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Es giebt auch in Genua mehrere ausgezeichnete Frauen; so glänzte im vorigen Jahre in den Salons des Französischen General Konsuls die Herzogin von Galliera, Tochter des Mars quis von Brignole, Sardinischen Gesandten in Frankreich. Diese Dame, die den glänzenden weiblichen Namen, welche Frankreich Europa mit Stolz seigt, würdig zur Seite steht, gabe die beste Widerlegung der Verwürfe, die man der vernachlässigten Er ziehung der Italianerinnen machen kann, wenn die ihrige, so umfassend wie die eines Professors der Normal-Schule, nicht das Werk unseres Landes wdre, wo sie von Jugend auf gewesen ist. Man kann noch andere Genuesische Damen vom höchsten Adel nennen, die in der Welt den Rang einnehmen, der ihren Vors zügen wie ihrer Herkunft gebührt. Die Marquise Durazzo, die Herzogin Spinola, die Gräfin von Serra und Andere, die ihre Schönheit auszeichnet, erinnern an die verführerischen Genuese: rinnen, die zur Zeit der Eroberung Genua's durch Ludwig XII. alle seine Hauptleute unterjochten und selbst dem strengen Gatten der Königin Anna von Bretagne eine Maitreffe gaben. Diese großen Damen sind die schönsten Zierden der literarischen und funßlerischen Réunions, die auf der Villa Negroni stattfinden, so oft ein berühmter Fremder, Dichter, Maler, Rufiler, auf seinem Wege nach Genua durch die ungeduldige Gastfreundschaft des Marquis Johann Karl di Negro, eines leidenschaftlichen Liebs habers der schönen Künste, aufgehalten wird. Der Marquis hat in feinem Palais, das durch fieben mit ausländischen Pflanzen überladene Garten Stockwerke merkwürdig ist, Päpste, Kaiser, Könige, Lord Byron und Meyerbeer empfangen. Kurs, die Genuefische Gesellschaft, die weniger fleif und aufgeblasen ist, als die Turiner, ist Französisch durch die Urbanitdt der Form und Italianisch durch den weiblichen Zauber, der sie beherrscht. P. L. Jacob:

West indien.

Die dienende Klaffe in den Kolonieen.

Ein alter trever Diener flößt mir immer eine gewisse Chrs furcht ein. Ein solcher ist in der That eine der seltensten Ers fcheinungen in unferer an Verdnderungen so reichen Zeit. Der Geist der Zeit ist bis in die Küche und in die Bedientenstube ges drungen und hat auch hier die schlummernden Triebe des Ehr. geizes und die Sucht, sich über seinen Stand zu erheben, geweckt, Jum großen Schaden der Anhänglichkeit und der Genügsamkeit, welche den dienenden Stand sonst auszeichneten. Es giebt feine Klaffe der Gesellschaft mehr, welche nicht danach strebte, über ihre natürliche Stellung hinauszugehen. Der Salon in der Küche, der zu Garrick's Zeit für einen Scherz, für eine unmögliche Thor heit gehalten wurde, ist zur Wirklichkeit geworden. Es ist dies eine Thatsache, an die man sich gewöhnt hat, die sich täglich darstellt.

So ungefähr sprach sich,,Blackwood's Magazine" im März beft d. J. aus. Dieses Thema spinnt ein auf Barbados ers fcheinendes Blatt folgendermaßen weiter aus:

,,Auch in der neuen Welt hat der Zeitgeist nichts zur Besses rung der dienenden Klasse beigetragen. Wir können Beispiele der unbedingtesten Ergebenheit und Aufopferung aus der Zeit der Sklaverei anführen. Aber der Fortschritt der Zeit und die Emancipation der Sklaven haben diese Gefühle in den Kolonieen bis auf die leßte Spur vertilgt. Ein treuer Diener ist so selten wie ein weißer Rabe geworden. Dagegen werden die Beispiele der Undankbarkeit und unverschämtheit immer häufiger. Das Schrecklichste dabei ist, daß gerade diejenigen, welchen die beste Behandlung zu Theil geworden ist, am häufigsten der Anhängs lichkeit und Dankbarkeit gegen ihren Herrn ermangeln. Wir fönnen aufs bestimmteste versichern, daß, als vor einiger Zeit ein Herr, deffen Menschlichkeit gegen seine Sklaven fast bis zur Schwäche ging, gefährlich erkrankte, keiner seiner Leute sich von der Stelle rührte, um einen Arzt für den guten Herrn herbei surufen. Man kann nur mit der größten Betrübniß anhören, was die Bewohner der verschiedenen Theile der Insel über die fen Punkt anführen. Wie sehr hat sich der Charakter der Neger gedndert, feitdem ihnen die Wohlthat der Freiheit zu Theil ges worden ist! Trdge Arbeiter fordern einen unerschwinglichen Lohn and thun so gut wie gar nichts, ihn zu verdienen. Man muß einem Neger gute Worte geben, um ihn zur geringsten Arbeit zu bewegen; last man es sich einfallen, ihn wegen einer Nach idifigkeit auszuschelten, so verldßt er die Arbeit ohne Umstände. Die Neger taufen aufs gröblichste die Erwartungen der Freunde dieses unglücklichen Volkes, welche nicht glaubten, daß die Freis heit ihnen zum Deckmantel ihrer Bosheit dienen würde."

Ein Pariser Blatt, der ,,Vert-Vert", stimmt mit lachendem Munde in die Wahrheiten ein, die das sulest erwähnte Blatt auf eine so ernste Weise und im Tone so aufrichtiger Betrübniß zur Sprache gebracht hatte.

"

Seitdem die Philanthropie an der Tagesordnung ift", fagt daffelbe,,,find die Weißen dem Schicksale der Reger verfallen. Auf fenen laftet alles Elend, diese allein And glüdlich. Es ist fest beffer, Sllave als Eigenthümer zu seyn. Ich lenne kein harteres Loos, als das eines weißen Kreolen. Wird ein Vers

brechen begangen, so ist er der Schuldige; kömmt dagegen eine gute Handlung zur öffentlichen Kenntnis, so wird sie sicherlich einem Neger zugeschrieben. Die verhaßten Tyrannen, welche in den philanthropischen Büchern immer mit einer ungeheuren Peitsche abgebildet zu sehen sind, werden in Wirklichkeit von den unschuldigen Schlachtopfern aufs unbarmherzigste gepeinigt, ges mishandelt, geschunden. Wenn man einen Neger kaufte, bezahlte man das Recht, ein schwarzes Geschöpf zu kleiden und zu nähren, sehr theuer. Der Neger that dafür sehr wenig; er schlief, aß, trank und verherrlichte die Dame seiner Gedanken in Liedern. Wenn er Zahnschmerzen hatte, gab man ihm Paraguan - Rour, und wenn er sich in den Finger geschnitten hatte, Englisches Pflaster. Ein Neger kostete tausend Thaler, und der Herr verlor ihn nicht gern. Daher war es auch eine Freude, zu sehen, wie dick und fett die unglücklichen Neger wurden; ihre Wangen färbs ten sich fast roth, und zur Zeit, wo es noch Domherren gab, hätten sie dreist mit den Domherren in die Schranken treten können. Die Pflanzer dagegen, die sich im Schweiße der Neger måsten sollten, waren bleich und mager. Nichtsdestoweniger schrieen die Philanthropen aus voller Kehle, daß es eine Schand, lichkeit wäre, eine Million unserer Mitmenschen so grausam ju martern. Ein hübsches Kompliment für die Weißen. Wir kennen in der That viele Philosophen, die sich sehr unglücklich fühlen würden, diefen Mitmenschen zu gleichen, obgleich die Philosophie sonst im Rufe steht, sehr häßlich zu seyn. Die Sache wurde gans ernsthaft behandelt. Sogar die Reger tamen auf den Ges danken, daß Re eigentlich sehr unglücklich seyen; sie haben erklärt, daß sie bis zu dem Augenblicke, wo man ihnen eine Constitution bewilligen würde, fortfahren würden, nichts zu thun und Bana, nen zu effen. Sie haben sich sämmtlich auf die Zeitungen abon nirt, welche die Sache der Neger führen, und sie bilden Klubs, wo den fleinen Negern Bücher gegen die Kreolen vorgelesen werden. Alle fordern mit lauter Stimme 25,000 Livres Rente und Havannas Zigarren. Gewiß wird es nicht an Philanthropen fehlen, welche darauf antragen werden, diesen Vorschlag in Er wagung zu ziehen. Reisenden, welche sich nach den Antillen be geben, wird der Rath ertheilt, sich schwarz anstreichen zu lassen und fich für Sllaven auszugeben, wenn sie daselbst frei seyn wollen."

