder Bearbeiterin ihre Ers sahlungen auch mit einer Maffe Türkischer und Arabischer Phras fen und Worte ausgestattet, die hier ungefähr eben so eingestreut find, wie in den Englischen Mode Romanen die Französischen Ausdrücke, nur mit dem Unterschiede, daß die leßteren, deren Bes deutung der fashionable Leser natürlich kennen muß, von den Verfassern niemals übersetzt werden, während Mik Pardoe sich die Mühe giebt, ihre orientalischen Phrasen auch auf Englisch wiederzugeben. Neben den Türkischen Sitten und Gewohnheiten kann man daher auch in dem Werke der Miß Pardoe (es besteht. aus drei Bänden) etwas Türkisch und Arabisch studiren.

*) Dissertations on subjects of science connected with natural theology; being the concluding volumes of the new edition of Paley's works. By Henry Lord Brougham, F. R. 8. and Member of the National Institute of France. 2 vols. London, 1839.

Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pranumerations Preis 221 Sgr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für Das ganze Jahr, obue Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 23.

Mag az in

für die

Beiblatt der Aug. Pr. Staate
Zeitung in Berlin in der
Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohlöbl. Post- Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 22. Februar

Madras, den 30. Juli 1837. Ich habe Ihnen von Ceylon aus geschrieben, wenige Augens blicke, ehe ich diese entzückende Insel verließ. Seitdem hatte ich Gelegenheit, den Capitain einer kleinen Schaluppe zu spielen, nicht ohne Erfolg, da es mir gelungen ist, in acht Tagen eine Reise zu machen, die nur zwei dauern sollte, und ich dem Er trinken näher war, als je in meinem Leben. Ich fuhr in dieser Schaluppe vom Hafen Colombo ab mit einem Kavalleries Offi zier. Da die Schaluppe einen Englischen Namen hatte und Englisch equipirt schien, so glaubte ich auf ihr mehr Sicherheit zu finden, als auf den anderen Fahrzeugen des Landes. Sie hatte zwei Patrone und einen Schaluppenmeister; aber bei der ersten Windsbraut befamen die beiden Capitaine die Seekranks heit und überließen dem Meister das Kommando, welcher, da er nichts Besseres zu thun wußte, die Lascaren, seine Matrosen, zu schlagen anfing. Dieses Manöver war geeignet, fie munter zu machen; aber ihre Thätigkeit zu benußen, verstand der Meister nicht. Inzwischen hatte der Wind die Barke auf die Seite ges legt; die Gefahr war groß, besonders als der Mensch, der das Steuerruder hatte, wie er sah, daß die Matrosen nicht die Sees gel herunterließen, zu schreien anfing und fich den Bart ausris. Jeder kommandirte, und Keiner gehorchte. Auch hinderte mich der Regen, deutlich zu unterscheiden, was vorging, und ich fing an, ernstlich zu erwägen, ob ich in dem Palankin bleiben sollte, in den ich mich aus Reinlichkeit begeben, oder ob ich ihn lieber verlassen und mein heil im Schwimmen versuchen follte. Da wir weit entfernt vom Lande und von Haifischen umgeben was ren, so 30g ich es vor, in meinem Palankin zu bleiben. Es könnte lächerlich scheinen, und doch zweifle ich nicht, daß es jes dem Anderen eben so gegangen wäre. In dem Moment, wo ich fürchtete, ins Meer geworfen zu werden, scheute ich es, meinen Palankin zu verlaffen, um mich dem Regen auszufeßen, und ich bedauerte die, welche nicht davor gefchist waren. Doch mein Stündlein hatte noch nicht geschlagen. Unser Mastbaum zerbrach, die Segel zerrissen, und die Schaluppe kam wieder ins Gleichs gewicht. Wie der Meister sie in Bewegung sah, dachte er nicht mehr daran, sie zu leiten. Indes hörte der Sturm auf, wir ers reichten einen Landungsplaß, und der Meister warf den Anker aus, nicht geneigt, wie es schien, den günstig gewordenen Wind zu benußen. Man mußte ihn an der Kehle faffen und ins Meer au werfen drohen, wenn er sich nicht entschlösse, wieder abzufes geln. Jest erst gestand er seine Unwissenheit ein und gelobte Unterwerfung; so sah ich mich gezwungen, das Kommando zu übernehmen, und war so glücklich, die Meerenge Paumbu zwischen Indien und Ceylon zu erreichen, wo wir einen Lootsen nahmen. Da mit Ausnahme einiger furzen Stürme der Wind in dieser Jahreszeit immer günstig ist, so hatte ich nur darauf zu sehen, daß das Fahrzeug nach Nordosten gelenkt würde und fich nicht zu sehr dem Lande nähere. Sobald das Ufer uns nahe war, blieben wir ihm so viel wie möglich nahe. Der Meister fuchte vor der Equipage feine Würde zu retten, indem er von Zeit zu Zeit eine Seekarte ansah, von der er nichts verstand. Eines Tages, da die Sonne so verdeckt war, wie in London an einem Novembermorgen, sah ich ihn einen Sereanten herausneh men und mit ernster Miene das Auge an das Instrument legen, als stelle er Beobachtungen an.

