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,,Ich muß Ihre Aufmerksamkeit", heißt es am Schluß der ersten Vorlesung,,,nur vorübergehend auf eine andere Doktrin der Phrenologie lenken, die man kennen muß, wenn man die praktische Anwendung der Wissenschaft gehörig beurtheilen will. Ich meine das, was sie die natürliche Sprache der Organe nennen. Sie behaupten nämlich, daß die phrenologischen Organe die Wirkung haben, die Stellungen und Bewegungen des Körs pers zu beherrschen und zu modifiziren, und daß diese Beweguns gen in der Längenrichtung der Organe stattfinden. So z. B. wenn die Aeußerung der Verliebtheit in _stärkerem Grade hervors gerufen wird und das Organ dafür groß ist, dann wird sich der Kopf rückwärts werfen, weil dieses Organ feine Grundlage in dem niederen und hinteren Theil des Gehirns hat; daher Fommt es auch, daß Liebende geneigt sind, den hinteren Theil ihrer Köpfe in Berührung zu bringen, sobald sie sich einander nähern." (?!)

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,,Folgende Beispiele mögen zeigen, wie leicht es den Phres nologen wird, Alles, was in der Wirklichkeit ihren Theorieen wis derspricht, mit denselben in Einklang zu bringen. Ein Indivi duum, das einen großen Kopf und zugleich einen ungewöhnlich großen Geist hat, dient ihnen zum Beweis für die Wahrheit der Phrenologie; ist aber der Kopf groß und der Geist schwach, dann heißt es, daß der große Umfang des Gehirns von Krankheit hers rührt, oder daß die innere Organisation des Gehirns mangelhaft ist, oder daß andere Umstände seine ursprüngliche Kraft geschwächt haben. Ist dagegen ein kleiner Kopf mit einem mächtigen Vers ftand verbunden, so beweist dies bloß, daß das Gehirn zwar klein, aber gut organisirt ist und mit ungewöhnlicher Energie wirkt. Hat ein Individuum eine vorherrschende Neigung und fein ents sprechendes Organ dafür im Gehirn, dann heißt es, daß das Ors gan sich nicht ausgeprägt hat durch die Befriedigung jener Reis gung; ist dagegen für ein besonders entwickeltes Organ feine ents prechende Richtung im Charakter des Individuums vorhanden, dann wird behauptet, daß der Keim zu dieser Neigung da ist, aber daß er entweder durch die Erziehung unterdrückt ist, oder daß ein entgegengesettes Organ sich ausgebildet, wodurch die Thatigs keit des ersteren neutralisirt ist. Wenn z. B. ein Mensch das Drs gan der Habsucht start ausgepragt hat und sich nicht durch unges wöhnliche Liebe zum Gewinn auszeichnet, daneben aber das Organ des Wohlwollens ebenfalls sehr groß ist, dann heißt es, daß die Wirkung des einen die des anderen neutralisirt hat. Auch das Temperament, wird angenommen, übt auf die Acußes rung der verschiedenen Organe einen großen Einfluß, und wenn man mit allen diesen Hülfsmitteln keine genügende Erklärung zu Stande bringt, dann nimmt man zu einer anderen, noch ergoß licheren Methode die Zuflucht, um die Phrenologie aus der Verlegenheit zu ziehen. In Schottland lebt ein berühmter Geists, licher, von liebenswürdigem Charakter und machtigem Geist, der zugleich einen weitverbreiteten moralischen Einfluß auf die chrifts liche Welt ausübt. Dieses Individuum, heißt es, hat das Organ der Zerstörung besonders stark entwickelt, aber fein Organ von entgegengeseßter Natur daneben, und um nun diesen Widerspruch zwischen seinem Schädel und seinem wirklichen Charakter auszus gleichen, behaupten die Phrenologen, denen die Thatsache bekannt ift, die Neigung zum Mord und Blutvergießen sen ursprünglich vorhanden, und er manifestire dieselbe dadurch, daß er überall, wo er kann, das Lafter zerstört und irrige Ansichten und Systeme umstößt. Man hat neulich den Schadel des Antichristen Voltaire untersucht und gefunden, daß das Organ der Verehrung bei ihm in außerordentlichem Grade ausgebildet war. Bei ihm heißt es, feine Verchrung für die Gottheit sey so groß und sein Sinn für Frömmigkeit so stark gewesen, daß ihm selbst die frömmsten Christen noch nicht gottesfürchtig genug schienen, und daß er aus reiner Verehrung gegen die Gottheit die christliche Religion von der Erde zu vertilgen suchte. Solcher der Wahrheit und dem gesunden Menschenverstand widersprechender Erklärungen werden noch viele zur Ehrenrettung des Systems gebraucht."