Mannigfaltiges.

Strauß und der Holländische Buchhandel. Dr. D. F. Strauß, der Verfasser des Lebens Jesu“, ist weniger in Deutschland selbst, als bei einigen Deutschen Nachbarstammen, ein Gegenstand heftiger Polemik geworden. Die Vorgänge in Zürich, wo die,,Struußen“ ein politischer Beiname geblieben, And allgemein bekannt. Minder publik ist ein Streit geworden, der sich über den Deutschen Schriftsteller in Holland erhoben har. Der Buchhandler J. H. Bolt in Gröningen hatte nämlich das bevorstehende Erscheinen einer Holländischen Ueberseßung des ,,Lebens Jesu" von Strauß angekündigt. Kaum aber hatte man diese Anfändigung gelesen, als in den öffentlichen Blättern eine Anzeige des Dr. Hofstede de Groot, Professors der Theologie in Gröningen, erschien, worin dieser vor der Ueberseßung jenes Deutschen Buches warnte und alle gute Niederländer beschwor, fich der Verbreitung desselben so viel als möglich zu widersehen. Auf den Wunsch des genannten Professors ließen die Vorsteher des Holländischen Buchhändler Vereins seine Warnung auch in das zu Amsterdam erscheinende Buchhändler: Wochenblatt (Nieuwsblad voor den Boekhandel) aufnehmen und begleites ten diefelbe sogar mit einer Aufforderung an sämmtliche ein heimische Buchhändler, keine Unterzeichnungen auf das angekuns digte Werk anzunehmen und dasselbe vielmehr gänzlich zu unters drücken. Dieses Verfahren des Buchhändler- Vorstands fand in Holland vielen Widerspruch. Konnte man es auch allenfalls in der Ordnung finden, daß ein Niederländischer Profeffor der Theo logie es für angemessen hielt, in Bezug auf das Straußsche Werk ein anderes Verfahren zu beobachten, als ein durch seine Frömmigkeit und seinen hohen wissenschaftlichen Standpunkt gleich ausgezeichneter Professor derselben Fakultät in Deatschland, so fand man es doch mindestens auffallend, daß in demjenigen Lande, das in den beiden leßten Jahrhunderten immer der Zufluchtsort der Lehrs und Geistesfreiheit gewesen war, die Buchhandler selbst gegen ein Buch sich verschwören follten, das in Deutschland un gehindert drei Auflagen erlebt hatte. Herr Bolt in Groningen, der durch den Bannstrahl des Buchhändler Vorstandes getroffene Verle ger, fah fich dadurch veranlaßt, an alle feine Kollegen ein gedrucktes Rundschreiben zu erlassen, worin er mit großer Gereiztheit das ganze Ereigniß als etwas Unerhörtes bezeichnete, wie es im Hollan dischen Buchhandel noch niemals vorgekommen sey, und worin er zugleich anzeigte, daß die Holländische Ueberseßung des Straußschen Wertes, als eine Rechtfertigung deffelben gegen die Verkeßerung von Leuten, die es wahrscheinlich niemals gelesen hatten, und als die beste Vertheidigung feiner (des Verlegers) selbst, nächstens vollendet im Druck erscheinen werde. Man ist sehr gespannt auf dasjenige, was nunmehr der Buchhändler Vorstand einerseits und die theologische Kritif in Groningen andererseits zu thun fich veranlaßt finden möchten.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Ersung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 138.

für die

-Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Proving fo wie im Auslande bei den Wohlöbl. Pest « Aemtern,

Literatur des des Auslandes.

Berlin, Montag den 18. November

1839.

Frankreich

Edgar Quinet über das Wesen der Kunft.
Erster Artikel

Was ist der Zweck der Kunst? Antwort: die Schönheit. Eine zu elementarische Lösung der Frage, wird man sagen, bes fonders aber eine zu antike. Versuchen wir indeß, daran festzus halten; vielleicht führt sie uns weiter, als es scheint. Wo ist denn nun eigentlich die Schönheit? Man wird erwiedern: in einer Blume, in einem Sounenstrahl, in dem Lächeln eines Ferbs lichen Geschöpfs. Ganz gewiß, fie ift in allem diesen. Aber sie ist nur unvollständig darin, weil sie überall der Vergänglichkeit unterliegt. Wie, wenn man ftatt dieser Dinge, die einen Tag Leben und nicht länger, statt dieses Lichtes, deffen Glang nur erborgt ist, wenn man statt dessen irgendwo die Blume fande, welche niemals wellt, den Duft, der nie schwindet, das Lächeln, welches nie in Thrdnen sich verwandelt? Nur dann, nicht wahr? würden wir die Schönheit aufgefunden haben, die der Anfang und das Ende aller anderen wäre. Diese Schönheit nun, welche fich mittheilt, ohne sich zu erschöpfen, dieser höchste Glanz ohne Aufgang und ohne Untergang, ohne Jugend und ohne Alter, was anders kann es seyn als das Urbild, welches wir uns von der Vollkommenheit machen, die von nichts übertroffen, verändert oder verdunkelt werden kann, also die Idee, unter der wir uns Gott selbst vorstellen? Darüber hinaus ist nicht zu gehen; der göttliche Geist, er ist das ewige Vorbild, welches unter dieser oder jener Form immerdar jedem Künstler vorschweben wird, der diesen Namen verdient. Oder, mit anderen Worten, die Kunst hat sum Zweck, die unendliche Schönheit in Formen darzustellen, das Unvergängliche im Vorübergehenden zu erfassen, in der Zeit die Ewigkeit zu umarmen, das Unsichtbare durch das Sichtbare abzubilden. Bleiben wir stehen bei diesem Gedanken, und wir werden sehen, welche Lichtstrahlen er, gleich einem Brennpunkte, entfender.