Ich habe mich zwei Tage auf der Insel Ramisferam aufge halten, die dem Bali Rama geweiht ist, der, an der Spige einer Armee von Affen unter den Befehlen des tapfern Huniman, Ceylon eroberte und die Bramareligion daselbst einführte. Die Muhammedaner nennen die Felsenreihe auf der Meerenge, welche die Insel Ceylon vom Festland trennt, die Adamsbrücke, weil fie glauben, daß Ceylon das Paradies war und Adam über diese Brücke daraus vertrieben wurde. Die ganze Insel ist mit Tem peln und Pagoden bedeckt. Die große Pagode ist ein höchst merkwürdiges Gebäude; es ist das malerischste und prachtvollste der Art, was ich je fah, mit Ausnahme der Tempel von Chilli brum und Cujiveram, die ich erst später gesehen habe. doch vers

1839.

leßt es alle unsere Begriffe von Kunst und Architektur und ist
ganz ohne Einheit und Symmetrie. Der Tempel besteht ganz
aus Quadersteinen und ist umgeben von einer 20 Fuß hohen
Mauer. Er hat 800 Quadratfuß und enthält mehr als 2600
Sdulen; von diesen haben mehrere eine Menge Skulpturen,
womit auch der größte Theil der Mauern verschen ist. Die Ges
genstände dieser Skulpturen find mythologisch: einige darunter
find nicht übel gearbeitet, aber ganz ohne Interesse.

Die Tempel bei Bombay und im Deccan abgerechnet, glaube
ich nicht, daß es in Indien Denkmäler von hohem Alterthum
giebt. In Aegypten dagegen ist das hohe Alter der Tempel auf
ihren Ruinen zu lesen. Hier sind die monstrosen Darstellungen
die Zeit der Bauten ist unbekannt, und selbst, wenn wir sie kenns
der Götter mehr eine Entstellung, als eine Zier der Tempel;
effiren, als jest, da keine von ihnen einen historischen Charakter
ten, würden uns die Skulpturen der Tempel nicht mehr inters
hat. In Aegypten find die Tempel die Geschichte der Nation;
man sieht da nicht bloß die Fortschritte der Aegypter in den
Künsten und Wissenschaften, auch ihre häuslichen Sitten sind auf
denselben dargestellt. Einige haben behauptet, es herrsche eine
Verwandtschaft zwischen der Religion der Hindus und der der
man die Geschichte von den Indischen Soldaten in Britischem
alten Aegypter, und zur Unterstügung dieser Behauptung erzählt
Zum Unglück ist diese Geschichte
Aegypten angebetet hatten.
Dienst, welche die Gößenbilder des Tempels von Denderah in
nicht wahr; aber wåre fie es, so würde sie auch nichts beweisen,
da ein Hindu alles Mögliche anbetet: er würde vor der bronzes
nen Statue St. Peters in Rom eben so niederfallen, wie vor der
die Thürklopfer genügen, die Andacht eines Hindu fortwährend
des Herzogs von Vork im St. James Park. In London würden
in Ebdtigkeit zu jesen. Es ist zwischen den Religionen oder
Architekturen jener beiden Völker so wenig Verwandtschaft, wie
fonnte nur in dem Kopfe eines Stubenantiquars entstehen, der
zwischen denen der Engländer und Chinesen, und diese Idee
davon Anlaß nahm, seine Gelehrsamkeit auszuframen.

