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Nummern. PränumerationsPreis 221 Sgr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 20.

Magazin

für die

Beiblatt der Allg. Pr. StaatsZeitung in Berlin in der Expedition (Friedricht-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei dem Wohlsbl. Post- Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 15. Februar

Meriko.

San Juan de Ulloa und Vera - Cruz.

Das Fort San Juan de Ulloa, auf welchem die Französische Marine vor kurzem die dreifarbige Fahne aufpflanzte, ist das ausgedehnteste Festungswerk, welches die Spanier in Amerika erbaut haben. Es ist ganz vom Meere umgeben und liegt der Stadt Vera Cruz gegenüber; im Mittelpunkt des Raumes, den es jest einnimmt, war früher eine kleine Jusel. Hier legte Juan de Grijalva an, der erste Spanier, der, schon ein Jahr vor Cortez, in Mexiko landete und der dieser Insel auch den Namen gab. Er fand daselbst die Ueberreste zweier Unglücklichen, die man den Göttern geschlachtet hatte, und erhielt auf seine Frage, warum man Menschen opfere, die Antwort, dies geschehe auf Befehl der Könige von Akolhua, wie damals ein Theil der Merikanischen Hochebene genannt wurde; aus diesem Worte nun bildete er sich die Benennung Ulua oder Ulloa, weil er glaubte, dies sey der Name des Eilandes. Das Fort beherrscht die Stadt, welche nur einen halben Kanonenschuß davon entfernt liegt und auf dieser Seite nur durch zwei kleine Redouten vertheidigt wird; noch besser aber beherrscht es den Hafen, denn alle Schiffe müssen zwischen dem Fort und der Stadt ankern, und die Kriegsschiffe werden an metallene Ringe angekettet, welche in der Festungss mauer zu diesem Behuf angebracht sind. Das Fort von San Juan de Ulloa ist mit jenem Aufwand von Festigkeit gebaut, wodurch sich alle, sowohl die bürgerlichen wie die militairischen, Bauten der Spanier in der Neuen Welt auszeichneten und welche uns noch ein Zeugniß von der ehemaligen Größe dieses jeßt so gefunkenen Volkes geben. Die Spanischen Ingenieure, damals Die geschicktesten in Europa, hielten diese Festung für uns überwindlich; fie versahen dieselbe mit gerdumigen Speichern, und um ihr auch eine hinreichende Menge süßen Wassers zu fichern, wurden mit großen Kosten ungeheure Brunnen gegraben, die der Bejagung ein viel gesünderes Getränk liefern, als es die Einwohn er der Stadt den stehenden Sümpfen, welche dieselbe umgeben abzugewinnen, vermögen. Das Kastell von Ulloa foll dem Spanischen Schage 40 Millionen Piaster geloftet haben, und man begreift sehr wohl, daß eine ungeheure Summe erfors derlich war, um Festungswerke unter dem Wasser zu gründen, fie durch Feisblöcke zu schüßen, damit sie der oft sehr furchtbaren Gewalt des Meeres widerständen, und dann darauf eine Citas delle im Spanischen Style, der an den Römischen erinnert, zu erbauen.

Wie groß aber auch der Ruf der Festung Ulloa in Amerika seyn mag, ihr Anblick hat durchaus nichts Imposantes. Das Pleine Eiland, auf deffen ganzer Ausdehnung sie erbaut ist, und über welches sie sich noch hinaus erstreckt, ist gerade wasserpaß; die Mauern steigen fenkrecht aus den Wellen empor und find nur von mittelmäßiger Höhe, denn sie brauchen nicht hoch zu seyn, um mit ihren Kanonen die Batterieen der sie angreifenden Schiffe oder die sehr tief liegende Meeresküste bestreichen zu können. Die reichlich mit Schießscharten verschenen Mauern werden nur von zwei Thürmen, dem Kavalier (Caballero) und dem Signals thurme, überragt; auf legterem befand sich der Leuchthurm, und von dort aus fonnte man die Schiffe auf der offenen See ents decken; beide wurden von dem Französischen Geschüße niederges schossen. Ueberhaupt hat die ganze Küfte nichts Erhabenes. Links vom Kastell, ungefähr eine halbe Meile von demselben ents fernt, bemerkt man noch ein anderes längliches, unfruchtbares und des Eiland, Sacrificios nach den Menschenopfern genannt, welche dort unter der Regierung der Aztekischen Kaiser vollzogen wurden, die den blutdürftigen Gößen Meritli anbeteten und mit Montezuma erloschen. Rechts und links von der Insel Sacrificios, so weit das Auge nur reicht, breitet sich eine sans dige Küste aus, auf der man hin und wieder einige jener Kaktus (nopals), die in der Merikanischen Vegetation eine so große Rolle spielen, so wie hier und da einige fahle Baumstämme entdeckt, welche die Wogen angeschwemmt haben und die wahrscheinlich von jener unendlichen Wenge Treibhols herrühren, das der Mississippi und der Ohio nach ihren periodischen großen Uebers schwemmungen dem Meere zuführen. Hinter dem Fort erblickt man die Stadt Vera Cruz mit ihren Kuppeln und Glockens tharmen; einige Meilen hinter derselben beginnt jene Bergtette,

1839.

die sich in dunkelblauen Linien am herrlichen Azur dieses tropis fchen Himmels fortzieht. Seit ungefähr funfzehn Jahren vors züglich ist dies Panorama besonders traurig und unbelebt; die Festung war zwar immer noch in ziemlich gutem Zustande, denn die Spanier bauten für Jahrhunderte, im Hafen aber befanden sich kaum fünf bis sechs Goeletten und drei bis vier Briggs oder Dreimaster, neben den Rumpfen einiger früheren Kriegsschiffe, wie die entwaffneten und abgetakelten Asia“ und „,Guerrero", die theils in Gefängnisse für die Galeerensklaven verwandelt sind, theils halb unter Wasser zwischen Klippen liegen. In der Mitte des Hafens, in der Richtung nach dem Kastell zu, sieht man die Ueberreste eines fast ganz vom Meere zerstörten Hafens damms, welchen die Behörden des unabhängigen Merito's nie ausbessern ließen. Die Mauern, welche die Stadt umringen, gestatten keinen Blick in die Straßen derselben, die übrigens ganz ode sind. Außer einer oder zwei Schildwachen, die mit abgemessenen Schritten auf und nieder gehen oder aus den Schießscharten der Festung hervorlagen, find die einzigen lebens. den Wesen, die man gewahr wird, unermeßliche Schaaren von Geiern, welche die Kuppeln der Kirchen von Vera Cruz belagern; die Einwohner sehen ihrer Vermehrung ruhig zu, weil diefe Raubvögel die Straßen von dem Unrathe und den Aasstücken reinigen, die sich sonst darin anhäufen würden, da Niemand als fie für die Straßen Polizei Sorge trägt. Der Reisende würde fich für getäuscht halten und glauben, der Schiffer habe sich vers irrt und ihn irgend wo anders hingeführt, als nach Meriko, jenem bewunderten Lande, wo der Boden so üppig, die Natur so majestätisch seyn soll, wenn er nicht zu seiner Rechten die herrs liche Spise des Vulkans von Orizaba erblickte, der seinen schnecigen Gipfel zu den Wolken emporhebt, seine waldbewachs fenen Seiten weit hin ausdehnt und wie ein von der weiten Hochs ebene Meriko's, dem wahren gelobten Lande, nach dem Meere hin vorgeschobenes Fort erscheint.

