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Kirche und zu Notre Dame de Fourvière, wo ich den Himmel und den Montblanc wiederfand. Wenn man hierher beten ginge, das fönnte ich mohl begreifen, ich meine in freier Luft und vor diefen großen Werken Gottes; wäre dies das Ziel der Wallfahrt, ich würde mich ihr von ganzem Herzen anschließen.

Ich schwankie, ob ich Abends das Theater Gymnaje oder die Oper besuchen sollte, hier gab man. Anna Bolena, dort den: Pied de Mouton; ich zog das Legiere vor, weil ich dachte, daß nur das Mittelmäßige die Mittelmäßigkeit erträglich macht. So unterges ordnet auch dies Theater, war, so herrschte doch Anstand und Ges muthlichkeit unter den Zuschauern; fie lachten aus so vollem Herzen über all die Albernheiten, daß ich mich an ihrer Freude recht ers gößte; das war mein Schauspiel für mich allein. Am nächsten Morgen machte ich mich schon sehr früh nach dem Dampfschiffe auf. Noch strömte das Gas seine Lichtstuthen über die einfamen Straßen aus, und schon war Alles auf der Bräcke und am Quai in regster Bewegung. Hier wäre nun viel zu sehen gewejen, wenn nicht der Mistral, welcher meiner erwartete, um mich nicht mehr zu verlassen, mich in die Kajate gejagt hatte. Die Lejer verlieren dadurch viel an Eigenschafts- und Umstandswörtern, denn das Erwachen einer großen Stadt, vom Fluffe aus bei aufs gehender Sonne betrachtet, bietet reichlichen Stoff für den bes jchreibenden Styl, wenn nicht zu etwas Befferem. Es war mir aber doch unmöglich, mich in meiner Luke ftill zu verhalten; alle Augenblick rief mich etwas aufs Verdeck, bald die Durchfahrt durch eine Hängebrücke, die unser Schornstein, sich zu neigen ges arungen, mit feiner Stirn streifte, wie jene Hochmüthigen, die fich faum merklich verbeugen; bald ein Schloß auf den Höhen, bald ein Dorf, eine Fischerbarke, ein Weinberg oder eine Stadi.

Bei Vienne vorüberfahrend, erschien mir der Dampf sum erftenmal von einer malerischen Seite; seine Wolken, vom Winde launenhaft umbergetrieben, hüllten einen Kirchthurm ein, gaben der Landschaft einen Hintergrund und warfen einige Schatten über unseren herrlichen Himmel.

Die Hügel von Condrieur wetteifern mit denen von La Baur, was Schwierigkeit der Bebauung und Gestalt der Weinberge ans betrifft, welche hier ebenfalls durch terraffenförmiges Gemduer uns terstüßt werden, müssen. Die Ufer der Rhone find es, von denen Lyon die Aprikofen empfängt, welche dort so viel gegeffen werden; hier aber, wie überall, find Obst und Hülsenfrüchte nur der Eri trag des Landvolls, welches fie mit eigenen Händen anbaut, mit eigenen Augen hütet und ohne Mittelsmann verlauft. Die großen Grundbenßer baben in diesem Kultursweig niches stehen als ihre Borschüffe. (Fortseßung folgt.)

England.

Die Temperatur der Inseln Jersey und Guernesey.

Die Inseln Jersey and Guernesey können als Beweis dienen, wie sehr die Intensität der Kälte durch den wohlthätigen Einfluß des Wassers gemildert wird. Ein neuerer Reisender hat daselbst einen Pomeranzenbaum und zwei prächtige Kamelien bewundert, welche ein Blumenliebhaber unter freiem Himmel gezogen hat. Die eine dieser Kamelien ist weiß und hat doppelte Blüthen; sie wurde vor ungefähr 25 Jahren am Fuße einer mit Spalieren versehenen, gegen Südwest gelegenen Mauer gepflanzt; jest ragt fie über die Mauer hinaus, welche 11 Englische Fuß hoch ist. Ihre Ausbreitung beträgt 17 Buf und der Stamm hat 6 vom Boden einen Umfang von 12 Zoll. Die Babi ber jabrlich treibenden Blüthen fann auf 2-3000 berechnet werden, welche um die Mitte Februars anfangen aufzublühen und bis Ende des Mai dauern. Die bunte Stamelie ist feit 15 Jahren gepflanzt und überragt ebenfalls die Mauer; ihre Ausbreitung beträgt 13 Fuß, der Umfang des Stammes 10 Zoll. Diese Kamelie hatte im Jahre 1838 am 24. Dezember ungefähr 40 vollkommen entfaltete Blüthen und unzählige Knospen. Zu dieser Zeit war noch kein Frost eingetreten.

Der Pomeranzenbaum gehört zu der großen sogenannten Sevillanischen Art; auch er ist höher als die erwähnte Mauer; feine Ausbreitung beträgt 14 Fuß, die Dicke seines Stammes 12 Zoll. Dieser schöne Baum war im September 1838 mit Früchten bedeckt, sowohl von diesem wie von dem vorigen Jahre.

Das Erdreich, in welchem diese Gewächse stehen, ist fünft lich aus einem Gemisch von Sand, Heideerde, Dingererde und gewöhnlicher Erde gebildet. Die Quantitat dieser Mischung, mit welcher die Gruben für eine jede dieser Pflanzen gefüllt wurden, mochte ich auf vier oder fünf Schublarren belaufen.

Früher beobachtete der Befißer bei Annäherung des Winters die Vorsicht, die Kamelien mit Matten zu überdecken und eine starke Lage frischen Düngers am Fuße, derselben, auszubreiten, um fie gegen die Kalte zu schüßen. Da er aber bemerkte, daß feine gewöhnlichen Kamelien, welche in Büschen standen, obs gleich fie ohne allen Schuß waren, durchaus nicht von der Kälte litten, so unterließ er diese Vorsicht auch bei den doppelten Kas melien und bedeckte nur die Wurzeln derselben mit einer tüchtigen Lage Mift. Troß dieser Unterlassung haben die Pflanzen bei einer Kalte von 15 Grad feinen Schaden gelitten. Der Pomes ranzenbaum wird nur in den drei Winter Monaten mit Matten

bedeckt, welche forgfältig an den Zweigen befestigt werden; fer ner wird der Stamm desselben, wie die starken Zweige, mit Heu umbullt und eine Lage Mist über die Wurzeln gebreitet.

Es dürfte sehr zweifelhaft seyn, ob in Frankreich Kamelien von dieser Höhe mit so geringer Pflege unter freiem Himmel fortkommen; höchstens dürfte ein solcher Versuch an den Küpen der Bretagne glücklich ausfallen.

Einen anderen Beweis für die Wilde des Klima's auf der
Insel Jersey liefern hundertjährige Feigenbaume, die so dick wie
Nusbaume sind und denen eine Kälte von 17 Graden im Winter
1838 nicht schadete.

Bibliographie.
Aleyphron. Unter diesem Titel hat Thomas Moore, nach langem
Echweigen, wieder einmal ein romantisches Gedicht erscheinen lanen.
Der Dichter der Lalla Rookh behandelt darin mit der Leichtigkeit und
Anmuch der Versification, die ihm so sehr eigenthümlich find, einen
Hegenstand, den er früher bereits unter dem Titel, der,,Evikuraer"
in Prosa bearbeitet und herausgegeben hatte. Ein junger Grieche,
der in die Aegyptischen Mysterien eingeweiht wird, is der Held des
Gedichtes.