,,Wenn die Phrenologen behaupten, daß die geistigen Fähig keiten eines Menschen und der Umfang seines Gehirns in einem bestimmten Verhältniß zu einander stehen, so kann man fragen, ob der absolute oder der relative Umfang des Gehirns gemeint ist, d. h. ob die Größe des Gehirns an sich, ohne Vergleich mit anderen Theilen des Leibes, den Umfang der geistigen Kräfte bedingt, oder ob es darauf ankommt, wie sich die übrigen Theile des Körpers ihrer Größe nach zu der des Gehirns verhalten. Im ersteren Fall würden Menschen mit kleinem Kopf ein für alle Mal weniger Verstand haben als die mit großem Kopf, und doch haben der Wallfisch, der Elephant und andere Thiere niedes rer Stufe ein viel größeres Gehirn als der Mensch, während ihr Verstand kleiner ist. Kommt es aber auf das Verhältniß des Gehirns zu anderen körperlichen Dimensionen an, dann fragt es fich wieder, ob bloß der Umfang eines bestimmten Theils in Betracht kommt, etwa des Gesichts, oder des Halles, oder des Rückenmarks, oder der Gehirnnerven, oder die Maßverhältnisse des ganzen Körpers, und hierüber geben die Phrenologen keine Aufklärung."

,,Es ist wahr, daß die natürlichen Anlagen der Menschen ursprünglich verschieden sind, aber diese Verschiedenheit, dieses Ursprüngliche wird durch das Leben selbst durch und durch modis fizirt. Klima, Beschäftigung, Literatur, Wissenschaft und Künste, Handel und Krieg, bürgerliche und religiöse Institute, die ges fellschaftlichen Zustände und die Lebensweisen können auf den Geift den mächtigsten Einfluß ausüben; vor Allem aber wichtig ist die Zucht und Gewöhnung des Geistes selbst. Durch Uebung

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Es ist oben gesagt worden, das Schauspiel sey eine Lebenss bedingung bei den paniern. Man weiß, mit welcher Leidens schaft sie an den Stiergefechten theilnehmen; jest wollen wir fie bei den theatralischen Vorstellungen beobachten, wo Scenen aufs geführt werden, die sie mit dem größten Beifall aufnehmen, weil darin ihre eigenen Reigungen, ihre Leidenschaften, ihre Sitten, ihre Laster und Eigenschaften vorgestellt werden. Gehet in das Theater del Prinzipe oder de la Cruz, wenn man Lucrezia Borgia, den Thurm von Resle, Maria Tudor oder Anı tony giebt. Der Saal ist dunkel und wird durch den grauen Anstrich der Ballone und Logen noch mehr verfinstert. Die Zuschauer find gebrdunte, in Mäntel gehüllte, ernste, leidenschafts liche Gestalten, die weniger aussehen, als suchten sie hier Vers gnügen, denn als erfüllten sie eine religiöse Pflicht. Das Pars terre ist mit Leuten vom dustersten Aussehen angefüllt, und es gehört wahrlich eine große Anstrengung der Phantasie dazu, um diese Räume für einen Schauspielsaal zu halten. Die Zuschauer, die man vor wenigen Stunden auf der Puerta del Sol hat plaudern und rauchen sehen, find hier ganz stumm; das Drama auf der Straße ist zu Ende, und sie suchen nun im Theater Ers schütterungen und Vorbilder. Wenn dem Drama ein politischer Stoff zum Grunde liegt, wenn Verschwörung, Aufruhr und Mord die Entwickelung desselben sind, so schöpfen sie daraus Pläne und Hoffnungen für den nächsten Tag. Die Zuschauer von heute werden morgen zu Schauspielern, der Marktplay wird zum Theater, und die Minister oder Generale sind die Opfer. Ist es ein bürgerliches Drama, so entnehmen die Zuschauer dars aus, wie man ein Weib zärtlich liebt und es erdolcht, wie man fich durch Gift von seinem gehaßten Nebenbuhler befreit, mit einem Wort, wie man seine Rache_stillt. O! diese Zuschauer lassen sich auch nicht den leisesten Gedanken des Dichters ents gehen, und noch denselben Abend wird vielleicht irgend eine blutige Scene, unter dem Schein einer Straßen Laterne und unter den Augen eines Muttergottesbildes, den Beweis führen, welch' ein gelehriges Publikum die romantische Schule in Madrid habe.

