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Acht diesen blauen Augen, dieser weißen Hand, diefem milden Sinne zutrauen follen? Sie wissen vielleicht nicht, daß Sie ein Fest des Domitian nachgeahmt haben. Auch dieser hatte in seinen Pataft allerlei Schöngeißter und große Herren geladen. Sie jaken an seiner Tafel, die mit allen den Herrlichkeiten beladen war, von denen uns Vetronius eine Beschreibung hinteriaffen hat. Vidßlich öffnete sich die Decke des Saales, welche den blauen Himmet und seine Preifenden Gestirne darstellte, und es strömte ein faufter und feiner Regen auf die Gäste herab: es war Rosens wasser. Bald war der Saal von den herrlichsten Düften gefüllt, und die Gäste riefen: Genug! Aber der Thau wurde zum Res gen; die Wohlgerüche stiegen den Tischgenossen zu Kopf, und man mußte e bejinnungslos and halbiedt aus dem Saale tra gen. Nichts Anderes beabsichtigten Sie am vergangenen Dienstage mit Ihrer Anmuth, Ihrem Geißte, Ihrer Schönheit und Ihren schönen Versen.

Wir faßen schon Alle auf unseren Pidyen: vorn die Damen in ihrem Schmude, einige schön, andere geistreich, was vielleicht eben so viel werth ist. Auch hier waren alle Klaffen repräsentirt; da sah man die Glücklichen und Weisen, die Spötterinnen und Lacherinnen, diese pikanten und neckenden Feuilletons des Salons, die tausendmal gefährlicher find als die, welche wir schreiben, diese Feuilletons von Fleisch und Bein, die mit ihren runden Schultern prunken und die jeden farkastischen Einfall mit einem feinen Lächeln begleiten. Da jah man die Frauen, welche Alles anschen, ohne etwas zu verstehen, und die zufrieden sind, wenn sle, nicht die Komödie, die Sie vortejen, sondern die, welche im Saale gespielt wird, errathen. Auch an Dichtern fehlte es nicht; unter ihnen ein berühmter und ungeschickter, der seine schönsten Verse für die schlechten Dramen hingeben würde, deren er so viele gemad! bat. Selbst große Herren hatten jcb eingefunden, Namen, die in unserer Geschichte glänzen; aber vor diesen hätten Sie, mein schöner Kollege, am allerwenigfen unser Handwerf mit Spott überschütten sollen. Bedenken Sie doch, daß dieje Männer, welche alle ihre Vorrechte verloren haben, uus Schrift; stellern es nie verzeihen werden, daß wir zwischen Sie und ihre Sonne getreten sind. Bedenken Sie doch, daß die Titel, die Stammbäume, die Kronen den Dichtern, den Schriftstellern, den Journalisten zugefallen find. (Fortseßung folgt.)

Der Handlungs - Reifende. (Schluß.)

Der Volontair‹ Reisende ist groß, jung und blend, ein auss gemachter Stußer. Er hat einen großen Gehalt, ist in seinen taglichen Ausgaben unbeschränkt und genießt das vollste Ver trauen seines Hauses. Zuweilen hat er was gelernt, und dann ist es schwer, der Pedanterie seiner Erziehung auszuweichen. Hat er gar Kollegia an einer Universität gehört, so wird er es gewiß in jedem Augenblicke klar hervortreten lassen. In jeder Stadt nimmt er, sobald er angekommen, ein Bad, pflegt sich wie cin Damchen und läßt in feta Luftkiffen frische Luft ein. Er raucht nur theure, echte Havana Cigarren, trägt feine Handschuhe, dop; pelte Augenglafer und ein Fidichchen mit wohlriechenden Delen. Bei Tische trinkt er gute Weine mit Seiterfer, Waffer, rührt die groben Spetsen nicht an, verachtet die ordinairen Gerichte und part seinen Appent für Crême, Bisquit, Malaronen und andere Leckerbissen, wenn welche da ind. Im Ganzen ißt and spricht er wenig und steht vor allen Anderen vom Tische auf. Wer sein modenhafics Ausfeben, seinen vornehmen Anzug, sein feines Benehmen und Betragen bei Tische und die Achtung, mit der man ihm im Hotel begegnet, nicht unbemerkt läßt, wird gestehen: „Er ist der Reprdjeniant cines guten Hauses." In der Regel besucht er kein Kaffeehaus, geht er aber dorthin, so geschieht es blok, um die Zeitungen zu lesen, von dort geht er, seine Geschäfte anzuknüpfen. Beim Eintritt in ein Haus grüßt er ganz höfisch und weiß seine Dienste mit Leichtigkeit anzutragen. Ohne das mindeste Gerdafch tündige er sich an: Mein Herr, ich reise in Geschäften dieses Hauses." Hier hält er inne; hat der Kom: mittent Lust, ihm einen Auftrag zu ertheilen, so giebt er ihm dens selben; sonst weiß der selbstständige Reisende zu gut die Würde seines Hauses in Ehren zu halten, um sich aufs Bitten zu legen. In der Diligence nimmt der Volontair Reisende seinen Sis auss fchließlich im Kabriolet cin; er ist gegen Damen galant und gegen Jedermann artig, selbst gegen den Conducteur und Monit lon. Dieser Typus eines eleganten Reisenden hat sich in unseren Tagen gänzlich verloren; die Konkurrenz bat ihn verwischt; er ist verschwunden, man hört nicht mehr von ihm (prechen, sein Reich ist zu Ende.

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Den Immerwahrend Reisenden macht gewöhnlich ein junger Mensch von achtzehn bis zwanzig Jahren; dieser Mensch ist ge: wöhnlich eine Mikgeburt, eingebildet, bartig und ein Großsprecher. Er ist der Schmetterling feiner Zunft, frißri, fäßduftend und prabl baft. Er ist gut gekleider, trägt weite Pantalons, Glanzitiefel und eine furze Weste. In seiner Hand ist ein gewundenes Stechpalmröhrchen in beständiger Bewegung; fein Haupt ist mit einem Kopfpuß nach den besten Moden geziert, je nachdem es Regenwetter, Sonnenschein oder windig ist. Er erhält täglich 10 bis 12 Francs und einen jährlichen Gehalt von 1000 bis 1200 France. Seine Reise wird ihm genau vorgeschrieben; in dieser Stadt foll er so lange verweilen und in jener sich so viele Tage aufhalten; er muß es so einzurichten fuchen, daß seine Ges