Ich bin über das Carnatic zu Pferde hierher geritten; ich aber nicht so. Allerdings ist das Land platt und nicht so schön, erwartete ein sandiges, plattes und uninteressantes Land: dem war wie die Malabarkaste, auch nicht mit fo reicher Vegetation bes gabt, weil es hier an dem starken Regen fehlt, der das westliche üfer der Halbinsel bewässert. Doch eine so reiche, Vegetation ist ein Uebel, weil der Boden sich schnell mit hohem Gebüsch bes deckt, wenn man ihn einen Augenblick vernachlässigt, und wilde Thiere überhand nehmen. Ein Grundbesizer auf der Küste Mas awungen würde, fein Eigenthum zu verlassen, würde dasselbe labar und auf Ceylon, der durch tyrannisches Verfahren ges nach einem Jahre unerrettbar zerstört und mit undurchdrings die Eingebornen nicht durch Wälle, sondern durch Bambuspflans lichem Wald bedeckt finden. In unruhigen Zeiten vertheidigen sich sungen, die in einem Jahre 40 Fuß hoch wachsen und einen Wald bilden, den die Pioniere nicht umbauen können und der auf keine ondere Weise als durch Feuer in der trockenen Jahress zeit zu zerstören ist. Die regelmäßigen Truppen haben bei An griffen auf diese Bambuswälder mehrere Mal so gelitten, daß man diese Angriffe ganz aufgegeben und nur den Brand anwens Gebiet und dem der Engländer eine große Strecke Waldes ges det. Auf Ceylon hatte der König von Candy zwischen seinem au bahnen fuchten, verloren sie viele Menschen. Dieser Lands lassen, und als die Lesteren sich mit Gewalt einen Weg hindurch Anlegung viele Mühe gelofter. Im Carnatic ist die Vegetation strich wird jest von einer prächtigen Straße durchschnitten, deren nicht so reich, aber der Boden wird sehr forgfältig gepflegt und das reichste Land Indiens ist. Ohne mit dichten Wäldern bedeckt fünftlich bewässert, so daß dies vielleicht an Masse der Produkte zu fenn, trägt der Boden noch so viel Bäume, daß das Land einem Park ahnlich sieht.

Güden unters Kein Theil Indiens enthält so viele prachtige Vagoden als dieser, weil die Muhammedaner nicht den ganzen warfen. Für sich betrachtet, geben die Pagoden einen sehr eins förmigen Anblick, doch nehmen sie fich immer sehr malerisch aus mit ihren Wasserbehaltern, ihren schönen Bäumen u. f. w.

Ich habe die Dänische Kolonie Tranquebar und die der Frans viel reinlicher und sierlicher als die im Befig der Ostindischen sofen in Pondichery besucht. Beides find sehr hübsche Städte,

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Compagnie. Sie sehen ganz wie Europdische Städte aus; die Hauser sind trefflich, die Straßen breit und schön, Alles zaugt von Wohlstand; aber ihre Unterhaltung toket sehr viel. Der Gouverneur von Tranquebar fagte mir, der Plas sen kaum so viel werth, als er Kosten mache. Als neutraler Hafen kann er in Kriegszeiten wichtiger als jest werden. Nur der National stols kann die Franzosen bewegen, Pondichern zu behalten. Sie haben nur einen Schleichhandel im Innern der Englischen Bes sigungen, sonst keinen Handel weiter, da Keiner Kapitalien hat. Troßdem ist Pondichern eine schöne Stadt, der in Reinlichkeit und Bequemlichkeit die des Französischen Mutterlandes nach stehen. Sie ist nicht so befestigt und hat auch keine Europäische Soldaten.