Zuvdrderst bedurfte die Kunft nicht des Menschen, um ins Daseyn zu treten. Ehe noch das Menschengeschlecht auf Erden erschien, war das Weltall schon ein großes Kunstwerk, welches den Ruhm seines Schöpfers verkündete. Mit der werdenden Natur ist auch die Schönheit erstanden und Fleisch geworden. Man glaube doch nicht, daß es vor Homer und Moses keine Gedichte gab, daß Menschenhande die ersten Bildwerke gemacht. Der altese Lempel ist der, den der Schöpfer der Welt gebaut. Und fragi man, welches das erste Gedicht und das erste Gemalde gewesen, so ist die Antwort nicht schwer. Der erste Sonnens aufgang war es, der aus dem Chaos entstieg, das erste Braufen des Meeres, als es mit seinen Gestaden sich vertraut machte, das erfte Erzittern der Wälder, als das unbefleckte Licht ste berührte, das Echo des noch forttönenden Schöpfungswortes. Dies war die erste Poesie, das erste Gemälde, worin das Ewige zur Er fcheinung fam. Noch war fein Volk auf der Welt, und die Idee der Kunst stand schon vollständig da. Das Werk und der Werks meister waren bei einander, und wenn nicht gar zu viel Willkür in folchen Vergleichen lage, so könnte man noch hinzufügen, es fen gewissermaßen schon im voraus ein Bild von der Eintheilung der Künfte dagewesen; in diesem Sinne waren die Gebirgssüge die Baukunft der Natur; die vom Blisstrahl gemeißelten Gipfel und Zacken ihre Skulptur; Schatten und Licht, Tag und Nacht ihre Malerei; das Getöse der ganzen Schöpfung ihre Musik, und der Inbegriff von dem Allen seine Poesie.

Aus dem Vorhergehenden folgt, daß weder die Natur noch die Kunst einander nachgebildet find, sondern beide aus gleichem Urquell herrühren, und dieser ift Gott. Welchen Gegenstand auch die Kunft darstellen will, fie muß ihn gleichsam zum zweitenmale fchaffen. Weder die Baukunft, noch die Skulptur, noch die Mas Lerei liefern eine sllavische Kopie von einem Theile der Erscheis nungswelt. Menschen wieder. Eben so wenig geben sie das Bild eines einzelnen Wo aber ist das Muster, welches sie nach ahmen? Es ist, wie schon gefagt, das Schöne an fich, das Wahre im höchfen Sinn. Man nenne le immerhin nachahmende Künfte, aber man vergeffe nicht, daß e das Emige nachahmen. Hieraus ergiebt fich, daß man die Künstler in zwei verschiedene Familien fondern muß: die Einen, zur Sllaverei geschaffen, los piren die Formen des Weltalls, ohne Zufas, ohne Befchrántung;

die Anderen die Freien und Herrscher ahmen nicht bloß das Antlig und den Körper der Natur nach, sondern ihr Bildungs, verfahren und ihren Geist, um desto besser mit ihr zu wetteifern. Man fragte einst Raphael, wo er das Modell zu seinen Madonnen finde? In einer gewissen Idee", gab er sur Antwort; diese Idee war das Göttliche, welches für seinen Blick durch die irdischen Züge von Perugia's und Foligno's Frauen hindurch leuchtete.

Sollen wir hieraus etwa schließen, daß Kunst und Philos sophie eins und dasselbe seyen? Keinesweges. Die leßtere fann die Formen der Dinge beiseitlassen und braucht sich nur mit den Ideen zu beschäftigen. Der Künstler dagegen muß zwei Welten beherrschen, die wirkliche und die ideelle; er darf weder die eine durch die andere zerstören, noch die eine in die andere auflösen. Beide muß er neben einander bestehen lassen und ihre scheinbaren Widersprüche in Harmonie verwandeln. Dies ist das Wunder, welches er fortwährend zu vollbringen hat; um diesen Preis wird ihm der Ruhm. Nach dem Unendlichen geht sein Streben; aber vor allen Dingen muß er sich genaue Granzen stecken, und zuerst hat er zu lernen, daß seine Macht nur in dem Maße wächst, als er sich selbst beschränkt. Bis hierher und nicht weiter, ist die erste Lehre, die der Schöpfer feinem Geschöpf mitgegeben. Wenn der Künstler, von dieser Nothwendigkeit der Selbstbeschräns Pung durchdrungen, feinen Sinn ausschließlich auf das Endliche richten wollte, o würde er nur Form und Hülle übrig behalten; unter dieser Hülle aber ist das Nichts. Verläßt er dagegen die Wirklichkeit, um sich ganz dem Ideal hinzugeben, so gerdth er ins Bodenlose. Zwischen diesen beiden dußersten Enden liegen eine Menge Abstufungen, welche die verschiedenen Grade des Wahren, des Falschen, des Schlechten und des Schlechtesten bils den. Jedes schöne Werk ist auch durchaus sittlich, weil es den Einklang zwischen der Welt und ihrem Schöpfer ausdrückt. Es beruht auf dem Gleichgewicht der Stoffe, auf dem Plane der Vorsehung, auf den Bedingungen der ewigen Gerechtigkeit, oder vielmehr es ist ein Mikrokosmus, ein Miniaturbild der allge meinen Weltordnung.

Daraus ergiebt sich ferner, daß die Künste nicht, wie man oft sagen hört, nur Gegenstände der Laune und der Phantasie find, sondern daß sie im Gegentheil mehr Wirklichkeit in sich haben, als irgend eine Beschäftigung der Welt. Als Wirklichkeit nämlich muß Alles gelten, was war, als chimärisch Alles, was falsch ist. Für das Positive wird man doch wohl ansehen, was nicht wankt, was nicht untergeht, und in dieser Hinsicht kann es nichts Festeres geben, als das Unsterbliche, nichts Positiveres als das Ewige. Aber das Unsterbliche, dies große Wort, ist es wohl gemacht für das Geschöpf/ Mensch genannt? Ja, es ist für den Menschen gemacht, und dies führt uns zu dem Ziel, nach welchem wir steuerten. Ist es nicht ein erhabener Gedanke, daß dieses ges brechliche Wesen mit seinen gebrechlichen Händen Dinge schafft, die nicht mit ihm dahinsterben, daß es, vielleicht morgen schon unter den Todten, ein Buch zurückläßt, auf ein Stück Baumrinde geschrieben, eine Statue oder, weniger als dies, eine dünne Leins mand, und daß nicht Jahre, nicht Jahrhunderte die Zeilen dieses Buchs auslöschen, daß Reiche vergehen werden neben diesem Piedestal, und daß die Statue unerschütterlich stehen bleiben oder, wenn ihr Umsturz erfolgt, daß die kommenden Geschlechter sie wieder aufrichten werden, und daß diese Leinwand, die ein Windhauch zu zerreißen vermag, ganze Generationen überdauern wird. Woher diese Unvergänglichkeit anders, als weil der Künst ler inmitten aller Eintage Gedanken seiner Mitwelt eine unvers gängliche Idee in sich aufnimmt, die positivte von allen, eine Emanation der Gottheit, die, wie eine unzerstörbare Basis, fein Werk trägt und es hoch über die Verwüstungen der Zeit erhebt. Alles verändert sich, Alles unterliegt, Alles stirbt, nur sie nicht, die, felbst begraben, noch ihre unverwüstliche Schönheit bewahrt, so wie die Mathematik ihre ewig unumstößliche Wahrheit, und die zwar verhüllt oder vergessen eine Zeit lang schlummern, aber nie altern und nie fich verändern fann. Der vorübers gebende Beschauer verschwindet; die Kunst aber, auf das Ewige gegründet, bleibt begeben. Bedarf es der Beispiele? Sie Anden Rich überall! Das alte Griechenland ist zertrümmert, aber die Statue seiner Niobe steht noch heut wie eine trauernde Witwe an einem Grabdenkmal. Das Römische Reich, wo ist es? Im Staube der Römischen Campagna, während die Statue

des sterbenden Gladiators es überlebt und ihren marmornen Lips pen ein Lächeln entschwebt über dies Verschwinden aller Zus schauer des Cirkus.