Mannigfaltiges:

Der König in Thule. Die neunte Englische Uebers, feßung von Goethe's Fauft ist so eben bei Black und Armstrong in London erschienen. Der Verfasser nennt sich nicht, doch vers sichert er in der Vorrede, viele Jahre lang in Deutschland ges lebt zu haben, und darum glaubt er auch um so eher zu einem vollen Verständnisse des großen Gedichtes gelangt zu seyn. Seine Uebersehung hat das Verdienst, sich Vers für Vers dem Originale anzuschließen, doch ist sie einerseits weder so treu, wie die von Harvey (in Profa), noch so poetisch, wie die von Blackie. Wir theilen hier für Freunde Goethe's und der Englischen Sprache die Ueberfegung von Gretchens Lied: " Es war ein König in Thule" mit:

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There once was a king in Thule,
Loved coustaut to the grave.
To him his mistress truly
When dying a goblet gave.

He prized the gift of his deary!
Twas fill'd at every,,bout",
But his eyes were always teary,
Whenever he drank thereout.

At length, when nigh unto dying.
He told his cities up,

And gave to each heir a tithing,
But to none gave he the cup.

One day as he sat at dinner
Mongst knights of high degree,
In his old ancestral tower
A132 17 That beetles o'er the sea,

Uprose the worthy old toper
And a bumper emptied be!

Then he threw the golden treasure
Far, far into the sea; -

He saw it fall; and a drinking
And sinking far from shore;

The old king's eyes 'gan twinkling -
Not a drop did he drink more!

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Dramatische Symphonieen. Das Beispiel, bas Beethoven in seinen Hirten und Helden Symphonieen gegeben, fängt an, ganz eigenthümliche Früchte zu tragen. Der Französische Komponist, Herr Berlioz, bearbeitet ganze Trauerspiele als Symphonieen und hat in der vorigen Woche eine Romeo und Julia: Symphonie" aufführen lassen, von welcher Jules Janin fagt, fie bilde ein großes Drama voll Leidenschaften und Schrecken aller Art, voll Genie und Beredsamkeit, voll Liebe und Schmerz Ueber weihundert Musiker haben diese Symphonie ausgeführt, die drei volle Stunden gedauert und zu welcher Herr Emil Dess champs die nöthigen Worte geschrieben hat. Nachstehendes ist das Programm der neuen Symphonie:,,Nr. 1. Inftrumentat Eins leitung: Gefechte, farm, Einschreiten des Prinzen. Erster Prolog (kleiner Chor). Contrealts Arie. Fortießung des Prologs; kleines Scherzo für Tenor Solo mit Chor. Schluß des Prologs.. Nr. 2. Romeo allein. Fernes Gerdusch des Balls und Konzerts. Großes Fest bei Capulet. Andante und Allegro fürs Orchester allein. Nr. 3. Capuler's Garten einsam und still; die jungen Capulets kommen vom Feste, Reminiscenzen von der Ballmusik ngend (Chor und Orchester). Julie auf dem Balkon und Romeo im Schatten (Adagio fürs Orchester allein). Nr. 4. Die Fee Mab (Scherzo fürs Orchester allein). Nr. 3. Zweiter Prolog (leiner Chor); Leichenzug Juliens (Chor und Orchester). Fugirter Marich, Stimmen und Juftrumente mit einander abwechselnd. Nr. 6. Romeo am Grabe der Capulets. Erwachen Juliens (Orchester allein). Nr. 7. Finale, gefungen von beiden großen Chören und vom kleinen Chor und dem Pater Lorenzo. Doppelhor der Mons tagues und Capulets. Recitativ, rhythmische Eradhlung und Arie des Pater Lorenzo. Handel der Montagues und Capulets auf dem Kirchhofe. Doppelchor. Invocation des Pater Lorenzo. Versöhnungseid. Dreifacher Chor."

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 145.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Proving so wie im Auslande bei den Wohlsbl. Post - Aemtern,

Literatur des Auslandes.

1839.

China.

Berlin, Mittwech den 4. Dezember

Canton im Jahre 1838. *)

Von Adolph Barrot.

1. Ankunft in Canton.

Während wir, den Sistiang hinansegelnd, der Stadt Kuangs escheusfu uns näherten, begegneten uns mehrere Kriegs: Diconfen und zahlreiche Dichonken der Mauth: Beamten. **) Die ersteren find, je nach dem Range des Offiziers, der sie befchligt, gelb oder rojenroth angestrichen. Ihre Struktur ist vortrefflich, und fie segeln sehr schnell. Diejenigen unter ihnen, welche das Innere des Flusses bewachen, faffen 60 bis 70 Tonnen. Flaggen von jeder Farbe schmücken das Hintertheil des Schiffes und flattern von dem Maste, der außerdem mit vielen Bandstreifen behangen ist. Hoch über den kleinen Flaggen am Schiffs: Schnabel weht die Hauptflagge, auf welcher die Titel des Befehlshabers in großen Charakteren prangen. Ich habe nur wenige Fahrzeuge gesehen, die an dußerer Schönheit mit den Chinesischen Kriegs, Diconken einen Vergleich aushalten; denn man findet nirgends fo lebhafte, brennende Farben, wie in China: alle Gebäude, die uns in die Augen fielen, schienen erst gestern angestrichen zu fenn. An jeder Seite der Fahrzeuge bemerkt man eine Reihe von Schilden, die etwas nach hinten zu geneigt sind und als Brustwehren dienen. Alle Kriegs, Dichonlen, deren ich ansichtig wurde, trugen vier bis sechs Kanonen. Wären diese Fahrzeuge beffer armirt und mit tapferen Artilleristen bemannt, so könnten fie treffliche Dienste thun; so aber find sie höchstens gegen Chines fische Schleichhändler zu gebrauchen, und selbst in einem Kampfe zwischen Dichonken und Contrebandiers bleibt die Kaiserliche Flagge nicht immer Siegerin. Zehn dieser Fahrzeuge würden eine gut ausgerüstete Europäische Goelette schwerlich dahin ver mögen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben.

Die Handelss Dichonken auf dem Siliang haben zwar auch schöne Farben, allein ihre Bauart ist ganz anders. Die meisten meiner Leser werden Abbildungen Chinesischer Dichonken gesehen haben; ihr Hintertheil ist bis zu einer bedeutenden Höhe mit einer Menge Kammern überbaut, und das Vordertheil ist ge spalten, um den Anker hindurch zu lassen. Beide Extremitien ragen manchmal 15 bis 20 Fuß über das Mittel: Gebäude. Die Malereien und Skulpturen an dem Hintertheil müssen ein vaer Monate Arbeit erfordern. Diese Fahrzeuge haben gewöhnlich Drei Masten und an jedem Mate nur Ein Segel aus Matten von ungeheurer Größe. Die Handels-Dichonken bewegen sich langjam vorwärts und find überhaupt nur za Fluß, und Kåstens fahrten gebaut; deffenungeachtet wagt sich jedes Jahr eine An: zahl derselben in die hohe See, um den Philippinischen Inselu, dem Malanischen Archipel und den Häfen Hinters Indiens laufs männische Besuche abzustatten. Sie müssen aber bei ihrem Schleichhandel sehr auf der Hut seyn, da die ungleich schneller segelnden Kriegs:Dschonken ihnen leicht auf dem Nacken sßen.