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Die Stadt Vera Cruz, deren die Französischen Truppen durch die Einnahme des Forts von Ulloa jest Meister sind, war vor der Unabhängigkeit der einzige Hafen, der dem Merikanischen . Handel auf dem Atlantischen Weere offen stand. Hier landete Cortez den 21. April 1519 mit 500 Mann, um das Reich Mons tezuma's zu erobern, welches von einem unzchibaren und tapfes ren Heere vertheidigt wurde. Die Spanier, die sich sehr gut auf die Kunst, Kolonieen zu organisiren, verstanden, und die das von Muster, Ansiedelungen zurückgelassen haben, welche bis jest noch von keinem der Völker übertroffen worden, die ihnen den ersten Rang streitig gemacht und entriffen haben, glaubten, daß ihr in der That sehr beschränkendes Handels-System es durchaus nöthig mache, alle Geschäfte Merito's mit Europa nur durch zwei Hafen zu betreiben, auf der Ostseite durch Vera Cruz und auf der entgegengeseßten Seite der Werikanischen Hochbebene durch Akapulko. Diese Anordungen, welche von dem Augenblick an verderblich wurden, wo Meriko eines lebhafteren Verkehrs mit der alten Welt bedurfte, haben jedoch für Vera Cruz selbst Einrichtungen und Schöpfungen zu Wege gebracht, wie man fie in feinem anderen Merikanischen Hafen antrifft; die unabhangis gen Merikanischen Behörden verstanden sich nur aufs Zerstören und waren unfähig, etwas zu gründen. Vera Cruz ist der eins zige Merikanische Hafen, der durch eine fahrbare Straße mit dem Junern des Landes in Verbindung steht. Der Consulado von Vera Cruz, eine Stadtbehörde, welche einige wenige polizeiliche Obliegenheiten neben den Functionen einer Handels-Kammer und eines Handelsgerichts auszuüben hatte, ließ von 1800 bis 1810, aus seinen Einnahmen und durch gesammelte Subscriptionen, von Vera's Cruz bis auf die Bergeshöhen eine Straße bauen, welche der über den Simplon weder an Schönheit noch an Länge nachsteht. Um von den anderen Hafen nach Merilo zu gelangen, muß man auf Fußpfaden, wo kaum zwei Mauleset neben einans der gehen können, Berge von der Höhe des Montblanc erklims men. Die Vera Cruzer Straße hingegen bietet oder bot viels mehr zur Zeit der Spanischen Herrschaft einen prächtigen Weg dar; ein dreißig Fuß breites, zum Theil aus regelmäßigen Basaltplatten bestehendes, theils gemauertes Pflaster bildere die Mitte desselben, und wie die Römischen Heerstraßen schien auch diese den Zerstörungen der Zeit Troß bieten zu fönnen. Aber während des Unabhängigkeits Krieges riß man sie an verschie denen und gerade an den schwierigsten Stellen auf, um den

Truppenzügen, welche der Besaßung der Hauptstadt aus Spanien zu Hülfe kamen, den Weg zu versperren. Weil nun das Land seitdem beständig eine Beute der Anarchie und Empórung war, so hat Niemand Sorge getragen, diese Straße wieder ausbessern zu lassen; die mächtige Vegetation der Tropen vereinigte ihre Macht mit dem Vandalismus des Bürgerkrieges, und so verfiel dies schöne Werk immer mehr und mehr. Hier und da sind Bäume, ähnlich der mala ficus des Dichters, aus der Mitte des Weges emporgeschossen; die Mauleseltreiber, fast die Einzigen, die jest, außer einer Art von erbärmlichen Diligencen, diesen Weg benugen, dachten nicht daran, diese Bäume in ihrem Ents feinem niederzutreten, und so wuchsen sie hoch_empor..

Vera Cruz ist eine ansehnliche Stadt; die Straßen sind breit, gerade und gut gebaut; sie hat mehrere Kirchen, einen schönen Regierungs-Palast und große Kasernen. Im Sommer ist hier eine brennende Hise, die durch nichts gemäßigt wird, denn die Spanische Race, die einen unüberwindlichen Abscheu gegen Bäume hegt, hat weder die Straßen damit bepflanzt, noch Alleen an der Ringmauer der Stadt angelegt. Vor dreißig Jahren herrschte großer Wohlstand in Vera Cruz; die stehende Bevdikes rung wurde auf 20,000 Seelen angenommen; dazu kamen noch ungefähr 4000 Seeleute, 7-8000 Mauleseltreiber, welche die Europäischen Waaren ins Innere des Landes und die Produkte desselben wiederum nach dem Hafen führten, und 4-5000 Fremde, Reisende und Soldaten; im Ganzen also hatte die Stadt gegen 35,000 Einwohner. Die Ein- und Ausfuhr belief fich bis auf 200 Millionen, und 4-500 Fahrzeuge liefen im Hafen ein. Während der Unabhängigkeit hat Vera Cruz viel auszustehen gehabt; die Spanier blieben noch mehrere Jahre, nachdem sie das fefte Land geräumt hatten, Herren des Forts von Ulloa, und aller Handel zog sich nach dem nabgelegenen kleis nen Hafen von Alvarado; erst als die Spanier der Behauptung von San Juan de Ulloa müde wurden, hob sich Vera Cruz von neuem, und in diesem Augenblick ist es der wichtigste Werikas nische Hafen. Aber die Freiheit war nicht ersprießlich für die Merikanischen Provinzen, sie haben sich einer Politik unterwor fen, die sie zu Grunde richtete, deren Verantwortlichkeit aber nicht allein auf die Merikaner zurückfällt. Sie wollten eine Mos narchie bilden, und der berühmte Plan Iguala's, dem sie Alle mit Entzücken beistimmten, berief Ferdinand VII. oder statt seis ner einen feiner Brüder auf den constitutionnellen Thron des Meris Fanischen Reiches; aber dieser Fürst schlug die dargebotene Krone für sich und die Seinigen aus. Nach den ohnmachtigen Anstrens gungen des Don Augustin Iturbide, eine Kaiserliche Dynastie zu Gunsten seiner Familie zu stiften, folgten fie unklugen oder verrätherischen Rathgebern, die ihnen vorschlugen, die republikas nische und föderative Verfassung der Vereinigten Staaten zum Vorbilde zu nehmen. Neus Spanien wurde also in _freie und fouveraine Staaten eingetheilt, mit einem Föderativ: Distrikte *) und zwei Kammern, und diejenigen, welche sowohl durch ihre Vorzüge wie durch ihre Fehler wahre Antipoden der Anglo Amerikaner find, ließen sich verleiten, die Regierungs-Verfassung der Union fflavisch nachzuahmen. Und was war der Erfolg dies fer unglückseligen Einrichtung, die man vergebens durch einen neuen Centralisations Versuch zu verbessern hoffte? Auf diese Frage giebt die düstere Verödung von Vera Cruz dem dort lans denden Fremden hinreichende Antwort.