It er vom Postwagen (gewöhnlich die Ordinaire) abgefliegen, so ist die Eintheilung seiner Zeit folgende: 1) Er geht spazieren, mustert die Stadt, wittert die Luft und holt sich Appetit; es ist wahrlich noch zu früh, um die Kunden zu besuchen; sie sind noch nicht aufgestanden; in der Proving ist man trage, man licht und schlürft das Far niente in langen Zügen; man vers dient das Geld dort langjam, dafür aber leicht, und muß sich fügen. 2) Er kehrt in sem Hotel zum Frühstück zurück, frühstückt lange und gut; das ist ihm auch nicht gewehrt, um so weniger, da es nicht einen Pfennig mehr loftet; ob man Appetit hat, oder nicht, beim Gastwirth_hat_man immer Appetit; das weiß der Immerwährend - Reisende sehr gut und ist daher lieber für Zwei als für Keinen. 3) Er geht in ein Kaffechaus, trinkt eine halbe Portion, spielt, verliert, spielt wieder, verliert wieder, er spielt von neuem und gewinnt. Er hat die ganze Gesellschaft traktirt und obendrein 18 Francs verzehrt; sonst müßte tr, um seinen Verlust zu ergänzen, und nur dicserhalb, einen Tag länger in der Stadt verweilen. In der Stadt muß man im Kaffeehause spielen, um seinen Bedarf heraus zu bringen, die Diligencen richten einen zu Grunde., 4) Es schlägt ein Uhr, er besucht seine Kunden: die Kunden aber haben wenig Sinn für Reisende dieser Kiassc. „Mein Herr“, jagt man ihm,,,wir brauchen gar nichts.” Mein Herr, kommen Sie morgen wieder.",,Ach, mein Herr! nichts wie Reifende und Hunde sieht man auf der Straße." Ich will michis wissen von Reisenden." Der Immerwährends Reifende hört diese mehr und minder schmeichelhafte Bemerkuns gen, macht seine Verbeugung und bedankt sich. Zuweilen muß er auch hören:,,Sie belästigen", er aber erwiedert:,,Mein Herr! hier ist ein neues Dessin, die ausschließliche Erfindung unseres Hauses." Man schreit ihn an: Sie beldigen uns!" er aber re plizare mit Enthusiasmus :,,Drei Monat Ziel und drei Precent, Vors theile, die Ihnen kein Anderer gewähren kann." ,,Aber, mein bester Herr, Sie verlieren Ihre Zeit umsonst." ,,Thut nichts, mein Herr, diejerhalb reise ich ja.“ Sobald ein Kommittent nur die Nasenspige eines solchen Reisenden wittert, und ehe dieser noch die Hand an den Thürdrücker legt, ruft er ihm schon ents gegen: Mein Herr! geben Sie sich weiter keine Mühe, wir sind mit allem Nöthigen vollkommen verschen." Und zuweilen hat er nicht eine Elle dieser Waaren, nicht einz Unze Farinzucker, nicht ein Quentchen Vitriol oder Indigo auf seinem Lager. Man kann sich auch in der That keinen schlechteren Empfang denken, als von diesen Krämern mit Nadeln, Messern, Scheeren, oder selbst_von_Wechselhändlern zur Verfallzeit.

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Der Immerwährend-Reisende muß so lange zur Thur hinaus und zum Fenster wieder hereinkommen, bis eine Bestellung ers folge in das steht ausdrücklich in seinen Vorschriften. Labor omnia vincit improbus. Dafür aber hat der Prinzipal die Ver pflichtung, den Kaffee, den Wäscherlohn, das Theater und andere kleine Ausgaben zu tragen, die ihm von den Reisenden unter dem bescheidenen Namen,,Reisekosten zur Last geschrieben werden. Das kennt ein Jeder, nur der Prinzipal nicht. Ob der Prinzipal an die Treue seines Commis glaubt oder nicht, gleich viel, er wird seine Rechnungen immer pünktlich auszahlen, das heißt, die Reisekoßen für fünf Monate, anstatt für drei. Der Immers während Reisende behandelt seinen Prinsipal wie seine Kunden.

Der Fuß Reisende ist ein ordentlicher Bursche, etwas boshaft, aber freimüthig, schlau und doch ganz ergeben. Er erhält 6, 7 oder 8 France, nach der Jahreszeit und den Geschäften. Er trägt eine Blouse und Kamaschen, einen Knüttel und in seiner Tasche so viel Kleingeld, um auf der Landstraße seine Kehle in den Wirthss hausern anfeuchten zu können; er reift, leicht wie der Vogel und glücklich wie der Flich im Wasser. Seine Proben und Sachen übergiebt er einem Kärrner. Ift er in einer Stadt angekommen, so jäubert er sich, entstäubt seine Füße, rasirt sich, nimmt seine Proben und besucht seine Kunden. Der Fuß Reisende wird, als friedlich und wenig gefährlich bekannt, von jedem Kommittenten, in Folge dieser Ueberzeugung, wie wohl ungern, doch überall zus gelaffen. Sobald er eingetreten ist, entfalter er seine Probefarte, nimmt seinen Hut ab und sagt zum Chef, ohne daß ihn dieser mit einem Worte darum gefragt hat, ganz familiair: „Es mache fich, und Sie?" Darauf antwortet der Chef ganz chererbietig: Mein Herr! Jhr ergebenster Diener!" Der Fuß Reisende bes fucht nur die fleinen Häufer, die Kleinhändler, und diese sind oft Stolzer, als die Kaufleute en Gros. Der Fuß Reisende ist ganz ohne Gene; er jeßt sich aufs Comptoir, schlägt mit seinen Hufs eisen den Taft, spricht von gutem und schlechtem Wetter und framt seine Politik aus. Jest erst glɗttet sich die faltige Stirn des Kunden; ein Kleinhändler liebt die Politik über Alles; der Fuß Reisende, der es nach Umständen bald mit dieser bald mis jener Partei hält, raisonnirt nicht übel Das Gespräch beginnt, steigert das Interesse, man erhige und streitet sich; ein Nac bar tommt hinzu, nimme Antheil, giebt seine Meinung ab, zeigt seine Dialektik und Theorie; man stellt Muthmaßungen an und dußert fromme Wünsche; der Fuß-Reisende bilder anfangs eine Opposition: er spricht mit Hige, reder mit Enthusiasmus, als Franzose oder nicht, das fümmert ihn wenig; er spielt den Redner, gestikulirt, müht sich ab und wehrt sich wie ein Besesses ner: feine Stimme gewinnt an Umfang, seine Gedanken machen Sprünge in die Kreus und Quer; er sprüht Funken, Blige, seine Worte machen Geräusch, Effekt, er imponirt feinen Zuhörern, die ihn anstaunen: das hat er nur gewollt. hat aber seine Diss Puffion die höchste Höhe erreicht, hat er die möglichst höchste Stufe erflommen (fluge Strategie), dann zicht er die Flagge ein

Eigenliebe um so schmeichelhafter seyn muß, als ihm diefer Sieg erst so hartnädig abgeftritten wurde. Der geschmeichelte Koms mittent ist entzückt, hingerissen; er fann ihm unmöglich einen Auftrag verweigern.

Der Fuß Reisende verfolgt feinen Triumph bis auf den Com mis (bei Kleinhändlern die überwiegendste Person); er lebt mit ibm auf vertrautem Fuß, nennt ihn,,Mein theurer Freund", vers spricht ihm eine Stelle in Paris; er bietet ihm ein Gläschen Bittern an; er geht mit ihm nach dem Waffensaal; er zergliedert ihm mathematisch den Fechischuh und erklärt ihm, wie man sich mit Nußen der natürlichen Waffen bedienen fónne. Der Fußs Reisende ist vielleicht unter allen Reisenden derjenige, der die meisten Auftrage erhält.