Am Abend warfen wir dreißig Englische Meilen von Canton Anker. I fonnte vor dem Schreien und Singen der Chinesischen Bootsleute, die beständig an uns vorüber fuhren, die ganze Nacht Tein Auge schließen. Am anderen Morgen tichteten wir die Anfer wieder und erreichten um zehn Uhr die Fluß, Insel Whampoa, das Non plus ultra der Europäischen Schiffe in China.***) Die Böte dürfen zwar bis nach der Hauptstadt rudern, auf welchem Wege sie zahlreichen Visitationen der Mauthichiffe sich unters

Bei den jest in den dortigen Gegenden eingetretenen volitischen Verwickelungen des Britischen und des Chinesischen Interesse möchten diese Skizzen um so willkommener seon. Wie es heißt, hat das Geschwader unter Admiral Maitland Befehl erhalten, den Hafen von Canton zu blokiren und den EngLändern für das von den Chinesen vernichtete Opium vollständige Schadlos: haltung zu verschaffen.

**) Der Sistiang (d. h.,,Strom aus Westen"), im Süden der Haupt: Atadt (bei der sogenannten Bocca Tigris), auch Tschukiang, d. i. Ver tensrom, genannt, entspringt im Alvenlande Yün-nan, bricht fich in vielen Krümmungen einen Weg durch die gebirgigen Binnenlander von Kuang- und Kuangstung und bildet endlich im Süden der Hauptstadt ein gewaltiges Delta von Auen und Strom-Armen, die sich in den Ocean ergießen.

***) Von dieser Insel (der Heimat des Chinesen Fungza-hok in Pots: dam) bis nach der Hauptstadt zählt man ungefähr 12 Englische Meiten. Der Name Whampoa ist eine Englisch Portugiesische Berderbung von Hoang vu, oder im dortigen Dialekte long-pu, d. G. gelber LandungsWlag".

werfen müssen; aber den großen Fahrzeugen ist dies unter feiner Bedingung erlaubt. Die Engländer haben oft den Wunsch ges dusert, daß man ihnen gestatten möchte, auf dieser Insel zu wohnen und ihre Comptoire und Magazine dahin zu verlegen; allein die Chinesische Regierung hat diesem Wunsche nie ein ges neigtes Ohr geliehen; fie glaubt nicht ohne Grund, daß ein solches Zugeständniß den Schleichhandel fördern würde.

Wir hatten schon aus der Ferne den Wald von Masten fremder Schiffe gesehen, die bei Whampoa Station machen, um ihre Fracht auszupacken oder reiche Ladungen an Thee, Seide, Droguen und anderen kostbaren Artikeln zu erwarten, die von Canton kommen sollen. Wir segelten miten durch dieses Ges wimmel and Getümmel, und um acht Uhr des Abends hielt unser Kutter im Angesichte der Riefenstadt, die Chinesich Kuangs tscheu (im dortigen Dialekte Kuong tjau) heißt, der wir aber den barbarischen, bei uns Europäern schon eingerosteten Namen Canton (von Kuangstung oder Kuongtong, was eigents lich nur der Provinz zufomini) lassen wollen. Schon auf dem halben Wege von Whampoa her sahen wir die freundlichen Lands häuser zu beiden Seiten des prächtigen Stroms immer zahlreicher werden, und bald zeigte jedes Ufer eine ununterbrochene Reihe von Gebäuden, die in den lebhaftesten Farben prangten. Hin und wieder erhoben Pagoden und Buddha Klöster ihre mit reichen Skulpturen bedeckten Spiz : Kuppeln. Aber das rege Leben auf dem Strome selbst fesselte unsere Aufmerksamkeit vor Allem; der Wasserspiegel war mit Fahrzeugen von jeder Form und Größe ganz übersdet, so daß unser Schiff immer nur eine Durchfahrt von etwa dreißig Fuß Breite haute; Tausend und aber Laufend Handels Dichenken schaarten sich an der einen Seite zu einer schwimmenden Stadt, in der aus dicken Rauchwolken ein bestáns diges Schreien, Singen und Rufen hervordrang; von einer ans deren Seite her boten uns mächtige Kriegs-Dichonken ihre kohls schwarzen, mit großen, schlecht mentirten Kanonen bewehrten Form, und die zahllosen Laternen der sogenannten Blumen Flanken; etwas weiter ab tummelten sich Frachibste von jeder Böte enthüllten alle Pracht des Innern der Gemdcher, von denen sie überbaut sind.

Der Besuch eines Blumens Bootes ist jedem Europäer streng untersagt. Vergebens spazieren die schönen Bewohnerinnen derselben mit ihrem bekränzten Rabenhaar, ihrem weiß und roth geschminkten Gesichte mit der lang geschweiften Braue, wie man e nur in China sieht, und den winzigen Füßchen, die den sylphens schlanken Körper faum tragen 'fönnen, auf dem Verdeck herum; vergebens begegnea pe dem schmachtenden Blick des Reisenden mit einem anmuthigen Lächeln, oder winken sie ihm zwischen den halb geöffneten seidenen Gardinen. Kannst Du der Versuchung nicht widerstehen, so bist Du ein Kind des Todes; diese Sirenen locken Dich nur, um Dich der geheimen Polizei auszuliefern.

Kurze Zeit vor meiner Ankunft in China hatte ein junger Europäer, der das Chinesische im Dialekte von Canton geläufig sprach, in eines dieser Blumen, Mädchen sich verliebt. Es war ihm gelungen, im Vorüberfahren ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Eines Tages erhielt er von dem reizenden Wesen einen Brief, worin sie ihn mit Ausdrücken glühender Liebe auf den Abend zu sich beschied. Der Jüngling zauderte einen Augenblick; aber im zwanzigsten Jahre ist die Leidenschaft bekanntlich stärker, als die Vernunft. Gegen Abend ruderte er allein in einer fleinen Barke nach dem schwimmenden Zauberschlößchen, auf dem die Sirene wohnte. Die mystische Gardine öffnete sich, und ein Blick voll schwärmerischer Zärtlichkeit beflügelte seinen Muth, an Bord zu kommen. Er stürzt in das Gemach, das nur von Einer Lampe erhellt war; er sieht sich um die Geliebte war verschwunden. Er thut ein paar Schritte vorwärts — da packen ihn mit einems male zwanzig Arme: er wird niedergeworfen, geschlagen und geknebelt. Der unglückliche junge Mann mußte die ganze Nacht unter einem Haufen roher Kerle zubringen, deren Lasterworte ihn um so mehr verlegen mußten, als er ihre Sprache verstand. Am folgenden Morgen beraubte man ihn aller feiner Kleidungsstücke und fesfelte ihn, Rücken gegen Rücken, an eine gleichfalls ents kleidete alte Frau, die faum noch den Gebrauch ihrer Sinne hatte. In diesem Zustande mußte er sich, den Europäischen Fakı toreien gegenüber, so lange auf einem abgedeckten Fahrzeuge herumführen lassen, bis er mit einer Summe von dreis bis vier tgujend Franken losgelduft war.

Sechs kleine Meilen oberhalb Canton fahen wir ein Fort, das seit der Zeit des Britischen Angriffs auf die Bocca, Tigris errichtet worden ist. Dieses Fort hat die Form eines halben Mondes; aber seine Wälle sind nur dazu berechnet, auf den hers annahenden Feind ein wachsames Auge zu haben: passirt ein Schiff die Linie, so sind sie außer Thätigkeit geseßt. Zwei Miles von der Hauptstadt erhebt sich ein anderes kleines Fort. Man zeigte es mir mit dem Bemerken, es heiße die,,Französische Thorheit", ohne mir jedoch den Grund dieser Benennung jagen zu können. Eine kurze Strecke weiter liegt eine dritte kleine, fest demolirte Festung, welche den Titel,,Holländische Thorheit“ führt. Die Hollander, deren Handel mit China früher viel bedeutender war, als heutzutage, waren bei dem Vice König um die Erlaubs niß eingekommen, ein provisorisches Hospital in einem alten vers laffenen Fort bei Canton anzulegen. Die Bitte wurde ihnen großmüthig gewährt; kaum aber saben sie sich in Besige eines Asyls auf Chinesischem Boden, als sie eine Bejagung mit Kanos nen und Kriegs: Bedürfnissen hinein legten. Man entdeckte ihre Verrätherei und jagte sie, wie hergelaufenes Gesindel, aus dem Reiche.

