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wärts, indem sie im Nothfall auf ihre Anzahl und auf den Beis stand ihrer Gefährten, der Tscherkessen, rechneten, die sich selbst friedliche nannten. Plößlich aber sprengte der gute Bekannte voraus, wandte sein Pferd den Nogaißen zu, 30g feinen Sabel blank und stürzte mit durchdringendem Geschrei auf die verblüffs ten Kaufleute los; diesem Beispiel folgten feine Gefährten. Die erschreckten Nogaißen waren in einem Augenblick von ihren Pferden geworfen und ausgeplündert. Nur der zu uns Gefoms mene war glücklich entflohen. Der Armenier allein war zum Schuß gekommen und hatte einen Tscherkessen verwundet, wofür er aber auch augenblicklich in Stücken gehauen wurde. Bald überzeugten sich die Nogaißen, daß ihr Bekannter, der angeblich friedliche Tscherkesse, Niemand anders war, als Chamursin selbst, der Anführer der Bande.

,,Nachdem ich diesen Bericht gehört, fertigte ich sogleich meine Kosaken ab, um die Räuber zu verfolgen; so schnell aber auch ihre Pferde liefen, so groß auch der Wunsch meiner Leute gur nicht aufbaufin du meilen, so fonnten fie doch seine fie begegneten auf der Straße nur den traurig zur Festung zurückkehrenden Beraubten. Es vergingen einige Tage. Wie früher, fiel dann und wann Schnee, und schien dann und wann die Sonne, und wir, wie Vögel, die sich aus ihrem befreit, warmer tenden Strahlen, die indessen der verschwanden. 5

bebten an den Bäumen vom Froft ergriffene gelbe Blätter, und ihr einziger Schmuck war der sie bedeckende Reif, der in der Sonne wie Brillanten blißte. Der Wind heulte in den Berg schlünden und füllte das Gemüth mit melancholischen Gedanken. Pfeifend um die Festung ziehend, feßte er die aufmerksame Schilds wache in Allarm; alle Reise des Sommers waren verschwunden, und nur der Kasbek stand in unveränderter Schönheit da. In der Ferne glänzte sein eisiges Haupt, umgoffen mit den Regens bogenfarben der untergehenden Sonne. Oft bewunderte ich den Riesen, und oft war er in dieser Einöde mein einziger Tröster. Traurig war es in der Festung, wenn wir, in unsere Schlafpelze gehüllt, in einer falten Stube uns am Ofen warmten. Melanchos lisch knarrte die Thür in ihren vom Frost weißüberzogenen An geln, und der Wind blies durch die Rigen der gefrorenen Fenster. ,,An einem solchen Abend saß ich mit meinem Kameraden Lich *** am brennenden Ofen; wir sprachen von unserem Kaukas fischen Leben, von unseren Freunden in Rußland, von unseren Hoffnungen. Eine blaue Flamme spielte auf den glimt Koblen: bisweilen loderte fie empor und belebte uns durch ihren Glans; bisweilen schien sie erlöschen zu wollen wie unsere Hoffs nungen. Unwillkürlich bemeisterten sich unserer trübe Gedanken. 3u Beiten schwiegen wir Beide und überließen uns unserer mes lancholischen Stimmung. Ich war damals junger als jeßt und heiterer von Gemüth. Es that mir leid, vom Sommer Abschied au nehmen, weil er bei uns im Kaukasus eine Erholung für den Soldaten war; mit seinem Ende mußte man sich gleichsam in An einem der ersten Tage des März, Morgens früh, ers das kalte Todtenhemde des Winters hüllen. Sie kennen das uns blickten wir von den Wällen der Festung eine Truppens Abtheis gewöhnliche Gefühl, welches uns in der Schlacht ergreift, das lung auf der aus Grußien führenden Straße, und in der Festung Gefühl der Rache beim Anblick der Leichname von Landsleuten, erschallte der Freudenruf: die Unsrigen, die unirigen! die von den Kugeln des Feindes getroffen worden!.... Vielleicht Bald erfuhren wir, es sen die Begleitung der nach Rußland abs auch wurden Sie von einem muthigen Roß in die Reihe der gefertigten Post. Ich befahl sogleich, daß Fußvoll und Liniens Feinde getragen, und Ihr Herz schlug laut, wenn in Ihrer Hand Kosaken fich fertig halten sollten, um die Begleitung abzulösen der Sabel blißte und frampfhaft ein furchtbares Hurrah Ihrer und die Post weiter zu führen. Da wir aber durch Kundschafter Bruft entrissen ward.... Ja, dies ist die wahre Poesie des Les erfahren hatten, daß der gefährliche Chamurfin in unserer Nähe bens, weil man hier keinen Werth auf das Leben seßt, sondern umherziehe, so ward die Begleitung verstärkt, so daß ich nur feinen Genuß in etwas Schreckbarem, Erhabenem, Unaussprechs 10 Donische Kosaken und etwas über 100 Mann Fußvolk nachbes lichem findet. 3ft es nicht wahr, daß wir im Unglück kräftiger hielt. Bald darauf verließ die Poft mit einigen Reifenden uns fühlen, daß wir leben?. Nur dann denken wir über das Les sere Festung, und Alles ward wieder still. Inzwischen verlangte ben nach; in glücklichen Minuten vergessen wir es immer. So der Dienst meine Gegenwart in der nächsten Festung, und den ift der Mensch! Sie werden daher nicht staunen, daß wir uns folgenden Tag nach Abgang der Post begab ich mich früh Mors langweilten, in unserer Hütte rubig am Feuer zu fißen, und gens mit 12 mit Flinten bewaffneten Begleitern dahin und bes dann und wann in Nachdenken verfanken und schwiegen.... fand mich Abends wieder auf dem Rückwege nach meinem Poften. Diesmal brach Tsch*** zuerst das Stillschweigen:,,Was traumft Die Sonne fant hinter die Berge; nur der Kasbel glühte noch Du so vor Dir hin?" fragte er mich. So viel ich weiß, in rofiger Abendrothe und warf seine Schattenmaffen in die ties liebtest Du doch sonst zu scherzen und zu lachen. Warum bist fen Schlünde der Berge. An den Rädern unserer Wagen Du denn jeßt so düster?" Vor einem Unwetter, mein Lieber, Inirschte der Schnee, die Pferde wicherten; wir eilten rasch nach ist auch der Elborus düster, obgleich er sich über die Wolken ers Hause, um noch vor Eintritt der Dunkelheit an Ort und Stelle hebt." ,,Welches Unwetter follte Dich bedrohen? Mangel an au fenn. Uebrigens zogen in Westen so schwere dunkle Wolken Labat etwa oder Mangel an Zielscheiben für Deinen Wis?".... herauf, daß man heftiges Schneegestöber erwarten mußte. Nachs 11959Ew. Gnaden", unterbrach uns ein eintretender Soldat, dem wir ein Pleines Flüßchen paffirt hatten, ging es eine mit ,,ein Reiter, der vor der Festung hält, wünscht Sie zu sprechen." hügeln (vielleicht alte Grabhugel) befdete Anhöhe hinauf.... "Wer ist es?". Wie es scheint, ein Nogaise." -,,Ein Kaum waren wir oben, als einer meiner Begleiter mir angst Rogaiße?" rief mein Gefährte. ,,Das bedeutet nichts Gutes", lich zurief:,,Ew. Gnaden, Tscherkesien, Tscherkessen! und wie fagte ich ihm. Laß uns gehen." Viele! Sehen Sie nur hinter jedem Hügel erblickt man meh rere dieser verfluchten Köpfe!" Kaum war ich aufgestanden, um mich umzusehen, als ein Schuß fiel und eine Kugel einem meis ner Leute vorbeipfiff. Zu den Waffen!" rief ich den Meinigen 3u, und augenblicklich Alle aus den Wagen springend, nahmen wir eine durch unsere Wagen, durch Gebüsch, große Steine und Gruben gedeckte Defensivstellung ein. Das gegenseitige Flintens feuer begann; der Feind war wenigstens viermal stärker als wir; feine Kugeln fielen wie Hagelschlossen, und wie fie treffen, wiffen Sie! Bald überzeugte ich mich noch mehr davon, als ich nar sechs Menschen um mich sah; vier waren getödtet und zwei schwer verwundet. An den Tod dachten wir nicht, nur die Ges fangenschaft fürchteten wir; meine Soldaten waren tapfer, und ich hoffte noch immer auf Rettung, in dem Glauben, man würde in der Festung das Schießen hören und uns zu Hülfe eilen. Vergebliche Hoffnung! Unsere Patronen gingen zu Ende und die Kühnheit der Tscherkessen nahm zu; bald wurden noch drei von uns getödtet, und nun drangen die Räuber, Chamurin an der Spize, mit bloßen Sibeln auf uns ein. Von allen Seiten umzingelt, wehrten wir uns noch unfere leßten Kugeln tras fen noch manchen unserer Gegner; doch um so wüthender ward Chamurfin; mit furchtbarem Geschrei stürzte er wie ein habicht auf uns los, und bald fühlten wir seine Krallen. Unsere Pferde wurden abgespannt, und wir, d. h. ich, mein Kamerad und drei Gemeine, wir wurden auf die Pferde gebunden, und in einer Minute flogen wir dahin, begleitet von unaufhörlichem Jauchsen und Frohlocken der wilden Bergbewohner. In mir fochte das Blut; mein Herz wollte die Bruft zersprengen. Vor Ingrimm sitterte ich am ganzen Leibe; ich hatte mich zerreißen mögen, aber meine fest zusammengebundenen Hande sahmten meine Wuth. meine Gedanken verwirrten fich; ich war feines Urtheils fähig. Ich war wie der wüthende, in seinen engen Ufern eingezwangre erek umsonst war sein Schaumen und Brüllen: starf, ungers störbar seine Begränzung! (Fortseßung folgt.) Bibliographie.