Der Reisende Tabuletkrämer oder wandernde Handelemann ist eine Art Alcides, angethan mit einer blauen, tausendftreifigen Blouse. Als Waffe, zum Angriff und zur Vertheidigung trägt er eine Peitsche in seiner Hand, den Stock von Stechpalme, die Schnur von Leder. Besonders Penntlich ist er an der Wachsleins wand, womit sein Hut überzogen, an den blaufamminen Pantas lons, womit seine Schenkel bedeckt sind, an den Hufeisen, die seine Füße erheben, und an dem beständigen Fluchen, das auf seinen Lippen heimisch ist. Sobald er in einer Unter Präfeftur angekommen ist (die Unters Präfekturen sind nämlich seine Hafen: Staditheile, für die er eine Vorliebe hat), erkundigt er sich nach einem Magazin. Die Gasthäuser, wo solche Reisende einkehren, haben immer eine Kammer vorräthig, die sie eigens für solche Reisende bestimmen. Ist er damit versehen, so kramt er feine Waare aus und ordnet sie in einem düsteren Raum, wo das Tageslicht, selbst am hellen Mittag, nicht eindringen kann. Desto beffer; es ist gar nicht nöthig, daß der Käufer den Bruch in der Doppelschachtel, den Sprung im Rafirmesser, den Flicken im Zahnstocher und die welke Farbe des Tuches gewahre. Es ist eigens so eingerichtet und ganz herrlich. Kommt ein Käufer dorthin, so befindet er sich wie der Vogel am Vogelleim. Sind diese Vorbereitungen getroffen, so verjücht der Tabuleikråmer, seinen Kunden anjuregen; zu dem Ende schmeichelt, liebkest er ihn, betet ihn an, nach seiner Weise,` nach seiner Gewohnheit, reh, barsch und hart; in seiner Rhetorif bedient er sich wahrlich einer zierlichen Redenkarten, keiner Blumen. Wenn er nur reussirt, das ist Alles, was er verlangt und was er wânschen kann; und er reйffirt auch, denn die Kunden aus der Unter Präfektur wollen lieber selbst wählen, als sich auf die Empfehlung des Reisenden verlassen. Der Reijende-Tabuiet; framer trägt immer dieselben Kleider, im Winter wie im Som; mer; er speist mit den Fahrleuten, trinkt mit den Fuhrleuten, schläft in seiner Tabulette mit seiner Frau und feinem Hunde; auf diese Weise kommt er zu Flöhen, dafür aber spart er das Schlafgeld. Am Tage arbeitet er wie ein Galeerensklave, und wenn er seine Rechnung schließt, ist er um nichts reicher.

Wenn Sie uns nun fragen, was wird aus den Handlungs: Reisenden in ihren alten Tagen? so antworten wir: Der Reis sende für das eigene Haus wird, mit sehr setienen Ausnahmen, gichtisch, Millionair und Friedenerichter in seinem Stadtviertel. Nachdem er seinen Komminenten Proben, Waaren und Rabart ertheilt, ertheilt er jest den Bittenden Predigten, Ermahnungen und Stempel Papier. Sein Metier hat er also nicht im Ges ringten geändert; die Form ist dieselbe geblieben, der Stoff nur hat sich geändert.

Der Reisende Affocié erhält, wenn er als Siebziger sich darch alle Hindernisse durchgewunden, zulegt eine Versorgung in einem Orchester eines untergeordneten Theaters; seine Vielseitig keit war also nicht ohne Nußen für ihn, und er hat noch den Bortheil, feine Abende anständig zubringen zu können; er ist bei den Proben gegenn drtig und macht sich auch mit den Coulissen zu schaffen. Er hat sich immer für Andere intereffirt, thut es gegenwärtig noch, und ist seine Lebensweise immer dieselbe ge; blieben.

Der Reisende Commissionair wird geboren, lebt und stirbt in der Diligence; feine Lage bleibt ewig dieselbe; er ist mit seinem Probekasten zusammengewachsen, so wie diefer mit ihm; auch wird er nie die Wötbung seines Kutschenhimmels verlassen, wie der Veteran sein Schilderhaus und seinen Trinkbecher. So lange er einige Pfennige in der Tasche und einen Kommittenten sur Aussicht hat, wird er, wie der ewige Jude, immer glück, lich, aufrieden, ohne Verdruß, ohne Sorge und ohne Neid leben. Die Diligence ist ihm Alles: sein Vaterland, seine Familie und seine Freunde. Die Diligence, weiche sein erstes Lächeln gesehen, wird auch seine lesten Seufzer empfangen.

Der Volontair-Reisende wird, wenn er nach Haufe kommt, Vorsteher eines Magazine, verkauft Bänder, Zündfläschchen oder Getraide; er wird auch der Nachfolger feines Prinzipals, ist ein Egoist erster Klasse geworden, hat sich bereits 15-20,000 Livres jährlicher Renten erworben und sein vierzigstes Jahr angeire:en, jenes reife Alter, wo es ihm gestattet ist, Deputirter zu werden, und um nicht aus seiner vorigen Rolle zu fallen, vertheidigt er in der Kammer die Freiheit des Landes.

Der Fuß-Reisende verwandelt sich in einen Ladenhalter einer Vorstadt: er fabrizirt durchsichtige Wachslichter oder baumwollene Schlafmüsen; er besißt auch den Ehrgeiz, iminer vorwärts zu schreiten. Er hat eine Ehehälfie, Kinderchen, die ihn Papa nennen, und einen Dachshund, der viele Künste macht, einen Korb zwischen den Zähnen trägt, nach Art des berühmten Munite.

Was den Reisenden Tabuleikrämer betrifft, so bat er, um sich eine kleine Münz-Sammlung anzulegen, dieses Ziel durch den Verlauf einiger Habseligkeiten, die er nach dem Lande cxpedire,

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bereits erreicht. Und wenn der sechzigste Winter ihm das Bedürf niß der Ruhe fühlbar macht, verkauft er Wagen und Pferd, Bagage und anderes alte Gut und läßt sich häuslich nieder mit 450 Franken jährlicher Renten, einem halben Morgen Weinland, mit rheumatischen Schmerzen, die er sich durch vierzig Jahre der Mühe und Arbeit, der Unruhe und der Entbehrung mahsam erworben hat.

So ist das Septemvirat der Handlungs-Reisenden befchaffen, so war es, so ist es, und so wird es noch lange seyn, troß allem Wechsel des Schicksals und dem Mißbehagen des undankbaren Kommittenten. Vormals, in der guten alten Zeit, wo man bei einer Reise über die Gränze des Departements sein Testament vor einem Notar machte, damals wußte man alle gute Eigens schaften dieses achtbaren und ergebenen Ordens so zu schäßen, daß der Kommittent mit jedem Morgen ganz ehrerbietig nach dem Hotel kam, um sich nach der Ankunft des Reisenden zu ers fundigen. Der Kommittent hielt schon acht Tage vorher seinen Auftrag bereit; er bat sogar, daß die Bestellung angenommen würde; er würde _sich selbst zu einem Fußfall herabgelassen haben, nur um feinen Zweck zu erreichen; er strengte sich an, ihn for, fort zum Mittageffen einzuladen, für ihn seine halbe Portion Kaffee und sein Schnäpschen zu bezahlen, das Zußbad mit inbes griffen; er empfahl seinen Commis, gegen ihn höflich, zuvorkome mend und liebevoll zu seyn; seiner Frau, die Papillotten abzuneh men und eine gute Haube aufzufeßen; seinen Kindern, eine Verbeugung zu machen und ein Kußhcndchen zu werfen; seinem Kas, firet, den Heifenden ins Kaffeehaus zu führen, eine Flasche Bier mit ihn zu trinken, ins Schauspielhaus, um ein neues Vaudes ville zu hören, in die Kirche, um die Blasmalereien zu sehen, ins Museum, um gar nichts zu sehen. Das war ein Aufwand von unerhörtem kurus, von settener Höflichkeit und verschiedenen Ausgaben, in Rücksicht, daß der Reisende überall nichts bezahlte. Heut zu Tage jedoch haben sich die Rollen gewaltig geändert. Die Sterne, die Menschen und die Handlungs, Reisenden haben die selijamsten Verwandlungen erlitten. Die Sterne haben sich vers wandelt, die Menschen verwandeln sich noch, und die Handlungs: Reisenden sind ihnen vorangegangen, folgen ihnen und werden ihnen in Ewigkeit bei dieser allgemeinen Veränderung folgen.

