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Rußlan d.

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Segeliel, oder der Don Quixote des 19ten Jahrhunderts. (Schluß.) .

Secret. Aber die Schrift über die Aufhebung der milden Stiftung scheint eine ganz nichtige Arbeit.

Segeliel. Nichtig? Dieser Auffah ist von der drgsten Abgeschmacktheit und von höllischer Bosheit diktirt! Während ihr Verfasser bei Freudenmahlen schwelgt, werden Tausende von Menschen kein Obdach haben, Taufende von Kindern ohne Ers siehung bleiben, ohne Aufsicht, der Armuth und Verwahrlosung su Opfern!.... Wenigstens eine Woche brauch' ich, um all' die verschmigten Beweise, all' die verfänglichen Berechnungen zu widerlegen, womit der Verfasser seine teuflische Absicht zu um. hüllen verstanden hat.

Secret. Ja, verzeihen Sie, ich verstehe noch nicht recht. -Was haben Sie denn mit dem Allen zu schaffen? Das brauchen Sie ja gar nicht zu verantworten.

Segeliel. Wie so?

-

Secret. Was Sie nicht schreiben, beantworten ja doch Aus dere; folglich sind Sie immer außer Schuld.... Bringe der Doktor die Leute um so können Sie doch dreift sagen:,,Mich trifft keine Schuld!" Willigten Andere in die Aufhebung der milden Stiftung fo fagen Sie wiederum mit Fug und Recht: „Ich habe dabei keine Schuld; Andere haben es ja befohlen!" Bleiben aber bei Ihnen die Sachen liegen, so sind Sie Schuld daran und fein Anderer.

Segeliel. Nun, ich kann doch nicht eine Arbeit abgeben, bevor ich sie vollständig eingesehen habe, wenn sich in ihr Hin dernisse offenbaren, welche früher nicht bekannt waren. Wie fönn ich dies auf mein Gewissen laden?

-

Secret. Ach, Gewissen! Was soll das hier? Hier kommt es nicht auf das Gewissen an, sondern einzig darauf, die Sache rasch aus den Händen loszuwerden. Dies ist's, wodurch ein praktis scher Beamter sich auszeichnet. Hören Sie mich jezt einmal an: Sie dauern mich wahrlich, Sie dauern mich von Herzen

Sie sind ein junger Mann, erst kürzlich in den Dienst getres ten; und wie ich sehe, arbeiten Sie ununterbrochen eifrig, ohne sich zu schonen, ohne Ihre Gesundheit zu bedenken. Sie erwägen jede Sache umständlichst, Sie mühen sich, das Rechte zu bes fchußen. Ja, Sie grübeln auf eine ganz lächerliche Weise, um die Deutlichkeit und Sauberkeit der Schreibart auf's peinlichste besorgt. Nun hören Sie ferner auch den Rath gesunder Er fahrung: Sie qualen sich rein umsonst; ob Sie schlecht oder gut das Papier voll schreiben, das ist ganz gleichgültig, das hilft Ihnen zu gar nichts, das empfiehlt Sie bei Niemanden tommt es nicht an. Man muß nur die Sachen rasch aus der Hand bringen dies ist die Hauptsache, und hierfür giebt es gar mannigfache Mittel. Da seht einmal mich an, wie ich's mache: Befomm' ich eine Arbeit, so richte ich mein Augenmert vor Allem zuerst darauf, ob es etwa möglich ist, die Sache einem Anderen zuzuschanzen ...

....

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darauf

Segeliel. Aber wenn das nun der Andere eben so....
Secret. So giebt er sie eben dem Dritten.

Segeliel. Und wenn nun auch dieser Dritte....
Secret. So empfängt sie ein Vierter.

Segeliel. Wie lange soll sie denn so aus einer Hand in die andere wandern?

Secret. So lange, bis sich irgend eine gute Haut findet, welche die Sache glücklich in Gang bringt wenn diese nicht etwa... von selbst inzwischen irgendwie abbanden kommt — d. h. so unter der Hand.......... verschwindet was freilich immer das Allerbeste. Dann Gott mit ihr!

Segeliel. Aber wenn es, sum Unglüɗ, einmal nicht mögs lich ist, die Arbeit einem Anderen .... zuzuschanzen wie Sie sich ausdrücken?

Secret. In folchem Falle ziehen Sie, wenn die Arbeit schwierig ist, Erlundigungen, Erklärungen ein das giebt nicht nur eine Piece mehr, sondern zieht zugleich die Sache in die Länge und macht noch obendrein Ihre Thätigkeit und Ihre Vor, ficht der Behörde bemerkbar.

Segeliel. Aber nachher?....

Secret. Nachher wird sich schon wieder ein neues Hinders nis finden lassen, das wieder neue Anfragen nöthig machi; oder es fann sich auch wohl ein glücklicher Vorwand darbieten, die Sache an einen anderen Ort zu versenden.

Segeliel. Und dann?....

Secret. Run, dann, wenn alles dieses nicht angeht, so übernehmt Ihr eben die Arbeit, kopirt sie von A bis 3, damit die Behörde auch sehe, daß Ihr wirklich arbeitet, und hangt an das Ende ein paar Redensarten an, drei Ellen lang mit fünf Vers gleichungen, eben so vielen Erwägungen und Beziehuns gen, so daß man nach hohem Befinden urtheilen könne."

Auf diese Weise, Herr, lebt Ihr ruhig, ohne Euch vergeblich zu Grunde zu richten; so kommen Taufende von Sachen unter Euren Handen zusammen und habt Ihr dabei dennoch wenig Arbeit, gar keine Verantwortlichkeit, erlangt überdies den Ruf eines fertigen Arbeiters und findet jede Thür zu Eurem Eintritt geöffnet.

Segeliel (außer sich vor Entrüftung). Und Ihr scheut Euch nicht, die Behörde so zu betrügen? (Er flürzt aus dem Zimmer.)

Secret. Was war das?,,Betrügen....!" Ja ja, er ist richtig übergeschnappt — hi, hi, hi! So find die.... Entsprungenen

die weisen Manner! Was gewinnt Ihr nun wohl? Wo send Jhr! Ewig bleibt Ihr zurück. Man sieht es ja: unaufhörlich erwägen endlos grübeln - Das Wetter, Freund, wirst Du vom Grafen bekommen! So lange die Vorstellungen liegen zu laffen die Vorstellungen um Belohnungen!.... So wirst Du's nicht lange treiben! Gesellen Deinesgleichen find allzu gefährlich mit solchen braut man kein Bier.... Man höre fie nur: ,,Vereinfachung der Arbeiten Abkürzung des Geschäftsty (s" — —! Unruhige Querköpfe, Jhr! Ging's nach Euch, so hätten wir beim Jahres Schlußfe richtig die Hälfte Nummern weniger.... So wollte ich doch, daß Du, je cher, je lieber, auf und davon gingst!