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Europa; (Schluß.) leas and

Ambrogio Borgognone und Bernardo Benale, die hier zu gleicher Zeit mit Leonardo lebten und wahrscheinlich eben so ans gesehen wie er waren, näherten fich derselben durch die Trockens heit, die in den wenigen von diesen Meistern im Museum vorhans denen Gemälden vorherrscht. Gaudenzio Ferrari traf sie noch les bend und geehrt zu Mailand als Anhänger jener Deutschen Schule, welche hier wie überall während des funfzehnten Jahrhunderts blühte, und die noch von Liberale Bevilacqua in ihrer ganzen Naivetat repräsentirt wurde. Der Ankömmling verschmols ihre Vorbilder mit dem von Leonardo da Vinci zurückgelassenen und schuf sich so eine Manier, die indeß keinesweges neuer als die Des legten Künstlers war, weil sie einen Rückschritt nach der von den Florentinern verdrängten gothischen Malerei hin machte. Im Palaste Brera sind noch sehn in dieser Manier von Gaudenzio Fers rari gemalte Fresken vorhanden; in dem herrlichen Gemälde aber, welches das Martyrerthum der heiligen Katharine vorstellt, hat er fich zur höchsten Schönheit seines Ideals aufgeschwungen. Composition, Farbe, Zeichnung sind gleich bewunderungswerth in diesem Werke, welches das eines Künstlers zu seyn scheint, der zu gleicher Zeit in den Werkstätten Albrecht Dürer's, Gios vanni Bellini's und Leonardo da Vinci's studirt hat.) Während dieser Maler so in Mailand waltete, trat ein an derer Genius, Correggio, der nie die Lombardei verlassen und weder Rom noch Florens gefehen hatte, den größten Meistern an die Seite, indem er die anziehende Lieblichkeit der Vorbilder unter feinen Augen studirte. Wenn man auch ganz ficher weiß, daß Correggio nie die Apenninen überschritt, so ist es doch wenis ger erwiesen, ob er nicht im Mailändischen die Schüler Leonardo's und selbst Gaudenzio Ferrari gesehen habe; jedenfalls aber be ftand der einzige Unterschied zwischen Parma und Mailand nur in ibrer Lage auf den entgegengefesten Ufern des Po. Beide Städte liegen in demselben Flußgebiete; sie waren, wenn auch nicht immer denselben Unfällen, doch gleichen Einwirkungen uns terrworfen, und es fand in ihnen dieselbe Vermischung der Racen und der Bildung statt. Diesen Ursachen nun hat man gewiß auch das Lächeln zuzuschreiben, das über alle Gesichter Corregs gio's verbreitet ist; aber dieses Lächeln ist weicher, südlicher, es herrscht darin weniger Geist als Sinnlichkeit und mehr der Eins fluß der Leidenschaften des eigentlichen Ztaliens vor.