Bor noch nicht gar ju langer Zeit kannte der Kommittent Paris, Rheims, Amiens durchaus nur dem Namen nach. Die Handlungs Reijenden, diese Kanále der Franzónschen Industrie, verbreiteten überall hin die jelijamsten Erzeugniffe, die aus ihren Probekasten hervorgingen, wie die Bonbons aus dem Füllhorn vor der Thür eines Zuckerbäckers, und der Provinziale, der diese Wunder der Schöpfung bei sich einlehren sah, thronte mit Stola auf feinem_Comtoir von weißem oder Tannenholze. Allein heuts jutage, o Tempora, o Mores! Jeßt, wo der Satan dem Hirn cines Menschen die teußlische Erfindung eingeblasen hat, wodurch es dem schüchternen Landmann möglich ist, ven Brives oder Avallon in so furzer Zeit, als erfordert wird, die Augen auf: und zuzuschließen, za niesen oder eine Prise Taback zu nehmen, nach Paris zu reisen, läßt sich kein Kommittent mehr zurückhalten, die Hauptstadt zu besuchen. Den Kleinhändler allein, diefen halb Ungen, und halb Ellen-Käufer, ihn allein nur schreckt noch Paris zurück, besonders der Koßen und der schlechten Speisen wegen, wofür er auf dem Lande herrlich leben kann. Auf diese Weise ist der Kleinhändler allein noch die rettende Vorsehung des armen Reisenden. Was würde in der That auch aus Leßterem werden, ohne die kleinen Aufträge von 150-200 und manchmal gar 300 Franken?

Das ist das Resultat der Civilisation und der Fortschritte; Die Twilisation hat den bescheidenen Krämer zu Grande gerich ter, und aus dieser Puppe hat sich der eingebilde:e Kaufmann entpuppt. Die Fortschritte haben die Diligencen erzeugt, welche, durch den niedrigen Preis des Transportes, wiederum die Handlungs, Reisenden zu Grunde gerichtet haben. Die Eivilisation har den höflichen Kaufmann zu Grunde gerichtet, aus dessen Alche der Holze Kommittent hervorgegangen. Die Fortschritte der Zeit haben die Eisenbahnen hervorgerufen, welche wiederum die Diligencen vernichten werden, bis auch diese einst durch die Luftschifffahrt möglicher Weise ihre Zerstörung finden.

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Daher kommi es, daß die Handlungs Reisenden, die bis jeßt allen Stürmen der Zeit entgangen, in unseren Lagen die Märs tyrer, die Sündenböcke für die unerfáttliche Habgier ihrer Prins sipale geworden. Daher kommt es, daß die Handlungs, Reifenden den Bettelmönchen, oder besser, abgewiesenen, verachteten Beulern gleich geworden, die sich des Hauses schämen, das fie repråjentiren oder zu repräsenuren versuchen. Geh, armer Tropf, ftelle Deinen Charakter bloß für die 12 France, die Du täglich für sämmtliche Reisekosten erhältst, geh, verkaufe Dein Gewissen und richte Deine Bethcurungen genau nach der Quas litat des Zuckers und der Farbe des Stoffes ein, die Du dém Käufer aufdrängen willst. Geh von Thür zu Thur, benle um das Lächeln des Einen, um den Händedruck des Anderen, bettle um einen Auftrag, um juleht doch nichts zu erhalten. Geh, Du hast weder einen Glauben, noch Gefeße, weder Grundsche, noch Religion, nichts von alle dem! Denn welcher Glaube könnte Dich leiten, welches Gejey kannst Du befolgen, zu welchen Grundjagen fannst Du Dich bekennen, und welche Religion fann Dich beseelen? Du hast nichts von alle dem; nicht einmal eine eigene Meinung darfst Du haben. Deinen Glauben, Deine Gejege, Deine Grundsäge und Deine Religion mußt Du vom Kommittenten annehmen. Kamaleon! Du spiegelst Dich in Deinem Kunden! Du strahlst seine Farben wieder, Dit kopirst seine

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Sprache, Du ahmst seine Manieren nach, Du gehst nach seiner Leitung, Du folgt ihm Schritt für Schritt; Du gehörst ihm, ihm allein, ganz ihm. Er ist Deine Gottheit, Dein Idol, Dein wohlthätiger Stern, Deine Hoffnung, Dein Führer, Deine Stüße; er ist Dein Troft, Dein guter Engel, Dein Hoffnungsanter. So bete fie an, Deine Allmacht! Kann fie für Deine nechtische Ergebenheit an ihre geheiligte Perfon erkenntlich fenn? Kann fle Deine Selbstverleugnung belobnen? Kann fie durch einen guten Auftrag, mit diesem Balsam ihres Vertrauens, die Wun: Sen wieder heilen, die sie Deiner Eigenliebe und Rube so oft geschlagen?

China.

Canton im Jahre 1838.

III. Gärten und Europäische Frauen.

Am Nachmittage verabredeten wir eine Wasserfahrt nach den Garten von Fasti, die etwa vier Englische Meilen oberhalb Canton liegen. Das Rudern ist eine der vornehmsten Ergößlich feiten bei den Engländern von Canton. Sie haben lau er leichte Kanote, die mit wei, vier oder sechs Rudern fortbewegt werden Diese Fahrzeuge sind sehr niedrig, und es gehört viele llebung dazu, um sie geschickt zu lenken. Unsere Equipage bestand aus einem Chinesischen Steuermann, einem Englischen Öber Aufseher, einem Schiffs Lieutenant von der Königlichen Marine und zwei Kommissarien oder Agenten der Ostindischen Compagnie. Diese Herren machten den Anfang damit, daß sie, troß der Rauhheit des Wetters, ihre Oberkleider ablegien; dann ergriff Jeder ein numerirtes Ruder, und bald fleg die Barke, Dauf ihren verein ten Bemühungen, rasch über den Wasserspiegel dahin. Ich für meine Person saß, in meinen Mantel gehüllt und doch vor Kalte sitternd, am anderen Ende der Barle. In weniger als drei Viertelstunden erreichten wir die Gärten von Fasti. Es sind ihrer acht bis zehn, die sämmtlich in Einer Reihe an einem Arme des Flusses liegen; man kann sie als eine Pflanzschule betrachten, aus welcher die reichen Bewohner von Canton alle Baume und Blumen beziehen, womit sie ihre Häuser schmücken. Jeder Gar ten ist in funfzehn bis zwanzig Alleen abgetheilt, und diese Alleen werden von Töpfen mit Zwergs Bäumen und Blumen gebildet, welche zu beiden Seiten auf fünf bis sechs Stufen über einander stehen. Springquellen, Kioske, Hütten und kleine Pagoden machen diese Garten, im Vereine mit der forgfältig gepflegten Vegetation, au einem reizenden Aufenthalt. Ich sah hier merkwürdige Pros ben von der Geschicklichkeit, womit der Chinese die Natur in alle beliebige Größen und Formen zwangt: Drangenbäumchen, kaum einen Fuß hoch, waren von goldenen Früchten schwer, und an eben so winzigen Apfelbäumen hingen rothbackige kleine Aepfel, die uns den Mund wässerig machten. Am meisten aber staunte ich über den Bambus, jenen prächtigen Federbusch der Walder, den ich auf Manilla bis zu einer Höhe von 50 Fuß emporragen gesehen und der mir hier als fruppelhafter Zwerg begegnete. Bei seiner vergeblichen Anstrengung, die ihm vorent haltene Freiheit zu erringen, nimmt er hundert groteske Formen an. Man findet in den Gärten von Fasti eine unermeßliche Sammlung aller Straucher und Blumen, die das füdliche China hervorbringt; ich bewunderte viele der leßteren, von denen mir bis dahin nicht einmal eine Abbildung zu Gesicht gekommen war. Wir verließen die Gärten von Fasti und nahmen Blumen mit, welche die Eigenthümer uns zum Geschenk gemacht hatten. Auf unserem Rückwege bekam auch ich Luft, ein Ruder zu führen; einer der Herren lieh mir großmüthig das feinige und fror statt meiner auf der Bank. Meine ersten Versuche waren nicht eben angenehm; das vom Strome gepackte Ruder drückte oft mit folcher Gewalt gegen meine Brust, daß ich große Mühe hatte, mich auf den Beinen zu erhalten.Deffenungeachtet verlor ich den Muth nicht und war, zum Lohne dafür, binnen einer Viers selstunde ein vortrefflicher Ruderer. Ich kam frisch und gefund und mit einem Appetite, der dem Klub, wo ich eingeladen war, Ehre machen mußte, in Canton an.