Als wir bei der „Holländischen Thorheit vorüberkamen, ging der Tag eben zu Ende. Die Kriegs-Dichonken schichten der Sonne eine Kanonen/Salve als Sceidegruß nach, und zu gleicher Zeit fliegen aus den übrigen Fahrzeugen Taufende von Raketen empor. Fünf Minuten später förderte uns cin von zwei Frauen gelenktes Ueberfahrts Sect ven der Britischen Faktorei ans Üfer.*) Wir waren in Canton!

Am folgenden Morgen stand ich, trog des rauhen Wetters (es war der 4. Jannuar 1838), in der Frühe auf und verlick mein Absteige Quartier. Der Piaz, den ich zunächst betrai, war an einer Seite vom Ufer begränzt, an der anderen Seite erhoben fich die ausländischen Faktoreien in einer Ausdehnung von unge, fähr 250 Toisen. Die erste Faktorei zur Linken, wenn man dem Flusse den Rücken kehrt, ist die Französischt; ein hoher Mast, von deffen Spize eine dreifarbige Fahne weht, bezeichnet den Aufent halt unseres Residenten. Zur Zeit meines Besuches war Franks reich in China nicht repräsentirt, indem Herr Gernaert, der Französiche Konjut, erst vor wenigen Tagen Canton verlassen hatte. Zunächst der Französischen Flagge bemerkt man die der Vereinigten Staaten; dann kömmt die Britische, und zules: die Holländischt. Uebrigens giebt es noch einen Dänischen Hong (Faktorei), einen Spanischen und mehrere Hongs, die Privat leuten angeboren. Alle diese in Europäischem Stil erbauten Etablissements find fast ohne Ausnahme das Eigenthum der Has niften), die sie den Fremden sehr theuer vermiethen; da der Kaum, welchen die Chinesische Regierung zur Anlegung der Faks toreien bewilligt hat, sehr beschränkt ist, so kann man nur um hohen Preis eine Wohnung erhalten. Einer von den Kommissa, rien der Ostindischen Compagnie, Herr Clarke, war so gütig, mir fein Zimmer anzubieten, und ich fand mich vergleichungsweise fehr gut logirt. Der Abrede gemás, follte ich in der Britischen Faktorei zu Mittag speisen; allein ich erhielt von allen Seiten so viele dringende Einladungen, daß ich nur sehr selten von dieser Vergünstigung Gebrauch machen Ponnte. 3 ergreife mit Vers gnügen diese Gelegenheit, um die herzliche Gastfreundschaft der Englander gegen uns Franzosen zu rühmen; ich fand diese Nas tion in Canton, wie ich sie in Jamaika gefunden hatte, wo ich während eines Aufenthalts von neun Monaten mit zuvorkommen der Höflichkeit überhäuft worden war.

Frankreich.

Einige Tage im südlichen Frankreich.

I. Lyon und Avignon.
(Fortseßung.)

Die Fahrt von Lyen nach Avignon, die nur zwölf Stunden dauert, Poftet 30 Franken in der ersten Kajüte; das ist viel zu theuer. Daher kömmt es denn auch, daß dieser große Gewinn große Konkurrens crzeugt; die Konkurrenz aber verwandelt den Gewinn in Verlust. Es haben sich, wie es heißt, drei neue Ges fellschaften für die Rhone-Ausbeutung gebildet, und der Chef einer derfelben, der Adler Mathieu, rühmt sich, bis zur Quelle des Stromes in 22 Stunden hinauf fliegen zu wollen. So werden denn auch die Lyoner von der Associations: Wuth geplagt, doch Kluger als die Pariser, lassen sie sich nicht auf fabelhafte Specus Latienen ein, die oft nur im Prospektus eristiren; sie spekuliren nur auf die Industrie in der Nahe und Ferne. Man hat indessen auch im Süden trügerische Valuten geschaffen; so gab ein großer Grundbefizer, der bei Montelmart einen sehr konspieligen Kanal besaß, denselben auf Actien und zog daraus 700,000 Franken. Der merkwürdigste Fall der Art ist eine gewisse Eisenbahn, die man in Marseille, Goit weiß wohin, zu bauen beabsichtigte; die Actien waren schon im Umlauf, und noch wußten die Actionaire nichts Raberes darüber; das einzige, worüber sie sich im Klaren befans den, war die Ueberzeugung, daß ihr Glück gemacht sey.

"

liebenswürdig. Es giebt nichts Höflicheres, nichts Mannigfaltis geres, nichts Angenehmeres als ihre Unterhaltung. Ein Ritter der Ehrenlegion besonders sorgte dafür, daß das Gespräch nicht ins Stocken gerieth. Als ich ihn fragte, was wohl das Ergebs niß der Wahlen seyn würde, erwiederte er mit Laune: Es that mir wahrlich herzlich leid, mein Herr, daß ich Ihnen nicht eine ganz sichere Antwort darauf ertheilen kann; jedoch sehe ich vors aus, daß wir mit dem Ministerium wechseln werden, wäre es auch nur der Veränderung wegen. Wir Franzosen sind ein ans spruchsvolles Parterre; wir bezahlen gut, aber wir verlangen auch, daß der Direktor oft fein Repertoir erneuere, sonst zischen wir." Konnte man wohl die wunde Stelle zierlicher verhüllen? Die Hängebrücken folgen eine dicht auf die andere; zwischen Tain und Tournon fuhren wir durch die erste, welche von den Segustern über die Rhone gebaut wurde; der einzige Fehler dieser schönen luftigen Bauten ist die Einförmigkeit, denn das erste Gesez des Malerischen ist Abwechselung, und doch sind die Verhältnisse dieser Brücken sich einander ganz gleich. Uebrigens ist die Reise hier bezaubernd schön und übertrifft an Annehms lichkeiten bei weitem die Dampffahrt auf dem Genfer See, wo die Gegenstände durch die Entfernung so zusammenfließen und so verkleinert werden, daß sie mehr wie Luftgebilde denn wie Wirks lichkeit aussehen und auf die Lange ermüden, gleich einer an uns vorübergleitenden Decoration, die fein Ende nimmt. Hier aber berührt man fast die Gegenstände, man nimmt Theil an den Pleinen Ufer Scenen, man unterscheidet die Gesichter, man höre die Stimmen, und das Alles eilt vorüber und spielt Verstecken mit dem Auge des Reisenden, während sich vom Horizonte ferne Schlösser sanft ablösen und wie unbewegliche Pfeiler dastehen, vor welchen sich die Gemälde des vorderen Planes auf und abs rollen.