Nächst den Museen muß man die Architektur Mailands studis ren. Sie trágt ebenfalls den eigenthümlichen Ausdruck des Nas tionalcharakters, und die Invasion der Männer des Nordens ist wiederum das große Ereignis, an welches sich die vorzüglichsten Denkmäler der Stadt knüpfen. Selbst die engen, langen und. überaus winkeligen Straßen gleichen Fallgruben, die man den Eroberern gelegt hat. Mitten in dieser unermeßlichen Ebene, wo jede Vertheidigung durch ein Kastell unmöglich war, richtete man die Verbindungswege zwischen den Einwohnern zu eben so viel den Feinden unzugänglichen Festungswerken ein, und so wurde aus der Lombardischen Hauptstadt ein wahres von gewundenen Fußwegen und tiefen Gräben durchfurchtes Laby rinth. Diese traurige Mahnung an die früheren Kriege wird durch die Prachtliebe und den Behaglichkeitstrieb der Mais lander etwas gemildert; das Pflaster ist gewiß das schönste in und die Edden agent rollen fanft über die Granitplatten dahin, strahlen in einem Glanze und in einer Pracht, wie man sie sonst nirgend in Italien findet. Der Corso, diese Haupt Promenade Mailands, läuft vom Neuen Thor bis zum Mittelpunkt der Stadt und bietet den seltsamen Anblick einer Menge eleganter Spaziergänger dar, die in einer Art von Festungsgraben umherwandeln. Hier und dort entdeckt man in den Straßen merkwürdige Denkmäler, die man nicht eher sieht, als bis man vor ihnen steht. Das älteste derselben ist ein Saus lengang mit morschem Grunde und wankenden Kapitalern; er ist das einzige Bauwerk von einiger Bedeutung, welches die Rös mer in der Hauptstadt des Cisalpinischen Galliens zurückgelassen haben; er war, wie man glaubt, früher eine Eingangshalle zu jenen Bädern, welche der Kaiser Marimian Herkules, einer der Gefährten des Diocletian, zu Anfang des vierten Jahrhunderts wiederherstellen ließ. Gegen Ende deffelben gründete der heilige Ambrofius, Erzbischof von Mailand, die nach ihm benannte Kirche, welche aber leider nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt besteht, weil damals ganz Europa und besonders Italien durch die Völkerwanderungen umgewandelt wurde. Als Karl der Große im neunten Jahrhundert jenes neue Chaos entwirrte, in welches die Welt versunken war, erlitt die Kirche des heiligen Ambrofius so manche Veränderungen, die der Gothische Ges fhmad jener Zeit für nöthig erachtete. Aus jenen Tagen schreibt sich die jeßige Form der Schiffe und des schönen angränzenden Klosters her. Mitten im Hauptschiffe der Kirche steht eine eins zelne Granitfdule, auf der sich eben eine Schlange befindet, welche den Mailändischen Alterthümlern viel Kopfzerbrechens verursacht; unter der Kanzel ist ein Grabmal mit halb hers vorspringenden Marmorstatuen, welches man für die Begräb nisstätte Stilicho's hält, der auf Befehl des Honorius in Ras venna ermordet wurde, weil er sich mit den Barbaren gegen seis nen Herrn verschworen hatte. Im Kloster sind noch außerst ins teressante Ueberreste alter Malereien aus dem 12ten Jahrhundert, und in der Kirche findet man Spuren herrlicher Fresken aus der Schule da Vinci's und Ferrari's. Der alte Palast der Visconti und der Sforza steht auf einer weiten Ebene im nördlichen Theile der Stadt, ist aber nur noch eine unförmliche Masse. Er wurde früher von den auf ihre Unabhängigkeit eifersüchtigen Mailändern zerstört und dient jeßt den Desterreichern als Kaserne.

Der Dom von Mailand ist nicht nur eine der schönsten Kirchen Jtaliens, sondern auch gewiß das herrlichste Bauwerk der ganzen Welt, und beim Anblick dieses Wunderwerks aus Marmor, dessen unzählbare Spißen wie eine Heiligenschaar zum Himmel emporstreben, wird Jeder von Erstaunen und Ehrfurcht durchdrungen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Plan dieses Riesenbaues das Werk eines Deutschen, Heinrich Arles von Gmunden, von den Italianern Gamodia genannt, der ganz zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts von dem Herzog Giovanni Galeazzo Visconti von jenseits der Alpen dazu berufen wurde. Man kann zwar den Namen des Baumeisters, nicht aber feine Abkunft und seine Zeit in Zweifel ziehen. Dieser Dom stammt von den Kathedralen des Nordens ab und muß seine Gründung aus dem Beginn des funfzehnten Jahrhunderts herschreiben, wo die ursprüngliche Größe und Einfachheit der Gothischen Bauart schon etwas durch eine Ueberladung von Zierrathen, Schnits werken und Nebendingen getrübt wurde. Bei der Anlegung des Gamodia nicht bloß dem reinen

Planes feiner Kircheilte ut verschiedenen Punkten seinem Jahrs
Deutschen Style, er eilte
hundert voraus, und sein Bauwerk wurde das ungeheuerste Ges
misch, welches der menschliche Geist nur immer erfinden konnte;
man erbebe bei dem Gedanken, daß diese Myriaden von Pfeis
lern, Spisen und Statuen in dem Kopfe eines einzigen Menschen
entsprungen, und daß dieser es wagen konnte, so viel verschiedene
Styl Arten, wie in den vier Hauptpunkten vorwalten, in ein und
demselben Gebäude zu vereinigen.)

Die Façade des Domes ist am wenigsten im Gothischen
Geschmacke; die doppelte Neigung des Daches gehört mehr dem
Stalianischen Kirchenstyle an; die Spise aber, welche die beiden-

Giovanni Galeazzo legte im Jahre 1386 selbst den Grundstein des Mais anden sehr wenig, und die Arbeiten wurden nach einander von Simone di ländischen Domes; die ernen von ihm dabei angestellten Baumeister ver Arfegnio, Marco di Srifone und von einem Varifer, Nicolas Bonavent, geTeitet 1391 wurde der Deutsche Baumeister Johann Fernach von Freiburg Jahr darauf übernahm endlich Heinrich von Gmunden die geitung des Baues dazu berufen, aber er konnte sich nicht mit den Italianern verständigen. Ein und obgleich er nicht lange in Mailand verweilte, so scheint es doch, als habe man hauptsächlich seine Ideen bei der Fortseßung der Arbeiten befolgt. Siadh ihm wendete man sich an Ulrich Fiffingen aus uim, an Mignot in Varis, an Campamosen in der Normandie und an Cora in den Niederlanden. Der Hochaltar wurde 1450 vom Papst Martin V. eingeweiht.