Das Wort Klub darf den Leser selbst im Canton nicht übers raschen. Wer weiß nicht, daß ein Klub überall, wo einige Eng lander beisammen find, zu den unentbehrlichsten Dingen gehört? In Canton ist er wirklich sehr nothwendig; er ist ein Vereini gungspunkt für die armen Erilirten, denen es hier an allen mos ralischen Genüffen des Lebens gebricht. Die Zahl der Europäer, welche in den Faktoreien von Canton wohnen, beträgt faum hun dert; alle find Kaufleute, die, troß jedem Verbote der Chinesischen Regierung, das ganze Jahr hier verweilen. Nur einige von thuen machen dann und wann die kurze Reise nach Makao. Den Lag verbringen sie in ihren Magazinen und Comptoirs; mas follen sie aber an den Abenden treiben? Für fie giebt es keine rauliche Unterhaltung, keine sartliche Ergise am Familienheerde. Die Chinesische Regierung duldet feine Europäische Frau in Canton; sie denkt nicht ohne Grund, daß die Europder, wenn man ihnen erlaubte, ihre Familien lommen zu lassen, sich für immer daselbst niederlassen würden und endlich mit Gewalt vers trieben werden müßten. Vor mehreren Jahren wollten sechs Damen aus Makao, ihrer tangen Strohwitwenschaft müde, die Tolerans des Vice Königs erproben. Sie schmuggelten fich durch

die Bocas Tigris, und schon am nächsten Morgen sah man fle vor den Faktoreien spazieren gehen. Als Seine Erelleng davon Kunde erhielt, wurden dieselben im böchsten Grade enträftet. Eine ge waltsame Entfernung der Damen wäre mit Gefahr verbunden gewesen; denn alle Ausländer führten Waffen und zeigten sich entschlossen, ihre Frauen bis aufs Aeußerste zu vertheidigen; aud vermeidet die Chinesische Regierung blutige Handel mit den Bar baren, so lange es nur irgend angeht. Dennoch mußten die Das men um jeden Preis wieder aus Canton fort; und wie follte auc der Vice König an den Hof berichten, daß Europäische Frauen seine Wachsamleit getduicht? Zuerst wurde an den Thüren aller Fals toreten eine Proclamation angeschlagen, welche den Damen eins sadrfte, die Stadt Canton nicht ferner mit ihrer Gegenwart zu beflecken. Seine Chinesische Excellens fügte noch einige boshafte Bemerkungen hinzu, die id aus Achtung vor dem Zartgefühl meiner Lejerinnen übergeben muß. Dieses Mittel blieb jedoch fruchtlos: die Damen von Malao nahmen von dem unhöflichen Publikandum keine Notis, und jest mußte man von Chinesischer Seite strengere Maßregeln ergreifen. Eine zweite Proclamation suspendirte allen Verkehr zwischen Eingebornen und Europdern, bedrohte also die Lesteren implicite mit nichts Geringerem, als dem Hungeriode. Ein paar Tage ties man sich diese Aussicht ges fallen; aber die Entbehrungen wurden doch bald zu fühlbar, und es blieb den heldenmüthigen Schönen leine andere Wahl mehr, als abzureisen, oder im Arm ihrer zärtlichen Gatten und mit ihnen zu verschmachten. Sie wählten das Erstere und ließen dabei manche Verwünschung gegen den unritterlichen Vice König ver nehmen. Seit jener Zeit haben die Europäer für den größten Theil des Jahres auf die Freuden des ehelichen Umgangs vers zichtet; wenn sie ihrer Einsamkeit müde find, so bleibt ihnen Pein anderer Ausweg, als auf ein paar Tage nach Makav zu gehen. Was kann man aber an Abenden thun, wenn der Magen uns befriedigt bleibt, besonders in einer Gesellschaft, deren Mitglieder sämmtlich von der Arbeit des Tages ermüdet sind? Auch ist der Klub der Faktoreien in der That hauptsächlich zu gastronos mischen Zwecken gestiftet. Man kommt wechselweise bei einem oder dem anderen der Mitglieder zusammen und verbringt fo die Abende recht angenehm. Wer sollte aber glauben, daß es der Zwieracht gelungen ist, felbst in dieser kleinen Kolonie, wo Eins tracht das unschäßbarste Gut, ihre Fackel zu schwingen? Und doch ist es nur zu wahr; fleinliche Rivalitáten entzweien diese ehrenwerthen Manner, die sämmtlich auf Achtung und Wohlwollen ihrer Mitbürger Ansprüche haben.

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Ruffische Theater Encyklopädie. In St. Peterss burg ist ein,,Pantheon des Ruffischen Theaters und aller Euro päischen Bühnen" angekündigt, das in Russischer Sprache eine Musterung der dramatischen Literatur aller Länder und eine Uebers sicht alles dessen liefern will, was in dem Bereich theatralischer Leis stungen gehört. Der Redacteur, Herr Th. Coni, als dramatur gischer Schriftsteller in feinem Vaterlande bekannt, giebt den' Inhalt femmes in Form einer Monatschrift erscheinenden Werkes folgendermaßen an: 1) Geschichte des Russiichen Theaters von deffen Gründung bis auf die neueste Zeit; 2) Uebersicht der heur tigen Zustände und Richtungen der Bühne überhaupt, sowohl in Rußland als in den übrigen Ländern Europas; 3) Krische Bes richte über fämmtliche neue Theaterstücke der Russischen wie der ausländischen Bühnen; 4) Biographieen und Charakteristiken der lands und anderer Länder; 5) Bibliographische Uebersicht aller ausgezeichneten dramatischen Schriftsteller und Künstler Russ auf Bühnenkunst und Dramaturgie sich beziehenden größeren und fleineren Schriften; 6) Einzelne dramatische Scenen in Versen and in Profa. Ju der That, ein interessanter Plan menn er nämlich so, wie er angefündigt ist, zur Ausführung fomm.. ftens mit Coulissen, Geschwds und den allergewöhnlichsten Persöns Unsere Deutschen,,Allgemeinen Theaterzeitungen", die sich mei lichkeiten beschäftigen, könnten sich allenfalls ein Muster daran nehmen.

Verschiedenartiger Erfolg zweier Zeitungss Annoncen. In der Literary Chronicle erzählt ein Englander, der wegen seiner seltsamen Einfälle bekannt ist: Vor einigen Jahren machte ich folgendes Erperiment: ich ließ in die Zeitums gen zwei verschiedene Annoncen einrücken, in denen ich eine Haushalterin verlangte. In der einen hieß es, man fuche eine Frau, die nicht bloß die Wirthschaft führen, fondern auch als Ges sellschafterin dienen felle; es werde daher ein angenehmes Aeußere gewünscht, verbunden mit Bildung und eleganten Manieren. In der anderen Anzeige aber ward bloß gesagt, man fuche eine ge feste Haushälterin mit der unumgänglichen Bedingung, daß sie häßlich sey. In Folge der ersten Annonce ward ich überschwemme mit Anmeldungen; es fanden sich so viele einnehmende und ge bildete Damen, daß ich sowohl meinem Zeitalter, als meinem Vaterlande Glück baju trůnichte, einen jorden Reichthum an weiblicher Auszeichnung zu besigen. Auf die zweite Bekannts machung aber ging man wird es faum für möglich halten!

nicht eine einzige Meldung ein. Ja, ich versuchte es seitdem noch mehreremal, indem ich dieselbe Annonce von neuem in die Zeitungen einrücken ließ, aber immer blieb der Erfolg derselbe."