Selbstgefühl fordert er sogar die unsichtbaren Mächte, die Genien und Ddmonen, zum Wettkampf heraus, und der gähnende Leser des heiligen Buches tann nicht begreifen, daß deffen ganze Autos ritát auf die Unmöglichkeit, auch nur einem einzigen Paraz graphen etwas Gleiches an die Seite zu Rellen, gegründet seyn foll. Es ist allerdings thatsächlich, daß Niemand diesen Fehdes ・ Handschuh des Propheten aufgenommen und einen besseren Kos rau verfaßt hat; und doch behaupteten die Uebelgesinnten, wie wir aus dem Buche selbst erfahren, es sey leine übermenschliche Weisheit darin zu entdecken. Unter Anderem warfen sie auch (wie uns Kapitel 25 lehrt) dem Propheten vor, er bediene sich eines Gehülfen. Dieser Gehülfe war, wie wir aus der Antwort ers sehen, ein Ausländer. Maracci, Prideaux und andere bdswillige Polemiker machen sich diesen Umstand zu Nuße, um dem Prophes ten die Ehre der Originalität zu rauben; allein das Verdienst des Korans liegt ja in seinem Stil und Geiste, nicht in dem Stoffe, den er behandelt; und fein Fremder konnte etwas mehr als den nur eben Eifer, so hatten fie aus dem Koran selbst die befriedigendste Auskunft über diesen Punkt erhalten können; er ist mit lauter Nachahmungen biblischer Tiraden (von der Genesis bis zur Apokalypse) angefüllt; und da Muhams med selbst ganz unbelesen war, so muß er diese Original Stellen durch ndere kennen gelernt haben. Man sagt, daß er zweien in Mekka angesessenen christlichen Handelsleuten, die, wenn sie unbeschäftigt im Freien kauerten, einander aus der Bibel vors lasen, fleißig zuzuhören pflegte.

Gößenbilder studiren, betaften und nachahmen, dieselben wie rohen Storf gewesen, wie ihr falscher amkeit dieser Herren

Wenn die Kunst sich die höchße Schönheit zum Ziel fest, fo muß man auch zugeben, daß selbst bei der größten Verschiedens heit der Zeiten, der Bildung und der Religionen immer daffelbe Ideal über der ganzen Menschheit schwebt. Daraus erklärt es sich, wie das Heidenthum uns durch seine Grundsäße empören kann, und wie es doch ganz und gar durch seine Werke uns bezwingt. Die Gottheiten der Vergangenheit erregen uns Mitleid, ihre Tems pel aber entzücken uns; ein Widerspruch, der noch auffallender wird, wenn man bedenkt, daß die Künstler des Mittelalters, also die frömmsten, gldübigsten und begeisteriften Verehrer der chriftlichen Religion, feinesweges Widerwillen gegen die heidnischen Statuen und Bilder empfanden, sondern dieselben zum Gegenstande ans haltenden Studiums machten. Wie! Christen des 14ten Jahrs hunderts sehen wir in Florenz oder Pisa wiederaufgefundene heilige Werke verehren und ihnen geweihte Stellen im Innersten der Tempel des Unsichtbaren anweisen? Allerdings, denn fie fanden in diesen auserlesenen Formen des Alterthums die verlorenen Strahlen der ewigen Schönheit wieder, nach denen sie selbst bei der Leuchte der Offenbarung suchten. In Ansehung der Wahr heit waren die Griechischen Schulen und die des Mittels alters nur in den Köpfen unserer heutigen Theoretiker mit eins ander im Streit; man sehe vielmehr, durch welche Gefühle sie verbunden, und wie sehr sie unter einander übereinstimmten. Die Griechischen Künstler hatten sich über ihren Kultus erhoben; von den Gipfeln des Heidenthums fahen sie schon das hereins brechende Licht des Christenthums schimmern; inmitten der heids nischen Sinnenwelt waren fie die Boten des Wunders der geisti gen Schönheit. So streckten sie der Zukunft ihren Arm entgegen, so wurden diese Propheten der Civilisation die natürlichen Vers mittler der Völker und der Religionen. Reicht nicht Virgil, der kaum ein Heide zu nennen, Dante'n die Hand? Führt So pholles nicht zu Racine hinüber? Kehren nicht Phidias und Plato unter anderen Namen in Raphael's und Michel Angelo's Werken wieder? Und woher kömmt es, daß ungeachtet der Verschiedenheit von Zeit und Ort, ungeachtet des Kontrastes der Religionen, der Alles trennen zu müssen scheint, dennoch diese Männer, weit entfernt, sich einander auszuschließen, sich abzus stoßen, sich zu verleugnen, vielmehr über die Entfernung der Jahrs hunderte hinweg einander gegeseitig anzichen, rufen und ums armen? Der Grund davon ist angedeutet: fie alle schöpften ihren Glanz aus einer und derselben Quelle des Lichts, ihre besondere Schönheit aus einer und derselben höchsten Schönheit, ihre Dich tungen aus einem und demselben Born der Poefie; in allem Ans deren getrennt and einander feind, waren fie in ein und dasselbe Reich des Unvergänglichen eingedrungen, wo sie sich sẩmmelich als Söhne desselben Vaters fühlten, nämlich deffelben Gottes der Kunß, der Schönheit und der Harmonie.

Asien.

Der Koran.
(Fortseßung.)

Von diesen kunstlosen Ergüssen der Phantasie und des Ger fühls wenden wir uns zu anderen, die mehr an den Verstand gerichtet find. Die Nachbarschaft der Juden und die vielfachen Berührungen beider ursprünglich so nahe verwandten Nationen hatten den Sagenkreis der Araber sehr erweitert. Sie waren mit den althebräischen und rabbinischen Ueberlieferungen von den Patriarchen der Bibel vertraut und glaubten in mancher Katastrophe, die über ihre eigenen mächtigen Stämme hereins brach, ahnliche Beispiele göttlicher Leitung und göttlicher Strafe au sehen. Alles, was Geschichte und Mythe von dem hartnäckigen Unglauben erzählten, womit die Verkündigungen Gottes durch

den Mund seiner Abgefandten genommen wurden, mußte

dem neuen Propheten, der

mehr Glück hatte, als seine Vorganger, bei seinen Predigten trefflich zu Statten kommen. Darum erinnert er fo gern an die Sendungen aller diteren Pros pheten, von Nuh (Noah) bis Ifa (Jesus), und an die Strafen derer, welche diese Gottesmanner verwarfen und von sich wiesen. Indem er seine eigene Lage mit der feiner Vorgänger identifi airte, bemühte er sich, feine Verachter dahin zu bringen, daß fie ihr Schicksal mit demjenigen identifizirten, das alle vor ihnen vergeblich gewarnte Menschen betroffen hatte.

Dies ist sein vornehmstes, aber nicht sein einziges Argus ment. Die Koraifchiten hatten gefragt:,,Wie sollte es zugehen, daß der verwaiste Sohn Abdullah's, den wir vierzig Jahre lang mit Geringfchabung betrachtet, mit einemmale zu unserem Pros pheten würde? Muhammed rang ihnen die Waffe sehr geschickt aus den Handen und schlug fie mit ihrem eigenen Einwand. Gerade", fagte er,,,weil ich so lange Zeit ein anspruchloser Bürger gewefen bin, muß es doch einen außerordentlichen Grund haben, daß ich jezt mit hohen Ansprüchen auftrete. Und wenn ich bisher vor feinem Anderen mich ausgezeichnet: woher Pommt mir jest alle die Seelenfdrke, die ich entwickle?" Sein liebster und am häufigsten wiederholter Grund für die Göttlichkeit des Korans ist die Unnachahmlichkeit desselben. *) In seinem Holzen

Bringt mir eine Sure, wie diese sind, wenn Ihr Recht haben wollt!"