Unter der Menge dieser Schlösser verweile ich mit Ehrfurcht vor dem von Cruffol, das, Valence gegenüber, auf pyramidalischen Felsen liegt. Wahrscheinlich ließen die Condors aus Tausend und eine Nacht diese imposante Masse aus den Lüften herabs fallen, denn wie war es sonst möglich, sie hier aufzuthürmen ? Wenn mir die Ehre zu Theil geworden wäre, Marquis von Cruffol zu heißen, so würde ich diese Burg anfaufen, nicht um fie weiß übertünchen zu lassen, wie man thörichterweise gethan, fons dern um ihren Einsturz zu verhindern; nicht um sie zu bewohnen, denn das wäre entseßlich langweilig, wohl aber, um von Zeic Zeit hier das Andenken an meinen Namen und an mein Ge schlecht aufzufrischen; dann würde ich zurückkehren, fast eben so stolz wie ein Liberaler. Stolz gegen Stolz abgewogen, so muß ic ganz ehrlich belennen, daß ich den am besten begreife und am ersten entschuldige, der durch die Geschichte gerechtfertigt wird, der seine Ansprüche auf gutes altes Gestein gründet, welches seine acht bis neun Jahrhunderte zählt. Aus der Basis des Cruffoler Schlosses hat man die Säulen des Justiz Palastes von Lyon genommen. Fast die ganzen Rhone Ufer find mit seltsamen Felsgruppen bes streut, die senkrecht in die Höhe steigen; Tag für Tag, von den Gewässern ausgehöhit und bearbeitet, sehen sie von fern wie Citas dellen, Thurmspißen und Gothische Gewölbe aus. Ich finde überall etwas Gochisches, das muß man sich schon gefallen lassen ÷ follte es selbst nicht da seyn, so denke ich es mir hinzu.

Dort drüben erblicke ich Grignan: eine prächtige Gelegens heit, dem Leser, wie es wohl zu geschehen pflegt, eine Probe von meinen Literaturkenntnissen zu geben; hatte ich nur meinen Sévigné bei der Hand! Zu Tournon paffirt ein großes Kolles gium an uns vorbei, zu Viviers ein großes Seminar, zu Bourg das Fraulein: Stift St. Andéol mit seinen 365 Fenstern. Wird die Zahl der Blicke, die täglich durch jedes dieser Fenster gefender werden, im Durchschnitt gleichfalls auf 365 geschäßt, so bekömme man eine schöne Summe und wird wohl nicht fern von der Wahrheit seyn.

Unter allen Rhone-Brücken ist die von St. Esprit die ältefte, vom Abre dieses Burgfleckens erbaut, der bis dahin St. Saturnin hief. Es ist die einzige, an der ich die Pfeiler von einer Art durchsichtiger Nischen durchbrochen sah, die der Landschaft einen eigenen Reis verleihen und der Brücke ein sehr malerisches Ans sehen geben; sie wären sogar schön, wenn sie nicht aus zwei Theilen bestanden, von denen der eine etwas schrag an den ans deren Adst Die Fahrt durch diese Brücke ist nicht ohne Ges fahren; bei hohem Wasserstande erfordert die Enge der Bogen große Behutsamkeit, um nicht dagegen anzulaufen. Abseits liegt eine ehemalige Moschee, eine Erinnerung daran, daß ein Theil von Frankreich einst den Sarazenen gehörte.

Avignon hat mit feiner anderen Stadt Aehnlichkeit. Es ist das Mutelalter in voller Råstung, in seinem ganzen Wesen, mit feinem Mißtrauen Aller gegen Alle und mit seiner ungaßlichen Herbheit. Seine ausgezackten Mauern find hoch, start und von eritaunlicher Dauerhaftigkeit. Das Dampfboot geht ein ganzes Stück über die Stadt hinaus und lehrt dann, dici an den Quai fich lehnend, wieder um, indem es, wie ein gewandter Polinker, dem Strome sich zu überlasfen scheint, um ihn dann desto besser zu beñegen. Kaum hat es angelegt, fo wird_es_haufenweise von Gesindel überfallen, welches sich auf die Passagiere und ihre Sachen Hurst, wie Diebe unter einander einverstanden ist und sich feine kleinen Dienste fürchterlich bezahlen läßt. Ich nahm mein Logis im Palais-Royal bei einem Juden; er ist der erste Wirth, der mich bis jegt chriftlich behandelt hat. Am nächsten Morgen eilte ich gleich zu der alten Zeit und zu den alten Dingen, bes ** Envas Raberes über diese wird in einem folgenden Artikel gesagt gleitet von einem liebenswürdigen Landsmann, den ich zu treffen Bas Glück hane.»>

Für so ein kurzes Zusammentreffen in einer Postchaise oder auf einem Dampfboote sind unsere Französischen Nachbarn höchst

Diefe Vöre mien die ganze Nacht über erleuchtet seyn, damit etwas wige Boll Defraudationen dem Auge der Polizei nicht entaehen. werden.

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Schöneres, Größeres, Erhabeneres kann es nicht geben, als Der Palaßt der Päpste. Es ist mehr als ein Palast, mehr als eine Veste, es ist ein Sig der Weltherrschaft. Und doch waren diese Avignoner Päpste, die für 20,000 Goldthaler die Stadt gekauft hatten, nur halbe Päpste, ja noch weniger, nur das Drittel davon. Was mußte also ein ganzer Papst erst seyn? Aus diesem Palast hat man eine Kaserne gemacht: schreckliche Entweihung, ich will nicht sagen der Päpste, aber der Geschichte! Hier tanzen, lesen, stugen, spielen, bürsten und flicken ihre Beins kleider jene Französischen Soldaten, die feinsten ihrer Gattung, Die lustigsten und munterften Müßiggånger der Welt, ein Geschlecht, dessen Leben in ewiger Heiterkeit verfließt und das eben so leicht Stirbt wie es lebr. Selbst die Heiligenbilder an den Decken ihrer Päpstlichen Kasernen stimmen sie mehr zu Wizeleien, als zu Frömmigkeit. Zum Cicerone gab man uns die Frau des Schloß, vogis, eine alte aufgerdumie Marketenderin, die diesen Posten feit etwa dreißig Jahren bekleidete und lange Erfahrungen hatte. ,,Na, Kinderchen, immer voran, ich werde Euch herumführen." Wir besuchten zuerst einen der größten Theile des Valastes, der einst auch einer der wichtigsten war, die berühmte Päpstliche Küche, zu der die ganze Welt beisteuerte, bis Luther mit einem Stoß seiner gewaltigen Ferie die Hälfte ihrer Fleischiöpfe ums stürzte. Die Kapelle, obgleich sie im Ganzen sehr gelitten, bes wahrt doch in einem ihrer Winkel noch einige Spuren ihres ehes maligen Glanzes: die Decke ist ein gestirnter Himmel, an welchem Heilige in gelben Halbstiefeln und Persischen Gewändern schwer ben; man sollte glauben, es wären unsere Modeherren beim kleinen Frühstück. Dann kömmt die Rüsikammer, deren Tafels werk_mit_kriegerischen Insignien, Päpstlichen Wappen und doppels ten Schwertern bemalt ist, darüber die Inschrift: ad utrumque parata, das heißt, bereit, das Zeitliche wie das Geistliche zu vers theidigen. Von da stiegen wir nach dem Inquisitionsgefängniß hinauf, dessen Mauern mit tief eingegrabenen Klagen der uns glücklichen Gefangenen ganz bedeckt sind; so viele Seufzer wure den hier dem Steine anvertraut, der sie ewig wiederholt. Mehrere dieser Klagen athmen eine edle, einfache Kühnheit, und man fühlt, daß die Schlachtopfer den Henlern Schrecken einflößen mußten: ,,Selig find, die da hungert und dürfter nach der Gerechtigkeit, dean ste sollen_satt_werden." ,, Si male locutus sum, ostende quid mali dixerim; si bene locutus sum, cur me caedis?" 3Rt dies nicht erhaben? Befundet das nicht, was für Menschen man hier wie Feinde behandelte? Das Herz schwillt einem an, wenn man so ets was liest. Derselbe Kerker war später der Schauplah anderer Grduel, die aber wenigstens nicht im Namen der Religion verübt warden. Als die Septembrisaden auch über Avignon hereinbrachen, warf man dorthinein ihre Opfer, die hier sammt und fonders nieder gemeßelt wurden; durch eine Art von Fallthůr, die zu unseren Füßen sich öffnet und in einen mehrere Stockwerk hohen Thurm binuntergabnt, floffen die Ströme unschuldig vergoffenen Blutes hinab. Noch jest lann man an den Mauern das Rieseln dieser furchtbaren Sandfluth verfolgen; beim Anblick der breiten schwarze rohen Streifen straubt sich uns das Haar auf dem Scheitel. (Schluß folgt.)