Nummern. PränumerationsPreis 22 gr. (Thir.) vierteljährlich, 3 Thir. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 148.

Magazin.

für die

Beiblatt der Aug. Pr. StaatsZeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobüöbl. Poft - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 11. Dezember

England.

Die heutige und die frühere Englische Roman - Literatur. Bei Gelegenheit des Jack Sheppard, von Ainsworth.

Jede Zeit von einiger Bedeutung hat ihre Zeichen, an welchen der Beobachter die Zukunft zu erkennen vermag. Doch nehmen fich so Wenige die Mühe, die Zukunft in der Gegenwart zu lesen, daß die stärksten Zeichen oft von den Zeitgenossen unbeachtet blies ben; nur wenn Ereignisse die Philosophie bestätigten, wurde die Schrift an der Wand deutlich lesbar. Von diesen Zeichen ist die Literatur des Tages eines der bedeutsameren. Welches Kind weiß jeßt nicht die Bedeutung und Tendenz der Literatur des 18ten Jahrhunderts, welcher Journalist sieht nicht die ganze Französische Revolution in Beaumarchais' Figaro angedeutet und ausgesprochen? Doch ehe diese Zeichen sich erfüllten, waren der Daniele, die da auslegen konnten, was seitdem so allgemein verständlich gewor den, nur wenige, deren Keiner sich Gehör verschaffen konnte, felbst bei den Parteien, denen am meisten daran liegen mußte, das Unglück abzuwenden.

Daß die herrschende Literatur Englands in unseren Tagen, obgleich fie weniger Ausgezeichnetes aufzuweisen bat, ebenfalls ein Exponent für die künftige Dents und Handlungsweise der Nation ist, bezweifeln wir nicht, und sollte Jemand aus einem fernen Lande nach England kommen, so wissen wir nicht, wo er mehr in die Schwächen des National: Charakters eingeweiht würde, als in den Kolumnen der Englischen Bücher: Annoncen. Besonders belehrend aber sind die Bücher, die nur zur Unters haltung geschrieben werden, und mag man nun diese Unterhals tung in bigotter Theologie oder in fashionabeln Novellen, in parlamentarischen Slizzen oder in Annalen von Newgate, in den Darstellungen Brougham's oder Ainsworth's suchen: wir betrachten solche Werke mehr als Symptome dessen, was das Publikum thut und denkt, denn als einfache Erscheinungen, die ihren Werth für sich beflgen. Dieses Verhältniß zwischen Schrift Rellern und Publikum ist wahrscheinlich ein allgemeines, das in allen Zeiten und Ländern wiederkehrt; aber nie trat es fo hervor, als in unserer Zeit, wo die Schriftsteller sich nach dem Geschmack der Leser richten, statt diese nach dem ihrigen zu bilden, und wo man sich mehr bemüht, der Mittelmäßigkeit des laufenden Publikums zu Gefallen zu schreiben, als man früher danach strebte, sich von seiner Zeit zu unterscheiden. Wenn man nach diesem Kriterium urtheilt, ist das Resultat nicht im Mindesten befremdend, und ein plößlicher starler Fall des Barometers kann uns nicht sicherer den kommenden Orkan andeuten, als der Erfolg gewiffer Werke vom niedrigsten geistigen Kaliber als Vorbote politischer und focialer Stürme erscheinen muß, mögen auch die fich fammeinden Wolken noch unter dem Horizont fenn und fein Windstoß oder wirbelndes Stroh ihre Nähe anlündigen. Sehen wir von einigen rein wissenschaftlichen Werken und den dann und wann erscheinenden Tagebüchern unternehmender Reisenden ab: wie sparsam sind die Zeichen einer wahrhaften Fortentwicke lung des Geistes, wie zahlreich die seines Rückschrius! Was diefer literarischen Richtigkeit noch mehr Bedeutung giebt, ist das Bewußtsenn, daß dieselbe nur die Intelligens des jahlenden Publikums reprdfentirt, die Thatsache, daß, wahrend die Klaffen, die fich am behaglichsten fühlen, fich mit den trivialsten, nichtsnusigsten Dingen abgeben, die unter ihnen stehenden, uns fábig jeder Lektüre und durch die bloße Macht der Verhältnisse erjogen, die viel aufregender ist, als die der Worte, über die elementaren Prinzipien des gesellschaftlichen Daseyns bråten und voll von den Leidenschaften sind, welche die erste Erkenntniß der robesten Wahrheiten unvermeidlich begleiten.

Da ist auch so ein Buch erschienen, das zu der bezeichneten Klaffe gehört, Jad Sheppard, von Harrison Ainsworth, ein Buch, das, an sich nicht bedeutender als alle übrige, der Bes fprechung nicht werth ware, wenn es nicht eben eine ganze Rich tung verirdie. Jad Sheppard ist ein schlechtes Buch, und, was noch schlimmer ift, es gehört zu den schlechten Büchern, die für ein schlechtes Publikum gemacht sind. Wenn wir unseren Lesern Das Buch selbst in die hande geben könnten, so mare es der fürgefte Weg, unsere Ansicht von seinem Inhalt zu begründen, daß wir ihnen die Kupferstiche, die damit verbunden sind, seigs ten. In diesen Kupfern ist die gange Gemeinheit und Widrig

1839.

keit des Stoffs zur Anschauung gebracht, die ganze unnatürliche Aufregung, deren es bedarf, um das Intereffe eines Publikums mach zu erhalten, das für Humor zu zimperlich und für wahren Pathos zu blasirt ist. Die Kupferstiche sind in der That ein Ers traft des Gedruckten, und sie scheinen zu dem Buch in demselben Verhältniß zu stehen, wie eine prachtvolle Decoration zu einem Melodrama, wobei es zweifelhaft bleibt, ob die Kupfer für das Buch gestochen wurden, oder das Buch zur Erläuterung der Kupfer geschrieben ward.

Da wir jedoch nicht darauf rechnen können, daß unsere Leser dieje Bilder selbst zur Hand haben, so massen wir ihnen schon jagen, daß Jack Sheppard ein berüchtigter Einbrecher des vorigen Jahrhunderts war, und daß die Geschichte seines Lebens die Ges schichte der gemeinen und ekelhaften Schändlichkeiten ist, die mit feinem Gewerbe verbunden sind. Um aber nicht durch eine ends lose Wiederholung von Abenteuern, deren eines dem anderen gleich ist, langweilig zu werden und feinen trockenen Auszug aus dem Newgates Kalender und den Zeitungen des Tages au geben, hat der Verfasser den Helden in eine melodramatische Geschichte von unwahrscheinlichen Verbrechen verwickelt, wobei er auch mit Personen von höherem' Rang in Verbindung ges bracht und mit guten Eigenschaften ausgestattet wird, die mit feinem Charakter und seiner Lage unvertraglich sind. Verbrechen ift die einzige Quelle jeder interessanten Situation, und der einzige Beweis dafür, daß die mitspielenden Personen Verstand besigen, besteht in der Leichtigkeit, mit der sie ihn verlieren. Zur Fabris sirung solcher Werke gehört weiter nichts, als ein Bischen dußere Technik; Erfindung und Interesse brauchen nicht weit gesucht zu werden. Die Charaktere, Handlungen, Gedanken und Ausdrücke find alle von der niedrigsten und einfarbigsten Art. Es kommt hier nicht auf den Menschen, auf die Natur, sondern nur auf die Veranstaltung beider, nicht auf allgemein menschliche, sondern auf ganz spezielle Ausnahms Verhältnisse an. Hier Gefühl oder Humor einzustreuen, wdre nicht bloß Zeitverschwendung, sondern eine Täuschung für den Leser. Solche Dinge waren hier ganz am unrechten Drt: es hieße; einen Gedanken an die Stelle eines Bildes seßen, und die ganze Wirkung, auf die es ankommt, würde zerstört werden. Das ist die feftüre, die das lesende Publikum des 19ten Jahrhunderts sucht und bekommt!