Der Hafen von Vera Cruz ist der beste oder vielmehr der mindest schlechte an der ganzen Ostküste von Mexiko; er kann amar Linienschiffe aufnehmen, ist aber sehr eng und das Landen mit Gefahr verbunden. Die Leute des Cortes verglichen ihn mit einer durchlöcherten Tasche. Die Insel Sacrificios, die Niederuns gen Arecife del Medio, Isla Verde, Anegada de Dentro, Blans quilla und Gallega bilden mit dem Festlande zusammen eine Art Bucht, in die an der einen Seite der Nordwestwind, der hier der stürmischste ist, offenen Zugang hat, und die an der entgegen, gefeßten ebenfalls einen freien Durchgang gewährt, so daß ein Schiff, welches der Nordwestwind vom Anker losriffe, bis nach Campeche hinunter treiben würde. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts riß einmal ein wüthender Sturm das Linienschiff la Caftilla", welches mit neun Tauen an der Bastion von Ulloa befestigt war, sammt den erzenen Ringen von der Mauer los, fo das es an der Küste im Hafen selbst scheiterte. Auf jenem Schiffe ging durch dies fast unglaubliche Mißgeschid der große Quadrant verloren, deffen sich der unglückliche Chappe zu seinen astronomischen Beobachtungen bedient hatte, und den die Akades mie der Wissenschaften zu Paris zurückverlangte, um die Eintheis Lungen desselben berichtigen zu lassen. Die anderen Merikanischen Häfen am Atlantischen Meere, die sich in dieser Hinsicht sehr von dem prächtigen Hafen von Atapullo am Stillen Ocean unterscheis den, haben keine bessere Ankerplage und

Kriegsschiff sich nicht hineinwagen darf. And so seicht, daß ein

So hat Vera Cruz zwar aufgehört, ein blühender Hafen zu feyn, obgleich es noch immer der erste Hafen von Meriko ist dagegen blieb es beständig der Hauptfit des gelben Fiebers. Diese Plage aller Hafen des mittleren Amerika hat sich Vera Erus sum Hauptquartier auserlesen. Die in welcher Crus liegt, ift mit lebe fleinen, eng, an einander gebrangenBeras nen (Meganos) bedeckt, was ihr beim ersten Anblick das Ansehen einer Sand Region giebt, gleich den Wüßten Afrika's. Aber

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mitten unter diesen Dünen, am Fuße derselben, befinden sich große Strecken fumpfigen mit Gestrupp bewachsenen Bodens, und die Ausdünstungen dieser stillstehenden schlammigen Gewässer erfüllen die Luft mit verpesteten Miasmen. Diese Meganos, in denen sich, wie Herr von Humboldt bemerkt, die Hiße festfest, verwandeln Vera Cruz und die Umgegend in eine Art von Ofen und entwickeln alle Krankheitsfeine. Wenn jedoch im Monat November die Nordwinde zu wehen anfangen, hört das gelbe Fieber fast gänzlich auf und beginnt erst wieder nach dem Aufs hören dieser Winde, im Monat April. Nach dem berühmten Verfasser des Essai sur la nouvelle Espagne, war im Jahre 1803 die Sterblichkeit im St. Sebastians: Hospital zu Veras Cruz nur vom Mai bis September bedeutend, im Dezember kam gar kein Todesfall vor, im Januar nur einer und im Februar zwei.

Merito ist ungefähr 60 Deutsche Meilen von Vera Cruz ents fernt; man gelangt dahin, wenn man die Cordilleren auf der Consulados Straße übersteigt, die troß ihrer Verwüstungen nicht nur die gangbarste, sondern auch die einzige zwischen der Hochs ebene und dem Meere ist. Bei Vigas ist man auf der Hoch ebene angelangt, und man befindet sich dann ungefähr 7,200 Fuß über der Meeresfläche. Von Peroto nach Meriko kömmt man durch die Stadt la Puebla de los Angeles, die auf 70,000 Sees len geschäßt wird, und deren Einwohner sich fest einbilden, daß ihre Kathedrale von den Engeln erbaut wurde. Zwischen la Puebla und dem Bassin von Mexiko muß man über Rio Frio und über einen etwa 10,000 Fuß hohen Pak. In einem Tage fann man vom Gestade, wo im Sommer die drückendste Hiße herrscht, bis zur ewigen Schneeregion gelangen. Wenn man von Vera Cruz nach Peroto zu hinaufsteigt, wechseln bei jedem Schritt die Physiognomie des Landes, der Anblick des Himmels, die Vegetation, die Sitten der Einwohner und die. Bearbeitung des Bodens. Man bekommt da einen schnellen Ueberblick über das ganze Pflanzenreich, von der Kaffeestaude, dem Zuckerrohr, der uppig sich vermehrenden Banane, der Agave, einer Aloe Art, die seit undenklichen Zeiten den Einwohnern der Hochebene den Europäischen Weinstock erseßt, der zwar auch bei ihnen gedeiht, bis auf die Bäume und Gewächse unserer Hims melsstriche und von diesen bis zu der Fichte des Nordens und den Moosen der Polarlander. Nirgends findet man auf so kleis nem Raume eine solche Mannigfaltigkeit und einen ähnlichen Reichs. thum vereinigt. Von dort kommt eine durch ihre Feinheit und Weiße berühmte Baumwolle, da findet man einen Kalaobaum von vorzüglichster Art; am Fuße der Cordilleren, in den immers grünen Wäldern von Papantla und Nautla, in deren Schatten sich noch alte Denkmäler des Merikanischen Gößendienstes erhes ben, wächst die Liane, reift die köstliche Frucht der wohlriechen den Vanille. Bei den Indianischen Dörfern Colipa und Mis santla blüht die schöne Convolvulacee, aus deren knolliger Wurs zel die Jalappe gewonnen wird. Mehr nach Westen zu zieht man auf dem Kaktus die berühmte Cochenille von Daraco. Mit Roggen befdete Felder, die drei bis viermal so viel tragen, wie unsere besten Europäischen, wechseln mit Maisfeldern, Orangens gärten und Zuckerrohr Pflanzungen. Ift man bis zu einer Höhe von ungefähr 3600 Fuß gelangt, so trifft man die Merikanische Eiche, deren Anblick den bei Vera Cruz gelandeten Reisenden bes rubigt, weil sie ihm anzeigt, daß er nun die Granzen der Herrs schaft des gelben Fiebers überschritten hat. Und dieser so bevers 3ugte Merikanische Boden birgt in feinem Schoße die herrlichsten Silbergruben der ganzen Welt. Die Stadt Xalapa, 4000 Fuß über der Meeresfläche, in der sogenannten gemäßigten Region erbaut, wo ein ewiger Frühling herrscht, ist ein wahres irdisches Paradies. Um sie herum berühren sich und verschmelzen mit einander Vegetationen; auf demselben Orangenbaum sicht man da zu gleicher Zeit Blüthen, grüne und goldgelbe Früchte. In zwei Etappen könnte ein Regiment von Vera Cruz nach Eas Lapa gelangen, denn zwischen diesen beiden Städten trifft man, Dank der durch das Consulado gebahnten Straße, nur auf zwei schwierige Punkte, bei Puente del Ren, jest Puente national ges nannt, und bei Plan del Rio; aber auch diese beiden Punkte find nur ganz leicht befestigt und können durch einen Handstreich im Vorbeigehen genommen werden. (J. d. D.)

Italien.

Weltere und neuere Kunft in der Lombardei.
(Fortseßung.)