Die gebrdunten Gestalten fangen jedoch an, fib zu erheis tern; die Scene hat sich verändert; das ernste Genre hat volkss thümlicheren Vorstellungen Plaz gemacht, deren einziges Vers dienst ihre Rohheit ist. Während der ganzen Dauer des Drama's ertonten im Saale weder Beifallsbezeugungen noch Murmeln; ein Jeder hörte zu, sah, beobachtete und suchte Vortheil daraus zu ziehen; jeßt aber wird der versteinerte Zuschauer wieder zum Menschen, seine Passivität hört mit dem Drama auf. Die Kaftis lianischen Verse entlocken ihm Lächeln und Beifallklatschen; die derben Worte, die schlüpfrigen Scenen schmeicheln seinem Ges schmack und seinen Gelüsten; durch Geberden und Ausrufungen giebt er seinen Beifall zu erkennen und fordert die robesten Lazzi's da Capo. Dann folgt der Tanz, der National Bolero und Fandango, welche die Vorstellung beschließen. Mit Ents aücken sieht man den Beinschwenkungen und üppigen Stellungen der Tanzer und Tänzerinnen zu, die in knapper Andalußischer Tracht, mit Flittern bedeckt, erscheinen; man schreit, brüllt, aps plaudirt mit Händen und Füßen, und wenn der Vorhang fällt, ruft man nicht den Darsteller des Antony, wohl aber den Hars lefin oder das Paar, welches den Bolero tanzte. Nicht zu vers gesien, daß das Publikum nur dann völlig befriedigt das Theater verläßt, wenn das Orchester die Hymne Riego's, eine Art Spar nischer Marseillaise, und die eben so beliebte Tragala gespielt hat.

Der Schauspieler Latorre, der vor einigen Monaten von Paris nach Spanien gekommen, ist jest zu Madrid der beste Schauspieler im Drama: ihm steht eine junge niedliche Französ fin würdig zur Seite, die Gattin eines ehemaligen Direktors und Verwalters der Madrider Theater und wegen ihrer reinen Aussprache des Kastilianischen allgemein bewundert.

In Madrid und den übrigen Spanischen Städten fährt man

nur Stücke auf, die aus dem Französischen überfest find; denn Spanien ist eben so arm an Schriftstellern, als Frankreich deren zu viel hat. Während acht Jahren wurden nur ungefähr zwei oder drei Spanische Original Werke von einiger Bedeutung auf geführt. Martinez de la Rosa, der ausgezeichnetste unter Spas niens jeßigen Swriftstellern, hat die Quelle seiner dramatischen Productionskraft bei seinen politischen Beschäftigungen eintrocknen lassen. Seine,,Verschwörung zu Venedig, die auf dem Theas ter de la Cruz mit Beifall gegeben wird, läßt bedauern, daß er nicht lieber auf die Triumphe der Rednerbühne, mit denen er doch nicht viel ausrichtet, ganz Verzicht geleistet und sich mit den Triumphen der Bretterwelt begnügt hat. Ein junger Mann, der fich lange in Paris aufgehalten, der mit den dortigen dramas tischen und literarischen Celebritäten umging und von ihnen sehr geschäßt wurde, ein junger Mann voll Bescheidenheit und Talent, der sich in Paris nach den besten Mustern bildete, der junge Jose Lara, der vor zwei Jahren in Madrid als Opfer einer edlen, aber unglücklichen Leidenschaft starb, hat der Bühne eine Wenge eben so treuer als geschmackvoller Ueberjeßungen hinters lassen. Diesem anmuthigen Schriftsteller verdankt man die Uebers tragung von Bertrand und Raton",,,Lucrezia Borgia" und dem,,Thurm von Nesle", so wie einer großen Anzahl komischer Opern und Vaudevilles von Scribe.

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In diesem Augenblick ist Madrid stolz auf Herrn Martin los Herreros, den Verfasser des Drama's,,Troubadour", welches vor kurzem mit außerordentlichem Erfolg auf dem Theater del Prinzipe aufgeführt wurde, und einer Uebersehung der Kinder Eduard's." Sonst aber fehlt es in Madrid jest sehr an ausges zeichneten Literaten, und es wäre eine moralisch und politisch interessante Aufgabe, den Grund dieses Mangels nachzuweisen.