Obschon aber die Klugheit, die Begeisterung und Beharre lichkeit des neuen Propheten seine Sache in gewiffem Betrachte. förderten, so gerieth er doch oft in unangenehme Verlegenheiten, weil man auch Dinge von ihm verlangte, die er mit allen seinen Vorzügen nicht zu leisten fähig war. Jene heiligen Personen, denen er beigezählt seyn wollte, hatten Wunder gewirkt, die den pilantesten Theil ihrer Geschichte ausmachten; und es war also sehr natürlich, daß seine Zuhörer ihn aufforderten, ähnliche Beweise seiner göttlichen Sendung beizubringen. Die hdufigen und mit einander in Widerspruch stehenden Entschuldigungen, zu. denen er in solchen Fällen greift, beurkunden seine Noth und Verlegenheit. Bald deklamirt er über die unerforschlichen Wege Gottes, bis er den Gegenstand der Frage aus dem Gesichte vers liert; bald versichert er den Zudringlichen, sie würden unfähig feyn, das Schreckliche zu ertragen, das sie von ihm begehrtens ein anderes Mal fagt er ihnen, fie seven zu verstockt, als daß selbst ein Wunder fie rühren und umstimmen könnte u. f. w. Seine Gegner saben ihren Vortheil, und der Prediger war nun täglich in den Straßen Mella's von Spöttern umgeben, die feine falbungsvollken Reden unterbrachen und ihm auf árgers liche Weise suredeten, er möchte doch wenigstens eine der furchts baren Weiffagungen, mit denen er fie bedroht, in Erfüllung geben laffen. Ich bin ein Prediger, kein Engel", war die unbefries digende Antwort. Die Rache wird kommen in der von Allab bestimmten Stunde diese Stunde kann Niemand beschleunigen, fo wenig er fie abwenden kann, wenn sie herannaht." Hier Rieß er aber auf neue Schwierigkeiten. Sein unbegrenzter Eifer für die Ehre Gottes bestimmte ihn, die Lehre von der Prddeftis uation in ihrer ganzen Strenge zu predigen; und so traf es fich wohl, daß er seinen Zuhörern nachdem er sie wegen ihres Uns glaubens hart getadelt, unkonsequenter Weise versicherte, Glauben und Unglaubon seyen die unmittelbaren Wirkungen des göttlichen Impulses.

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Die Vorschriften und Verordnungen Muhammed's mögen wohl, da sie aufmerksame und eifrige Hörer vorausseßen, größtentheils von spdterem Datum seyn, als seine Ermahnungen und Warnungen. Man findet fe vorzüglich in Kap. 6, 20, 45, 31, 17, 26, 30, 70 und 42. Kein Europäischer Schriftsteller hat die moralische Versunkenheit der Araber in jener Periode würdig genug beschrieben. Neben ihrer Gefeßlosigkeit und ihren barbas rischen Gewohnheiten, die von der Natur des Landes unzertrenns lich scheinen, huldigten sie dem gröbsten Aberglauben und vers legten die einfachsten Regeln der häuslichen Ehrbarkeit. In jedem wichtigen Lebensverhältniß von abergläubischen Begriffen geleiter, scheinen sie nur, wenn wilde Leidenschaft in ihnen tobte, mit freiem Willen gehandelt zu haben. Muhammed's moralische Uns terweisungen waren ob ihrer Einfalt sehr geeignet, die verwilderten Gemüther seiner Landsleute zu veredeln: außer dem Vers bote, Zinsen zu nehmen, enthalt die Ethik des Korans nur ganz schlichte Prinzipien der Rechtschaffenheit, wie sie der unverdorbene Menschenverstand allgemein anerkennen muß. Muhammed's relis gidse Sagungen waren anfänglich sehr streng; als aber seine Erfahrung zugenommen, und fein Enthusiasmus durch die Oppos sition eine andere Richtung erhalten hatte, modifizirte er diese Sazungen dahin, daß der Gläubige nur drei Mal täglich — in den Morgens und Abenddammerungs Stunden und in der ersten Nachtwache zum Gebete verpflichtet seyn sollte. - Das Mittagss und Nachmittags: Gebet wurden erst nach der Hidschret den übrigen beigefellt.

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Der einzige national religiöse Gebrauch, den er beibehielt, war die jährliche Wallfahrt nach der Kaaba. Man ist über die Beweggrunde, die Muhammed zu Heiligung dieser Sitte bes ftimmten, verschiedener Meinung gewesen. Savary behauptet, der Prophet habe sich dabei von politischen Rücksichten leiten lassen; und allerdings fonnten diese periodischen Zusammenkünfte der in beständigen wietracht lebenden Arabischen Stamme an jenem

und endlicher Eintracht den Weg bahnen. Sale ist der Meis nung, Muhammed fen diesem Gebrauche, als solchem, sogar abs geneigt gewesen, allein er habe sich genöthigt gesehen, feine Neigungen den überwiegenden Vorurtheilen seiner Landsleute zum Opfer zu bringen. Da der Prophet jedoch bei jeder anderen Gelegenheit so ganz von seinem religiösen Gefühle sich leiten last und bei Allem, was sein Gewissen verdammt, nicht im Ges ringsten betheiligt seyn will, so werden wir uns nach einer bes friedigenderen Löfung der Frage umsehen müffen.

Hören wir ihn selbst für fich reden: ,,Wir haben jeder -Selte einen Ort des Opfers angewiesen, wo sie Allah's Namen anrufen und dabei von den Heerden opfern foll, die Allah ihr gegeben hat." Dies ist unstreitig eine Anspielung auf den Tems. pel zu Jerusalem und die drei großen Feste, an welchen jeder mannliche Jude vor dem Herrn erscheinen mußte. Auch die Sage, welche den Bau der Kaaba von Abraham herleitete, gaben diesem Gebäude in seinen Augen eine besondere Heiligkeit. Daß er aber dieser Sage den unbedingtesten Glauben schenkte, ergiebt sich zur Genüge aus seinen Aeußerungen im 2ten und 14ten Kapitel.

Die in den erwähnten Kapiteln am häufigsten wiederholten Ermahnungen beziehen sich auf einen höchst wichtigen Punkt den Umgang seiner Anhänger mit den Ungläubigen. Menschen ohne geistige Kultur stehen mehr unter dem Einflusse des Gefühls als der Vernunft; daher verbot der Prophet den Seinigen, mit Nichtbelehrten Freundschaft zu knüpfen. Der Spott, die scharffte Waffe, die man dem Gefühl entgegenseßen kann, war ganz in den Händen der Gegner, und darum durften sich die Gläubigen in keinen Religionsstreit einlaffen.