Da das Land, das ich durchreiste, wegen gewandter Diebe bes rüchtigt ist, so sandte ich mein Gepäck zu Wasser nach Madras und behielt nur einen Sad und eine Kantine. Für die Nacht band ich den Sack an den Hahn eines geladenen Pistols und wurde dadurch eines verwundet fich nicht so schnell rettete, als er konnte. Ich habe ihn den Behörden ausgeliefert, und er ist gewiß zur Straßenarbeit verurtheilt worden.

alaubreen habhaft, der, wahrscheinlich, weil er sich

Die Stadt Madras, von wo aus ich dies schreibe, ist eine der sonderbarsten, die ich lenne. Das Fort Saint George, wos von die Präsidentschaft ihren Namen hat, ist sehr klein, aber darum gerade eines längeren Widerstandes fähig, als wenn es größer gewesen ware. Die öffentlichen Bureaus sind in einem Stadttheil, der Black Town (Schwarze Stadt) heißt, von dem nichts Interessantes zu sagen ist. Der Rest der Stadt besteht aus einem ungeheuren Plaß, wo die Engländer und die reichen Bewohner des Orts ihr Quartier haben; doch erstreckt er sich so weit nach beiden Seiten hin, daß man ihn kaum eine Vorstadt nennen kann. Um zwei oder drei Besuche zu machen, muß man oft zwanzig (Engl.) Meilen zurücklegen. Die Häuser sind sehr fchon, und ihre Bewohner thun weiter nichts, als effen und trinken. Es ist meist eine unzufriedene Bevölkerung, die forts während flagt, wie jenes Amphibienthier, von dem der Aufseher fagte, daß es auf dem Lande nicht leben könne und im Wasser umfomme. Die Wahrheit ist, daß man den Leberkrankheiten eine Sterblichkeit auschreibt, die in der Unmäßigkeit ihren Grund hat.

Der Gouverneur ist in diesem Augenblick nicht hier; er ist der Hige wegen auf den Berg gegangen, doch scheint mir diese nicht so schrecklich zu fenn. Die, welche fich fortwährend über die Hiße bellagen, erzählen mir immer von einem anderen Ort, wo es noch viel arger ift. In Bomban hieß es: Warten Sie, bis Sie nach dem Süden kommen werden. In Colombo ver mies man mich auf Madras, und hier soll ich warten, bis ich in Kalfutta bin. Wenn ich so dße und tränke, wie viele Andere, ohne mich zu bewegen, dann würde ich auch wie sie die Hise empfinden; bis jeßt schien sie mir noch nicht drückend. heißeste Ort, den ich bis jeßt gefunden, ist Djiddah.

Der

Ich habe vierzehn Tage in Madras sugebracht und schiffe mich morgen nach Kallutta ein. Leben Sie wohl; ich habe nicht Zeit, Ihnen mehr zu sagen, doch nach dem, was ich gesehen, fann ich Ihnen versichern, daß die Armen dieser Gegenden immer einen guten Appetit haben: es ist dies ein Vortheil, der ihnen von der Oftindischen Compagnie gesichert wird und den ihnen mancher Reiche ablaufen möchte.

Rufla n d.

Der Gefangene unter den Tscherkessen,
(Fortseßung.)

Langer, als gewöhnlich, hatte der fühne Chamurfin fich mit seiner Bande in Felfenschlünden verborgen und, auf Beute lauernd, unfere Steppen am linken Ufer des Teret durchzogen. Das Unglück verfolgte ihn. Bald war er weniger wachsam, und die Gelegenheit zum Raube entschlüpfte ihm; bald war eine in der Ferne fich seigende Karawane den Kräften des zwar kühnen, aber zu kleinen Haufens nicht angemessen. Indes Chamursin's Uebermuth lockte ihn immer weiter, und das Schicksal bereitete ihm in einer lockenden Aussicht auf Beute die Falle, in welcher er umfam. Er beschloß, die Russen auf ihren Posten aufzusuchen. Lange schon hatte fein Sabel fein Russisches Blut gesehen und feine Kugel keine Russische Brust durchbohrt. Gedacht, gethan; bald hatten die Räuber ihre Schlupfwinkel hinter sich, und auf unserer weiten Steppe ertönte der Hufschlag rasch dahin galops pirender Roffe.

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an ihrem Unglück. Jedesmal aber, wenn die Menge fich auf mich werfen wollte, hielt Chamurfin's Bruder fie zurück; ich bes wunderte seinen Edelmuth, erkannte aber bald meinen 3rrthum. Der mich bedienende Knabe verstand ihre Sprache ziemlich und theilte mir oft mit, was er aus den Gesprächen der Tscherlessen vernommen hatte. Ich selbst verstand auch etwas, und auf diese Weise ward mir bald das Schicksal bekannt, welches mich

erwartete.