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(Die Schriften durchblätternd). Wie er die Sachen zugerichtet hat! Ich will sie aber doch einmal genauer ansehen: 11 Abhandlung über den Vorschlag des Doktors c. Erster Theil: Ueber die Wirkung der uranfänglichen Elemente auf den Organismus des Menschen und....!" Ueber die Ungereimtheiten!.... Volle 20 Seiten! Hi, hi! Ja ja, er ist ganz einfach wahnsinnig. Da haben wir die weisen Männer wozu find fie gut? Am Ende nimmt aber der Graf selber noch seine Raisons an! Nun, gefchche dies wirklich, so gåb's auch sicher ein Unglück! Ja gewiß, das geht ihm nicht so ums sonst hin: Wer weiß, wird er nicht auch einmal entlassen - dann kann er hierüber und über alles Andere nachdenken, so viel er will. Dann, Ew. Erlaucht, ist es vergeblich, daß Hochdieselben uns nicht trauen und alle einträgliche Arbeiten diesem Neus linge geben. An uns halte sich Ew. Gnaden, ja an uns! Wohin wollen Sie sich nach uns wenden? Bei uns läuft jede Sache zwanzig Mal durch die Finger, und überzählige Nummern kommen auf die Liste, che diese hochweisen Männer Euch nur ein einziges kleines Blättchen nochdürftig vollschreiben.... Ei, fiely doch: Die Behörde betrügen!" Einfalts pinsel! Man muß sich aber doch einmal die Mühe nehmen, diesen groben Dummkopf zurechtzurücken, und dazu wollen wir zuerst dafür sorgen, daß er weit und bren bekannt werde mit feiner Abhandlung über die uranfänglichen Eles mente". Ôi, bi, bi? (K. B. 0.)

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Zu denjenigen Polinnen, welche sich durch ihren Wih, durch ihre Anmuth und ihre Vaterlandsliebe einen weiten Ruf ermors ben haben, gehört die Fürstin Isabella Czartoryiska, geborene Grafin Flemming, Gemahlin des im Jahre 1823 als Kaiserlich Desterreichischer Feldmarschall verstorbenen Fürsten Adam Czars toryisli. In frühen Jahren wurde sie während ihrer Reisen durch fremde Lander an vielen Höfen und in den Residenzen gern ges fehen. In der zweiten Hälfte ihres Lebens, als mit dem Zauber der Jugend für sie zugleich alle Aussichten auf ein neues Ers blühen ihres Vaterlandes dahinschwanden, sog fie fich auf den Landsis Pulawy zurück. Hier stellte sie sich zwei Aufgaben für ihr ferneres Leben; die erste war, eine möglichst große Samms lung von Denkmdlern, welche auf das untergegangene Polen Bezug hatten, zusammenzubringen; die zweite, den Zustand des ihr untergebenen Landvolks zu verbessern. In Folge großer Bes mühungen und Kosten gelang es ihr, in dem sogenannten Sybillens Tempel zu Pulawy, welcher nach dem Muster eines Alt-Römischen Tempels eigens dazu erbaut war, die mannigfaltigsten Ueberreste und Denkmäler aus den glorreichsten Zeiten der Polen zusammens zubringen. Von da an geschahen aus allen Gegenden Polens patriotische Wanderungen nach Pulawy, diesem glänzenden Mausos leum der Polnischen Vorzeit.

Dem Landvolke, insbesondere dem in der Nähe ihres Gutes wohnenden, wurde sie eine wahrhafte Mutter, und obgleichh_in ihren Bestrebungen ein kleinliches Selbstgefallen nicht fehlen mochte und fie fich mehr mit der Verbesserung von Aeußerlichkeiten als des Zustandes desselben selbst befaßte, fo erreichte sie doch auch hierbei ein gewisses Ziel. Der Pulawyer Landmann erlangte zwar auch nicht die für den Polnischen Landmann nothwendigste Eigens schaft, das ist einen inneren Antrieb zu eigenthümlicher Thätigs Peit, verblieb vielmehr in seiner angeborenen Nachlässigkeit, vers ließ sich auf seine Pflegerin und lernte nicht, etwas für sich felbft. zu seyn; so viel ist aber gewiß und mußte jedem Anfömm ling auffallen, daß das außere Leben des Pulawyer Landmanns, feine Hütte und sein Gehöft in größerer Ordnung und Reinlichs teit sich befanden, als die in anderen Polnischen Dörfern. gewährte einen lieblichen Anblick, wenn die Fürstin ihre Lands Leute besuchte, mit eines Jeden Namen, Neigungen und selbst feiner Verwandtschaft vertraut war. Und wäre dies auch nur eine fie funfzig Jahre hindurch unterhaltende Zerstreuung gewesen, so ist doch auch schon eine solche ehrenwerth und der Nachahmung würdig.

Es

Außer diesen beiden hauptsächlichen Lebensrichtungen hatte die Fürstin Czartorniska einen mächtigen Hang zum Gartenbau und zur Obstbaumzucht. Sie legte in Pulawn einen sehr großen Englischen Garten an, welcher sich an die Weichsel lehnte und in dem der üppige Anwuchs alter Bdume und die geschickte und geschmackvolle Benußung der natürlichen Schönheiten mannigs faltige und reisende Aussichten gewährten. Das lebhafte Vers langen nach Verbreitung eines besseren Geschmacks der Gartens

*) Aus der „Mała Encyklopedya polska”, Heft 2.

kunft im Vaterlande bewog die Fürstin außerdem, im Jahre 1806 ein sehr schagbares Werk über diesen Gegenstand herauszugeben. Es giebt nichts Treffenderes und Verständigeres, als die in dems felben enthaltenen Rathschläge und Vorschriften. Sie passen zu jeder Dertlichkeit, umfassen alle Verhältnisse, in welchen sich ein Befißer eines Parks oder eines Gartens befinden kann, und neben der Rücksicht auf Annehmlichkeit für die Sinne verliert auch die Verfasserin den materiellen Nuzen nicht aus den Augen. Dieses Werk, welches den Titel führt: „0 ogrodach", war, da es in einem ausgezeichnet lieblichen Style geschrieben ist, der Zeit nach das erste Werk, das, von Frauens Hand herrührend, den Polen ein folches Maß von Annehmlichkeiten bot.

Der Abschnitt über die Anpflanzung der Bäume schließt mit folgenden Betrachtungen:,,Die Garten, die Bäume, die Sträucher und deren Anpflanzung haben viel zur Erheiterung meiner Tage beigetragen. Mehr als einmal wurden meine Sorgen und Schmers aen gelindert, wenn ich mich unter die schattigen Gänge begab, und zwischen blühenden Pflanzen schienen mir die Tage lieblicher hinaufließen. Als mir Vaterland und Hoffnung verloren gegan gen, da hatten andere Vergnügungen und Berstreuungen teinen Reis mehr für mich; diese blieben mir immer theuer und unters brachen die traurigen Erinnerungen. Mehr als einmal mahn ten mich die alten Bdume an glücklichere Zeiten, und wenn ich junge Bdume pflanzte, erschien mir die Zukunft unter heitererm Himmel."

Diese und dhnliche Stellen, in welchen ein tiefes Gefühl fich fundgiebt und welche in einer fließenden und anmuthigen Sprache abgefaßt find, sichern dem Werke der Fürstin Czartoryisla für immer einen Ehrenplaß unter den Schriften der damaligen Epoche. Des großen Formats, der bedeutenden Anzahl der Kupfer, stiche und des hieraus folgenden hohen Preises ungeachtet, vers breitete sich dieses Werk durch das ganze Land, weckte überall den Sinn für Garten: Anlagen und erreichte fomit aufs glücks lichste sein Ziel.