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Abdachungen krönt, ist wieder rein Gothisch, so wie die Pfeiler, welche von außen die inneren Abtheilungen der Schiffe bes zeichnen; die Karyatiden dagegen, von denen sie getragen werden, find Griechisch. Von den Fenstern sind drei im Gothischen, drei im Renaissances Styl, der auch in den fünf Thüren vorwaltet, welche zu den fünf Schiffen führen. Diese Vermischung, obgleich mit Geschmack angeordnet, befriedigt nicht, und es fehlt ihr wes niger an Zierlichkeit, als an Erhabenheit. Auf dhnliche feltsame Zusammenstellungen stößt man auch im Innern des Domes, das durch seinen düsteren und grandiosen Charakter auffallend ges gen die reiche und strahlende Ausschmückung der Außenseite absticht. In diesen dunkeln Schiffen scheint der weiße Marmor feinen schönen lebhaften Glanz verloren und eine strenge Bußs Farbe angenommen zu haben. Verzierungen von Laubwerk waren zur Krönung der ungeheuren Pfeiler unzureichend, man brachte also Rischen mit Statuen als Kapitaler darauf an. In unermeßlicher Höhe über dem Hochaltar bemerkt man eine Deffnung, eine Art von Kuppel; tritt man nåher, so sieht man, daß dies ein Schiff im Deutschen Geschmack mit einer Verzierung im großen Renaissance Styl, mit Spizbogen ohne gleichen ist, welche die ganze Ausdehnung der Mauer eins nehmen. Der merkwürdigste Theil des Domes ist seine Bes kleidung. Bei jedem Schritt entdeckt man hier neue Wuns der, und man gewahrt, von welcher Hülfe die Schönheit des Materials dem Genius der Menschen ist. Der leuchtende Marmor, aus welchem die Decke dieses Riefenbaues besteht, ers höht noch den Glanz der an ihm befindlichen bewunderungss würdigen Arbeit und blender vollends das Auge. Er verleiht den Treppen, welche von allen Seiten wie geheimnisvolle Him melsleitern über unserem Haupt emporstreben, eine strahlende, die Tauschung noch vervollständigende Reinheit; er übergießt die Masse des Schnißwerkes und der Pflanzennachbildungen mit einem so reinen Weiß, daß es scheint, als ob die Blüthenpracht des Frühlings sich hier ewig in unvergänglicher Frische erhalte; er bekleidet die ganze Schaar der Auserwählten, die vor dem Lage des Gerichtes dem Grabe entstieg und auf den erhabenen Pfeis lern der Posaune der Engel Gottes harrt, mit einem fleckenlosen Gewande; die Blige, welche er aussendet, umgeben den in diesen Labyrinthen sich verlierenden Beschauer mit einer feurigen Glorie, als wäre er schon in eine höhere Welt getragen und als schaue er vom Himmel herab, von wo aus alle irdische Größe zu Nichts verschwindet.

Als Gamodia den Plan zu diesem Meisterwerke der Baukunst entwarf, war es gewiß seine Absicht, jenem anderen am Hori zonte glänzenden Dome, dem Mont-Rosa, mitten in Mailand einen Nebenbuhler aufzuführen; er verschmolz in seinem Plan die Gebilde der Natur mit denen aller Völker, welche ihr Blut den Adern dieses von vielen Racen betretenen Landes_einimpften, und wie, wenn er vorausgesehen hätte, daß einst Karl V. mit feinen Spanischen Horden in die Hauptstadt der Visconti eindrins gen und seine Herrschaft dort geltend machen werde, so ließ er auch mitten aus seinen tausend Spizen eine Maurische hervor: ftreben, welche die anderen alle überragt und eigentlich die Krone seines Baues ist.

Gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts wurde wieder lebhaft an dem bis heute noch nicht vollendeten Mailändischen Dome gebaut. Ein junger Römer, Bramante, studirie damals eifrig über dem Plane Gamodia's, diesem großen Werke des Jahrhunderts; so mischten sich in den Styl der Renaissance, dessen erhabenster Repräsentant eben dieser Bramante werden follte, die Muster der Transalpinischen Kunst, die immer mehr aus Italien verschwanden, aber das Gepräge unnachahmlicher Feinheit und Eleganz dort zurückließen. Später nahm sich Bra mante eines feiner Verwandten an, der von Perugino schon den Funken desselben Geistes empfangen hatte. So waren es diese beiden Männer, die leßten Echo's der Deutsch Italiänischen Kunst, die ihren Styl auf den göttlichen Raphael in Rom übertrugen, deffen Ruhm eben so sehr aus der Erinnerung daran, wie aus der Besiegung desselben entspros.

Ostindien.

Briefe aus Indien.
I.

Bombay, den 8. ‚April 1837.

Endlich bin ich in Bomban, nach einer Fahrt von acht Mos naten, angelangt; man steht also, daß der Weg über Aegypten nicht immer der kürzeste ist. Ich bin seit zehn Tagen hier, und es gefällt mir recht gut, nicht, weil die Englische Gesellschaft besser ist als in den anderen Kolonieen, sondern weil das Land fehr schön ist. Von der Stadt ist wenig zu sagen, aber_die Insel Bombay ist ganz mit Landhäusern bedeckt, die den Eng ländern und Gebern gehören, und dies giebt einen sehr angeneh men Anblick, wenn man von Aegypten oder Arabien herkommt. An der Reinlichkeit der Stadt, der Pracht der Docks und der Trefflichkeit der Straßen merkt man, daß die Engländer für die Insel Bombay etwas gethan haben; ich fürchte aber, der Insel gegenüber finder man nichts, was die Verwaltung eines civilisirs ten Volls verräth. Man läßt selbst die Grotten von Elephanta verfallen, die an einem der reizendsten Drie der Erde eines der

außerordentlichsten Monumente menschlicher Kunst bilden. 36 würde, wenn ich hier wohnte, die ganze Infel faufen; fünfhuns dert Pfund würden genügen, die Lempel zu reinigen und mir dicht in der Nähe ein Haus zu erbauen: die ganze Welt würde mich beneiden. Doch wer hierher kommt, will Geld verdienen, nicht ausgeben; nur Genußfucht und Eitelkeit sind im Stande, ihnen die Börse zu öffnen. Die Beamten der Compagnie lieben besonders Mahlzeiten, und ihre Erholung besteht in einer Pros menade auf der Esplanade in einem boggy oder jedem anderen Wagen. Der Geschmack für Kabriolets ist allgemein unter ihnen, und um diesen Hang zu befriedigen, machen sie Schulden, welche ihnen für immer die Rückkehr nach England abschneiden. Man sieht hier fast eben so viel Equipagen, als in Neapel, und nirs gends sind sie so mannigfaltig. Die Gebern haben die schönsten Wagen, doch die Aermeren unter diesen Feueranbetern fahren auf der Esplanade in einem mit zwei Kühen bespannten Wagelchen spazieren, während der bescheidene Hindu zuweilen auf einem Stier gallopirt. Die Gebern, die einen zahlreichen und blühens den Stamm bilden, sind die reichsten Particuliers der Stadt. Einer derfelben sagte mir, fie verehrten die Sonne nicht, sondern indem sie sich an Gott wendeten, schauten sie nur nach ihr hin, zum Zeichen der Ehrfurcht gegen dasjenige seiner Werke, das für uns das größte und herrlichste von allen ist. Das wäre sehr hübsch, wenn Andere mir nicht gesagt hätten, daß sie die Sonne, das Weer, den Mond und das Feuer anbeten ohne tiefere Ges danken. Sie halten es für fündlich, Feuer auszulöschen oder einen Todten zu beerdigen, und thun es auch nie. Sie tragen die Körper an einen Ort, der ihnen eingeräumt ist, und lassen sie daselbst der Luft ausgeseßt. Man sieht hier Geier, die so voll von Menschenfleisch sind, daß sie sich kaum rühren können.'