Italien.

Römische Berichte eines Deutschen.

II.

Wer wollte hier nicht gern von Musik schreiben! Ist doch des Singens und Klingens fein Ende von früh bis spat. Die Pifferari finden sich schon bei guter Zeit ein. Wer ein Madonnens bild unter seinem Fenster oder doch in der Nähe hat, und allzu weit ist's nirgend hier zu einem solchen, der wird, lange ehe der Tag graut, durch das Morgenständchen aufgeweckt, welches sie der Mater amata et virgo intemerata bringen. Eine Stunde fpåter kommen andere Pifferari, und aber andere etwa wieder nach Verlauf einer Stunde. Sie haben nicht Alle dieselbe Art und Melodie. Ein gemeinsamer Typus aber geht hindurch. Sie kommen zu Zweien oder Dreien. Einer spielt die Sackpfeife in tiefen Schnarrs und Orgeltönen, die in größerer Höhe sonderbar spig klingen. Der Andere oder die beiden Anderen blasen auf furzen Klarinetten, die dem timbre nach unseren Hoboen näher stehen. Sie sind Leute aus dem Gebirge, weit genug her aus den Abbruzen, arme Leute, die sich hier ihre Christbescherung zusammenblafen. Sie kommen eigentlich in furzen braunen oder blauen, sehr verfärbten und zerfeßten Mänteln, die Beine mit freuzweise überschnürten Tüchern umwickelt; sie kommen in braus nen spisen Hüten mit brandbraunen schwermüthigen Gefichtern, wie solche Jedermann bekannt sind vom Robertschen Schäfer aus der Campagna her. Zu Anfang schauen fie aber ein wenig bunter aufgepußt. Sie stehen da den Malern zu Akte, denn die Kunst geht nach Brod, beiderseits. Später durchwandern sie die Straßen und Gaffen und blasen kurze Klauseln in wunderlichen und felts fam abgebrochenen Läufen. Damit melden sie sich den Besißern der Marien an, um zu täglicher Devotion vor den wohlüberzeltes ten, zierlich geschmückten und mit immer brennenden Laternen venerirten Bildern der Straßen bestellt zu werden. musiziren sie der Nostra Donna und andere neun Tage dem Bambino (denn das Kind" kurzweg wird hier das Chrift› Kinds lein, so wie die Mutter kurzweg,,die Frau", oder meine" oder unsere Frau" genannt). Sie sind noch unverfälscht dies felbigen Leute, die an das Kripplein in der Wundernacht vor etlichen und achtzehnhundert Jahren traten, wie solche von Raphael getreulich abgeschildert zu schauen find auf jener Tapete, die der Hirten Anbetung darstellt, ja gewißlich treu, denn sie ist sehr göttlich. Man kann, was sie da auf der Tapete musiziren und was fie an guten Fugen oder doch Kontrapunkten etwa einmischen, leider nicht vernehmen und leider also derselben Autoritdt zum Beweise der auch unverfälschten Melodei sich nicht bedienen. Im Uebrigen aber möchte ich auf eigene Verantwortung behaupten, daß hinter dieser Melodei eine uralte Tradition stecke, denn es ist etwas darin, was das Herz gar eigen bewegt und wirklich wie Don einem heiligen Geheimniß fingt, furz etwas, das nicht gerade in jeder Sackpfeife von selber steckt, und woran zwölf Dußend unserer Komponisten alle ihre Gänsefedern zerkauen könnten, ohne es herauszukauen. Hierzu kommt noch ein besonderer Umstand. Der eine von den Musikanten singt nämlich sein Marien oder Christliedchen, zu dessen schlichter rührender Melodie die rauhe unpolirte Feldstimme fich gar gut schickt; der Andere begleitet ihn auf der Sackpfeife, indem er die Oberstimme zum Theil in der Melodie mit gehen läßt, jedenfalls aber wahrend der ganzen Strophe die Quinte der Lonart aushält. Diese Quinte und die