Nachdem durch den Kaiser Alexander das neue Königreich Polen begründet worden war, wählte sich die Fürstin Czartoryisla noch einen neuen Wirkungskreis, indem sie den,, Pilgrim in Dobromil" herausgab. Hier ist ihre Absicht noch menschenfreunds licher. Es sollte dies ein Buch für das Landvolk feyn, in welchem dafelbe Alles, was ihm außer der heiligen Schrift zu wissen autommt, finden könnte. Die Verfasserin stellte daher in der Gestalt eines Pilgrims einen nur um Weniges höher als das Landvolk stehenden Menschen dar, welcher den Landkindern allerlei Begebnisse cradhlt und insbesondere ihnen die Regierung der Polnischen Könige in der Kürze und ihrer Fassungs, Straft anges meffen beschreibt. Es traten aber hier der Absicht der Fürstin manche Schwierigkeiten entgegen. Die Pulawyer Bauern vers fanden das Lesen noch halbwege, die in dem übrigen Lande jedoch verstehen es nicht, und wenn sie auch am Ende bis auf diesen Punkt der Bildung fortgeschritten wären, so kann es den Bauern in dem Zustande, in welchem ihn Jahrhunderte lang die Vorur: theile der Polnischen Herren gelassen haben, wenig interressiren, von welcher Art die Regierungsweise oder das Schicksal eines Polnischen Königs gewesen, und daher sind die Leser für diesen Pilgrim in höheren Klaffen, als der des Bauern, zu suchen. Dem Werke find ländliche Scenen beigegeben, welche die Vers befferung manches eingewurzelten Fehlers und Aberglaubens zum Zwecke haben. Diese sind sehr gut aufgefaßt und bezeugen, wie genau die Verfasserin sich mit den Verhältnissen des Landmanns bekannt gemacht hat. Und so bekunder dieses Werk, wie Alles, was aus der Feder der Fürstin gefloffen ist, ihr eindringliches und treffendes Urtheil.

Ein Jahr später ließ die Fürstin Czartoryiska den zweiten Theil des Pilgrims erscheinen. Außer ähnlichen und eben so gut dargestellten ländlichen Bildern finden sich hier neben der Fortsetzung der Geschichte der Könige Lebensbeschreibungen der Polnischen Heiligen, die offenbar weit mehr dem Gesichtskreise des Polnischen Landmanns anpassend find. Die Erzählungen, die der erste Theil enthält, find nicht von der Hand der Fürstin Czartornisfa; deren Verfasserin ist vielmehr ihre Tochter, die Herzogin von Württemberg, von welcher der allgemein bekannte Roman ,,Malwina" herrührt.

Es muß mit Recht bedauert werden, daß die Fürstin Czartos ryisla, eine sehr aufmerksame Zeugin der mannigfaltigsten Ereig niffe, ihre Memoiren der Nachwelt nicht hinterlassen hat. Diese würden gewiß von historischem Werthe feyn. Wenn sie etwas entschuldigen kann, so ist es dies, daß die schwierigen Verhältnisse, welche ihre ganze Familie durchleben mußte, ihr jede Veröffents lichung solcher Memoiren fast unmöglich machte und ihr dadurch auch die Lust zur Abfaffung von Erinnerungen nahm, welche erst der späten Nachwelt fich seigen konnten. Indessen war die Fürs ftin auch in dieser Rücksicht nicht ganz unthätig. Unter dem Titel eines Catalogue raisonné" über die Sammlungen in Pulawn bat die Fürstin in Französischer Sprache die Umstände erzählt, unter welchen fie während ihrer mannigfachen Reifen durch Europa diefen oder jenen Gegenstand acquirirte, und viele Anekfs doten und Beschreibungen von Personen, mit denen fie zusammens fam, beigefügt. Die Handschrift dieses bis jest noch nicht vers Sffentlichen Wertes befindet sich gegenwärtig in den Händen der Familie Czartoryisland

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Nachdem die Fürstin auf diese Weise unter wohlthätigen Bes

schäftigungen funfzig Lebensjahre in ländlicher Zurückgezogenheit in Pulawy zugebracht hatte, mußte sie, schon fünfundachtzig Jahre alt, während der Verwirrungen des Jahres 1831 ihren Aufenthaltsort verlassen. Sie suchte in Galizien eine Zuflucht, wo sie, nachdem sie noch einige Jahre eines herben und freudens leeren Alters verlebt hatte, im Jahre 1834 starb.

Mannigfaltiges.

- Calderon und der Nachdruck. Calderon's Verse:
,,Wie sie der Verfasser schrieb,
Nicht wie fie der Diebstahl druckte,
Dessen Müh ist, daß er richte
Audrer Muhe stets zu Grunde“

die sich bekanntlich das Brockhaussche Conversations Lexilon aum Motto genommen, haben weder das lestere noch den Spanischen Dichter selbst vor Nachdruck zu schüßen vermocht. Bereits im Jahre 1827 erschien in Wien (bei J, P. Sollinger) eine Samm lung von Calderon's Schauspielen, 'die ein Nachdruck der besten Deutschen Ueberjeßungen (von A. W. Schlegel, J. G. Gries, D. v. d. Malsburg, G. N. Bårmann, Ant. Schumacher, Wils helmine Schmidt geb. Nauen u. A.) war. Diese Ausgabe batte jedoch wenigstens den Schein einer gewissen Rechtmäßigkeit für fich; denn erstlich war damals der Deutsche Bundesbeschluß, in Folge deffen auch in den Desterreichischen Staaten aller Nach druck untersagt wurde, noch nicht erschienen; zweitens waren die Ueberseßer gewissenhaft genannt und ihre zum Theil sehr ver dienstvollen Arbeiten unverstümmelt wiedergegeben; driuens ends lich war bei der Zusammenstellung dieser Ausgabe eine gewisse Verstandigkeit der Auswahl und auch ein pofitives hinanthun der Redaction nicht zu verkennen: denn jedem Stücke gingen zwei erfldrende und meistens sehr ansprechende Sonnette des Wiener Poeten J. G. Seidl und einige Worte über die bisherige Ges schichte des betreffenden Dramas voran. Alles dies kann nun der neueste Deutsche Rachdruck, von dem so eben unter dem Titel: Calderon's gesammelte Werke (Stuttgart, J. Scheible's Buchhandlung, 1840) die erste Lieferung erschienen ist, nicht für sich anführen. Dieser nämlich verschweigt erftens die Namen der Ueberseßer, deren Arbeiten er benügt, und giebt fich als Originals Uebertragung aus; zweitens verstümmelt er sie obendrein, wie es & B. bei dem Leben ein Traum" der Fall ist, wo zwar die Griessche Ueberseßung zum größten Theil gegeben wird, einzelne Scenen jedoch von Barmann eingeschoben find, so daß das Ganze als ein Flickwerk erscheint; drittens endlich ist jest in Stuttgart, eben so gut wie im übrigen Deutschland, der Nach druck verboten, so daß keinerlei Rechtfertigung, die Herr Sollins ger für seine Ausgabe anführen konnte, von der Scheibleschen Buchhandlung geltend gemacht werden kann. Außer dem,,Leben ein Traum" befindet sich in der ersten Lieferung des neuen Cals deron auch noch das,, Haus mit zwei Thüren"; dieses ist, fo weit es vorliegt, ein wörtlicher Nachdruck der bereits im Jahr 1821 in Altona erschienenen Barmann'schen Ueberfeßung, und zwar wiederum ohne Nennung des Bearbeiters. Indessen können sich die Kaufer, deren die neue Ausgabe hoffentlich nur Wenige finden wird, solchen wörtlichen Abdruck doch noch eher gefallen lassen, als den verstümmelten des ersten Dramas. Im,, Leben ein Traum" kommt es z. B. vor, daß Herr Scheible in der dritten Scene die Rosaura folgendermaßen nach Gries sprechen läßt:

Hier mein Degen; denn ich kann Dir allein ihn überlassen, Weil du unter allen Diesen Scheinst der Erfte."