Der wahre Held des Buches ist nicht Jack Sheppard, fons dern Jonathan Wild, und dieser Name bringt uns natürlich auf eine Vergleichung zwischen dem vorliegenden Werke und der ergög lichen Burleske von Fielding; denn in dem Unterschiede zwischen diesen beiden Produkten liegt der ganze Zwiespalt zwischen uns und den Bewunderern der neuen Schule. Man hat von Dickens' Schriften gesagt, ihre Popularitɗt sen weiter nichts, als eine natürliche Reaction der öffentlichen Meinung gegen die Herrschaft der sogenannten Exklusiven: das Publikum, der Schalteit und Langweiligkeit der fashionabeln Romane überdrüffig, wende ich. mit krankhaftem Hunger nach starker Aufregung zu den schmußigen Sitten und Verbrechen des niedrigen Lebens. Doch glauben wir cher, daß der herrschende Geschmack seine Quelle hat in der Uns fähigkeit, mit dem Erhabenen und Edlen zu sympathifiren.

Indem wir so Herrn Dickens' Namen hier zur Sprache bringen, find wir weit entfernt, ihn mit seinen Nachahmern gleichzustellen oder seine Werke mit den,,Fabrik Knaben" (von Mistres Trollope) und den,,Jack Sheppards", die außerlich ihnen fo ahnlich find, in eine Kategorie su feßen. Wenn Bos das Laster schildert und die eigenthümliche Verworfenheit, welche die Armuth dem menschlichen Charakter unter der Herrschaft einer mangelhaften Civilisation aufdrückt, hat er fortwährend ein mos ralisches Ziel vor Augen, und indem er das Scheußlichste und Abstoßendste darstellt, sucht er die besten Gefühle unserer Natur zu wecken und die Aufmerksamkeit feiner Leser auf das zu richten, was unter der Oberfläche verborgen liegt. In dieser Hinsicht nähert er sich feinen großen Vorgängern Fielding und Gan; denn wiewohl sein Weg ein anderer ist, so ist doch das Ziel daffelbe, und statt den Geißt eines verständigen Lesers au veruns reinigen, macht ihn die Lektüre seiner Geschichte weiser und beffer. Aber gerade diesen Vorzug werden Bos' Leser, so fürchten wir, am meisten åbersehen, und wir sind überzeugt, daß es nicht so wohl dieser moralische Gehalt ist, der feinen Schriften Abfag verschafft hat, als der scharfe Geschmack des Mediums, worein er die Bitterkeit derfelben gekleider

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Blickt man auf die Newgate Scenen Fielding's und Gay's surück (und wir sind überzeugt, unsere Leser werden uns Dank wissen, daß wir sie ihnen ins Gedächtniß rufen), so erinnert man sich vor Allem des edlen Zweckes, für den dieselben geschrieben And, der Kahnheit, womit die Verfasser der Gesellschaft ihre Larve abgerissen und die Schalheit jener conventionellen Formen aufges seigt haben, welche die Laster und Lügen des fashiondbeln Lebens verhüllen. Wir denken im Lesen nicht an Macheat und Wild, sons dern an die politischen und gesellschaftlichen Gauner, welche in den vordersten Reihen dieser großen Maskerade,,,der Welt", figuriren. Fielding hat sich hierüber ausgesprochen, und was er fagt, past eben so gut auf Gay's Schriften als auf seine eigenen. Ohne in News gate's Bevölkerung", sagt er,,,nur die menschliche Natur mit abges legter Maske zu sehen, was einige schamlose Schriftsteller gethan haben, glauben wir doch Recht zu haben, wenn wir fürchten, daß die glänzenden Paláste der Großen nichts Anderes find, als Newgate in der Maske, und ich kenne Nichis, was einen rechischaffenen Mann mehr erbittern kann, als zu sehen, wie das, was in dem einen Drt mit allem erfinnlichen Elend und mit der größten Schande bestraft wird, an dem anderen in Lurus und Ehren lebt." Wir sehen, wir haben es hier mit Wahrheiten zu thun, welche das weiteste und edelste Feld umfassen, mit Wahrheiten, welche die höchten Fähigkeiten unserer Natur in Anspruch nehmen und die uns fortwährend über den Schmuß der dargestellten Bilder erhe ben, um den Geist mit der tiefen Moral, die jene Bilder reprds fentiren, zu beschäftigen: je schmußiger und häßlicher die Dinge ausschen, desto reicher ist die Fülle von Satire und Moral, die daraus ju schöpfen ist. Vielleicht ist in der ganzen,,Bettler: Oper" feine Scene lehrreicher, als die, welche, wegen ihrer Ver Röße gegen die Prüderie, jest nicht mehr dargestellt wird.

Wenn aber die Tendenz dieser Werke edel ist und die hand des Meisters erfordert, ist es nicht weniger der Wig und Humor, womit die Haupt- Jdee in der Ausführung behandelt ist. Die ,,Bettleroper" ist voll von Sarkasmen und Epigrammen von Ans fang bis Ende, so daß die Aufmerksamkeit weniger auf die Vors gange, die uns vor Augen geführt werden, als auf den Sinn, der in Allem liegt, gerichtet ist. Auch die Geschichte Jonathan Wild's zieht die gebildetsten Leser an, durch die Feinheit ihrer Bes merkungen über die menschliche Natur und durch die belustigende Art, wie dieselben auf die Umstände angewender werden. Schrif ten dieser Art stehen zwar immer über dem gewöhnlichen Niveau des Publikums, aber sie haben die Tendens, die Leser geistig und moralisch zu erheben, und die Popularität, die sie genossen, zeigt, daß sie nicht ganz ohne Einfluß waren.

Wenn folche Werke Erfolg finden sollen, so muß im Publis Pum nicht bloß ein gesundes moralisches Gefühl herrschen, das die allgemein anerkannten Wahrheiten: ohre Scheu aussprechen hört, ein gesundes Gewissen, welches den Schers vertragen kann, wo der Schers nur eine bessere Manier ist, derbe Wahrheiten zu fagen, sondern das Publikum muß auch gewohnt seyn, sich mit höheren moralischen Speculationen zu beschäftigen, es muß die menschliche Natur und die Gesellschaft gern von einem höheren Standpunkt aus betrachten. Ohne eine gewise Freiheit des Auss drucks kann die Hcßlichkeit des Lasters nicht so dargestellt werden, daß der scherzhafte Gegensaß zwischen dem Buchstaben der Er, zahlung und der Ironie, deren Medium sie ist, recht lebendig hers vortritt: ohne rasche und geübte Auffassungskraft beim Leser, ohne eine vertraute Bekanntschaft desselben mit dem Edlen und Schö nen geht die Ironie verloren, der Geist bleibt unbeachtet, die ,,Bettleroper" wird zu einem,,Tom und Jerry“ und Jonathan Wild ein zweiter Jack Sheppard.