In vierzehn Tagen traten bei den Tscherkessen die Rama fan Fasten ein und dann das Beiramfest. Dann feiern sie das Andenken aller ihrer verstorbenen und erschlagenen Verwandten; es werden Opfer dargebracht, und dieses Mal war ich dazu bes stimmt. Vorher aber wollten sie mich noch martern and quɗlen, als einen an dem Tode ihres Ataman's schuldigen Verbrecher. Meiner wartete eine entseßliche Zukunft, während die Gegenwart schon schwer genug auf mir lastete. Seitdem die Nachricht von Chamurjin's Lod eingetroffen war, wurden wir noch strenger be wacht, als früher, namentlich ich; Nachts legre man uns um den Hals Eisen mit schweren Ketten, die angeschlossen wurden und deren Gewicht so groß war, daß wir sie nicht heben konn ten; wir mußten die ganze Nacht hindurch in der nämlichen Lage verbleiben, in welcher man uns Abends die Ketten anges legt hatte; während des Tages waren wir beständig von unseren furchtbaren Feinden umringt, bei denen jedes dritte Wort todischlagen, verbrennen, Blut und Marter war. Die Nahrungss mittel wurden immer schlechter: oft reichte man uns halbverfaulte Eingeweide von Thieren. Man kann sich vorstellen, wie wir auss fahen; nur mit Schrecken konnte ich auf meinen Gefährten blicken. Blaß wie ein Todter, dürr wie ein Hobelspan, mit großem Bart, langem, verwirrtem Kopfhaar, aus welchem ein Paar trúbe, tief eingefunkene Augen kaum bemerkbar hervorblickten, Ponnte der unglückliche Tsch*** fast nicht sprechen, fast nicht sich bewes gen. Beinahe eben so war auch ich; ich hatte aber eine stärkere Constitution und konnte etwas mehr ertragen. Zulest jedoch vers lor auch ich den Muth; oft faßte ich den verzweifelten Gedanken, mir das Leben zu nehmen, jedoch nur auf Augenblicke, die ich bald darauf mit Stunden heißen Gebetes und inniger Keue wie der verföhnte! Ach, wie leicht war die Bruft nach eifrigem Beten! Es war, als ob sich ein Lichtstrom in ihre Tiefe ergos, als ob ein Schimmer von Hoffnung fie belebte. Indessen brachte mein fleiner Diener mir jeden Tag immer schlechtere Nachrichten: weinend verkündete er mir, daß die Stunde meiner Qualen nahe sen und man mir die entseßlichsten Martern bereite. Anfangs bebte mein Herz; sødter aber, durch Vertrauen auf Gorr gestärkt, fah ich den förperlichen Leiden ruhig entgegen. Es war mir übrigens immer, als flüstere mir eine Stimme,,Rettung" zu. Man glaube es mir.... ich erwartete oft Jemanden, der in meinen Kerter treten und mich befreien würde. Immer schweb ten mir Bilder aus Puschlin's Kaulafischem Gefangenen" vor Augen, umstrahlt von Hoffnung und Troft, die in den Worten erhabener Geister immer verborgen sind die Macht wahrer Poesie!.... Ich glaubte an etwas, war. Ich war überzeugt, daß dieses Geschöpf der Einbildungs kraft durchaus erscheinen müsse. Einst lam mir ein verzweifel ter Gedanke: Ich überredete meinen Knaben, den Verfuch zu machen, sich des Schlüffels zu unseren Ketten zu bemdchtigen, den Chamurfin's Bruder des Nachts immer unter seinem Kopf fiffen aufbewahrte. Ich wollte, nachdem ich mich und meinen halbtodten Gefährten von den Ketten befreit, die mit uns schla fenden Tscherkessen ermorden und dann entflichen. Dieser Ges danke schien mir damals nicht unverständig; ich dachte nicht daran, daß, in Gefahr, zu ertrinken, man, um sich zu retten, nach einem Rasiermesser greift. Ich erwartete meinen Befreier mit dem Schlüssel; er kam aber nicht - es ward dunkel, und immer kam er nicht. Endlich ermattete mich die beunruhigende Er wartunge ich schlief fest ein. Auch am nächsten Morgen er schien mein kleiner Diener nicht, und seitdem sah ich ihn auch nie mehr. Wie es schien, war man, seiner Verhältnisse wegen zu mir, argwöhnisch geworden, was ihn, aus Furcht vor Strafe, verleitet hatte, davonzulaufen. So erzählte man mir spater.