Richt erst seit heute sind die Bewohner dieses Landes so geartet, davon liefern uns die Malereien ihrer alten Schule den besten Beweis. Ein Künstler, der, gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts unter ihnen lebte, der sie also in unmittelbarster Ndhe studirte, hat uns von ihnen ein Ideal zurückgelassen, das ganz mit der Meinung übereinstimmt, die man noch in unserem Jahrhundert von ihnen hegen fann; dieser Künstler ist Leonardo da Vinci. Bevor man Mailand gesehen, kann man sich das vers liebte Lächeln, welches auf den Lippen aller Figuren dieses Mas lers schwebt, so wie die eigene herausfordernde Grazie, die über ihre ganze Person verbreitet ist, nicht wohl erklären. Dieser Bug geistvoller, oft fpötiich feiner Sinnlichkeit, den Leonardo darin wiedergab, ist das natürliche Erzeugniß des Bodens, auf den ihn land rourde. Nirgend anderswo in Italien finder man das lirs Ludovico Sforza von Florenz berief und der sein zweites Vaters bild diejer Manier. Wenn man die Apenninen überschritten,

nimmt die Schönheit ernstere Formen an, hat die Leidenschaft glühendere Laute, das Vergnügen einen ungebundeneren, feurigeren Charakter. Aber in den Köpfen Leonardo da Vinci's ist die ups pige Sinnlichkeit Italiens mit dem anziehenden Geiste der Französinnen verschmolzen, und diese Mischung ist keinesweges eine Erfindung des Malers; er fand sie im Wailändischen schon fertig vor.

Wenn man so diesen Maler hier an seinem Orte betrachtet, kann man sich ihn erst vollkommen erklären. Glaubie man früher, er sen der Florentinischen Schule beizuzahlen und alle feine Werke, wenn gleich hier und da gemalt, schrieben sich doch alle aus der Stadt der Medicder her, in der ihn wohl das Studium der Antike, etwa besonders ein Bachus oder ein Apollo, zu dies sem vorherrschenden Zuge lachender Anmuth und Ironie stims men konnte, so wird man jeßt sehen, daß, wenn die eine Hälfte von Leonardo's Genius der Stadt Florenz gehört, doch Mailand gewiß auf die andere Anspruch machen darf, und daß man in diesem großen Manne nicht bloß den Erben Masaccio's, sondern auch den wirklichen Stifter einer Lombardischen Schule zu ers blicken hat, deren Heerd von ihm zu Mailand begründet wurde und die ihre Verzweigungen dann weiter, nach der anderen Seite des Po's, erstreckte.

Man kann in Mailand selbst die beiden Richtungen von Leos nardo's Geist sehr wohl unterscheiden. Das berühmie Fresko des Klosters Santa Maria delle Grazie gehört offenbar ganz der Flos rentinischen Schule an. Dieses bewundernswürdige Abendmahl, über welches schon so viel, aber doch immer noch nicht erschöpfend geschrieben ward, erweckt, ungeachtet aller erlittenen Verändes rungen, eine so hohe und reine Bewunderung, daß der Geist, durch keinen Gedanken an individuelle Manier gestört, dasselbe unter die kleine Zahl derjenigen Werke reiht, die das lebendige Abbild der Natur und die allgemeinste Offenbarung der Schön. heitss Idee darstellen. Und dies ist eben der Charakter der Florens tinischen Schule, daß sie mehr die Lehrmeisterin aller anderen ger wesen, als selbst ein bestimmtes Gepräge trägt, welches, indem es eine gewise besondere Eigenthümlichkeit zeigt, zugleich auch der Größe, Wahrheit und Erhabenheit des Ausdrucks engere Granzen fest. Durch die Kupferstiche, welche man von diesem Meisterwerk sieht, bekömmt man nicht nur eine unvollständige, fondern auch eine falsche Vorstellung von demselben. Die Pro portionen der Freske sind ganz anders; statt des langen und dünnen Blattes, durch dessen Enge die Personen beinahe erdrückt werden, ist das Gemälde hier von ansehnlicher Höhe, wodurch die Freiheit, der Adel und die Würde der Figuren erhöht werden. Die Schönheit der Zeichnung, die majestätische Einfachheit der Composition, die Erhabenheit der Charaktere und des Ausdruckes, von allem dem bemerkt man wenig auf den Kupferstichen, dies Alles aber strahlt in unerreichbarer Vollendung von jener undanks baren Mauer herab, die so schlecht die Züge der göttlichen Hand aufbewahrt hat, durch welche sie verherrlicht ward. Noch immer Pann man sich recht gut nach den vorhandenen köstlichen Spuren vorstellen, wie schön, wie einfach, sanft und doch kräftig einst das Kolorit war. Bedenkt man nun, daß dieses Abendmahl noch beinahe zwanzig Jahr vor Raphael's Schule von Athen gemalt wurde, so möchte man vor dem Andenken Leonardo da Vinci's niederfnicen; es herrscht in seiner Composition eine so erhabene Einfachheit vor, daß man bei einem Vergleich mit dem ebenges nannten Werke Raphael's an den Unterschied erinnert wird, welcher zwischen der natürlichen Majestät des Aeschylus und der gebildeteren, aber kaum so mächtigen Schönheit des Sophos Ples stattfindet. Diese beiden Weisterwerke des Pinsels hätten noch mehr zur Nachahmung anspornen solien, denn sie öffneten der Malerei eine philosophische Bahn, auf welcher die bloße Kraft der Wahrheit zur Schönheit und Größe führte.

Jm Mailändischen Museum, welches sich im Palaste Brera bes finder und gewiß eine der schönsten Sammlungen Italiänischer Ges malde in Europa ist, sind nur zwei und nicht besonders bedeutende Stücke von Leonardo; ein Christuskopf mit rother und schwarzer Kreide und einem leichten Hauche von Weiß gezeichnet, den man für die Studie des im Abendmahl befindlichen Kopfes halten möchte, weil in der That zwischen beiden manche Aehnlichkeit vorwaltet; indek fehlt doch ersterem, so schön er auch immer ist, und obs gleich er ebenfalls der Florentinischen Schule angehört, der ers Haben pathetische Ausdruck des leßteren; und dann eine Jungfrau mit dem Kinde und einem Lamm. Die Figuren dieses zweiten Bildes, das seiner lächelnden Grazie wegen ganz der Mailans dischen Schule angehört, sind in halber Lebensgröße gemalt. Als Erfaß für die wenigen Gemälde Leonardo da Vinci's findet man im Palaste Brera eine große Anzahl von seinen Schülern, die sonst nirgend gekannt sind, hier aber in großer Achtung stehen. Einis ges Nähere über ihre Leistungen ware vielleicht nicht ganz unins tereffant, weil man die Geisteskraft des Meisters erst recht nach der seiner Schüler abwägen kann, und in dieser Hinsicht wes nigstens steht Leonardo da Vinci gewiß über Raphael. Was wurde aus der Schule des Urbinischen Malers nach dem Tode ihres Meisters? Der ausgezeichnetste Schüler derselben, Giulio Romano, führte im Palaste Té ju Mantua Fresken aus, in welchen es fast scheint, als hatte feine ungeregelte Einbils dungskraft und feine geschmacklose Begeisterung fich für die schönen Linien rächen wollen, die sein Meister ihn zu zeichnen ges mungen; feine anderen Kameraden zeigten noch mehr als er, daß sie nicht Schüler, sondern nur Werkzeuge Raphael's gewesen waren. Die Schule Leonardo's hingegen hat sich mehr hervors gethan, denn als er nach der Invasion der Franzosen sich von

Mailand nach Florens begab, ließ er in seinem zweiten Vaters lande geschickte Künstler zurück, die seine Manier fortseßten und sie mit vielem Geschmacke modifizirten; die ausgezeichnetsten uns ter ihnen waren Bernardino Luini, Marco d'Oggionne, Cesare da Sesto, Beltraffio, Pedrini, Andrea Saliani. Alle diese Maler, die in der testen Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts geboren wurden, starben um die Mitte des sechzehnten, mehrere Jahre nach Leonardo.