Bald darauf- fällt es ihm jedoch ein, einige Zeilen von Bars mann zu benüßen, und nunmehr sagt dieselbe Rofaura: „Muß ich sterben - nun wohlan! Deiner Huld vertrauend, laß ich

Dir dies Schwert als theures Pfand re." Aus dem Degen ist also mit einemmale ein Schwert gewor den. Ein Ueberseger beider Stellen würde es unßtreitig permies den haben, die beiden Worte so unmittelbar hinter einander zu ger brauchen; denn wenngleich in poetischer Sprache der Degen auch ein Schwert genannt werden kann, so wird es doch hier, befon ders im Munde einer Frau, ein lächerlicher Klimas. Gries überseßt darum auch:

„Wenn ich sterben muß, so laß ich, Im Vertrau'n auf deine Huldachten 20: Dir ein Pfand, nicht klein zu

Nicht minder seltsam erscheint eine andere Variation: in dem eingeschobenen Bdrmannschen Theile der Ueberseßung wird náms beile b lich der Name Sigismund immer Sigismundo ausgesprochen, so daß der Leser schon aus dieser Verschiedenheit immer abnebs men Pann, ob er eben die Griessche oder die Barmannsbe Ueberfeßung lieft. Einen großen Vortheil dürfte indeffen ber Scheiblesche Nachdruck für das Publikum haben. Mir hören nämlich, daß die hiesige Nicolaische Buchhandlung fich dadurch veranlaßt sieht, eine neue, überaus wohlfeile und, wie fich von selbst versteht, rechtmäßige Ausgabe der Griesschen Ueberfeßung des Calderon zu veranstalten. Hier wird man also Gelegenheit haben, die treffliche Bearbeitung unverstümmelt und zu einem Preise zu erhalten, der dem des verstümmelten Nachdruckes siem lich gleichlommen wird. myd r: of

Nummern. Pränumerations: Preis 22 gr. ( Thlr.) viertcljährlich, 3 Thit. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen: der Preußischen Monarchic.

No 137.

Magazin

für die

Beiblatt der Aug. Pr. Staats Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Proving 10 wie im Auslande bei de Bobuöbl. Poß - Aemtern.

Literatur des des Auslandes.

Asien.

Der Koran.

Berlin, Freitag den 15. November

(Nach der Foreign Quarterly Review.)

Wie kommt es, daß man den Koran so wenig lieft? Unsere volksthümlichsten Mährchen stammen aus dem Orient; unsere volksthümlichste Poesie hat morgenländische Färbung; und eines der merkwürdigsten Bücher des Oftens, ein Buch, das Millionen begeistert und entzündet hat, bleibt vergleichungsweise so gut als unbeachtet. Die Nachforschungen des Historikers find den erstauns lichen Revolutionen gewidmet, die Aften einft bestanden, und doch last man die Beredsamkeit, welche der gewaltigsten dieser Revo lutionen ihr Daseyn gab, auf Bücherbrettern einschlummern. In einem Zeitalter, wo die Philosophie alle Arten und Abarten der menschlichen Ueberzeugung prüft, und die Religion alle mit eins ander zu versöhnen sucht, schenkt man einem Buche, dessen Inhalt noch ein gutes Viertheil der Menschheit als heilig und unverleg lich verehrt, laum die oberflächlichße Aufmerksamleit!

Mit folchen Betrachtungen schreitet wohl mancher Neuling aur Lektüre des Korans; sobald er aber einige Kapitel gelesen hat, findet er schon die Antwort auf seine Beschwerden und muß zu feiner Besamung dieselbe Apathie, die er bei Anderen verdammt hat, bei sich selbst niederlämpfen. Ein Gewebe unzusammenhän gender, oft sich wiederholender Declamationen, mit unverständ; lichen Anspielungen vermischt - Verordnungen, deren Zweck und Nothwendigkeit man nicht absehen kann eine ganz fremds artige Phraseologie und stilistische Einkleidung sind Alles, was der aufmerksamste Leser beim ersten Durchlesen zu entdecken vers mag. Liest er aber das seltsame Buch gar in einer Ueberseßung, so wird seine Geduld noch härter geprüft; die einzige erträgliche Ueberseßung ist die von Sale, einem gründlichen Kenner der Arabischen Sprache, der aber aus übergroßer Gewissenhaftigkeit mehr die Worte als die Gedanken wiedergiebt. In beiden Fällen ist das Ergebnis gewöhnlich dasselbe: der Studirende wirft die unerquickliche und langweilige Lektüre von sich und findet es hins führo bequemer, von den Schönheiten des Korans sprechen zu hören, als im Buch selbst ihnen nachzugehen. Ist aber sein Vorfaß start genug, um den Schwierigkeiten Troß zu bieten, so lieft er bis ans Ende, thut einen_tiefen Athemzug und fühlt sich so flug, wie zuvor. Viele Kapitel, die nur ein matter Ab: glans, eine falzlose Wiederholung von anderen ihres gleichen find, haben in der That höchstens sprachlichen Werth; und Je der, der sich nicht um Tertes Kritik bekümmert, mag sie getrost überschlagen.

Wir hoffen demnach, mehr als Einer Klasse von Lesern einen angenehmen Dienst zu erzeigen, wenn wir den Stil, den Stoff and die allgemeinen Eigenthümlichkeiten dieses außerordentlichen Werkes einer kursorischen Betrachtung unterwerfen und die vors nehmsten Abschnitte mit Ereignissen zusammenhalten, welche ihren Inhalt erklären.

Schon beim ersten Schritte wird die Untersuchung sehr ernst haft. Mit Ausnahme einiger wenigen Gebete ist der ganze Koran im Namen des höchsten Wesens als unmittelbar göttliches Wort niedergeschrieben. Vorhaltungen und Lehren, Verheißungen und Drohungen, Fluch und Seegen: Alles geht direkt von der Gotts heit aus. Und wenngleich der Strom der Begeisterung oder des Unwillens dann und wann seinen heiligen Urquell aus dem Gesichte au verlieren scheint, so wird uns dieser Urquell am Ende der Periode doch immer wieder ins Gedächtniß gerufen. Die erken Kapitel (Suren) des Korans und noch mehrere zerstreute Stellen in den übrigen Kapiteln haben unverkennbar echt poetischen Gehalt; aber im Ganzen ist das Werk nur klangreiche gereimte oder affo: nirende Profa. Um die Afsonanz am Schlusse nicht zu unterbrechen, lfft man alle Perioden auf analoge Weise schließen, eine große Verlegenheit für den Ueberfeßer, der eine Art von Mittels weg zwischen Metrum und schlichter Profa einschlagen muß, wenn er die Form nicht ganz bei Seite sehen will. Die Perio den des Korans find von sehr ungleicher Lange; dies ist aber leine Folge der Nachlässigkeit, sondern eines inneren Dranges, einer Begeisterung, die allen Regeln Troß bietet. Zuweilen reißt den Propheten der Strom feines Enthusiasmus weit über die gewöhnlichen Grdnzen fort; ein anderes Mal versteht er es wie

1839.

der, eine ganze Fluth von Phrasen mit einem einzigen schrecktich bedeutungsvollen Worte zu dammen und aufzuwiegen.