-

nicht da

Inzwischen fanden im Aul tägliche Gebete für die Abges schiedenen statt. Jeden Morgen tamen alle Escherteffen in un ferer Wohnung zusammen, um für ihren erschlagenen Atas

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fich in einer Felfenschlucht zu lagern. Die Männer bestiegen ihre Pferde, Weiber and Kinder zweiräderige mit einem Pferde bes spannte Wagen (Arba's). Ich and mein Gefährte wurden auf Pferde gebunden, und mein Führer war der nämliche Tscherkesse, der vom Anfang meiner Gefangenschaft an mein Wächter war. Er hieß Jla, war der treue Gefährte Chamurfin's, der Erste in der Schlacht, der Erste, wo es galt, Blut zu vergießen. Er blieb auch dann nicht zurück, wenn die Flacht das einzige Rettungss mittel war. Solchergestalt entging Jfa dem allgemeinen Schicks fal seiner Gefährten bei dem leßten Ueberfall Chamursin's und brachte nach dem Aul die Nachricht von dessen Tode.

Abends, nach einem beschwerlichen Wege durch enge Fels fenpasse und einem mühseligen Zuge über hohe Berge kamen wir in Tichetschna an, in der Nachbarschaft der Tschetschenzen, dem unbändigsten und kriegerischsten Stamme der Bergvölker. Hier brachte man uns in eine Erdhutte, schmiedete uns, wie früher, in Ketten ein; wie früher, ließ uns das Geheul der Weiber keine Ruhe, während der Hunger uns auf das unteidlichste qualte. Kaum vermochte ich, mich auf den Beinen zu erhalten; nur mit Mühe konnte ich sprechen, und mit Ungeduld erwartete ich die Entscheidung meines Schicksals. Es schien mir, als wäre ich im Begriff, zu sterben, und dennoch war ich überzeugt, in dieser Welt noch leben zu müffen. Eine Möglichkeit zur Rettung zeigte fich nicht, und dennoch erwartete ich sie jeden Augenblick und war gewiß, die mächtige Stimme des Dichters würde mich retten. ,,Mache Dich bereit, Russe, zu Morgen", sagte mir der grimmige Jka, als er eines Abends mit Chamurfin's Bruder in meinen Kerter fam, um mir zum leßten Mal die schreckliche Kette anzulegen. -,,Mache Dich bereit!" wiederholte in meinem Innern eine tröstende Stimme.

"

1

Durch die geöffnete Thür unserer Erdhütte warf ich einen Blick auf den Himmel: er war heiter und sterntlar; ich betere leise, und es ward mir so leicht, als entfielen mir die Ketten, als wäre ich schon gerettet. Mit furchtbarem Gerassel klirrten die Fesseln am Boden, die Chamursin's Bruder, nachdem er fie an meinem Halse geschlossen, neben mir hingeworfen hatte. Die Thür ward zugeworfen, und wir fahen uns gleichsam von der ganzen Welt getrennt. Ein Frösteln überfiel mich; es war mir fchrecklich zu Muthe. Da hörte ich meinen Gefahrten weinen. Er berete. Ich konnte dabei nicht gleichgültig bleiben; ich war überzeugt, daß er auch für mide bette, und be galo gerere ofe Thränen. Auch ich wandte mich zu Gott, und bald frühere Ruhe in meine Seele zurück. Ich tröstete meinen guten Kameraden, der muthloser war, als ich. Ich machte ihm meinen legren Willen kund, bat ihn, meine Freunde zu grüßen, wenn die Vorsehung wolle, daß er sie früher sche, als ich, und nahm ends lich Abschied von ihm.