Neun Tage

Dissonanzen, die ihre Hartnäckigkeit herbeiführt, nebst dem eigen thümlichen Klang des Instrumentes, bringen das ganz Unges wöhnliche der Piferari Musik hervor. Sobald die Liedstrophe ausgesungen ist, greift der Sänger zu seiner Klarinette und bes ginnt, zu der Weise, welche die Sackpfeife fortführt, anmuthig und fröhlich zu kontrapunktiren. Er bringt in diesem Refrain, welcher jeder Liedtrophe gleichmäßig folgt, so lahne Wendungen und Rhythmen an, die doch nichts weniger als wäst, und wills fürlich sind, und fügt insonderheit nach der lesten Strophe als Coda einen so gefühlvollen Adagio, Sah und einen so brillanten Schluß hinzu, daß ein hiesiger musikkundiger Freund sich gewiß nicht mit Unrecht wiederholt an Beethovensche Motive gemahnt fand. Es wäre als Resultat solcher Erfahrung nur etwa dies zu ziehen, daß manche überraschende Erfindung Beethoven's, die dem in Gewohnheit eingewurzelten Urtheil gesucht, vielleicht bizarr bedünken kann, in Wahrheit doch der Natur und dem urs fprünglichsten Gefühl viel ndher liegt, als Theorieen zugestehen mögen. Zur Purifizirung indeß der ehrlichen Pifferari und nebens her unseren musikliebenden und übenden jungen Damen zur War: nung vor der gefährlichen und übrigens, troh Nicolai, ewigen Roma, sen hier bemerkt, daß, ungeachtet es des Ories MusikHandlungen giebt, sogar (man denke!) eine, die eine Art von Leih Institut macht, dennoch in ganz Rom, so viel wenigstens Schreiber dieses vermocht hat, sich keine einzige Beethovensche Symphonie in irgend einem Arrangement auftreiben läßt. Dafür find aber die Pifferari auch nicht zufrieden, sich früh Morgens hören zu lassen. Man kann die Straßen zu keiner Tag.szeit bes treten, ohne ihre durchdringende Musik zu vernehmen; und auf die Lange wird's auch dem gesteigertsten Interesse für ihre Eigens thümlichkeit doch des Gesanges und Getones allzu viel. Nervens schwachen Damen wäre dieserhalb und wegen des Glockenläutens der Aufenthalt hier in der Adventszeit zu widerrathen. Für die Englanderinnen, die Rom in dieser Zeit überschwemmen und es in diesem Jahr besonders zu unerhört hohem Wasserstande gebracht haben, ist nichts zu fürchten, da sie selbst die Aegyptischen Hieroglyphen à la Champollion heißhungrig und ohne alle Nachtheile genießen, und für die alleinreisenden Damen anderer Nas tionen ohnehin nichts. Die Pifferari aber müssen in lächerlicher Wenge hier seyn und sind auch ihrerseits aufs Ueberschwemmen Es ist, wie wenn die Bögel im Frühling erst einmal an gefangen haben, dann schlägt's und lärmt's von jedem Baum, von jeder Hecke. So hier vor jedem Bild, an jeder Ecke, in jeder Wein Bottaga, und hat laum mit dem Ave Maria sein Ende erreicht.

aus.

Bibliographie.

Compendio della Storia di Napoleone già Imperatore di Francesi. Bon G. L. Mailand. (Dem Verfasser wird nachgerühmt, daß er mit großer Unparteilichkeit zu Werke gegangen und sich eben so vor den na tionalen Vorurtheilen eines Walter Scott, wie vor den antinationalen Bergötterungen heutiger Kosmovokten, gehütet habe.)

Opere edite e inedite. Gesammelte Werke des Philosophen Antonio
Rosmini Serbati. Mailand.
Enciclopedia italiana e dizionario della conversazione, opera originale italiana.
Erster Band. Venedig.

Influenza degli imperatori di casa d'Austria nelle vicende d'Italia, dall' elezione di Rodolfo d'Absburgo sine ai nostri giorni. Historischer Be richt von Ignacio Cantu. 4. Mailand.

Mannigfaltiges.

Daguerre und Humphry Davy. Daguerre's, des Pariser Dioramen-Malers interessante Erfindung, die Bilder der Camera obscura auf chemischem Wege, mittelft der Einwirkung des Lichtes selbst, festzuhalten, giebt Englischen Blättern Anlaß, daran zu erinnern, daß schon vor 15 Jahren der verstorbene Sir Humphry Davy ähnliche Verfuche gemacht, indem er eine Platte von Silber Nitrat, auf welche Licht und Schatten gewisse Wirs fungen hervorbrachten, zu solchem Zwecke mit den vom Sonnens zwischen hatten diese Versuche tein Resultat, denn die auf der lichte reflektirten Gegenständen in Verbindung gebracht. Ins Metalls Platte hervorgebrachte Farben Veränderung war zu flüchtiger Natur, um das Bild selbst festhalten zu können. Herr Daguerre aber hat das Mittel gefunden, jenen Eindruck minder flüchtig zu machen, und dies ist das Wichtigste seiner Erfindung, von der jeßt die Engländer den ersten, aber minder praktischen Theil für sich in Anspruch nehmen.