Man weiß, daß der Koran in abgeriffenen Stücken, von zwei bis wenigstens hundert Zeilen, wie die Gelegenheit sie eingab, diftirt wurde. So oft ein neuer Einwurf beantwortet, ein Zweis fel geldt, oder eine neue Sagung bekannt gemacht werden sollte, hatte der Prophet eine kürzere oder langere Offenbarung. Diese einzelnen Offenbarungen ließ man, je nach Muhammed's Anweis fung, bald besondere Kapitel für sich, bald integrirende Theile ldngerer Kapitel bilden. Der Prophet scheint aber bei dieser Anordnung oft vergessen zu haben, was schon gejagt war, und überhaupt keiner bestimmten Methode gefolgt zu seyn. Daher erklärt sich's, daß die Kapitel jede erdenkliche Ausdehnung (von awei oder drei, bis 1200 oder 1500 Zeilen) haben; daß die mans nigfachsten Materien ohne sichtbare Verknüpfung durch einander gemengt sind und die nämlichen Sentenzen mit unbedeutender Verschiedenheit des Ausdrucks an verschiedenen Orten ́unzählige Male wiederkehren. Die große Uebereinstimmung, man möchte fast sagen, die Identität vieler Kapitel in Form und Materie kann vielleicht nur der Unwissenheit des Propheten und seinem durch beständige Wechsel von Ertase und Abspannung geschwächten Gedächtniß zugeschrieben werden. Keiner, der feine Gedanken niederschreibt und das Geschriebene wieder durchließt, würde so vieler Wiederholungen sich schuldig machen; aber Muhammed Ponnte bekanntlich weder schreiben noch lesen; und die blinde Ver ehrung seiner Anhänger ging ohne Zweifel so weit, daß sie auch Wiederholungen, wenn der Ausdruck nur einigermaßen nůancirt war, für ganz neue Offenbarungen hinnahmen. Ein Theil die fer Mängel kommt auch wohl auf Rechnung Anderer: die Origi nal Diktate Muhammed's wurden, nachdem fie unter seinen Ans hangern die Runde gemacht hatten, in einem Kasten verwahrt; aber viele Zettel mögen verloren gegangen oder an die unrechte Stelle gerathen_seyn, sonst_wårde Ebubelr, als er ein Jahr nach des Propheten Tode den Koran im Zusammenhang herausgab, gewiß nicht alle Kopieen einzelner Stellen, deren er habhaft werden konnte, gesammelt und Vieles, was er vermißte, aus dem Gedächtnisse der ditesten Gläubigen ergdnzt haben sein Zettels Kafen hatte ihm vollkommen genügt.

Bei der Anordnung der Kapitel oder Suren scheint man ganz aufs Gerathewohl verfahren zu seyn, was damals um so eher zu entschuldigen war, als jeder Moslim die chronologische Folge derselben und die Umstände, unter denen fie offenbart wurden, genau kennen mochte. Kapitel vom jångsten Datum, in denen alle wesentliche, die innere Verwaltung betreffende Verords nungen sich drängten, wurden zuerst gesucht, zuerst vervollständigt und an die Spiße der übrigen gestellt. Andere aus früherer Zeit, die man leichter haben konnte, kamen zwischen die übrigen, und bei Vertheilung der großen Masse, die nichts besonders Merks würdiges enthielt, ließ man sich von dem Prinzip der Lange und Kurze leiten.

Die ersten Verse des 73ften und 74ften Sure darf man als den wahren Anfang des Korans betrachten. Hier lesen wir, wie der Erzengel Gabriel den Propheten ermahnt, zu seinem heiligen Berufe sich anzuschicken jene hehren Worte, die Muhammed, als er sie zu hören wähnte, solchen Schrecken einjagten, daß er in den Schoß seines Weibes Chadidsché flüchtete! Daß Muhams med in jener Periode oft an geistigen Berrüttungen folcher Art laborirte, war schon sehr früh die Meinung der Christen des Drients. Seine Anhänger wollen dies zwar, wie man sich dens fen fann, nicht zugeben; da uns jedoch, um Muhammed's Verfahs rungsweise zu erklären, nur zwischen krankhaftem Enthusiasmus und wirklicher Inspiration die Wahl bleibt, so ergiebt sich von selbst, für welches von beiden wir stimmen werden. Die Suren aus fpdterer Zeit enthalten übrigens Nichts, woraus man auf folche Zustände schließen könnte; und räumen wir auch ein, daß Muhammed den ganzen Koran für eine ihm gewordene göttliche Offenbarung hielt, so ist doch jedenfalls die abgöttische Ehrfurcht der Muhammedaner vor diesem Buche in dem Terte schlecht bes gründet. Außer der allgemeinen Bemerkung, daß es von Allah eingegeben fen, und der am Schluß des 83ften Kapitels_stehenden aufälligen Erwähnung eines im Himmel aufbewahrten Originales finden wir Nichts, was den mystischen Nimbus, womit man den Koran umhüllt hat, rechtfertigt. Der Schluß des 42ften und der Anfang des 33ften Kapitels zeigen uns übrigens zur Genüge, daß

dieser Widerspruch leicht gehoben werden kann. Die mufelmáns nischen Ausleger haben diese Stellen mit gläubiger Befangenheit gelesen und ihnen demzufolge einen engeren Sinn untergelegt. Der Lateinische Ueberseger Maracci war zu feindselig polemisch, und der Englische Ueberseßer Sale ist zu gewissenhaft, um in den bezeichneten Stellen etwas Anderes zu finden; wir überseßen fie daher von neuem:

,,Bei dem Sterne, wenn er fällt! Euer Landsmann ist nicht im Irrthum, noch spricht er aus eigenem Antriebe, es ist Nichts, als Offenbarung, was er redet. Der Allmächtige har's ihn ges lehrt; er hat seinem Knechte Alles eingeflößt; seine Einbildung hat ihn nicht berückt in dem, was er gesehen; warum zweifelt Ihr also an dem, was er sieht? Er hat fürwahr einen anderen Niedergang geschaut dicht neben der (die Wege) scheidenden Ceder ist die Wohnung des Paradieses. Wo die Ceder ihren Schatten wirft sein Auge ward nicht geblendet und blickte nicht unstất er hat fürwahr gewaltige Zeichen seines Herrn gesehen!"

-,,Es ist nicht möglich, daß der Herr zu dem Menschen spreche, außer hinter einem Schleier, oder durch einen Boten, der ihm einfößt, was ihm (dem Herrn) gefällt. So haben wir Dir im Geiste offenbart, was wir verordnen. Du wußtest nicht, was Schrift oder was Glaube ist; allein wir haben es Dir zu einem Lichie gemacht, um durch dasselbe jeden unserer Knechte, den wir leiten wollen, zu leiten; denn gewißlich, Du führeft auf den rechten Pfad."

Aus diesen Worten ergiebt sich Zweierlei: erstens, daß Muhammed durchaus nicht vorgiebt, jede Offenbarung sey von einer übernatürlichen Erscheinung begleitet, sondern im Gegen theil es für hinreichend hält, auf frühere. Offenbarungen sich zu berufen, um Allem, was er jagt, Gewicht zu geben; zweitens, daß er anerkennt, die Offenbarung gehe nicht durch sichtbare Mittel, sondern innerlich und unsichtbar von Statten. Noch deuts licher lehrt uns dies eine etwas drollige Stelle des 75sten Kapi: tels, wo der Prophet ermahnt wird, die Worte des Korans nicht so hastig auszusprechen, sondern zu warten, bis die innere Einges bung vollständig sey. Wenn Muhammed übrigens sein geistiges Schaffen aus subjektiver Ueberzeugung für Offenbarung hielt, fo war seine Betheuerung, der Koran sen offenbart, kein Betrug; und enn ferner sein Eifer, Anderen dieselbe Ueberzeugung bei zubringen, ihn dazu bestimmte, die Gegenwart dessen, von dem er fich geleitet glaubte, sinnlich fühlbarer zu schildern, als er selbst fle fühlte: so ließ er sich nur eine jener selbstbewußten Ueber: treibungen zu Schulden kommen, denen seine heftigsten Gegner am meisten ausgesezt sind.