Obichon Muhammed während seines zehnjährigen Lehramtes in Melka täglichen Beschimpfungen und Gefahren ausgefeßt war, so versuchte er es doch in jener Periode nie, Böses mit Bösem zu vergelten. Allein der Haß und die barbarische Rohheit seiner Feinde zwangen ihn endlich zu Maßregeln, die unberechenbare welthistorische Folgen hatten. Hamsa's wilde Tapferkeit und Ali's fanatischer Eifer konnten sich bei Langmuth und Resignation nicht zufrieden geben: als ihr geheiligter Verwandter eines Tages mit ungewöhnlicher Frechheit insultirt wurde, nahmen diese Beiden sich die Freiheit, ihn auf eklatante Weise zu rächen. Das Gefühl des Menschen war bei dieser Kollision stärker, als das des Pros pheten. Muhammed ließ den Gewaltstreich ungerugt. Das edle. Paar vertheidigte ihn von jest an überall, wo die Ehre der Fas milie und des Propheten es zu erfordern schien, und der Leßtere mochte bald einsehen, daß seine Eristens ungefährdeter wurde, wenn er so tapfere Kampen immer an seiner Seite hatte. Im 23ften Kapitel finden wir zum ersten Male ein feindseliges Vers fahren fanctionirt; denn da heißt es ausdrücklich:,,Bedient euch jedes Mittels, das zur Abwehrung des Uebels geschickt ist"; und wir brauchen nicht erst zu bemerken, welche weite Auslegung ein foldes Gebot zuläßt. Sobald man die Vorschriften der Langs muth und Duldsamkeit einmal überschritten hatte, führte die ges genseitige Erbitterung nothwendig zu dem entgegengefeßten Ers treme. Die Unbilden, denen Muhammed's erste Bekenner in Metka ausgefeßt gewesen, hatten sie genöthigt, andere Asyle zu fuchen, fie zerstreuten fich über das umliegende Land und verbreis teten überall das Gerücht von des Propheten Heiligkeit. Die ansteckende Natur des Enthusiasmus und die Schönheiten des Korans wirkten auch das Ihrige. Ein König von Aethiopien schickte dem Propheten Geschenke und erklärte sich als seinen Anhänger - ein Gesandter, der einen politischen Auftrag hatte, besuchte aus bloßer Neugier den Mann, von dem er so viel gehört; und schon eine kurze Unterredung mit Muhammed bestimmte ihn, dessen Lehre anzus nehmen, die er nach seiner Rückkehr unter seinen Landsleuten verbreitete. Die ganz andere Gesinnung, welche man außerhalb Mekka's gegen ihn hegte, mußte einen tiefen Eindruck auf den Propheten machen und seinen zehn Jahre lang verhaltenen Groll endlich zur Reife bringen. Die hohe Bestimmung, die er fich verheißen hatte, war ihm jest viel näher gerückt, und er durfte mit größerem Rechte, als jemals, die Hoffnung ndhren, seinem hehren Berufe ganz zu genügen. Nur Wella stand noch, wie ein Fleck, auf dem schönen Gemälde; was Wunder also, wenn er sich sehnte, diesen Fleck su tilgen! Das Interesse seiner Religion hatte sich verändert; so mußte auch die Politik, der er bis dahin gefolgt war, einer neuen Politik weichen. Dazu kamen noch andere Betrachtungen: Ebutalib, der, obschon ein Unglaus biger, sein mächtigster Freund und Beschüßer gewesen, war todt, und die Verwegenheit der Feinde des Propheten hatte verhältniß máßig zugenommen. Auch seine edle Gattin Chadidsché, die ihn oft getröstet und aufgerichtet hatte, lebte nicht mehr, und Muham, med kehrte des Abends aus einer Stadt, die ihn haßte, in eine verödete Wohnung zurück. Der empörte Zustand seines Innern giebt sich besonders aus dem 36ften Kapitel zu erkennen, das vor allen übrigen berechnet scheint, ähnliche Gefühle in seinen Ans hängern zu wecken. In Kapitel 23 hatte der Prophet auf das Schwert hingedeutet; im 42ften ist es schon gezückt; hier zählt er die Rache für erlittene Kränkungen zu den Tugenden eines Glaubigen.

Das schon lange drauende Gewitter entlud sich endlich. Die Koraishiten, der Umtriebe des Propheten müde und bestürzt über die feindlichen Gesinnungen ihrer Nachbarn, beschlossen, diesen querköpfigen Mitbürger aus der Welt zu schaffen, koste es auch, was es wolle. Schon waren sie über die Zeit, den Ort und die Art der Ausführung ihres Vorhabens einig. Muhammed erhielt Kunde davon, sprach die Verse des 22sten Kapitels, welche Wis

derstand gegen Verfolgungen und freiwilliges Exil um des Glau bens willen aur Pflicht machen, und entfloh mit Mühe nach Medina. (Schluß folgt.)

England.

Zwei Englische Damen-Portraits. Bon Bos Dickens.

1. Der Blauftrumpf.

Wenn es eine weibliche Person giebt, die wir nur mit Widerstreben an Hymen's Altar führen würden, so ist es sichers lich der Blaustrumpf. Wir bezeichnen indeß mit dieser Benens nung eigentlich nicht sowohl diejenigen Mitglieder des schönen Geschlechts, welche auf die wissenschaftlichen Zeitschriften abons nirt sind, als vielmehr diejenigen, deren ganzes Leben der Lites ratur gewidmet ist, so daß es ihnen unmöglich ist, ein Wort zu: fagen, welches sich nicht auf den Zustand der Literatur im Baters lande oder im Auslande bezöge. Vorzüglich haben wir dabef auszuseßen, daß der Blaustrumpf meistentheils sehr unwissend ist, und daß diese Unwissenheit für Niemand ein Geheimniß ist, außer für sie selbst.

Wir statteten kürzlich einem Blaustrumpfe einen Besuch ab. Die ersten Worte waren:,,Haben Sie schon das „Magazine" gelesen, wie heißt's doch gleich? Sie sollten es lefen; es wird mit vielem Geiste redigirt und wird ihnen gewiß gefallen." Nachdem wir nun verneinend geantwortet haben und uns eben anschicken, uns nach dem Befinden ihrer Großmutter zu erfundi gen, unterbricht sie uns mit der Frage:,,Wiffen Sie nicht, wie weit Polzikonski mit seinem Russischen Wörterbuche gekommen? ist? Das wird ein vortreffliches Werk werden, wenn es jemals beendigt wird. Ich zweifle indeß noch daran. Denken Sie nur, eine Masse von zwölf Kubikfuß Russischer Wörter? Haben Sie schon die leßte Monatslieferung der Pickwickier? D, der herrliche Pickwick! Wie sehr liebe ich ihn!" Hierauf stürzt sie in ein fleines Zimmer, welches sie ihr Studir, Zimmer nennt und aus welchem wir sie nach einigen Sekunden mit einem kleinen Buche hervortreten sehen, das sie für ein Spanisches ausgiebt. Sie bits tet uns, ihr einen unverständlichen Saß zu erklären. ,,Denken Sie nur", sagt sie dann,,,ich habe erst am Dienstage vor acht Tagen das Spanische angefangen und bin schon bis zur 180ften Seite des Don Quijote gekommen; ich liebe ihn außerordentlich und habe erst im Spanischen die Schönheiten deffelben recht bes wundern lernen." Hierauf lieft fie uns etwas Spanisches vor, aber mit einer so schrecklichen Aussprache, daß wir uns gleich aus dem Staube gemacht haben würden, wenn wir nicht auf einen kleinen Morgenimbiß gehofft hätten. Kaum bat fie einige Seiten gelesen, als fie plößlich zu unserer großen Freude aufhört und sagt: Jeßt habe ich Sie, und Sie sollen mir nicht entge hen. Erinnern Sie sich nicht, daß Sie mir versprochen haben, mein Album mit einem ihrer poetischen Ergüsse zu bereichern? Seßen Sie sich, hier haben Sie eine Feder und Alles, was Sie brauchen. Wie liebenswürdig Sie find! Es stehen Ihnen vier Seiten zu Gebote, aber Sie müssen leserlich schreiben." Find wir also, vom Hunger verzehrt, gezwungen, eine ganze Stunde ohne Aufhören zu schreiben, während die junge Person zuweilen über unsere Schultern guckt, um zu sehen, wie weit wir gekommen find. Unterdeß ist sie beschäftigt, einen Französischen religiösen Schriftsteller in ein so gutes Englisch zu übertragen, als ihr zu Gebote steht.