Aus dem Leben eines Diplomaten.

Das Leben des Grafen von Hauterive, von dem lärzlich Artaud eine Schilderung gegeben hat, gewährt uns das Bild einer mehr als vierzigjährigen diplomanschen Laufbahn. Der Graf von Hauterive stand allerdings nicht im Vordergrunde des politischen Schauplages, aber er nahm dennoch an den Vers wickelungen einer so ereignißreichen Zeit keinen unbedeutenden Antheil und war den Personen und Begebenheiten nahe genug gerückt, um eine Einsicht in die geheimen Motive, die dem Auge bes bloßen Zuschauers entgehen, zu gewinnen. Es läßt sich das her leicht denken, daß sein Leben ein mehr als persönliches Ins tereffe haben muß, da mit demselben die Geschichte eines bes deurenden Abschnittes der Französischen Diplomatik verknüpft ist, und daß dasselbe reich an werthvollen Aufschlüssen über Personen und Zustande der Revolution und der Kaiserzeit seyn wird. Der Graf von Hauterive war übrigens nicht nur Diplomat und vers stand nicht nur diplomatische Noten und Berichte zu entwerfen, fondern er hatte sich auch die Kunst, zu schreiben und seine Gedanken in eine entsprechende Form zu fleiden, angeeignet. Talleyrand machte ihm sogar einst einen Vorwurf daraus, daß er nur ein Literat sey. Bekanntlich verdiente Talleyrand diefen Vorwurf, wenn man anders die Schriftstellerei für etwas mit dem Berufe eines Diplomaten und Staatsmannes Unvereinbares gelten laffen will, nicht im mindesten und brauchte auch nicht Danach au Rreben, da er die Federn Anderer für sich in Bewes Bung zu seßen wußte. Daher mag man auch in dieser Aeußes rung Talleyrand's mehr den Ausdruck des Neides, den ihm die wohlgeschriebenen Berichte feines Abtheilungs, Chefs verursachten, als einen begründeten Ladel sehen. Ein Blick auf das Leben des Grafen von Hauterive bestätigt sum wenigften nicht, daß ihm bie diplomatischen und politischen Gaben, welche Talleyrand in fo eminentem Grade besaß, durchaus abgingen.

Hauterive wurde der diplomatischen Wirksamkeit im Jahre 1780 durch seine Bekanntschaft mit dem Herzoge von Choiseul Jugeführt. Er war damals Professor am Dratorium zu Tours und erhielt als folcher den Auftrag, den Herzog bei seiner Ans Punft in dieser Stadt, we derfelbe der Bertheilung der Preise

beiwohnen wollte, au befomplimentiren. Die Rede des jungen Profeffors hatte für ibn den günstigsten Erfolg, insofern sie ihm eine Einladung nach Chanteloup verschaffte, wo sich damals in dem Salon des Herzogs von Choiseul die angesehensten Pers fonen versammelten. Damit war der erste Schritt gethan. Als Ludwig XVI. den Grafen von Choiseuls Gouffier, Neffen des Staatsmanns, zum Gesandten in Konstantinopel ernannte, wurde ihm der junge Hautcrive als Gefandischafts Attaché beigegeben. Im Gefolge der Gejandischaft befanden sich ferner der Abbé Delille, der Abbé Le Chevalier, welcher die Stelle des alten Troja auffand, der bekannte Zeichner Caffas und Fauvel, der sich [påter um die Ruinen Athens so verdient machte.

Delille war ein leidenschaftlicher Kaffeefreund. Die Folge davon war, daß er bald nach seiner Ankunft in Konstantinopel von einer Augenentzündung befallen wurde. Hauterive, den der Herzog von Choiseuls Gouffier gebeten haste, sich des Dichters anzunehmen, legte es diesem ans Herz, sich mehrere Monate feines Lieblingsgetränks zu enthalten. Delille schien sich in sein Schicksal zu ergeben, aber der Herzog bemerkte bald, daß er gewöhnlich nach dem Mittagseffen aus Pera entwische und sich in Begleitung eines Janitscharen nach Konstantinopel begebe. Das Augenübel des Dichters verschlimmerte sich dabei alle Tage Hauterive befragte daher mit Hilfe des Dolmetschers den Janits scharen, der am öftersten mit dem Abbé Delille verschwunden war. Dieser machte denn auch kein Hehl daraus, daß derselbe in Stambal die Kaffeehäuser befuche und den Arabischen Nektar genieße. Vergeblich waren aber Hauterive's Aufforderungen, dem Dichter hierin nicht zu Willen zu seyn. Der Janitschar ers Plärte aufs unumwundenste, daß er, troy seiner Berehrung für den Padijchah von Frankreich und dessen Gesandten, diefem Ger bote nicht nachkommen könne. Er beschrieb, wie der Abbé Delille, wenn er mit ihm in der Barke fahre, die Augen zum Himmel aufschlage und die Sonne bei der Hinfahrt, die Sterne bei der Rückkunft anrufe, wie er plöglich aufstehe und laut in einer Sprache rede, die nicht so einfach wie die der Franken sey. Der Türke sah in den Verzückungen des Dichters nichts Anderes als die Aeußerungen eines stillen Wahnsinns, dem er, nach Türkischen Begriffen, nicht widerstreben zu dürfen glaubte. Dieser Zug steint eben so bezeichnend für den Abbé Delille wie für den Türkischen Charakter zu seyn.

Hauterive verweilte hierauf einige Zeit in der Moldau als Secrétair des Hospodars. Bald übermannte ihn indeß die Langes weile, und er bat um die Zurückberufung nach Frankreich. Er tehrte dorthin über Berlin zürück, wo er sich in einem Buchladen mehrere Stunden mit einem Unbekannten unterhielt, der, wie er ipäter erfuhr, der berühmte Mirabeau war. In Paris verheis rathete er sich mit einer reichen Witwe und zog sich auf ein Lands gut feiner Frau zurück, wo er den Ausbruch der Revolution ab wartete. Dort empfing er einen Brief seines Freundes, des Abbé Barthélémy, der vom 18. Mai 1790 datirt ist und welcher, da, er die Stimmung aller gemäßigt Gefiunten ausdrückt, hier einer Play finden mag. Er lautet: „Ich beneide Sie um den Genuß der Natur; ich bin zum Umgange mit der Gesellschaft verdammt, welche jest sehr hart und sehr grausam ist. Ich bin von Un glücklichen umgeben; ich höre nichts als begründete Klagen, als schaudervolle Neuigkeiten, und ich bin schwach genug, um mich von Graßlichkeiten, welche fern von mir begangen werden, rühren. zu lassen. Candide würde jegt schwerlich bei seiner Ueberzeugung verharren fönnen, daß wir in der besten Welt leben. Die starken Geister trösten sich mit dem Gedanken, daß das Schreckliche noth wendig ist. Glauben Sie mir, theurer Freund, das Menschens geschlecht ist ein arger Lump; man muß fern von demselben leben, um es lieben zu können."