Bernadino Luini ist zweifelsohne der bedeutendste von Allen; er hatte auch in seiner Manier am meisten Aehnlichkeit mit Leos nardo, welcher oft die Gemälde nur entwarf und sie dann von Luini ausführen ließ. Viele der Gemälde, die man jenseits der Alpen für Werke des Meisters hält, sollen, wie man in Mailand versichert, nur vom Schüler herstammen, was hauptsächlich mit denen der Pariser Galerie, obgleich Leonardo in Frankreich ges storben ist, der Fall seyn soll. Aber nicht immer war Luini cin sklavischer Nachahmer, er drückte seinen Werken auch einen eiger nen Stempel auf und verstand es vortrefflich, Leonardo's Mas nier mit der Raphael's zu verschmelzen, wovon seine herrlichen in verschiedenen Klöstern Mailands und Luini's (seiner kleinen, am Lago Maggiore belegenen Geburtsstadt, noch welcher er sids nannte) vorgefundenen Fresken ein glücklicher Beweis find. Man hat dieselben sehr geschickt abgenommen und in den Vors hallen des Museums angebracht; sie sind ein kostbarer Schaß der Mailändischen Schule und verdienen die größte Beachtung. Die vorzüglichste unter diesen Fresken ist eine von drei Engeln in ihr Grab getragene heilige Katharina: das Grab steht offen, und die Engel schweben mit dem heiligen Leichnam über demfels ben. *) In den Schlen des Museums find noch zwei Hauptwerke von Luini; das eine stellt eine von Heiligen und Stiftern umges bene Madonna vor und ist so in Leonardo's Manier gemalt, daß man davon unterrichtet seyn muß, um sich nicht zu täuschen; auf dem anderen sieht man einen berauschten Noah, der von bewun derungswürdiger Färbung ist, und an dem man alle Vorzüge der Mailändischen Schule erkennt, die mitten inne steht zwischen der Venetianischen und Florentinischen; von der einen entlehnte fie die Zeichnung, von der anderen das Kolorit. Leonardo's und feiner Schüler Färbung ist in der That fast Venetianisch, se ist nicht so glühend wie die Giovanni Bellini's, aber garter und leichter als die Giorgione's und Titian's.

Auf Luini folgt Marco d'Oggionne, von dem sich in der Pis nakothel Mailands mehrere Fresken und eine Menge Gemälde vorfinden, wovon aber lettere den Vorzug verdienen, weil sie von ausgesuchter Feinheit des Pinsels und zartem Ausdruck find. In einer von Heiligen umgebenen Madonna, zweien Heis ligen mit den Stiftern und einem heiligen Michael, der den Satan zu Boden wirft, finden wir das Lächeln Leonardo da Vinci's wieder; eine große Fresko Studie dagegen, eine Nachahmung des Abendmahls im Kloster delle Grazie, erinnert an die Erhabens heit des Florentiners. Der Schüler hat auf diese Weise beiden Richtungen feines Meisters gefolgt; in einer Himmelfahrt Marid ließ er sich aber nur von seinem eigenen Genius leiten und lieferte ein vortreffliches Werk, in welchem die Erhabenheit der Composition noch durch die Zartheit des Pinsels an Größe gewinnt.

Von Cesare da Sesto sieht man zwei Madonnen und ein Bildniß; von Andrea Saliani, dem jungsten aller Schüler Leos nardo's, drei Jungfrauen; von Pedrini eine büßende Magdalene und von Beltraffio einen sehr schönen Johannes den Laufer; alle diese Gemälde gereichen der Schule Leonardo da Vinci's zu großer Ehre.

Auch Gaudenzio Ferrari kann man zu den Malern rechnen, die fich unter dem Einflusse Leonardo's bildeten; er wurde 1484 zu Valduggia, nahe bei Novara geboren, wenige Jahre vor der Berufung da Vinci's nach Mailand. In seiner ersten Zeit schloß er sich nicht sogleich der Mailändischen Schule an, sondern bes gab sich vielmehr nach Rom, wo er treffliche Studien machte und seinen Ruf begründete. Schon als ausgezeichneter Künstler ging er nach Mailand, wo Leonardo sich zwar nicht mehr aufs hielt, aber doch in seinen bewunderungswürdigen Werken und zurückgelassenen Schülern fortlebte. Gaudenzio Ferrari war so kühn, eine neue Mailändische Schule stiften zu wollen, aber war es die Natur und der Geist des Landes, oder das allmächtige Andenken Leonardo's, welche ihn beherrschten, er konnte diesen beiden verführerischen Einwirkungen nicht widerstehen, und dem Charakter feiner Werke nach würde man ihn für einen Schüler da Vinci's halten. Im Museum von Mailand sind von ihm ges gen zehn Fresten und ein herrliches Gemälde vorhanden. Ber merkenswerth ist an feinen Gemälden, daß fie, obgleich Nachs kömmlinge der echten Schule Leonardo's, doch noch sehr an den Geschmack einer früheren Epoche erinnern; sie sind trockner und tragen in ihrer ganzen Anordnung noch mehr die Spuren jener geistreichen Naivetät, welche die Italiänischen Künstler des funfs zehnten Jahrhunderts den Deutschen annähert. Als Ferrari in Rom studirte, war Raphael noch nicht dort, und der schon seit längerer Zeit aus Florenz verbannte gothische Sil herrschte noch daselbst, und als der Mailänder in fein Vaterland zurückkehrte, fand er auch dort noch die Spuren jener halb Deutschen Kunst des funfzehnten Jahrhunderts vor. Liberale Bevilacqua, der vor da Vinci in Mailand glänzte, gehörte ganz dieser Schule an.

(Schluß folgt.)

*) Wer erinnert sich blerbei nicht des trefflichen Gemäldes den Heinrich Mücke in Düsseldorf, welches wir hier auf einer der leßten Ausstellungen fahen und das denselben Gegenstand darktellte.

Frankreich.

Die Kunst, ein Schmaroßzer zu seyn.")

Der Schmaroßer mit diesem Namen bezeichnen wir einen Jünger der gastronomischen Kunst voll mannigfaltiger und schöner Kenntnisse einen Menschen, der feine Sorgen hat. Kennt er wirklich eine, so ist es die, daß dem Menschen doch gar zu viel im Leben zustoßen kann; gleichwohl aber wird er nie von einem tiefen Schmerz, von einem innigen Mitgefühl für menschliches Leiden durchdrungen. Er badet sich in den kräftigen Brühen aus der Küche feines Nachbars, stärkt sich an dem Wildpret seiner zahlreichen Freunde und schwebt, durch den Portwein, den Cham, pagner und Burgunder seiner lieben, vortrefflichen Bekannten verzückt, über den kleinen Zufälligkeiten dieses Jammerthales, welches die Menschen Erde nennen. Die Leiden des Lebens gleis ten an ihm herab, ohne daß er davon mehr empfindet, als der Elephant von den Hagelförnern, die auf ihn herunterfallen. Er geht unverwundbar einher, geschüßt durch die wohlwollenden Contributionen jener besten und großmüthigsten aller Menschen, welche Diners zu geben pflegen; er ist zu gleicher Zeit das Kind und der Gipfel der Gastfreundschaft, das Urbild und die Verkörs perung aller gastlichen Tugenden, ein lebendes Zeugniß von dem Wohlwollen des Menschengeschlechts, ein zweibeiniger Fastnachts Ochie, den die Freigebigkeit von seines Gleichen mit Kuchen, Del und Honig vollstopft.