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So

Nachdem wir endlich mit unserer traurigen Aufgabe zu Stande gekommen sind, schmeicheln wir uns mit der füßen Hoffs nung, einige kleine Pasteten zu essen, aber der unerbittliche Blaus Strumpf zwingt uns, eine Kritik der Verse Milton's anzuhören, welche wir aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben haben und welche sie in ihrer Unwissenheit uns selbst zuschreibt. Sie theilt uns dann mit, daß so eben ein sehr wissenschaftliches Werk bei Murray erschienen ist, über welches wir entzückt seyn werden. ,,Aber", fügt sie hinzu,,,lesen Sie es ja recht aufmerksam; es ist sehr tief. Ich kann Ihnen versichern, daß ich gestern den gans sen Morgen mit der ersten Hälfte zugebracht habe. Es ist darin von nichts als von Dampfmaschinen, Sternen, Hieroglyphen und dergleichen Dingen die Rede; es ist außerordentlich interessant; indeß bin ich nicht der Ansicht des Verfaffers in Betreff der Dampfmaschinen, welche durch Gas getrieben werden." führte uns natürlich auf eine Erörterung des Standes der Wissens fchaft in der Welt im Allgemeinen und in unserer Stadt im Besonderen. Ich weiß kaum, wie lange wir noch über Münzen und Entdeckungen, über Ariost und Chronologen gesprochen haben würden, wenn nicht glücklicherweise die Mutter der jungen Lites. ratur Freundin dazu gekommen wäre, welche der Tochter vors warf, daß sie vergessen habe, für das Mittagessen zu sorgen, worauf diese würdevoll erwiederte, daß sie nicht immer an solche gewöhnliche Dinge denken könne. Die Mutter wurde heftig und fchien nicht übel geneigt, ihre Tochter zu ohrfeigen, als wir es für angemessen hielten, uns zu entfernen.

Das

Dieses Beispiel kann als Muster der ganzen Klaffe der Blaus ftrümpfe dienen, und wir wollen nur noch einige charakteristische Züge hinzufügen, welche immer zutreffen. Geht die wissenschafts liche Dame auf einen Ball, fo befundet sie schon durch ihre zers Pnitterten und schmußigen Handschuhe, wie wenig sie sich aus solchen Vergnügungen macht. Es ist zehn gegen eins zu wetten,

daß sie radikale Ansichten hat, und daß sie keinen Unterschied zwischen einem Bürgerlichen und einem Adeligen macht. geht nur aus, um beim Buchhändler einzusprechen; sie unterhält Rich mit dem Commis auf die vertraulichste Weise, fragt ihn, ob dieses oder jenes Buch erschienen ist, und was er davon balt. Auch in den Lese‹ Kabinetten ist der Blauftrumpf leicht zu ers Pennen, weil sie nur wissenschaftliche Werke liest. Sie kennt immer den Verfasser des Journals Artikels, der einiges Aufsehen macht, aber sie würde ihn um keinen Preis nennen. Es fömmt fo gut wie nie vor, daß fie Verse macht; denn über die Poesie ift fe hinweg; sie sieht ihr die Geschichte, Philosophie und die schönen Künfte vor.

Ferner kann man nur darauf rechnen, bei ihr eine Samms lung Autographen zu finden, so wie drei oder vier alte Münzen, welche file Medaillen nennt und welche sie inbrünftig füßt, wenn Re ihre Schachtel öffnet und dabei erwähnt, daß dieselben einem der Edfaren gehört haben. Vor kurzem hat sie sich auf die National Dekonomie und auf die Geologen gelegt, und sie sagt mit ernster Miene, daß sie Cuvier bewundert.

Findet man bei einer jungen Person zwei oder drei dieser charakteristischen Merkmale, so darf man sie getrost zu den Kans didatinnen des alten Jungfernthums rechnen; denn wenn es junge Personen giebt, wie dies wohl kaum bezweifelt werden kann, welche früher als andere in den Stand der alten Jungfern tres ten, so geht doch der junge Blauftrumpf allen anderen voran und erwirbt diesen Namen schon im dreiundzwanzigsten Jahre, wenn ihre alteren Mitschwestern, die nicht Blaustrümpfe find, noch für jung gelten.

II. Die junge Naturforscherin.

Es trifft sich wohl felten, daß man nicht unter feinen Bes fannten auf eine junge Person dieser Art stößt. Die Insekten find der Gegenstand ihrer Forschungen; da diese nicht ihr zu Ges fallen freiwillig sterben und dieselben nur in todtem Zustande zu gebrauchen find, so folgt wohl daraus, daß sie dieselben tödten mus. Man muß ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß Re menschlich ist, und daß sie ihren Opfern die legten Augenblicke fo füß wie möglich zu machen bemüht ist. Zuweilen durchbohrt fie einen Kafer mit einer glühenden Nadel, jedoch nicht, ohne vorher das Rückgrat abzuldsen, weil dieses der Siß der Empfins dung ist. Andere Insekten, für die sie nicht minder zdrtliche Ge fühle hegt, erfduft sie in einem mit Del gefüllten Löffel, welches, ihrer Ansicht nach, die Eigenschaft hat, augenblicklich zu tödten; dennoch sappeln die Insekten noch fünf Stunden lang mit den Beinen, aber sie belehrt uns, daß die Bewegung der Muskeln einzig und allein die Ursache ist.

Will fle einmal noch barmherziger als gewöhnlich seyn, fo holt fie ein Glas, stellt es auf den Tisch und seht ein halbes Dußend Schwefelhölzer und eine kleine Lampe daneben. Ist man nicht in das Geheimniß eingeweiht, so weiß man nicht, wozu das dienen soll. Bald werden indes drei lebende Schmetterlinge herbeigebracht, der Ertrag ihrer wissenschaftlichen Morgen Erfur fion. Sie legt, einen nach dem anderen behutsam auf ein Blatt Papier unter dem umgestürzten Glase. Wenn sie dieselben in die zweckmäßigste Lage gebracht hat, so zündet sie die Schwefels hölzer an, und das Glas füllt sich mit Schwefeldampf. Die Schmetterlinge flattern in ihrer Todesangst hin und her; das junge Mädchen schaut mit zufriedener Miene ihren vergeblichen Anstrengungen zu und läßt sie eine Stunde in diesem Zustande, während sie selbst einige Kapitel der Bibel lieft. Ist die Stunde abgelaufen und leben die armen Wesen noch, so beginnt die Operation von neuem. Sind die Schmetterlinge endlich gestors ben, so werden sie unter dem Glase hervorgeholt, auf eine Nadel gespießt und wie gepfählte Verbrecher auf eine Reihe von Pfropfen gepflanzt.

Dies ist die Hauptbeschäftigung eines so unschuldigen Lebens; die Botanit und die Mineralogie werden auch hinzugezogen, aber sie sind mehr Nebensache. Die junge Gelehrte bestßt ein Herbarium, welches zwei Klatschrofen, eine Primel und drei Veilchen enthält; sämmtliche Pflanzen find gut getrocknet und von ihr felbft gepflückt. Auch hat sie ein Schubfach, in welchem fich zwei Stücke Kupfers und Roheisens, Glas und Kohle in ibrem ursprünglichen Zustande befinden. Man kann sich keine Vorstellung von den Griechischen und Hebräischen Wörtern machen, welche fie anbringt und die ihr so geldufig wie Englische sind. Was fie aber vor allen übrigen Personen ihres Geschlechts auss zeichnet, ist die Leichtigkeit, mit welcher sie Theorieen aufbaut. Es ist wirklich zum Verwundern! Es leben die Philosophen im Unterrocke! Eine ihrer Lieblings Theorieen ist die Unempfinds lichleit der Thiere, vorzüglich der Insekten. Diese Ueberzeugung mag allerdings ihr Gewissen sehr erleichtern, aber auf den Opfern ihres Systems laftet sie schwer.