Woher die Veränderung, die über den Geist unserer Zeit ge tommen ist und die das Erscheinen solcher Werke zu einem lite: rarischen Wirakel macht? Die eigenthümliche Literatur einer jeden Beit entspringt aus den Bedingungen ihrer Civilisation. Fragt man nun nach den charakteristischen Kennzeichen der Civilisation unserer Tage, so sind dies nach unserer Ansicht: Gleichgültigkeit gegen Alles, was einem im Leben nichts einbringt, ein formeller, conventioneller Ton, eine Scheu, die mit dem Schein der Dinge zufrieden ist und nicht tiefer zu blicken wagt, ein Mißtrauen ges gen Alles, was in That oder Gedanken sich über die allgemeine Moralitat erhebt, eine Verachtung alles dessen, was geistig überein verjährtes Vorurtheil hinausgeht. Zwei leitende Gefühle scheinen die Gesellschaft des neueren England zu beherrschen: Gier nach Reichthum, als dem Mittel, sich die Genůffe dieser Welt zu sichern, und saghafte, niederschlagende Unruhe wegen der Bahn, die zur Seligkeit in der tånftigen Welt führt: zwei Ges fühle, die beide wahre Tugend und wahres Glück unmöglich machen und vielleicht auch mit einer gefunden NationalLiteratur unverträglich find.

Fragen wir nach den Ursachen, die folche Wirkungen erzeu gen, so finden wir: eine gesteigerte Künstlichkeit des gesellschaft: lichen Lebens, ein Abirren von der Natur und, was die Folge davon ist, ein Untergehen aller Individualitäten in Einen ge meinsamen Charakter, der falt, eintönig, oberflächlich und zwar polirt, aber abstoßend und hohl ist. Der harte Kampf um die Erinenz, die Anbdufung der Bevölkerung in große Siddte, die allgemeine Richtung des Geistes auf die Routinen einer schmußigen Indus strie, und das Zuschneiden der Charaktere nach den fleinlichen Beschränkungen komplizirter Gefeße, das sind die Hauptthatsachen, die zu jenem Resultat führen. Während so die Gefühle erstickt werden, ist der Geist in einen engen Kreis von Ideen gebannt, und selbst die Wissenschaft beschränkt sich auf das rein Bosttive.

rein persönlichen, individuellen Nußens zu beschäftigen hat, wo die täglichen Gedanken der Leute auf Geld und Geldeswerth ges richtetet sind, da geht der Phantasie jeder Genuß verloren, weil man feine Muße hat, sie edel zu beschäftigen. Andererseits wird durch diese bestandige Unruhe, den Mangel an aller Freude, bes fonders häuslicher, einen Mangel, der in den Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Existenz seine Quelle hat, das Temperament verjauert und das Herz verdorben, und so nehmen die Menschen entweder zu lasterhaften und brutalen Genüffen ihre Zuflucht, oder zu den Aufregungen des Fanatismus, die nicht zu Liebe und Demuth, sondern zu Kampf, Haß und Selbstverherrlichung füh ren. Wie viel die Verbreitung eines ascerischen streitsüchtigen Pietismus dazu beigetragen, den Ton der Literatur zu verschlims mern, kann man täglich in den Zeitungen lesen. Die Schrifts steller, als Mitglieder der Gesellschaft, theilen ihren Geschmack. Sie hören auf phantafereich zu seyn, nicht bloß, weil das Publis fum nichts davon wissen will, sondern weil die Quellen der Phantasie in ihnen, wie in den Anderen, ausgetrocknet sind. Die der Literatur gegebene Möglichkeit, ohne Kapital zu produziren, hat sie, bei dem überhäuften Zustand der Märkte für alle andere Industrieen, zum Handel gemacht. Das Ziel alles Handels ist, viel und schnell zu produziren, und der Umstand, daß das Bedürf niß nach Büchern zu den Massen herabgestiegen ist, hat eine schlechtere Literatur nicht nur erträglich, sondern sogar wünschens. werth gemacht. Dazu kommt, daß das neue Leben, welches die Frans zösische Revolution in alle Kreise des Geistes brachte, plöglich wieder versiegt ist. Eine wunderbare geistige Aerndte war die Folge jenes Umschwungs: ist da die neu eintretende Armuth des ers schöpften Bodens ein Wunder?

Ohne jedoch die Untersuchung weiter zu führen, können wir behaupten, daß der rashe Verfall der Literatur ein anderer Bes weis dafür ist, daß ihr eine hastige, unregelmäßige Entwickelung der Gesellschaft vorangegangen, und daß die rasche Zunahme des Reichthums und der Bevölkerung in unserer Zeit nicht so unbes dingt ein Glück ist, als es scheint und wie das silberne Zeitalter der Römischen Literatur, so ist dieser Verfall unserer Literatur ein Zeichen für den nahen Untergang unserer National Institus tionen, wenn wir nicht noch Energie genug behalten, um die Gesellschaft im Großen zu restauriren and allen Klassen die ihnen angemessene Stellung wiederzugeber. (The Athenaeum.)

Frankreich.

Das Journalwesen in Frankreich).

I. Janin's Apologie des Journalismus.

(Fortseßung.)

Den Schriftstellern sieht man ja begierig entgegen, wenn fle in den Salon treten, ihren Namen spricht der Lalai, wenn er fle anfündigt, mit einem gewissen Stolze aus. Geben Sie nur Acht, wenn ein Créqui und Chateaubriand zu gleicher Zeit in den Saal treten, und Sie werden sehen, wem sich die Blicke und die Herzen zuwenden. Man melde den Herzog von Monts morency und Balzac, und Alle werden Balzac ansehen. Die Ueberlegenheit des Geistes steht unwiderruflich fest, die herzöge, die Marquis, die Grafen und Vicomte's haben den Schriftstellern weichen müssen, und dennoch lesen Sie Unbesonnene in Gegens wart dieser Adeligen eine Komödie vor, in welcher Ihren Kollegen fo graufam mitgespielt wird. Wahrhaftig, Sie hatten unserer, Sie hatten Ihrer eigenen Würde weniger vergeben sollen. Mögen wir uns immerhin über uns selbst luftig_machen, aber dann wollen wir es auch unter uns thun. Wir können uns herbe Wahrheiten sagen, aber dann sey kein Fremder zugegen. Wer wir auch senen, Dichter oder Journalisten, wir gehören Alle derselben Familie an und follten uns håten, uns den Ablömme lingen der fürstlichen Häuser zur Schau zu stellen, die uns vor hundert Jahren abgewiesen haben würden und die jeßt froh find,, wenn sie zu uns fommen dürfen.

Als endlich Alles so weit war, da öffnete fich die Thur Ihres Zimmers, und ein beifälliges Gemurmel empfing Sie. Wie schön waren Sie am vergangenen Dienstage! Schöner waren Sie nicht, als wir Sie in der Kirche St. Geneviève fahen, und als Sie das alte Italien durchzogen, wo die ältesten Gelehrten Ihre Schönheit in verliebten Sonnetten feierten. Aber ach! wie bald entschwand dieser blendende Schimmer! Als Sie die erste Scene Ihrer Komödie gelesen hatten, da fühlte ich mein Hera erfalien, da fant ich aus dem voetischen Himmel in die Wirklichkeit der täglichen Kämpfe, Verleumdungen, Schmähungen und gebaffigen Anfeindungen zurück. Sie, die begeisterte Dich terin, Atürzen sich in das schreckliche Gemehel der periodischen Preffe! Sie, Delphine, betreten diese schlüpfrigen und schmusigen Pfade! Sie, unglückliche Frau, beschmugen Ihre weißen Hande mit diesem Kothe! Sie, die immer auf den Höhen schweiften, Sie steigen jest unter die Erde; Sie fliehen die Sonne und bes graben ich in einer Kivate! Wie, von dem schönen Berufe des Journalismus, dem Sie sich selbst gewidmet haben, der Ihrem Namen einen neuen Glanz verliehen und Sie in Berührung mit Geistern gebracht hat, denen Sie als Dichterin unbekannt ges blieben waren, fennen Sie weiter nichts als diese jammervollen Armseligkeiten, die Sie uns auftischen? Bie, Sie haben nur die eine Seite sehen wollen, Sie haben das Haupt abgewendet, um das Edle, Lebenskräftige, Allmächtige dieser furchtbaren Er

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