Die häusliche Einrichtung des Schmaroßers ist dürftig, sein Einkommen beschränkt; wie er einerseits wenig Gefühls Anres gungen hat, so hat er andererseits auch wenig Bedürfnisse. Neunundneunzig Mal unter hundert ist unser Schmaroßer ein Hagestolz, der die Zinsen eines kleinen väterlichen Erbtheils ges nießt. Da er weder Frau noch Kinder hat, so besißt er eben genug, um außer dem Hause seine Vergnügungssucht zu befries digen. Da er den freundlichen und liebevollen Lon einer Gattin niemals hört, so muß er sich durch die Töne der Oper schadlos halten, und da er keine Kinder zu ernähren, zu bekleiden und in die Schule zu schicken braucht, so kann er sich seiner Leidenschaft für gelbe Handschuhe ganz hingeben. Er macht sich sein Jungs gesellenleben auf alle mögliche Weise zu Nuse, und da er nun einmal feinen eigenen Heerd, keine Pänaten hat, an denen sein Herz hangt, so trägt er draußen in Regentstreet die verschiedenen Nuancen seiner Röcke zur Schau.

Sicherlich treibt der Schmaroßer eine der schwersten Künste des Lebens; denn so viele seines Gleichen es auch in der guten Stadt London giebt, so glänzen fie doch immer nur sehr kurze Zeit, etwa während einer Saison oder zwei, worauf sie, wie die Schwalben, fortziehen, man weiß nicht, wohin.

Ein echter Schmaroßer muß ein Mensch von nicht allzus großem Verstande und darf nur unter gewissen Bedingungen wißig seyn. Zur hauptsächlichen Sorge muß er es sich machen, fich den Ruf eines prächtigen Keris, eines angenehmen Gesell fchafters zu erwerben und zu erhalten, wenngleich diejenigen, die ihn loben, sich den eigentlichen Grund dieses Lobes selbst nicht zu erklären wissen. Während einer Saison oder zwei hat man wohl auch schon gewisse glänzende und funkensprühende Schöngeister an Tafeln gesehen, wo man die feltensten Delikatessen der Jahs reszeit, sowohl an Speisen und Wild, als an Menschen und Kleidertrachten, die erste Ananas und den Verfasser des neuesten Romans beisammenfindet; solche schöne Geister erhalten jedoch höchstens ein paar Einladungen, während unser Mann, der Schmaroßer ex professo, bei keinem Gastmahle fehlt. Er muß fich also bemühen, ein wenig unbedeutend zu erscheinen, liebenss würdig ohne Aufsehen und ohne überhaupt viel von sich zu machen. Hätte er auch das glänzendste Bonmot auf der Zunge, so muß er es doch verschlucken, sobald es nur das Ansehen hat, daß es gegen irgend Jemand in der Gesellschaft gerichtet seyn fónnte. Dieser Jemand besißt vielleicht gerade eine ausgezeich; nete Küche, einen reichen Weinkeller; es ist daher ungemein nos thig, ihn mit der größten Schonung, ja, mit der aufmerksamsten Höflichkeit zu behandeln, die dem Schmaroßer wohl noch die schönsten Einladungen als Früchte tragen kann. Der Schmaroßer darf nie eine Anzüglichkeit auf Kosten eines Mannes wagen, der Diners giebt. Er darf von Zeit zu Zeit mit einem Wortspiel hervortreten, aber es muß nie das Anjehen gewinnen, als wäre er ein Wigling; ihm muß es genug seyn, die Sprechenden mit einer gewissen Gutmüthigkeit anzusehen, als wenn er einer Uns terhaltung in Malaischer oder Japanesischer Sprache zuborte; er mag Nüne knacken, während der Wirth und die Gäste über den Ruf des Nächsten herfallen. Schweigen und gut verdauen können, das ist die Hauptsache, auf die es bei dem Schmaroßer von Pros feffion ankommt. Es ist dem Schmaroßer erlaubt, zu fingen, wenn er nicht etwa so gut fingt, daß dadurch die Gastgeber, die auch eine gute Stimme haben, verdunkelt werden, oder wenn er fich schaden könnte, indem er zur Unzeit sein Talent_entwickelt; er darf also fingen, wenn er nicht sehr gut fingt. Kinder muß der Schmarozer zärtlich lieben; er muß sich so gegen fie bench men, daß, wenn sie ihn nur nennen hören, alle Kleinen des Hauses mit einem Freudengeschrei auf ihn zu stürzen, ihn am

*) Aus einem Französischen Skizzenbuche, daß im vorigen Jahre unter sem Titel,,Les Anglais peints par eux-mêmes" erschienen ist.

Rockschok serren, an ihm hinaufflettern, ihm die Uhr aus der Tasche reißen. Während ihm nun sein feinstes Kleid zerrissen und seine Perrücke zerzauft wird, während seine Repetiruhr in der höchsten Gefahr schwebt, muß der Schmaroßer die Angst seines Herzens und seiner Tasche unterdrücken.,,Die Kinder sind Ihnen wohl lästig", sagt die Mutter mit schwacher Stimme; der Schmaroßer aber nimmt den Ausdruck des höchsten Entzückens an und sagt mit einem hersgewinnenden Lächeln zu der beuns ruhigten Mutter: Ach, die lieben Kleinen sind allerliebst!" Indessen giebt es Hauser traurige Drie wo feine Kinder find. In diesem Falle liebt der Schmaroßer das Schoßhündchen; ist kein Hund da, so liebt er die Kaße. In Ermangelung einer Kage hält sich der Schmaroßer an den Papagen; ist auch kein Papagen da, an den Kanarienvogel. Wenn es endlich im Hause weder Thier noch Vogel giebt, an dem er feine Zärtlichkeit auss lassen kann, so wird er sich in das Porzellan oder in ein Stüc Möbel verlieben. Wir haben einen merkwürdigen Schmarozer gekannt, der gewiß ein Genie war, und der es dahin gebracht hatte, in einer einzigen Familie funfzigmal jährlich eingeladen zu werden; und warum? es war ihm gelungen, sich in den Feuerungs Apparat im Saale sterblich zu verlieben. So oft ein Fremder zugegen war, brachte der Schmaroher die Unterhaltung immer geschickt auf die Ofenschaufeln und Feuerzangen und vers schaffte irgend einem Familiengliede Gelegenheit, eine Familiens geschichte zu erzählen, in welcher sich auf die merkwürdigste Art der Muth einer Großmutter entwickelte, einer feinen Dame, die zu der Zeit der Begebenheit kaum 22 Jahr alt war und als zarte Jungfrau mit einer Feuerzange die Zudringlichkeit cines unbewaffneten Fremden abwehrte, der allgemein für einen Dieb gehalten wurde, aber den die Dame selbst im Verdacht eines viel schwarzeren Frevels hatte.