Ich bin erst wenige Tage hier und also nicht im Stande, die verschiedenen Religionen, Sprachen und Völker, von denen ich umgeben bin, zu beschreiben; auch ist ihre Zahl so groß, daß es wohl Jedem schwer fallen möchte. Die Sprachenverwirrung ist hier drger als am Babylonischen Thurm, und die Gottheiten der Aegypter, Griechen und Römer würden in der Masse der Indischen Götter untergehen. Die Frommen haben hier einen Gegenstand angeregt, der auch den Commandeurs einiger Ins discher Regimenter nicht fremd ist: es handelt sich um den Gößens dienst und am Bittschriften zu seiner Unterdrückung; wenn man davon nicht abläßt, werden die Truppen sich empören, und die Folgen sind leicht vorherzusehen. Abgesehen von der Gefahr, die es gewöhnlich hat, sich in die Religion des Volks einzumischen, wäre es wahnsinnig, wenn man hier den Gößendienst auf eine andere Weise als durch Ueberzeugung abschaffen wollte. Man kann die Pagoden zerstören, alle Kühe tödten, die Bäume vers brennen, die Flüsse austrocknen und alle Steine zerbrechen, ohne daß man etwas ausrichter. Ein alter roth bestrichener Schuh würde ihr Gößenbild werden, und sie ließen sich dafür drgere Martern gefallen, als je von der Geschichte berichtet sind.

Da das Gehen nicht fashionabel ist, so hat man an dém Palankin_ein_bequemes Transportmittel. Ich habe mir einen angeschafft, und es war schon darum werth, ihn zu miethen, um die Sitten des Landes kennen zu lernen. Troß ihrer Kollegien und anderer Institute, lernen die Engländer nur selten die Sprachen des Landes; aber da sie wohl wissen, daß sie sie hätten studiren sollen, årgern sie sich, wenn die unglücklichen Träger sie nicht verstehen, was immerfort der Fall ist. Man befiehlt diesen Trägern, zu Dem oder Jenem, den sie nicht kennen, zu gehen; fie fürchten sich, zu sagen, daß sie nicht verstehen, was man ihnen fagt, weil dies unhöflich scheinen könnte; so gehen sie fort und traben geradezu auf ein Landhaus los, in welchem sie das ihnen bezeichnete vermuthen, in der Hoffnung, daß die Person, die fle tragen, es ihnen fagen wird, wenn sie fehl gehen. Durch diese verwünschte Gewohnheit, welche die Folge der Unwissen heit und Ungeduld der Engländer ist, habe ich viel Zeit verloren; und ich glaube, meine Leute haben sich oft gewundert, daß ich ihre Irrthümer fo rubig ertrug, ohne mich an ihnen zu rächen. Ich tröste mich sehr philosophisch damit, daß ich auf diesen Frr fahrten das Land tennen lerne, wenn ich auch dabei einen Besuch versdume. Will ich aber sicher ankommen, so gehe ich zu Fuß, obgleich das nicht elegant ist und mich, wie man mir fagt, der Gefahr eines Sonnenstichs ausseßt.

Worgen reise ich nach dem Süden der Halbinsel. Man vers fichert mir, daß die Hiße auf dem Festland nach Sonnen Unter gang 117° Fahrenheit betragt; aber von Bombay hat man mir dasselbe gesagt, ebe ich hinkam, und da ich auf dieser Insel die frischste und angenehmste Luft finde, die ich je unter den Wendes freifen geathmet, so schließe ich daraus, daß man eben so die Hiße auf dem Kontinent übertreibt. Wie dem auch seyn mag, ich werde mich durch Erfahrung davon überzeugen und zuerst nach Goa gehen, wo die Refte der Portugiesischen Herrschaft find. Die Nachkommen Vasco de Gama's, Cabral's und d'Albuquers que's stehen jest in Indien mit den Parias auf gleichem Fuße: fie begnügen sich, wie die Lesteren, mit den Ueberresten von den Tafeln der Europäer, die ohne sie ein Raub der Hunde und Geyer wurden; denn ein Hindu aus einer höheren Kaste würde nicht nur von der Nahrung, die für einen Europäer oder das Individuum einer niedrigeren Kaste bestimmt ist, nicht effen, sons dern felbst ein Gefäß verschmähen, das man zu der Nahrung eines Anderen benußt hat.

Nummern. Pranumerations: Preis 224 gr. († Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er.. höhung, in allen Theilen Ler Preußischen Monarchie.

No 22.

M a ga z in

für die

Beiblatt der Allg. Pr. StaatsZeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlsbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 20. Februar

Eng gland.

Lord Byron in Pifa.

Von Poujoulat.

Bei meinen Spaziergängen auf dem Quai des linken Arnos Ufers in Pisa kam ich oft am Palaste Lanfrano vorüber, den Lord Byron im Jahre 1822 bewohnte. Jezt gehört dieser Palaft einem reichen Toskanischen Edelmann, der, feinesweges aus Habgier, wie man allgemein verbreitet hat, den Eintritt in dens felben gern gestattet. Wie aber lebte der Dichter des Childes Harold in Pisa? Er stand sehr spät auf, weil er bis tief in die Nacht hinein arbeitete; von Mitternacht bis drei Uhr, wie er felbst sich ausdrückt,,,prägte er Geld in seiner Dichter Werkstatt", denn seine Verse waren in der That wie Wechsel, in London auf Sicht zahlbar. Es heißt, Byron habe die Gewohnheit ges habt, seine Phantasie durch starke Liqueure aufzuregen; doch fehlte es dem Dichter selbst in den Stunden der Nacht gewiß nicht an anderen Mitteln zur Begeisterung; der Anblick des herrs lich gestirnten Italischen Himmels war wohl geeignet, seinen Genius auf edlere Weise anzuregen, als der Genuß der stärksten geistigen Getränke Britaniens. Gegen Mittag nahm Byron seine erste immer sehr frugale Mahlzeit ein. Als Grund seiner schmalen Koft gab er an:,,das Fleisch verwildere den Menschen"; die eigentliche wahre Ursache derselben war aber wohl nur, daß er zu stark zu werden fürchtete, denn unser Dichter, den fein lahmer Fuß so unglücklich machte, hielt_viel auf Schönheit der Formen und würde sich eine Apollos Gestalt gern mit mehreren Jahren feines Lebens erlauft haben. Jener körperliche Fehler erfüllte feine Seele mit der größten Bitterkeit und war vielleicht der erste Grund zu seiner düsteren Stimmung,, zu seinem tiefen Haffe gegen die Gesellschaft und gegen die Menschen. Die Art, wie Byron seine Gebrechlichkeit empfand, ist in der That eine nicht zu begreifende Schwäche in dieser sonst so starken, großen Natur.