Englische Encyklopädie. Die Buchhändler Longman und Comp. in London kündigen so eben ein,, Wörterbuch für Wissenschaft, Literatur und Kunst" an*), deffen Mitarbeiter ein Wert von großem Werthe erwarten lassen. Folgendes sind die Namen dieser Mitarbeiter: Professor Brande für Naturwissens schaften und namentlich für Alles, was sich auf Chemie bezichti Herr T. Galloway für Mathematik, Mechanik c.; Herr Joseph Gwilt für Baukunst, Musik und schöne Künfte überhaupt; Dr. Lindley für Botanik; Herr J. C. Loudon für Gartenkunst und Landbau; Herr J. R. Mackulloch für Statistik und allge meine Gegenstände der Literatur; Herr H. Merrivale für Juriss prudenz, und Herr Richard Owen für vergleichende Anatomie und Zoologie.

*) Dictionnary of Solence, Literature and Art.

Nummern. Pranumerations Preis 224 Sgr. (Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 13.

Magazin

für die

Beiblatt der Allg. Dr. Staats Zeitung in Berlin in der Expedition (Friedrichs-Straßte Nr. 72); in der Proving so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 30. Januar

1839.

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So berühmt auch Petrarka durch seine Italiänischen Sonette geworden, so verdient er doch nicht minder die Lobpreisungen und die Dankbarkeit der Nachwelt wegen der Bemühungen, die er während seines ganzen Lebens darauf verwandte, gesunde mos ralische und politische Grundsäße unter den Nationen Europa's zu verbreiten. Aus feiner,,Kunst, gut zu regieren", die an J. Cars rara gerichtet ist, erfieht man, wie unendlich weit Petrarka der praktischen Politik seiner Zeit voraus war, und wer sich übers zeugen will, wie dieser gelehrte und geistreiche Schriftsteller fich mit der Lösung von Fragen beschäftigte, die der Natur seines Geistes durchaus fremd scheinen, darf nur eines seiner gleichfalls in Lateinischer Sprache geschriebenen Bücher lesen, welches den Titel führt: Von den Pflichten und Talenten eines Feldherrn" (de officio et virtutibus imperatoris) und das dem Lucchino del Berme, mit dem Beinamen,,der Fabricius von Verona", ges widmet ist.

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Der Gegenstand aber, über welchen Petrarka am meisten und besten geschrieben hat, ist die Moral's Philosophie. Aus Furcht, zu weit uns zu verbreiten, wollen wir hier nur desjes nigen seiner in Lateinischer Prosa verfaßten Werke gedenken, in welchem er sich über dieses Thema mit großer Tiefe und vielem Geißt verbreitet. Wer Petrarla's Herz und Wefen ganz kennen zu lernen wünscht, dem rathen wir, fein Buch:,,de Contemptu vitae" zu lesen. Hier findet man in Form dreier Gespräche swischen dem heiligen Augustin und dem Anbeter der Laura die edelsten und aufrichtigsten Bekenntniffe, welche ein Mann nur immer über seine Geistes, und Herzensschwachen abzulegen vers mag. Hier sieht man, wie Petrarka alle Tduschungen, denen er wahrend seines Lebens in Bezug auf seinen Ehrgeiz und auf die Reinheit seines Gefühls für Laura erlegen, aufdect, prüft und verdammt, und am Ende eingesteht, daß felne ganze herrliche Tugend Glorie eigentlich nichts weiter fen, als versteckte Eitelkeit und fündhafte Leidenschaft. Nach der Lesung dieses Buches ges wahrt man deutlich, wie die Sonette, in welcher Petrarla von feiner Laura spricht, meist leidenschaftlicher find, als sie es scheinen, und daß, unter der Hülle des stets so reinen Schleiers seiner Platonischen Sprache, der Sanger oft wie ein glühend Liebender schwärmt. Man hat viele Kommentare zu den Italianischen Ges fangen unseres Dichters geschrieben; meiner Ansicht nach, würde eine vollständige Uebersesung seiner Lebensverachtung", die er auch sein Geheimniß" nannte, die beste Erklärung fenn, welche man ihnen beifügen könnte. Wer von dem Glauben nicht lassen will, daß der Dichter der Sonette an Laura beschränkten Geistes und falten Herzens war, der möge nur diese schöne und mert würdige Schrift lefen, die au lang ist, um hier vollständig Plas zu finden, und deren Theile wieder au eng mit einander verbuns den find, um einen davon trennen zu können.