Der Schmaroßer muß bei allen Gelegenheiten zu verstehen geben, daß er mit vornehmen Personen in Verbindung stehe. Im Fall er wirklich keinen Grafen kennt, muß er es möglich zu machen suchen, solche Bekanntschaften zu machen, um persons lichen Nußen davon zu ziehen.

Der Smaroßer wacht mit Sorgfalt über den Theil seiner Toilette, der so zu sagen mit seiner Profession zusammenhängt. Sein Anzug muß tadellos seyn und nach der neuesten Mode; er muß genau wissen, ob man die Aufschläge groß oder klein, die Rockschöße breit oder schmal, die Beinkleider weit oder faltig trägt. Er sieht die menschliche Natur nur von ihrer freundlichsten Seite, denn die schönsten Triebe des Herzens zeigen sich gewiß während oder nach der Mahlzeit.

Mittagsmaht! das ist ein Wort, das sich dem Geiste von Tausenden umgeben von Furcht, Angst und peinlichen Sorgen zeigt; cin Wort, das die Rechnungen der Schlächter, der Fischs händler, der Bäcker, der Brauer, kurz Rechnungen aller Art in sich schließt. Aber alle diese traurigen, gefahrdrohenden Wirklich, keiten sind für den Schmaroßer nur Poesieen; er hört davon sprechen, aber er kennt sie nicht. Muß der Schmaroßer nicht durchaus ein gutmüthiger Mensch seyn? Kann wohl die Härte, die Bosheit, der Neid des Gastgebers in sein Herz dringen? Er kann sich den Magen verderben, das ist möglich; die Gicht kann ihm zuweilen einen Angstschrei entlocken, das kann sich zutragen; aber wenn verdrießliche Menschenfeinde von der Hinfälligkeit der menschlichen Natur, von der Niedrigkeit und Grausamkeit sprechen, die man in dieser Welt antrifft, so wird unser Schmaroßer mit einem Blick unendlicher Menschenfreundlichkeit die Hand auf seis nen runden Bauch legen und ernsthaft erklären, daß er fest übers zeugt sey, alle Menschen seyen gut.

Mannigfaltige s.

"

Artistisches. Die Englander lassen sich von Deutschs land ihre eigenen Sängerinnen empfehlen. In einem der neuesten Blätter des Atlas liest man in dieser Beziehung: Die philhars monische Gesellschaft in London wandte sich an Felix Mendelss sohn mit der Bitte, ihnen für die bevorstehenden Konzerte einige Sängerinnen zu empfehlen. Der Deutsche Komponist erwiederte darauf: In Deutschland gabe es jest keine, die so gut wären, wie Miß Clara Novello und Mistreß Shaw. Dieses Zeugniß, und von einem solchen Manne, ist wohl werth, von uns bes herzigt zu werden.“

Poetisches. Die schon vielfach poetisch behandelte biblische Episode von der Liebe der Engel zu den Töchtern der Sterblichen, eine Episode, die namentlich durch Lord Byron's „Himmel und Erde" und durch_Thomas Moore's,,Liebe der Engel" ein Lieblings Thema der Englischen Poesie geworden ist, hat neuerdings einen Bearbeiter in Herrn John Edmund Reade gefunden. Herr Reade hat daraus ein Drama in zwölf Scenen gemacht und es die,,Sündfluth" genannt. *) Zwei Enkelinnen Kain's find es, Azoara und Astarte, welche die Liebe der Engel erregten und die mit den fündigen Menschen untergingen, als die Die zwölf Scenen find mit Aufs Fluth alles 3rdische bedeckte.

bietung einer wahrhaft Miltonischen Phantasie ausgeführt, und auch die Sprache des Gedichts verräth ein tiefes und poetisches Gemüth.

The Deluge. A drama in twelve scenes. By John Edmund Reade, Author of Italy” etc.

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Beiblatt der Allg. Pr. Staats.
Zeitung in Berlin in der
Expedition (Friedrichs-Straße
Nr. 72); in der Provinz so
wie im Auslande bei den
Wohllöbl. Post- Aemtern,

Literatur des Auslandes.

Berlin, Montag den 18. Februar

1839.

Rußland.

Der Gefangene unter den Tscherkessen.

Nach einer wahren Begebenheit.

Wir kehrten von einer im Jahre 18 jenseits des Kuban gegen die Bergvölker unternommenen Expedition zurück. Es war bereits im Monat Oktober. Die Kaukasische Natur schien zu trauern wie eine Schöne, die das herannahen ihres Herbstes fühlt. In Plagenden Lönen durch die Felfen ziehend, riß der Wind die legten gelben Blätter von den Bäumen. Der Himmel umzog sich, die Sonne ward blaffer. Unsere Truppens Abtheilung hatte sich auf dem schmalen Damm des 15 Werst vom linken Rubans Ufer belegenen Kunipskischen Waldes vertheilt; ich stand im Hintertreffen mit zwei Kanonen und einem Bataillon des K....schen Infanterie Regimentes und war sehr verdrießlich, aulest erst den reißenden Kuban zu sehen, der uns so lange von unferem geliebten Vaterlande getrennt hatte.

Wir marschirten sehr langsam, machten nur selten Halt, um einen Blick auf unsere Verfolger, die Tscherkessen, zu werfen, die uns in der Ferne das Geleit gaben, bald mit durchdringens dem Kriegsgeschrei, bald mit pfeifenden Kugeln, an die wir uns übrigens schon gewöhnt hatten. Mehreremal schaute ich um mich her, um Abschied von den Bergen des Kaukasus zu nehmen, die fich in blauer Ferne erhoben und nicht ganz ohne Grund wie mit Unwillen uns nachblickten; mehr als ein üppiges Thal zwischen ihren Felsenwänden ward zur Wüste, mehr als ein Gehege alter von Weinreben umrankter und von Epheu fest umschlungener Eichen ward in Asche verwandelt; abgebrannte Baumstämme und zusammengefallene Räuberhütten erinnerten an ihre furchtbaren Gafte. Gern und ungern verließen wir diese wilde, hinreißende Natur; doch jeder Schritt brachte uns Rußland näher, und dieser Gedanke überwältigte jedes andere Gefühl!

Ich fühlte das Bedürfniß, mich Jemanden mitzutheilen. Als mein Auge nach einem bereitwilligen Zuhörer unter den Unsrigen umberschaute, bemerkte ich in der Nähe einen Gefährten unserer Bivouals im Kaukasus, den Lieutenant B-n; er war schwers müthig, wie immer, doch zeigte sein Gesicht Ruhe und eine aufs fallende Gleichgültigkeit gegen Alles, was ihn umgab. Schon lange wollte ich mich bei ihm nach einer Gefangenschaft erkuns digen, von welcher man sich unter uns Allerlei erzählte. Jest war eine gute Gelegenheit da, und ich benuste fie. Ich ritt zu ihm. Bald war das Gespräch eingeleitet, wie sich auf dem mit dem Lobe des Marsch ein Gespräch gewöhnlich einleitet Reitpferdes. Sie haben ein treffliches Pferd", sagte ich. Ich beneide Sie darum! Bon welcher Race ift es?"Es Es dient mir schon ist aus der Kabardei", antwortete ***. Lange; oft schon hat es mich gerettet, und wenn es nicht gewesen ware.