Nach dem Mittagsmahl pflegte unser Dichter mit seinen Freunder einen Spazierritt durch die Umgebungen von Pisa zu machen. Der gewöhnliche Zeitvertreib dieser Gesellschaft bestand darin, mit Pistolen nach kleinen in die Luft geschleuderten Gelds stücken (Paol's) zu schießen, und Byron war im Treffen so ge schickt, daß er nur sehr selten die Münze verfehlte. Gegen Abend tehrten die Reiter in die Stadt zurück; zwischen sieben und acht Uhr verzehrte Byron seine zweite Mahlzeit und verlebte dann die Abende bei der Gräfin Guiccioli, die in einem anderen Viertel von Pisa wohnte; um eilf_begab er sich wieder in seine Woh nung, und nun begann seine nächtliche Arbeit. Er sah nur felten Besuch bei sich, und seine Verachtung der Aristokratie war fo unbegränzt, daß er eine sehr verbindliche Einladung des Großs herzogs von Toskana auf etwas roh demokratische Weise mit den Worten ablehnte: „Ich liebe die Fürsten nicht."

Bis zum 21. März 1822 verstrich Byron's Leben an den Ufern des Arno gleichmäßig und friedlich; da wurde es jedoch durch die drgerliche Geschichte mit dem Sergeantén Masi, welche man in England auf verschiedene Weise erzahlt, die ich aber ganz getreu zu berichten vermag, sehr unangenehm gestört. Stefano Masi, von Toskanischer Abkunft und Sergeant Major in der reitenden Jäger Compagnie, stand damals zu Pisa in Garnison; Ritter der Ehrenlegion, wie man behauptet hat, ist er nicht, aber er focht zur Zeit Napoleon's mit Auszeichnung unter den Französischen Fahnen; er lebt noch bis diesen Augens blick in Pisa. Ich wünschte diesen Mann kennen zu lernen, der durch die zufällige Verkettung der Begebenheiten von so ernstem Einfluß auf das Geschick eines der größten Dichter war, und er wurde mir zugeführt. Masi ist sechsundvierzig Jahr alt, von offenem, gutmüthigem und freundlichem Aeußeren; er erzählte mir, wie folgt, die Begebenheit des 21. März:

Gegen Sonnenuntergang kehrte ich zu Pferde von einer Landpartie zurück; eine Viertelstunde vor Pisa, in der Gegend des Thores dalle Piagge, war die ganze Breite des Weges von einem Reitertrupp eingenommen, der langsam zur Stadt zurücks fehrte; es war Lord Byron mit seinen Freunden, wie ich nach: her erfuhr, denn ich hatte bis dahin nie seinen Namen gehört, weil ich in meinem einfachen Garnisonleben mich gar nicht um die Dichter Berühmtheiten des Tages fümmerte. Da mir daran lag, so schnell als möglich Pisa zu erreichen, weil ich noch für

1839.

diesen Abend funfzehn Soldaten ins Theater abordern mußte, so versuchte ich es, mir durch den Reitertrupp Bahn zu brechen, aber vergebens, der Weg blieb mir versperrt, denn es beliebte feinem der Herren, mir Plaß zu machen, ja, ich bemerkte sogar, daß man meiner spottete und mich zum Narren haben wollte. Endlich verlor ich die Geduld; mein wildes Pferd, das ich nur mit Mahe bis dahin gebändigt hatte, jagte schnell am Rande der Straße über einen Haufen Steine fort, die dort zum Wegs ausbessern lagen; beim raschen Vorüberreiten berührte ich einen der Herren, ich weiß nicht, ob es gerade Lord Byron war, und von dem Stoße fiel ihm sein Hut zur Erde. Jcb feste meinen Weg fort, da überholte mich plöglich der Vorreiter des Lords und verseßte mir mit Willen einen derben Stoß ans Bein; ich stellte mich, als verstände ich seine Absicht nicht, und erwies derte ihm nichts darauf. Einen Augenblick nachher umringte mich der ganze Reitertrupp; die Herren verlangten von mir Ges nugihuung für den ihnen angethanen Schimpf; Lord Byron und ein schnurrbärtiger Oberst reichten mir ihre Karten und verlangs ten die meinige. Ich antwortete ihnen, daß ich keine besaße; ich sey der Sergeants Major Maßt der reitenden Jäger Compagnie, und ich hatte mich nie vor einem Duell gefürchtet. Aber Lord Byron und der Oberst bestanden darauf, meine Karte oder wes nigstens meinen geschriebenen Namen zu sehen; ich erwiederte ihnen beständig, daß ich Mast heiße, und daß sie sich damit bes gnügen möchten. Ich war damals dreißig Jahr alt, kräftig und ohne Furcht, und als mir daher einer der Herren einen leichten Schlag mit der Reitgerte verseßte, gerieth mein Blut über diesen Schimpf in Wallung; ich zog meinen Säbel und warf fie durch flache Hiebe samme und fonders aus dem Sattel.,,Das ist ja ein wahrer Teufelskert", fluchten die verblüfften Engländer, und eine Dame in einem Wagen, welche die Herren zu kennen schien (es war die Gräfin Guiccioli), rief, als fie Lord Byron aus dem Sattel gehoben sah: Himmel, sen uns gnådig!

Als ich zur Stadt kam, zeigte ich den Vorfall sogleich der Wache am Thore dalle Piagge an und ließ ein Protokoll dars über aufnehmen. Da ich den Quai des Arno allein entlang ritt, rief man mir nach, ich solle meinen Weg nicht in dieser Richs tung fortseßen, sondern lieber eine andere einschlagen, weil mein Leben in Gefahr schwebe. Ich aber achtete der Warnung nicht, ritt unbesorgt weiter und naherte mich dem Palaste Lanfrano, ohne zu wissen, daß dies Lord Byron's Wohnung war. Plöglich sehe ich mich von mehreren Engländern umringt, ich thue, als hätte ich ein Paar geladene Pistolen im Sattel stecken, und drohe, dem Ersten, der mir nahe käme, den Kopf zu zerschmettern. Bus erst wirkte diese List, doch bald darauf stürzt sich ein Engländer mit einem Pistol auf mich, ich packe ihn indeß so, daß er nicht abschießen kann. Die ganze Stadt war unterdessen in Bewes gung gerathen, die Menge seg gegen den Palast Lanfrano heran, und mitten in der Unordnung verwundete mich ein Mann aus Lord Byron's Palast mit einem zweischneidigen Stockdolche in der Seite. Ich sah den Mörder nicht, und in der Verwirrung und Aufregung, in der ich mich befand, ward ich meine Verwundung erst durch das fließende Blut gewahr; man trug mich ins náchste Hospital, der Wundarzt Vacca wurde herbeigerufen, erklärte die Wunde für tödlich und gab mir nur noch eine Frist von vierundzwanzig Stunden..