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Doch haben wir uns vorgenommen, unseren Lefern Petrarka von einer dritten Seite vorzuführen, ganz verschieden von dem, wie er sich in seinen Sonetten und Canzonen zeigt, und auch durchaus anders, als wenn er Carrara die Kunst lehrt, einen Staat gut zu regieren. Hier tritt er vor uns als beschreibender Dichter, als phantasiereicher Denter, seine erhabenen und glans Jenden Betrachtungen umfaffen die Körper und Geistermelt, er weidet fich an eingebildetem Kummer und Schmera, mit Wonne fchlürft er das Vergnügen ein, durch eine unbewohnte, wilde Gegend zu wandern; bald irrt er aufs Gerathewohl umber, bald strebt er nach einem Ziele, immer aber führt ihn seine Einbils dungskraft auf sich selbst zurück, er prüft und befragt sein hers, um die menschliche Natur kennen zu lernen und um zu ers forschen, welches der Zweck und das Ende des Lebens fen. Von J. 3. Rouffeau bis auf unsere Zeiten hat es nicht an gewandten Schriftstellern gefehlt, welche fich bemühten, die Verstimmungen der Seele, die Schwankungen der Leidenschaften und die qualens den Einflüßterungen der Zweifelsucht auszumalen. Man hat sich fogar eingebildet, diese Gemüthsrichtung fen sowohl bei den Perfonen, die daran leiden, als bei denen, die sie schildern, ein neues Resultat der socialen und politischen Bewegung der Welt

feit achtzig Jahren. Aber der Mensch ist ewig derselbe, immer von Hoffnung und Muthlosigkeit auf dem Ocean des Lebens ums hergeworfen. Ueberhaupt kann dieser krankhafte Seelenzustand erst dann beobachtet und richtig geschildert werden, wenn die Völker die Gränzen einer gewißen Bildung überschritten haben. Vor diesem Zeitpunkte ist es nur seltenen Geistern verliehen, die Abstufungen dieser moralischen Verstimmung zu ergründen, welche der große Haufe, der ausschließlich mit den ihn qualenden groben Körperschmerzen beschäftigt ist, nicht zu fassen vermag. Diese Erkenntniß war im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts nur einem Petrarka erschlossen, dessen zarte, edle und empfängliche Seele. feinen Ruhepunkt in jenem damals noch so rohen und wilden Europa fand. Wir werden ihn selbst hören und bei der Lesung seiner Besteigung des Mont Ventour gewiß alle Merkmale ers Pennen, welche die Schule J. J. Rousseau's, Bernardin de St. Pierre's, Chateaubriand's und Lamartine's charakterisiren. Lassen wir Petrarka sprechen:

"Ich erstieg heute einen hohen Berg dieser Provinz, (der ehemaligen Provence, jeßigen Vaucluse Departements), der nicht mit Unrecht der Mont Ventour) genannt wird und merkwürdig ist durch seine Gestalt und Höhe. Eine Neugierde, die sich noch aus meiner Kindheit herschreibt, wo ich zuerst diese Gegend sah, trieb mich an, ihn genau zu durchforschen; in der That fesselt der Mont Ventour, von welcher Seite man ihn auch betrachte, Blicke und Aufmerksamkeit, und durch mein heutiges Ersteigen desselben erfüllte ich nur einen lang gendhrten Wunsch. Wir kam eines Abends der Entschluß, ihn zu erklim men, bei Lesung einer Stelle des Titus Livius, in welcher dieser Geschichtschreiber berichtet, daß Philipp, König von Macedonien, in einem Kriege gegen die Römer, den Berg Hámus in Thessas lien erstieg, von wo aus man die beiden Meere, das Adriatische und das Schwarze (Pontus Eurinus), folle erblicken können. So weit entfernt von diesem Lande, wie ich es bin, ist es mir unmöglich, zu beurtheilen, ob diese Thatsache wahr oder falich sep; Pomponius Mela bejabt, Titus Livius leugnet cs.") Sichers lich würde ich für meine Person nicht lange darüber in Zweifel bleiben, wenn mir der Berg Hamus so nahe wie der Monts Bentour lage. Wie dem aber auch sen, wir wollen jum leßteren zurückkehren.