B schwieg und feufzte. Da ich ihn so bewegt fah, hielt ich meine Fragen zurück, und wir ritten schweigend weiter. Es giebt Augenblicke, wo das Gemüth, ohne zu wissen, warum, traurig ist, wo Alles in der Welt auf uns lastet, uns unertraglich Es giebt fcheint; in folchen Augenblicken flieht man die Menschen, flieht Alles und finder Beruhigung nur in eigener Brust. aber auch Augenblicke bitterer Erinnerungen; auch diese bringen Leiden, aber solche, die man jederzeit bereit ist, einem Anderen mitzutheilen, um sich selbst zu erleichtern. In dieser Lage befand fich jest ***. Ich schwieg, um ihm Zeit zu lassen, sich zu fammeln; als aber fein bestandig düsterer Blick etwas heiterer ward und seine Bruft sich durch einen schweren Seufzer Luft ges macht hatte, fagte ich:,,Der Gedanke an die Vergangenheit Lastet schwer auf Ihnen; leben Sie mit der Gegenwart: auc) Für mich hat die Gegenwart feine Ihnen lächelt fie! Freuden. Mir ist Alles gleichgültig geworden; ja, für mich giebt es gewissermaßen feine Gegenwart mehr, weil ich nichts wünsche. Und Ponnte ich noch irgend etwas wünschen, ja, darf ich von der Vorsehung noch etwas wünschen, da sie mir zum zweitenmal das Leben schenkte? Nein, ich lebe nur in der Vergangenheit, indem ich den Schöpfer preife; aber von Menschen erwarte ich nur einen Hölzernen Sarg und auf meinem Grabe ein hölzernes Streuz." I habe von Ihren Leiden gehört: find Sie schon lange aus ber Gefangenschaft befreit fragte ich, mit der Absicht, die Schwermuth meines Gefährten auf freundlichere Bilder zu leiten

Ja, ich war in Ges und meinem Zweck näher zu kommen. fangenschaft; es war schon im Jahre 18**, noch jest aber, nachs dem ich mich körperlich erholt, leide ich geistig." -,,Berzeihen Sie meine Neugier. Gern würde ich das Nähere dieses Ereig Es wird mir schwer, mich in jene nisjes kennen lernen."" Zeit zurückzuverseßen; indeffen bin ich bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen, jedoch unter einer Bedingung, die Ihnen vielleicht selts sam erscheinen wird: sehen Sie mich, während ich erzähle, nicht lesen, die ich nicht verbergen kann. Ueberhaupt will ich nicht, an! Ich will nicht, daß Sie auf meinem Gesichte die Gefühle daß meine Leute auf meinen bleichen Wangen Thränen erblicken, Jest hören Sie: 50 die ich nicht im Stande bin zurückzuhalten und die sie in ihre gefühllose Sprache übertragen würden!

,,Nicht weit von Terek, an einem reißenden, aber schmalen Flüßchen, ward von uns vor nicht langer Zeit die kleine Festung Regiments in Garnison. Sie haben im Gebirge unsere Bes u*** erbaut; dort stand ich mit einer Compagnie des K....schen festigungen gefehen; fie find fich alle gleich. Eben fo gleich ist sich das Leben, welches ihre Befaßungen führen; ein höchst ers Vorsicht und Einterferung zwischen Erds bärmliches Leben,

wallen, Abgeschiedenheit von Welt und Menschen und alle Langes weile des einförmigsten Daseyns. Zu beneiden ist ein solches Dajenn wahrlich nicht; und doch, woran gewöhnt sich die Seele nicht? Sie ist hart wie ein Feuerstein, so lange sie noch einen Funken Religion in fich trägt.

,,Unter der von mir befehligten Besaßung befanden sich 100 Linien Kofaken; gewandte, verwegene Reiter, die an Chas rafter den Bergvölkern gleichen. Mir folchen Kriegern fannte Oft trug dieses Ros ich keine Furcht und lachte der Gefahr.

spigen Lanzen meiner Kosaken. Man kannte mich in den Bergen,
hier mich den Feinden entgegen, und felten entlamen diese den
und bisweilen besuchten mich Fürsten der Berge, bald, wie ges
wöhnlich, unter nichtigen Vorwänden, bald um Gefangene, die
wir gemacht hatten, auszuwechseln, am häufigsten aber aus Neus
gier. Oft begab ich mich auch nach benachbarten Aulen, die den
wohner bewirtheten mich mit dem Besten, was sie hatten.
Namen friedliche Auten führen, und die gastfreundlichen Bes
Bu iener Zeit war in den Bergen der Name Chamurs
Man hatte ihm den Beinamen Abrek geges
ben, was einen mit Kühnheit und allen Priegerischen Eigenschafs
fin's berühmt.
widmete. Mit einem Haufen ihm gleichgesinnter Räuber durchs
ten ausgestatteten Helden bedeutet, der sein Leben dem Raube
3og Chamursin, wie ein Nomade, die Berge und machte häufige
Ausfälle nach dem Teref zu. Tollkühne Tapferkeit verschaffte
ihm reiche Beute und náhrte seinen Hochmuth. Groß, schön ges
wachsen und breitschutterig, wie alle Bergbewohner, hatte er
einen ungewöhlichen rollenden Blick, der, wie bei einem wilden
wachsenen Augenbrauen herausfunkelte; dieser Blick und sein
Thter, aus dicken, schwarzen, mitten auf der Stirn zusammenges
scharfgezeichnetes bronzefarbenes Antlis verliehen seiner Phys
selbst sich entsegt haben würde. Wehe den forglosen Nogaiskischen
fiognomie einen Ausdruck, vor welchem vielleicht Mephistopheles
Kaufleuten, wenn sie ohne starke Bedeckung dem Chamurfin auf
der Landstraße begegneten! Ihr Eigenthum ward das seinige und
ihr Leben sein Spielwerk. Wehe auch den Kosakenposten, wenn sie
fich der Sorglosigkeit überließen. Eine dunkele Nacht benusend,
schlich Chamursin mit den Seinigen wie eine Schlange bis zum
Posten und stürzte plöglich auf ihn los; Alles fiel unter den
Streichen seiner wilden Bande, bis er, durch Beute gesättigt,
lich, und Blut bezeichnete ihre Spuren. Sie werden sich daher
wie ein Blig verschwand. Seine Ueberfalle waren immer plöts
nicht wundern, wenn ich Ihnen fage, daß auch ich, meiner tapfes
ren Leuten ungeachtet, dußerst vorsichtig war. Nachts verdoppelte
ich die Wachen in der Festung, und nach dem Zapfenstreich wurde
von Jekaterinograd bis zur Feftung Wladilautas, d. 5. auf der
kein Bergbewohner mehr eingelassen. Wie Sie wissen, reist man
Straße, die über die Berge nach Gruften führt, gewöhnlich mit
einer Begleitung, die man von den an dieser Straße liegenden
Festungen erhalt; zu diesen gehörte auch mein Wohnort; selten
ward er durch Reisende belebt, und dann zog die alte Dede und
Stille wieder ein.

Es war schon Winter; leichter Schnee bedeckte die Erde, dunnes Eis zog sich längs den Ufern des Flüschens und zitterte oft durch das rasche Dahinströmen der Wellen. Hin und wieder

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