Die Septembertage des Jahres 1792 machten auf Hauterive einen schmerzlichen Eindruck. 3h kann nie begreifen", sagt er in seinem Tagebuche,,,daß es, troß der Erinnerung an diese Tage, Menschen giebt, welche weder einfältig, noch schlecht find und die doch an die Volls: Souverainetdt glauben. Man muß nicht wissen, was das Volk und was die Vernunft ist, um diesem Worte einen Sinn unterzulegen."

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Hauterive bekleidete einige Zeit die Stelle des FranzöfifchewKonfuls in New York. Ju Amerika machte er Talleyrand's Bekanntschaft, die nicht ohne Folgen für seine diplomatische Laufbahn blieb. Der ehemalige Bischof von Autun wurde durch. Marie Joseph Chénier's Verwendung von der Liste der Emigrans ten gestrichen und lehrte nach Paris zurück, wo sich unterdes auch Hauterive wieder eingefunden hatte. Er wurde im Jahre 1799 um Abtheilungs Chef der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Im folgenden Jahre veröffentlichte er eine Schrift über ben Zustand Frankreichs am Ende des Jahres VIII. Napoleon bes seigte dem Verfaffer feine Zufriedenheit mit derselben dadurch, das er ihm eine Gratification von 25,000 Francs aus seiner Privaikaffe auszahlen ließ. Als Abtheilungs Chef hatte Hauterive häufig Geslegenheit, den ersten Konsul zu sprechen. Als dieser ihn eines Tages fragte, was die Diplomatie fey, antwortete er, fie sen eine Wissenschaft und eine Kunst und müsse daher gelernt werden.

Nach der Ermordung des Herzogs von Enghien besuchte Hauterive Herrn von Talleyrand und sagte zu diesem mit deil Ausdruck der Entrüftung:,,Man kann nicht länger unter ihm dienen." Der Minister erwiederte darauf in seiner Patten Weise: ,,Wie das? Die Geschäfte bringen es so mit fich.“

Im Jahre 1805 entspann sich eine sehr lebhafte Korrespondens zwischen Talleyrand, der dem Haupts Quartiere des Kaifers in einiger Entfernung folgte und Hauterive, der in Abwesenheit den

Ministers das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten übers nommen hatte. Es dürfte wenige Staatsmänner gegeben haben, welche feltener mit eigener Hand geschrieben haben als Talleyrand. Dennoch, enthält diese Korrespondenz mehr als 200 Briefe von ihm, in denen sich sein Geist und seine Sinnesart auf die verschie denste Weise abspiegelt. Aus dem Haupt Quartiere von Straß burg schreibt er an Hauterive:,,Ich bin überzeugt, daß Sie sich feine Vorstellung von dem machen, was man ein HauptsQuartier nennt; es ist ein Ort, wo man am Tage Niemand auf der Straße begegnet, wo sich Jeder um neun Uhr schlafen legt, wo man keine andere Uniformen, als die der Pompiers sicht, und wo sich vier Palast Damen, eine Kaiserin, drei Beamte des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Maret und ich aufhalten."

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In einem Briefe Talleyrand's, datirt von Austerliz_den_9ten Dezember, findet sich folgende Stelle:,,Welcher Tag für einen Frans zösischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, mein lieber Hauterive; ich habe das Schlachtfeld besucht, auf welchem 1516,000 Todre ausgestreckt sind; von denen, die in den Seen den Tod gefunden haben, spreche ich gar nicht, weil man die Leichname noch nicht herausgefischt hat. Auf dem Raume, den ich durch wandert habe, liegen 2000 todte Pferde. Ndheres über den Waffenstillstand werden Sie aus den Bälletins ersehen.“ - Haus serive antwortete hierauf:,,Sie sprechen vom Schlachtfelde, von den Todten, von den ertrunkenen Soldaten wie ein Zaporos gischer Kosak." In diesem Briefe spricht sich übrigens der ganze Enthusiasmus aus, den die Schlacht bei Auftertiß hervors brachte. Welcher Gegensaß und welche Zauberei!" heißt es in demselben. Welch reichen Stoff der Verwunderung, des Stu diums und der Unterhaltung erhalten wir für das Ende diefes Winters und für das Ende unseres Lebens, wie fern es auch seyn mag. Ich sehne mich nach Ihnen und nicht minder nach völliger Wuße, um den Sachen nachdenken zu können, welche meinen Geist erfüllen und mein Herz begeistern, von denen ich mir Rechen: fchaft geben möchte, und die mich zu dem Bedauern veranlassen, daß ich nicht statt der Feder das Schwert gewählt und den Krieg Studirt habe, die einzige Kunst oder Wissenschaft, wie man will, welche jest noch einen positiven, nüglichen, ehrenvollen und be friedigenden Charakter hat. Man trägt sich hier damit, daß der Kaiser mit dem Hause Desterreich einen für das leste ehrenvollen Frieden abschließen, aber sich in München zum Kaiser des Abends Landes frönen lassen werde." Der Plan, sich zum Kaiser des Abendlandes zu erheben, welchen Napoleon in der Siegestrunkens heit der Schlacht bei Austerlig faßte, ist eine bemerkenswerthe Thatsache, die in Rom erst im Jahre 1807 bekannt wurde.

Im Jahre 1809 wurde Hauterive nach Fontainebleau berufen, wo ihm der Kaiser verschiedene Noten diktirte, welche beweisen follten, daß Pius VII. in feinen Streitigkeiten mit Napoleon der angreifende Theil gewesen sey. Es mag eine Probe der Kaifers lichen Politik in Bezug auf diese Frage hier folgen: Der Payft foll Bischof von Rom bleiben. Wäre zur Zeit des heiligen Petrus bie Lage der Dinge dieselbe gewesen wie jest, so wirde der heilige, Petrus aus dem Innern Galilda's nach Paris gekommen seyn. Was die theologische Erörterung angeht, so nimmt diese der Kaiser auf sich in Betreff der Politik liegt das Recht klar am Lage." Später änderten sich freilich Napoleon's Ansichten, und er hielt die Zurückhaltung des Papstes zu Fontainebleau für eines der laftigsten Hindernisse.