Die junge Naturforscherin ist indeß nicht grausam; ganz im Gegentheile. Wir haben gesehen, daß ßle Thränen vergok, als fle ich in den Finger geschnitten hatte. Obschon wir nun ihre Menschlichkeit nicht bezweifeln können, so würden wir doch ans Rehen,afie zu heirathen, weil, wenn wir vor ihr fürben, es sich leicht ereignen könnte, daß fie uns in Spiritus feßen ließe und uns als naturgeschichtliche Merkwürdigkeit ins Britische Museum fciďte, as LuanŽI SIN DUEBA Balde Jungle SYRIE அ5 .3

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Der Kampf um die Sylphide. Der Vorzug, den Mlle. Taglioni den Russen giebt, indem sle nicht bloß im vorigen Jahre Paris gegen St. Petersburg vertauschte, sondern auch in diesem Winter wieder in der nordischen Hauptstadt auftritt, ohne an eine Rückkehr zu ihren Französischen Bewunderern zu denken, hat in Frankreich eben solchen Unmuth und Neid erregt, als ob die Russen etwa in der orientalischen Frage den Sieg über die Franzosen davongetragen hätten. Das Journal des Débats, welches in der haute politique die Rechte Frankreichs gegen das Ausland durch geharnischte Artikel zu vertheidigen pflegt, hats auch in diefer choreographischen Differens den Fehdes Handschuh aufgenommen, und in feinem Feuilleton vom 11. November tritt Jules Janin mit einer förmlichen Kriegserklärung gegen die ans muthige Sylphide hervor. Janin glaubt sich dazu um so mehr berechtigt, weil er es war, der früher durch seine vergötternden Artikel nicht wenig zu den Triumphen der Tanzerin beigetragen; aber eine gewisse Empfindlichkeit und persönliche Gereiztheit ist in feinem jeßigen Angriffe nicht zu verkennen. Gelegenheit zu diesem lieferte die junge Danin, Dlle. Lucilie Grahn, die kürzlich mit außerordentlichem Erfolg in dem Ballet,,die Sylphide" aufges treten, nachdem man in Paris lange Zeit schon daran verzweis felt, diese Vorstellung ohne Marie Taglioni jemals wieder zu fehen. Es ist eigenthümlich, daß gerade die Tanzlunst, die sonst den Franzosen ausschließlich ihre Kränze wand, in unserer Zeit das Germanisch Slandinavische Element su begünstigen scheint; denn auch Mlle. Taglioni ist bekanntlich in Stockholm geboren, und die Europäische Berühmtheit der Deutschen Tanzerinnen Fanny und Therese Elsler erfüllt jest noch alle Englische und Französische Zeitungen. Ob nun aber die Franzosen ein Recht haben, auch gegen Nichts Franzöfinnen so empfindlich zu seyn, wie es Herr Janin gegen Mlle. Taglioni ist, weil sie jest in Petersburg lieber tanzt, als in Paris, ist doch billigermaßen zu bezweifeln. Hören wir, was der Aristarch der Pariser Theater mit einem Hinblick auf die entflohene Sylphide sagt: „Ja, prediger folchen jungen Damen nur immerhin, daß es ihnen an Dankbarkeit und gewissermaßen an kindlicher Liebe gegen das Publikum fehlt, dessen Schoß, und Glückskinder fle waren. Sie lachen Euch mitleidig aus.,,Paris!" fagen fic,,,was ist Paris? Ein gutes altes Männchen, das keinen gefunden Menschenverstand befißt, das sich ruinirt hat, um den Lurus der großen Oper, des Theatre Français, der Italicnischen Bühne und aller Breuer zu bezahlen, auf denen getanzt, gesungen und deklamirt wird. Paris? Ei was! wenn es nicht zufrieden mit uns ist, so möge es dies nur immer sagen; wir sind auch des alten Egoisten schon lang überdrüffig. Er kann sich noch glücklich genug dagen, daß ich, die berühmte Tänzerin, ihm meinen elastis ichen Fuß seige, oder baß ich, die Sängerin, seine Lieblingsmelos dieen vortrage, oder daß ich, die Schauspielerin, die Verse feiner Dichter dellamire! Kommt uns nur mit Eurem Paris; als ob wir nicht auch London und St. Petersburg hatten! Dort, ja dort giebt es noch ein gebildetes Publikum! Dort find noch vors nehme Leute und Kenner, und dort wird das Verdienst nach Gebühr belohnt." Und kaum haben sie das ausgesprochen, husch! sind sie auch besonders wenn sie sich nicht mehr so schön und bewundert fühlen, wie bisher fort, ohne Abschied zu nehmen von ihrem ersten Protektor, fort, um jenen gewöhnlichen Beifall zu årndten, den alle Hauptftdote Europa's, eben so wie ihre Kleider, Bänder und Hüte jedes Monats, direkt aus Paris verschreiben. So machte es auch, nachdem sie allen Enthusiasmus bei uns erschöpft hatte, nachdem sie den Ruhm ich meine jenen Tagesruhm, welcher der trüges rische Rauch der Ruhmesflamme ist in größerem Maße einges drndtet, als zehn Generale und zehn Dichter, so machte es Mile. Taglioni, die, ohne uns Adieu zu sagen, ohne ein Wort darüber zu verlieren, warum sie uns verlasse, mit einemmale nach den Schnees und Eisgefilden Rußlands sich begab. Nicht einmal das Köpfchen wandte fie um, um uns zu sagen: „Ich gehe." Sie entfloh mit dem Ruhme, den wir ihr geliehen, nicht geschenkt hatten. Und die Pariser von St. Petersburg, als sie sie mit der Strahlenkrone ankommen sahen, die wir ihr, anvertraut hatten, wie ein Verschwender wohl seiner jungen Geliebten die alten mütterlichen Diamanten leiht, mit der Bedingung, daß sie nach dem Balle zurückgegeben werden, jubelten ihr entgegen und feiers ten fie und bildeten sich ein, daß sie diesem Pariser Ruhm die Weihe geben könnten, als ob der Ruhm von dort herkdme! Von St. Petersburg ging Mlle. Taglioni nach London, und London machte es nicht St. Petersburg, fondern Paris nach unt ap: plaudirte. Was that indeffen Paris, nachdem fie es solchers gestalt verlassen hatte? Härmte es sich etwa? Verbrannte es die Briefchen und die Locken, die es von der Ungetreuen erhalten hatte? Behüte der Himmel! Unser gestrenger Herr ist nicht so aufbraufend; er ist an diese Art von Liebesauflündigung schon zu sehr gewöhnt, um sich darüber zu grdmen. Was that er also? Er sah sich nach einer Anderen um und und bar endlich fogar auch eine weite Sylphide wiedergefunden." Wer fleht diesen Zeilen nicht den Unmuth gekränkter Eigenliebe an? Herr Paris bat in der That lange suchen müssen, bevor er eine andere Sylphide gefunden, und Welle. Taglioni lann durch das Bekennts nis des Hrn. Janin, fo bitter es auch gemeint iR, sich doch eher geschmeichelt als verlegt fühlen.

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