Der Prophet war vierzig Jahre alt, als er sich zu dem mühsamen Geschäfte, den verjährten Glauben vieler Millionen su andern, so feierlich berufen fühlte. Die zärtliche Zuneigung seiner Gattin Chadidiché, der lindische Enthusiasmus seines Neffen Ali und die blinde Hingebung feines Dieners Seid mag man als leichte Eroberungen betrachten. Aber die Belehrung seines Freundes Ebubekr, eines Mannes von reifem Alter und stolzer Sinnesart, kann nur mit der Gehaltlosigkeit des Glaubens, dem er entfagte, erklärt werden. Durch ihn ließen sich zehn der ges achtersten Einwohner Mekka's bewegen, den Propheten anzuhören; und eine Aufmerksamkeit, die anfänglich bloße Frucht der Neu gier und Artigkeit seyn mochte, verwandelte sich zuleht in Ueber: zeugung. Drei Jahre lang blieb das heilige Geheimniß in dem Kreise der erwähnten vierzehn Personen, und die erhabene Ans dachi ihrer frühesten Zusammenfünfte gab dem schönen Gebete fein Daseyn, welches die erste Sure des Korans bildet:

-

,,Preis sey Allah, dem Herrn der Welten - dem Barmher. dem Herrscher am Tage des Gerichts!" zigen und Gnädigen ,,Dich beten wir an Dich flehen wir um Hülfe -- führe uns auf den geraden Weg.“

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,,Auf den Weg Derer, denen Du_Huld bewiesen nicht Derer, denen Du zürnest noch Derer, die in der Grre wandern!" *)

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Wir besigen, keine andere Sure aus jener dltesten Zeit, und facit vermuthlich ist auch damals feine geoffenbart worden indignatio versus, oder, wie Muhammed selbst sage:,,Nur im Sturme rollen Donner und leuchten Blige." Es war Kon: flikt der Leidenschaften ndthig, um den Koran ins Daseyn zu rufen."

Erst im 44ten Jahre seines Lebens verkündete Muhammed öffentlich seine erhabene Sendung. Die große Mehrheit seiner Mitbürger borte ihn mit Staunen und Verachtung; es gelang ihm nur, ein kleines Hauflein treuer Anhänger um sich zu vers

Wir lassen hier den urtert dieser Sure folgen, um dem nicht des Arabischen kundigen Beser wenigstens einen Begriff von der eigenthümlichen Rhythmik des Originals zu gebent:

El bhamdulillahi, rabbi 'Jālamīna, Errahhmanirrahimi,

Maliki yanmi'd dīui.

lyyake naboda, we iyyake nesftainu. Indina 'sfsfirata Imusftakima,

Sfirata 'lladsina enamta alaihim,

Ghairi 'Imaghdhubi alaibim,

We la 'dhdhāllīna.

Das bb foll nicht unser Allemanisches eh, sondern ein bloßes Aarter ge hauchtes pertreten. Das a oder e des Artikels (a), el) wird immer von bem Schluß Vokale des vorhergehenden Wortes verdrängt (z. B. yaktulu Imelik, er tödtet den König, für yaktulu elmelik), und das 1 des Artikels affimilirt sich dem folgenden Konsonanten, wenn er ein r, ein Zungenlaut oder ein Sibilant ist: atje. B. err sf (der Kovi) für elrasf; edsdsahab oder eddabad (das Gold) für øldsabah, eldahab. Der Initialbuchstab wird

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sammeln, mit denen er die Hälfte der Nächte in Gebeten und frommen Unterhaltungen zubrachte. Diejenigen Suren, welche man in jene Periode verseßen darf, handeln hauptsächlich von der Wahrheit des Korans, der Allmacht und Gnade Gottes, den Schreckniffen des jüngsten Tages und der ewigen Vergeltung. Die Wahrheit des Korans wird gewöhnlich mit dem Eide des Allmächtigen bekräftigt. Bei Allem, was erzeugt, bei Allem, was trägt bei Allem, was bewegt - diese Verheißung lommt vom Himmel!" (Sure 51.) Die Schilderungen des jüngsten Tages haben viel Erhabenes, obschon sie augenscheinlich auf biblische Reminiscenzen bafirt find.

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,,Wenn einst die Erde gewaltig erbebt und ihre Lasten ab, schüttelt da wird der Mensch sagen: Wehe, was ist ihr aus gestoßen? Dann wird sie den Auftrag verkünden, den Allah ihr gegeben hat." (Sure 79.)

,,Wenn die Sonne einft erzittert, die Sterne erbleichen und die Berge schwanken wenn die Kameelstute ihre Jungen vers gißt und die Raubchiere angstvoll sich zusammendrängen -wenn das Meer aufwallt und die Seelen sich vereinigen wenn der Himmel hinweggenommen, die Hölle angefacht und das Paradies (der Erde) nahe gerückt wird." (Sure 82.)

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An jenem Lage werden die Augen der Menschen gräßlich vor sich hinftarren; kein Augenlied wird zucken; ihre Herzen werden ohne Blut seyn.“ (Sure 14.)

Die vollständigsten Schilderungen des Paradieses und der Muhammed Hölle finden wir in der 32ften und 37sten Sure. verweilt mit besonderer Luft bei den Qualen der Verdammten, und was ihm noch weniger zur Ehre gereicht - er läßt die feligen Bewohner des Paradieses an diesen Qualen sich weiden. Ohne Zweifel hatten die Kränkungen, denen er stündlich ausges jegt war, und das angefiammie Rachegefühl des Arabers an folchen Verirrungen seines Geistes den größten Antheil; denn wir werden in der Folge sehen, daß Mahammed kein Mann von tückischer und schadenfroher Sinnesart war, oder daß er dieses Element, wenn es ja in ihm lag, zu beherrschen wußte. (Fortseßung folgt.)

Italien.

Die Italiänische Gesellschaft.

(Schluß.)

Der Name der Ankommenden wird dreimal sehr laut ausgerus fen, erst in dem Vorzimmer der Fußbedienten, dann in dem der Kam merdiener und endlich in dem Salon, der unmittelbar an den gränzt, wo der Gesandte und die Gesandtin sich befinden; nun erst kommt ein Huissier in schwarzem Frack, seidenen Strümpfen und goldes nen Schnallen an den Schuhen, den man in Rom il gentiluomo d'onore nennt, mit dem Hut in der Hand auf Dich los, macht Dir eine tiefe Verbeugung und geht dann zu dem Hausherrn, um ihm leise ins Ohr Deinen bei der Passage durch drei, vers schiedene Zungen schon mehr oder weniger verstümmelten Namen zu wiederholen. Nie hat man mehr Gelegenheit, zu bemerken, wie sehr es einem Namen an Wohlflang und Adel fehlt, als in dieser glänzenden Probe, welche die meisten mit der Juli: Revo lution emporgekommenen Namen schlecht aushalten. Der andere Grund jener Langeweile liegt in dem Lokal, das aus einer Reihe langer Galerieen und großer, schlecht möblirter und schlecht ers leuchteter Zimmer besteht, wo sich nicht jene traulichen Gruppen von vier oder fünf Personen bilden können, die, Thee trinkend, mit einander plaudern und ihre kleinen engeren Gesellschaften mitten in der großen bilden.