Am folgenden Morgen sandte mir Lord Byron seinen Wunds arzt und hundert Louisd'or und ließ mir sagen, daß er mein Une glück beklage, den Thäter aber nicht kenne. Ich verschmähte den Beistand des Englischen Wundarztes und schickte Lord Byron sein Gold mit der Weifung zurück, daß ich desselben nicht bedürfe, weil mein Sold für mich hinreiche; stürbe ich an meiner Wunde nicht, so würde ich Genugthuung von ihm fordern, sen mir aber der Lod bestimmt, so wurden Andere mich rächen. Lord Byron behauptete jwar, den Mörder nicht zu kennen, und es mag wahr seyn; zu seinem Haushalte aber gehörte er jedenfalls. Ganz Pisa war, wie gesagt, dieses Handels wegen in Aufregung, und die Sache begann immer ernster zu werden, denn die Studenten traten zufammen, um den Schuldigen aufzuspüren, und der Koms mandant von Pija konnte nur mit großer Mühe die Jäger Com pagnie im Baum halten, die ihren Sergeanten rächen wollte. Der Statthalter ließ die ganze Dienerschaft Lord Byron's in ges fänglichen Verwahrsam bringen, verwies alle seine Gefährten aus der Stadt und gestattete nur ihm selbst noch einen Aufschub.

Meine Wiederherstellung ging sehr langjam vorwärts, und die ganze Begebenheit war in der That ein großes Unglück für mich, denn ich bin Familienvater, und meine militairische Laufbahn wurde dadurch ganz gestört; der Großherzog von Toskana aber, dem ich mein Abenteuer mehrmals erzählen mußte, unterstüßt mich durch eine monatliche Pension von 50 Franken. Oft muß ich auch den Englischen Reisenden diese Geschichte erzählen, die mir dann versichern, daß von mir in London mehr die Rede sen als in Rom vom heiligen Vater."

Während Mast uns dies Alles erzählte, belebte_sich_seine Physiognomie, alle Eindrücke jener fernen Zeit spiegelten sich in feinen Augen, zuweilen trocknete er sich die Thränen, und auch nicht ein bitteres Wort über Lord Byron entschlüpfte dem armen Sergeanten.,,Mein Portrait ist in London verbreitet worden“, erzählte Mast weiter;,,es wurde hier auf folgende Weise verfer tigt. Zwei Jahre nach meinem Mißgeschick legte ich einen Tas backstaden an; eines Tages kaufte ein Engländer bei mir cin Paket Bigarren; er bezahlt es, doch läßt er es bei mir zurück, mit dem Vorbehalte, fich die Zigarren nach und nach abzuholen, je nachdem er derfelben benöthigt wäre. Jedesmal nun, wenn der Engländer meinen Laden betrat, betrachtete er mich mit be fonderer Aufmerksamkeit, und als die Zigarren zu Ende waren, hörte ich, mein Portrait sey gezeichnet und sehr ähnlich.“

Die Dienerschaft Lord Byron's wurde später wieder freiges lassen, ohne daß man den Namen von Masï's Mörder, der bis jezt noch ein Geheimniß ist, entdecken konnte. Man hat zwar verbreitet, Maft sey auf Lord Byron's Befehl verwundet wors den; ich glaube aber eher, daß dies eine jener zahlreichen Bes schuldigungen ist, mit welchen man das Andenken des leider oft nicht vorwurfsfreien Dichters belastet hat. Byron's Unrecht bei diesem Handel ist meiner Ansicht nach nicht größer, als es aus dem einfachen und wahrhaften Berichte des Toskanischen Sers geanten hervorgeht. Nach dem unangenehmen Vorfalle des 21. März gestaltete sich Lord Byron's Leben in Pisa ganz anders; alle seine Gefährten waren zerstreut, und er blieb allein dem all gemeinen Unwillen ausgefeßt. Man begreift leicht, wie sehr er wünschen mußte, auf einige Zeit eine Stadt zu verlassen, in der ein von seinen Anhängern verwundeter Mann daniederlag. Er begab sich für einige Wochen in die Gegend von Livorno, nach Montenero, und bezog dort die Villa Casa-Rofa, wo er mit seinem jungen Freunde Gamba, dem Bruder der Gräfin Guiccioli, zu fammentraf. Er verlebte trübe Tage zu Montenero; von seiner theuren Ada getrennt, hing er mit Leidenschaft an seiner naturs lichen Tochter Allegra, welche die einzige Hoffnung seines Her zens, der Troft seines Lebens war; aber dieses arme kleine Ges ichöpf, das einen so großen Plaß in Byron's Seele einnahm, follte nur eine vorübergehende Erscheinung auf dieser Welt seyn, je farb, fünf Jahr alt, am 22. April zu Bagnacavallo; Alle gra's Seele stieg zum Himmel auf, um im Voraus bei Gott Berzeihung für ihren Bater zu erflehen; ihre irdischen leberreste wurden nach England gebracht und dort beigefeßt; die Inschrift des Dichters auf ihrem Grabstein lautet: Ich werde zu ihr gehen, sie aber kehrt nicht zu mir zurück.“ (Andrò a lei, ma ella non ritornera a ine.)

Reue Verwickelungen, deren hier zu erwähnen überflüssig ist, führten einen strengen Rechtsspruch gegen den jungen Gamba herbei; es wurde ihm befohlen, binnen drei Tagen das Costas nische zu verlassen. Die Regierung hatte gehofft, Byron würde feinem Freunde folgen; er ließ indeß Gamba nach Genua abs reisen und kehrte nach Pisa zurück. In der That aber dachte unser Dichter daran, die Ufer des Arno zu verlassen, denn in Toskana gab es für ihn keine Raft und keine Freude mehr; doch nach welchem Lande der Erde sollte er seine Schritte wenden, auf welchem Ufer eine Zufluchtsstätte suchen? Eine herrliche Ruhmesglorie umfloß in Europa feinen Namen, aber auch der Fluch und der Haß hafteten daran. Während Byron so im Geist über seiner ungewissen Zukunft brütete, erhielt er eine sehr schmerzliche Botschaft; seine beiden Freunde Shelley und Wils liam Smith, die auf einer Barke durch den Meerbusen von Spezzia schifften, waren von einem heftigen Windstoße umgewors fen worden und hatten ihr Leben in den Wellen geendet. Nach vierzehntägigen vergeblichen Nachforschungen fand man endlich ihre ans Ufer gespülten Leichname, vier Meilen von einander, wieder. Shelley zählte erst neunundzwanzig Jahre; seine Dich tungen:,,der Geist der Einsamkeit“ und „,Beatrice Cenci" vers riethen hohes Talent; der Unglückliche war Atheist, oder viel mehr er rühmte sich, es zu seyn, in feinen Poefieen aber vers mochte es Shelley nicht, Gott zu entfliehen, er ist darin religiós und schwermüthig, sein hers war besser als sein Geift.