die

Es war dunkel geworden. Ueberall herrschte tiefe Stille. Ich fühlte mich ermüdet und schlief ein. Wie lange ich gefchlas fen habe, weiß ich nicht; ich erinnere mich nur, schreckliche Traume gehabt und mitten in denselben die Erscheinung eines jungen Frauenzimmers gesehen zu haben, die mich mitleidig ans zusehen und mir die hand entgegenzustrecken schien. Entzückt griff ich nach dieser hand, aber statt derselben fühlte ich in der meinigen ein blutendes weibliches, vom Rumpf getrenntes Haupt. Ich fäßte dieses schöne Haupt. Da öffnete sich_plößlich sein rofiger Mund, es glänzten die weißen Perlenzähne mir entgegen, ein himmlisches Lächeln schwebte auf dem reizenden Anilis: der Kopf sprach! Lebe wohl; lebe, wohl, flästerte er mir ins Ohr. Ich drückte ihn an meine Brust und fing bitterlich an zu weinen. In diesem Augenblick wollte ich erwachen, konnte mich aber dem schweren Traume nicht entreißen. Es kam mir vor, als lage etwas sehr Schweres auf meiner Brust, das midy zu erdrücken drohte: es war der nemliche Kopf; er dehnte sich über mich aus, drohte, lachte, zürnte und weinte Blut. Endlich füßte er mich, und ich erwache plößlich. Weine Stirn brannte wie Feuer, die Lippen waren trocken, die Zunge klebte am Gaumen. Es war mir, als fühlte ich noch auf meiner Wange einen glühenden Kuß. Bald indessen kam ich zur Besinnung und bemerkte, daß ich heftig fror. Die Luft in unserer Erdhütte war feucht und überdies die Nacht eine der Päftesten in der Jahreszeit. Ich wollte mich, so gut es möglich war, in i schlechten

Mantel hüllen. Nachdem ich mich mit großer meineneticbret

Seite gefallenen Enden

man zu beten. Der Wullah stellte sich gewöhnlich in die Mitte harte, begann ich mit der Hann mich mit demselben zu bes

und las langsam aus dem Koran vor, wobei alle Umstehen den jedes feiner Worte laut wiederholten. Oft, mitten im Ge bet, wandten sich Alle plöglich mit lauter Gimme zu mir und fprachen gewiffe Worte, die ich nicht verftand; aber nach den wilden Geberden diefer Leute su urtheilen, konnte ich errathen, daß es furchtbare Verwünschungen waren. Zu derselben Zeit versammelten sich die Weiber des Auls, Verwandte des ers schlagenen Chamursin, bei deffen Witwe, um den Tod ihres unvergeßlichen Aramans zu beweinen. Ihre Trauer sprach fein durchbringenden Slagetönen aus. Diese wilden Laute waren mir eine Qual für Ohren und Herz. Unsere Seele ift empfänglicher für fremde Trauer als für fremde Freude; fremde Leiden erwecken in unserer Seele immer schmerzliche Er innerungen oder erscheinen ihr wie Verkünder der Zulunft, und mit ganzer Seele werden wir trauern. Ich litt doppelt in dies fen Berstunden, die sich weimal täglich wiederholten und für mich eine wahre Tortur waren. So verging eine Woche. Da verbreitete fich plößlich das Gerücht, die Ruffen wären im Ans marsch, um mich zu befreien. Alles gerieth Bewegung, und

in Zeit von einer Stunde machte der ganze Aul fich fertig, um

des Mantels zusammenzuraffen,

decken: da berührte meine Hand etwas Hartes. Ich tappe um: her, ich greife zu und erkenne.... Gott!... ich erkenne einen Schlüssel! den Schlüssel, der meine Kette schließt!.... Ich zitterte, ich bebte. Ich traute mir selbst nicht. Sollte es nur ein Traum seyn? .. Dieser Kopf?.... Diese weibliche Gestalt?.... Meine Gedanken verivirrten fich. Ich war wie getfresabwesend.

,,Kamerad! Freund! Bruder!... wir sind gerettet. Hier ift der Schlüffel! Still, kein Wort! Dies war Alles, was ich dem erstaunten Tsch fagen fonnte er glaubte mir nicht; er dachte, ich hätte vor Berzweiflung den Verstand verloren, und suchte mich zu beruhigen. Als die Kette mir aber aber emfiel, als ich, den Schlüffel in der Hand, frei vor ihm stand, de fonnte der unglückliche Lich die Macht der Freude nicht ertragen: er verlor die Besinnung! Ich löfte indessen seine Feneln, warf fie von ihm und benegre ihn mit dem in unserem Trinkgefäf nachgebliebenen Wasser, was ihn sogleich wieder zu sich brachte. inbrünstig Thränen vergeten wir!

Als er sich von seinem sie heiseoben hatte, I

umarmiten wir uns!

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