Als Napoleon aus Rußland zurückkehrte, ließ er, kaum in den Tuilericen angekommen, Hauterive zu sich berufen. Nach Austausch der gewöhnlichen Höflichkeitsformeln sagte er zu dies fem: Ich will von jegt-an nur noch ehrliche Leute um mich haben." Doch wir können Hauterive selbst reden lassen:,,Wir gingen in seinem Kabinet auf und ab; er sprach wenig; nicht ans ders ic. Plöglich stand er vor mir still und sagte, indem er seinen. durchdringenden Blick auf mir ruhen ließ: Könnte man denn nicht in das Blut dieses schläfrigen und apathischen Volks etwas Brennstoff schleudern?" Sire"", entgegnete ich,,,,,das geht schon lange fo fort, und wir haben seit einundzwanzig Jahren Krieg. Zwei Ihrer Feldzuge haben mehr Geld und Blut ges Poster, als alle Kriege dieser Zeit, die dennoch in den zwanzig testen Jahrhunderten nicht ihres gleichen finden. Die einunds Awanzig Kriegsjahre sind ein Jahrhundert von Unfällen, Leiden and Todesfällen gewesen, und man möchte endlich ein Ende sehen. Uebrigens haben Sie ja auch den Krieg ruhmvoll geführt und find in alle Hauptstädte Europa's eingezogen. Die Pariser Bürs ger werden sagen: Als der Kaiser Napoleon in Wien und Bers Tin einsog, waren die Einwohner keinesweges in Furcht vor ihm. So lange er sich an beiden Orten aufhielt, gingen sie ihren früheren Beschäftigungen nach; fie arbeiteten, fie aßen, fie schliefen, wie früher. Nicht anders wird es fenn, wenn der Kaiser Alexander in Paris einziehen wird." "Napoleon ließ mich nicht ausreden. Die gewaltsame Bewegung, die sich auf seinem Gesichte malte, belehrte mich, daß ich genug gesagt hatte. Er wendete seine Angen von mir ab und erhob sle zum Himmel. Hierauf stampfte er den Boden mit seinem Fuße und sagte mit dem bittersten Tone: Wenn ich Wien verbrannt hätte. Ich gestche, daß bei dies fen schrecklichen Worten mir das Blut in den Adern erstarrte, und ich habe nie etwas gehört, was einen ähnlichen Eindruck auf mich gemacht hatte. Er erhelte sich indeß bald von dieser heftigen Erschütterung, und dieselbe wirkte långer in mir als in ihm nach." Diese Scene zwischen dem Kaiser, deffen Stern im Erlöschen

war, und dem Diplomaten, gehört zu denjenigen, welche affein das dramatische Genie eines Shakespeare würdig auszumalen im Stande ware. Wie sollte man nicht von dem wilden Drange betroffen werden, der den Kaifer zu der Frage veranlaßte, ob es nicht ein Mittel gabe, Brennstoff in das Blut des Volkes zu schleudern! Als ob dieses Volt nicht genug gegeben häute! Als ob es nicht genug Blut vergoffen, nicht genug Gold gespendet hätte. Frankreich war unter der Last der Eroberungen ermatter und erschöpft; es Alehte den Eroberer um Schonung an. Wie ein Ros, dem der Reiter zu viel zugemuthet hatte, sank es rochelnd unter ihm zusammen, und vergeblich waren alle seine Anftrens gungen, es zu einem neuen Laufe anzustacheln. (L. Q.)

Mannigfaltige 8.

Ein Irlander über Deutschland. Einen der abges schmacktesten Artikel über Deutschland, die jemals in Englischer Sprache geschrieben worden, hat die Revue Brittanique in ihr diesjähriges November Heft übertragen. Das Englische Original dieses ins Französische überseßten Artikels soll angeblich in Franks furt a. M. unter dem Titel „Germany" erschienen seyn und einen Irländer, Namens B. Hawkins, zum Verfasser haben. Unmöglich aber konnte ein solcher Mischmasch von wahren, halbwahren und ganz aus der Luft gegriffenen Nachrichten in Deutschland selbst gedruckt werden, ohne daß der Verfaffer Gelegenheit erhalten hatte, beinahe eben so viele Berichtigungen hinzuzufügen, als er Notizen gegeben hat. In diesem Aufsage werden auf ungefähr 30 Oktavjeiten nichts mehr und nichts weniger, als der Geist der Deutschen Geschichte, ein Bild der geselligen Zustände des Landes, die Politik des Deutschen Bundes und endlich der Handel und die Industrie der Zollvereinstaaten dargelegt und entwickelt. Um einen Begriff davon zu geben, wie man, trog der lebhaften Ges dankens Communication, die jeßt zwischen Deutschland, England und Frankreich besteht, trog Eisenbahnen und Dampfböten, dicht vor den Thoren Deutschlands über dasjenige urtheilt, was in dies sem Lande sich begiebt, wollen wir hier aus einigen der oben ers wähnten Abschnitte ein paar Notizen zum Besten geben, wie sie Herr Hawkins gesammelt und die Revue Brittanique ins Frans zösische überfest hat. Was zunächst die Deutsche Geschichte bes trifft, so wird den Englischen und Französischen Lesern unter Anderem erzählt, daß Luther das Deutsche Volk durch Aufstachei lung seiner Gelüfte (passions brutales) und durch Versprechungen einer Amnestie für alle seine Verbrechen dem neuen Glauben zu ges winnen wußte. Damit in Uebereinstimmung wird denn auch die Res formation als das größte Unglück für Deutschland_dargestellt, welches leßtere in Folge derselben bis auf die neuste Zeit in allen wissenschaftlichen und literarischen Bestrebungen zurückgeblieben sey. Selbst die Präludien von Goethe und Schiller (unter deren Vors gängern auch Fichte genannt wird) seyen ohne Echo im Lande geblieben, und erst die Invasion der Franzosen, oder vielmehr der Beistand der Russen, habe Deutschland au einer Art von politischem Sebfbewußtseyn aufzurütteln vermocht. Vergebens", sagt unser Griander, hatten Schiller, Goethe, Uhland und Körner ihre patriotischen Gefänge ertönen lassen; die Gegenwart der Ruffis schen Armee war viel entscheidender: fie allein war es, die eine allgemeine Erhebung bewirkte." Zu dem geselligen Zustand des Landes übergehend, theilt der Verfasser die Einwohner Deutsch lands in folgende sieben Klassen ein: 1) hoher Adel; 2) ehemais unmittelbarer Reichs Adel; 3) Prälaten; 4) befonderer Ádel jedes Deutschen Landes; 5) tiers-état oder Bürgerstand; 6) Bauern und 7) endlich bloße Einwohner, die nicht die Rechte der Staats; bürger haben. Der Verfasser findet keinen einzigen Deutschen Staat ohne die augenfälligsten Gebrechen, gegen die ihm Alles, was an England und Frankreich auszuseßen ist, als unbedeutend erscheint. Wie richtig er aber in dieser Beziehung urtheilt, ift schon allein aus dem Umstande zu ermessen, daß er von den Preußischen Protestanten sagt, sie suchten, den Katholiken gegenüber, dieselben Grundsäße der Unterdrückung geltend zu machen, die Engs land in dem Zeitraume von 1688 bis 1799 gegen Irland angewandi habe. Der Verf. weiß also nicht einmal, daß vor dem Preußischen Gefeße Protestamen und Katholiken ganz gleich find, und daß es eben nur die von einer ganz anderen Seite her, als von Preußen, aufgegangene Versagung dieser Gleichheit ist, die zu den leßten Differenzen Anlaß gegeben. Er weiß nicht, daß, troß dieser Differenzen, die brüderliche Liebe unter den Bekennern der verschiedenen Konfeffionen, namentlich aber in der Hauptstadt und in den alten Provinzen des Landes, nicht einen Augenblick gestört, und daß selbst bei dem leßten großen Reformationsfeste überall nur mit Liebe der katholischen Brüder gedacht worden. Gleich, wohl erblickt unser Jrländer in dieser angeblichen Feindschaft ein vortreffliches Mittel, Uneinigkeit in den Deutschen Bund zu brin gen und den von Preußen ausgegangenen Zollverband wieder aufzulösen. Hinc illae lacrymae! Und trop solcher Ungereimts heiten nimmt die Revue Brittanique, die früher einmal so vortreffs lich redigirt war, einen Artikel der Art in ihre Bitter auf! In Frankreich sollte man doch endlich gut genug über Deutschland unterrichtet seyn, um nicht alles das auf Treu und Glauben hins zunehmen, was irgend ein Irländer, der weder für sein Wissen noch für feinen Charakter eine Bürgschaft darbietet, über die Zustände dieses Landes drucken läßt.

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