Nach eingeholter Erlaubniß der Regierungen von Toskana und Lucca ließ Byron es sich angelegen seyn, die Ueberreste seis ner Freunde zu ehren. Am Meeresufer zwischen Bocca di Ferchio und Viareggio, einem kleinen Hafen im Großherzogthum Lucca, ließ Byron zwei Scheiterhaufen errichten, um die Leichs name, deren Asche er mitnehmen wollte, zu verbrennen. Diese Trauer Ceremonie dauerte zwei Tage; am ersten wurde William's, am zweiten Tage Shelley's Körper verbrannt. Seit den alten langit entschwundenen Zeiten Hetruriens und der Römischen Herrs schaft war auf Toskana's Boden nichts Aehnliches gesehen worden, aber eine solche Scene, die an die Gebräuche der Aeneide erinnert, war Byron's vollkommen würdig. Wäre ich ein Maler, ich würde dies Schauspiel zum Gegenstand eines Gemäldes wählen: Auf einfamem Ufer am Toskanischen Meere sind die beiden

rizontes erbeben sich die majestätischen Apenninen; Byron und seine Gefährten, traurig und unbeweglich unter dem glühenden Sommerhimmel dastehend, beleben das düstere Bild. Shelley's Asche brachte man nach dem protestantischen Kirchhofe zu Rom, wo schon ein ihm in Italien gestorbenes Kind ruhte; William's Asche hingegen wurde nach England eingeschifft. Diese dem Andenken der beiden Freunde dargebrachten poetischen Ehrenber zeugungen waren das leßte Lebewohl Byron's an Toskana. Zwei Monate später richtete er sich in dem Palast Albano in Genua ein, den er bis zu seiner Abreise nach Griechenland bewohnte, wo er den Tod fand. Den Aufenthalt Lord By ron's in Pisa fenn man als seine leste Freudens und Begeister rungszeit betrachten; es waren die leßten Lichtblicke in seinem Leben. In Toskana begann schon jene Kette von Unglücksfällen und bösen Ereignissen, welche den Horizont des Dichters vers düsterten. Die in Genua verlebten Monate, welche seiner Ab reise nach Hellas vorangingen, wurden in Aufregung und Mik muth sugebracht, obgleich sich ihnen ein Liebesabenteuer beis mischte. Byron war seines Geschickes überdrüffig, das Abends land hatte ihm nichts mehr zu bieten, und er schwankte nur noch zwischen Amerika und Griechenland; er entschied sich endlich für das legtere, weil dort noch einiger Ruhm zu gewinnen war. Aus halber Verzweiflung begab er sich auf diese abenteuerliche Pilgerschaft, und Byron verließ Europa, wie man in schlimmen Tagen vom Leben scheidet.

Es ist keinesweges meine Absicht, hier von neuem ein Ur theil über den schon so viel besprochenen Dichter zu fallen; übers all, in Pisa wie in Athen und an den Ufern des Hellespont, war sein Nachruf derfelbe; ich befragte die Orte, an denen ich mich befand, was fie von dem Manne wüßten, der wie ein Meteor über unser Geschlecht dahinfuhr. Es giebt Menschen, welche das Vorrecht haben, unser Herz mächtig für sie einzunehmen, und ein solcher war Byron. Es hat aber auch Leute gegeben, die es sich einkommen ließen, Byron fortseßen zu wollen; wie es ja sogar Andere gab, die Bonaparte nachäfften, nicht bedenkend, daß solche Auserwählte des Geschicks leine Erben haben. Uners wartet treten fie auf, unter den lauten Ausbrüchen der Bes wunderung und des Hasses ziehen sie an unserem Horizonte vorüber und fallen der Geschichte anheim. Byron hat viel Vers wünschungen ausgestoßen, weil er viel litt; er war der Ausdruck einer Zeit, wo der Schmerz, der Zukunft des Menschen uneinge dent, Alles hatte verändern oder Alles zertrümmern mögen.

Die Dichtungen Lord Byron's werden nicht untergehen, fle sind dazu bestimmt, der Nachwelt zu offenbaren, was der Mensch leidet, wenn er ohne Glauben ist. Die Gesänge des Englischen Dichters tonen oft wie Stimmen des Abgrundes, seine Muse haust im Tartarus, in jenen düsteren Gefilden, wie Milton fie uns schildert. Hier zeigt sich uns Byron als der Dolmetscher der bösen Seite des menschlichen Herzens, aber er kannte auch seine erhabene, jeine edle Seite; darum haben sich so viel schöne See len ihm zugewendet, darum hat er den reinsten Herzen so viel Antheil eingeflößt. Man hat uns von jungen Frauen berichtet, die, von einem frühzeitigen Tode bedroht, nicht aus der Welt scheiden wollten, ohne dem Dichter ihren Dank für die Tröftuns gen zu sagen, welche sie aus seinen Werken geschöpft. Ist nicht das im Tagebuche der jungen Lady Sommerset nach ihrem Tode aufgefundene Gebet eine rührende und ehrende Erinnerung aus Byron's Leben? Dieses fromme Gemüth, vom Schicksale des Dichters bewegt, flebte inbrünstig für ihn um die Erbarmung des Himmels. Von einem folchen Gebete tief ergriffen, schrieb Byron, daß er die Bitte dieser engelgleichen Frau für sein ewis ges Heil nicht gegen den Ruhm Homer's, Cafar's und Napo leon's vertauschen möchte, und könnte er auch diesen insgesammi auf fein einziges Haupt vereinigen.

Rußland.

Der Gefangene unter den Tscherkessen.
(Fortseßung.)

Unterdeffen war es völlig dunkel geworden; finstere Wolken hingen am Himmel; stärker ward der Wind und heulte aus ents fernten Felsenschlünden. Ein feiner Schnee fiel, und bald erhob sich ein Schneegestöber. Immer stärker ward der Sturm und sulest ein völliger Orkan. In dichten Wolken wirbelte der Schnee von der Erde empor und bedeckte uns von allen Seiten; das dumpfe Saufen des Windes in der Ferne vermischte sich mit feinem Pfeifen um uns her, und tiefes Dunkel vollendete das Schreckensgemälde. Um so schneller flogen die entsegten Pferde dahin. Jest find wir am Teret, an seinen steilen Ufern; schwies rig ist das hinabsteigen und der Uebergang; der verwegene Verg. bewohner aber kennt keine Gefahren und keine Schranken; ein lautes Geschrei der Tscherkessen war das Signal zum Uebers gange; die erschreckten Rosse stürzten sich in den Abgrund; die Wellen theilten sich und der wilde Teret schien unwillig zu murren.... mir schwindelte der Kopf; ich fühlte einen heftigen Stoß und verlor die Besinnung.... Als ich wieder zu mir lam, ritten wir noch immer, aber im Schritt. Die Ticherkessen hatten zwar Eile, aber die inüden Pferde, ganz in Schweik, konnten nur schrittweise vorwärts, während ein dicker Dampf fie umhüllte. Einer der Räuber unterstüßte mich, und wahrschein, lich brachten seine Stöße mich wieder zur Besinnung.

Das Unwetter ließ nach; es ward warmer, und die Morgen.

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