Was aber dieje Soireen besonders unheimlich macht, das ist die Menge der rothen und schwarzen Kappen, die unter den giansenden Toiletten der Damen herumspulen. Die Monsignori und die Kardinále kommen sehr früh und entferuen sich sehr spdt; sie werden mit einer Aufmerksamkeit behandelt, die man sonst nur Prinzen von Königlichem Geblüt zukommen lďßt; man erhebt sich, wenn sie vorübergehen, verneigt sich vor ihnen, raumt ihnen seinen Play ein; die Frauen verlassen ihre Size, um sie ihnen anzubieten; die Hausherrin seßt sich neben sie, bes zeugt ihnen ausschließliche Aufmerksamkeit und verläßt sie nicht eber, als bis sie bei einem Spieltisch untergebracht sind, denn die Kardinale spielen Whift oder Schach, wie gewöhnliche Sterbliche. Bei einem Ball siehen sie sich gewöhnlich in den Spielsalon zurück, che sich die Quadrillen im Tanzfalon bilden, und hören da mit Vergnügen aus der Ferne der profanen Muft su, die sie übrigens bon aus der Kirche lennen. Die Monsig nori oder Prälaten dagegen, die nicht so abgeschloffen gegen die Welt zu seyn brauchen, obgleich e ebenfalls rothe oder violette Strümpfe haben, mischen sich unter die Tänzer, lorgnettiren die Damen, gehen mit Lächeln und Artigkeiten von einer sur anderen, nehmen ein Bouquet oder einen Fächer an sich und begehen die artigsten Sünden von der Welt ohne die geringsten Gewissenss bife. Die Fremden, selbst die Protestanten, gewöhnen sich mit Mabe daran, au sehen, wie die Diener der Religion dergestalt an Vergnügungen Theil nehmen, die mit ihrem Kleid und ihrer Würde unvertraglich sind; besonders aber sind die Frauen, sumal die, welche weder der Geburt, noch der Erziehung nach Kömerinnen find, sehr befangen in Gegenwart von Leuten, die zur Noch Beichtester fenn könnten; die Gegenwart dieser Weltpriester also

Die Römisden Damen, die sich gar nicht scheuen, die Huls digungen eines feurigblickenden jungen Geistlichen anzunehmen, ers scheinen felten in den Soireen der Gesandten; se führen fast alle ein zurückgezogenes Leben, das man für langweilig halten müßte, wenn sie großen Eifer zeigten, es zu verlassen. Es ist in der That unerklärlich, wie diese Frauen ihre Zeit verbringen. Die Gesellschaft lieben sie nicht, denn sie verstehen die Kunst nicht, zu glänzen, daß sie sich geistig zu Hause beschäftigen, davon kann bei Italidnischen Frauen gar nicht die Rede seyn, und auch die Wirthschaft kann ihre Zeit nicht ausfüllen, da sie derselben gerade durch die Ehe überhoben werden. Zwar wissen sich einige von ihnen auf eine fromme Weise zu beschaftigen: diese besuchen die Kirchen, wo es Ablaß zu holen giebt, knieen daselbst auf das ftaubige Steinpflaster nieder neben Ausscßigen und Bettlern, tüffen und beneßen mit Thránen die Krusifire, die Madonnen und die wunderthätigen Reliquienschranken, verschleiern sich wie Nonnen, binden scheußliche Wunden in den Hospitälern zu, bes suchen die Anstalten für Waisen und Greise, halten neuntägige Andacht, erbauen sich an Predigten und was dergleichen mehr ist. Doch das sind nur Ausnahmen von der Regel; zwar haben fie alle ihren Beichtvater und würden sich für verdammt halten, wenn sie Sonntags zur Messe fehlten. Aber nicht Alle haben des Tages Hospitaler zu bedienen, oder des Abends an frommen Zusammenkünften Theil zu nehmen; in den Salons zeigen ñe fich nie, und felten auf den Promenaden, sondern bleiben bestän dig zu Hause, wo sie weder lejen, noch nähen, noch sich mit der Wirthschaft, ihren Kindern und noch viel weniger mit ihren Gatten beschäftigen. Im Sommer schlafen sie den größeren Theil des Tages; im Winter aber schlafen sie nur des Nachts, und der Tag hat in Italien, so gut wie anderswo, zwölf bis funfzehn lange Standen. Was thun nun diese schönen Mükigs gängerinnen diese funfzehn Stunden? Woran denken sie, wenn ne überhaupt denken? Ein Jtaliäner antwortet einem darauf ganz einfach: Che fare di meglio che fare l'amore?

Literarische, musikaliche und künstlerische Gesellschaften giebt es nirgends in Rom, das keine eigene Künstler und Literaten mehr hervorbringt, sondern sie aus allen Theilen Europa's bekömmt. Diese finden sich ganz ifolirt unter den moderuen Römern, welche die personifisirte Gleichgültigkeit in Sachen der Kunst sind und kaum ihre Monumente und die Geschichte ihrer großen Männer kennen. Sie wissen bloß, daß ihre ewige Stadt die Heimath des Schönen ist, und daß sie um dieses Schönen willen immer besucht seyn wird; sie wissen auch, wie viel Thaler durch den Aufenthalt der Fremden in Umlauf gefeßt werden, und mehr verlangen sie nicht. In den Salons der Gesandten oder der Fremden, die ein Haus halten, wo man dinirt, trifft man zuweilen einen Improvisator, der nicht improvifirt, und zwei oder drei Archäologen, die sich den Reisenden als Ciceroni für Rom und die Umgegend anbieten. Sie wissen vortrefflich die Gebäude au beschreiben, von denen kein Stein mehr übrig ist, und geben Einem endlose hypothetische Abhandlungen, die mehr Foften als ein Morgen von dem Boden, wo die schönen Sachen standen, die sie in ihrer Phantasie gesehen haben. Sobald fie nicht als Cicerone fungiren, find diese Antiquare, die sich Mits glieder aller Italicnischen Akademieen nennen, sehr sparsam mit thren Worten, denn sie geben ihre Wissenschaft nicht umsonst weg. Poeten trifft man nur in den Theater Korridors, wo Sonnette ju Ehren der Prima Donna oder des Tenors, der gerade en vogue ist, gemacht oder verkauft werden. Von Literatur hört man nicht einmal in den akademischen Sisungen sprechen, in denen gewöhns lich nur langweilige Abhandlungen über die Lokal Alterthümer vorgetragen werden. Auch in einigen Klößtern kommen Gelehrte aufammen, die von Griechisch, Hebräisch und Chinesisch vollges pfropft, aber im Umgang nicht so liebenswürdig sind, der gelehrte Herr Drad, ein Franzose, Bibliothekar der Propas ganda, der funfzehn Sprachen versteht.

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In den kleinen Siddten des Kirchenstaats findet man viel mehr Sinn für Künste und Wissenschaften als in Rom: in Bos logna, dieser Akademie und Universitätsstadt, nehmen die Leute Theil an der geistigen Bewegung, die von allen Hauptstädten Europa's ausgeht. Man findet daselbst Frauen, die Lektüre haben, Manner, die fich nicht mit ihrer Unwissenheit bräften; man be: Pommt daselbst neue Werke, die den Negen der Cenfur zu ents schlüpfen wiffen; man liebt da ernte, gründliche Gespräche, die mehr die Philofophie als die Voefie zum Gegenstand baben. Nur einen Vorwurf fann man den Bolognesen machen, daß fie zuweilen pedantisch werden. In Ferrara ist die Gesellschaft In Ferrara ist die Gesellschaft weniger pedantisch, weniger ernst, und doch eben so fein, eben fo gefprácbig und interesant. Die Bewohner von Ferrara find besonders gegen die Fremden sehr zuvorkommend, die fie mit der größten Artigkeit aufnehmen und in ihren gastlichen Ansprüchen für die übrige Reife empfindlicher und strenger machen. Hier fann man einen Begriff davon belommen, was die alte Stalidnische Gesellschaft war, die man immer mehr vermißt, je mehr man sich Neapel ndhert. Neapel bat gar keine Gesellschaft; man lebt da mehr in freier Luft, als im Innern der Haufer, die nicht einmal für die Aufnahme von Gesellschaften eingerichtet find. Die Zimmer find faßt ohne Möbel, die Beleuchtung ist ebenfalls schlecht, auch paßt das lebendige Neapolitanische Natus rell nicht für ein ruhiges, geordnetes Gespräch, wo die Zuhörer oder Redner einen geschloffenen Kreis bilden, der enger oder weiter wird, ohne sich aufzulösen. In Neapel giebt es ein Ban quierhaus, das dort dieselben Rechte genießt, wie sie der Herzog Torlonia in Nem en den Fremden ausübt, indem er sie zugleich

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plündert und fetirt. Herr Meuricofre macht nicht so viel Aufs wand, als sein Römischer Kollege; er bestellt keine Statuen, feine Gemälde und Kapellen, aber er weiß die Leute durch seine wahre oder erheuchelte Bonhomie zu fesseln. Er hat einen stets offenen Salon, in welchem eine Freiheit und Beweglichkeit herrscht, die, verglichen mit dem Zwang und der Etikette der meisten Italids nissen Salons, sehr wohl thut. Herr Meuricofre nimmt von den Summen, die er gegen Wechsel aus London, Paris oder Pes tersburg giebt, fünf bis sechs Prozent, was nur einen jährlichen Zins von 50 bis 60 Prozent macht; dagegen lädt er seine Korres spondenten zum Diner, nimmt fe in feine Theaterloge mit, bewirthet e auf feinem Landhause und ist fortwährend herzlich und guter Dinge; bei ihm tanzt, singt, plaudert und amußirt man fich viel bürgerlicher als sonst in einem Neapolitanischen Salon; da ist man weder pretentios, noch lächerlich, denn Jeder fühlt sich wohl und Keiner bedauert sein Geld.

Daß die Venetianische Gesellschaft nicht so heiter und froh ist, als die des Herrn Meuricofre, lann man sich denken; fie trägt die Melancholie und das Mysteridse an sich, was diese ganze Stadt charakterisirt, die sich die Phantasie gern so vorstellt, wie sie in ihren schönen Tagen und besonders in ihren schönen Nach, ten war. In Venedig, hat sich die Gesellschaft mit dem Reichthum zerstückelt; was aber noch davon übrig ist, im Schatten dieser dußerlich so stillen Paläste, ist hinreichend, um das reizende Fans tom der Venetianischen Sitten heraufzubeschwören. Auf diesen Maurischen Balkons, welche die Lagunen beherrschen, versammelt man sich des Abends, um die frische Luft vom Wasser einzuath, men, die düsteren Gondeln vorübergleiten zu sehen und Liebesges ›ständnisse auszutauschen. Die Gesellschaft hält im Sommer ihre halbstummen Sizungen beim Mondschein, und in den Winters ballen giebt man sich ganz der rauschenden Fröhlichkeit des Kars nevals hin, der in Venedig seine Heimath hat.

Unter den größeren Jtalidnischen Städten sind vorzüglich zwei, von denen man sagen kann, daß sie eine Gesellschaft haben: das sind Florens und Genua. Die Florentiner sind nicht so ab: stoßend und menschenscheu, wie die meisten Italidner, sondern im Gegentheil sehr aufgeräumte, eit.nehmende Leute. Zwar empfans gen sie nicht bei sich, und zwar aus Sparsamkeit, aber fie Poms men, wohin sie eingeladen werden, zu den prächtigen Festen, die der Großherzog giebt und die an die Epoche der Medicis ers innern, in die diplomatischen Salons, wo man die höchste Ges sellschaft von Florens findet, eine liebenswürdige, geistreiche, für die Fremden höchst einladende Gesellschaft! Unter den diploma; tifden Salons ist der des Englischen Konsuls am besuchtesten. Da glänzt Lady Augusta F., die in England geboren, aber in Italien mit großer Sorgfalt erzogen worden ist und in ihrer Bildung wie in ihrem Charakter ein pifantes Gemisch des nor dischen und des südlichen Weibes darbietet, und zwar vereinigt sie in fich das Anziehende Beider. In Florens giebt es auch Affembleen, wo die Wissenschaften und Künste würdige Repräsentanten haben, selbst unter den Frauen, welche die neueste Französische Literatur kennen, und die, wie man erzählt, vor zwei Jahren den sonderbaren Einfall hatten, einen Liebeshof zu bilden zum Em pfang Herrn Balzac's.

Alle Winter laffen sich fremde Familien von Auszeichnung in dieser schönen Stadt nieder und vermehren die Anzahl der Balle, Konzerte, Improvisationen und Routs, die ihr eine so lebens dige und bewegliche Physiognomie geben. Mit einem Wort, das Leben ist hier viel angenehmer als in Mailand, wo das Haupts vergnügen der Reichen und Vornehmen darin besteht, daß fie Abends oder Mittags, je nach der Jahreszeit, in ihren Kutschen längs der Walle promeniren, während reitende Gendarmen mit gezückten Säbeln die beiden Equipagen Reihen in Ordnung halten. Das gesellige Leben dagegen, dem in Florenz der bestan dige Zufluß von Fremden neue Nahrung giebt, das freundliche Geficht, das die Einwohner ihren Gästen machen, die Leichtigs feit, womit fie unter einander Verbindungen anknüpfen, die Freis heit in Leben und Gesellschaft dies Alles ist ganz dazu ges eignet, dem Reisenden Florenz zum Paradies von Italien zu machen, wenn er sich nur von gewiffen kleinen Intriguen ents ferni halt und sich hütet, den Cavalieri serventi ins Gehege su fommen.

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Auch in Genua ist das gesellige Leben sehr angenehm. Zwar bewahrt Genua gewissenhaft die Traditionen feiner alten Gesellschaft, die sich etwas mehr Ponzentrirt hat, um nicht mit dem Umschgreifen der fremden Dccupation in den öffentlichen Sitten unterzugeben; aber durch den politischen Verkand des Gouverneurs von Genua, des Grafen Paulucci, eines der ausges zeichnetsten Männer, den der König von Sardinien für seine Abfichten brauchen fann, ist es gerade das gesellige Leben, durch welches sich die Occupation befestigt und auf dem Boden der ehemaligen Republie Wurzel faßt. Der Graf Paulucci, der fo gebildet wie ein Franzose und so schlau wie ein Italianer ift, fah ein, daß das sicherste und schnellste Mittel zur Verschmelzung des Genuefischen mit dem Piemontesischen sen, die,,Sklaven" und die Herren" in öfteren geselligen Rapport zu bringen, und zu diesem Zwed giebt er glänzende Feten, wo der stolzeste Adel nicht au erscheinen verschmäht und sich so allmålig an die Herrs schaft der Fremden gewöhnt. Jest konspirirt man nicht mehr auf den Ballen, und der Eon der Violinen übertdubt jede Aufs wallung von Nationalhaf. Kein Genueser ist stark genug, eine Einladung des liebenswürdigen Grafen Paulucci auszuschlagen, besonders wenn er selbst sie giebt mit jener Galanterie, die der beßen Zeiten unserer feinen Gesellschaft würdig ist.

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