Im Augenblick der Abreise, als es darauf ankam, mir einen Reisegefährten su erwählen, fonnte ich seltsamerweise unter meis nen Freunden feinen herausfinden. Wenn man eine Reise oder einen Spaziergang in Gesellschaft unternimmt, so ist wirklich nichts seltener, als eine Uebereinstimmung des Willens, des Ges schmacks und der Charaktere. Der Eine schien mir zu lebhaft, der Andere zu langsam; zu große Luftigkeit und zu große Schwers muth war mir beides nicht wünschenswerth; Dieser war zu geists reich, Jener zu beschränkt. Ich wünschte bei meinem Reiseges fahrten weder zu anhaltende Schweigfamkeit, noch zu ermüdende Geschwäßigkeit; die Korpulenz eines Dritten verhinderte ihn am raschen Gehen, ein Vierter war fo mager, daß ich befürchtete, mit ihm nicht Schritt halten zu können. Kurz, aus Furcht vor allen diesen fleinen Mängeln, an denen die Freundschaft so wenig Anstoß nimmt, wenn man gang ruhig im Simmer bei einander ift, fiel meine Wahl endlich auf meinen jungeren Bruder, der den Vorschlag um so freudiger annahm, weil er sich dadurch meinen Freunden vorgezogen sah, was dem Herzen eines Brus ders immer sehr süß ist.

Am festgefeßten Tage machten wir uns auf den Weg und langten gegen Abend in Malaufane an, einem Dorfe an der Nordseite des Monts Ventour, wo wir einen Tag verweilten. Heute endlich erstiegen wir, mein Bruder und ich, in Begleitung einiger Diener, nicht ohne Schwierigkeiten den Berg, der gerade an dieser Seite sehr steil und felsicht ist. Doch, sagt nicht der Dichter:,,Labore omnia vincit improbus"? Die Länge des Lages, die Reinheit der Luft, die Kraft und Geschmeidigkeit unferer Glieder, Alles begünstigte unser Unternehmen, und es ftieß uns kein anderes Hindernis auf, als die natürliche Rauh heit des Dries.

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*) Mons ventosus, der ftürmische Berg, wie eine der Riesenkuppen des Schlesischen Gebirges die Sturmbaube heißt.

**) Livius XL. 21 und 22. Nicht nur jene beiden Meere, fondern auch noch die Alven und die Donau follte man, wie Livius berichtet, der Sage nach, vom höchsten Gipfel des Hamus feben können.

Ein alter Schäfer jedoch, der sein Leben in einer der Höhs len des Berges verbrachte, bemühte sich, uns durch seine Vorstels lungen von unserem Vorhaben abzubringen. Er erzählte uns, vor funfzig Jahren, in seiner Jugend habe er auch einmal das Gelüst gehabt, bis zum Gipfel des Berges empor zu klettern, er hätte aber, außer dem Verdruß dort gewesen zu seyn, nur noch eine große Müdigkeit und zerrissene Kleider davongetragen. Vor mir, segte er hinzu, war noch keiner hinauf gestiegen, und es hat auch seitdem Niemand mein Beispiel nachgeahmt. Wenn man jung ist, giebt man wenig auf guten Rath; der des Greifes erregte nur noch mehr unsere Neugierde. Als der Scdfer merkte, wie vergeblich alle seine Vorstellungen seyen, ging er mit uns nach den Felsen hin, zeigte uns einen sehr steilen Fußpfad, fügte noch einige Anweisungen über die zu verfolgenden Krums mungen hinzu, und als wir ihn verlassen hatten, hörten wir ihn noch von weitem die Tollkühnheit unseres Unternehmens beseufzen.

Nachdem wir unsere Gewänder aufgeschürzt und zusammens geknüpft hatten, um uns das Schreiten zu erleichtern, fingen wir an zu steigen; aber unsere ersten zu lebhaften Anstrengun gen ermüdeten uns dergestalt, daß wir uns ausruhen mußten und unseren Weg dann viel langsamer fortseßten. Ich wählte mir einen minder steilen Pfad aus und schritt ganz gemächlich weiter, wogegen mein Bruder es versuchte, den Gipfel auf einem geraderen, aber unendlich beschwerlicheren Wege zu ers reichen. Mehrmals rief er mir zu, um mich auf den rechten Pfad zu lenken, aber ich antwortete ihm ftets, daß es mir auf einige Schritte mehr nicht ankäme, und daß ich lieber ein wenig fpdter oben anlangen, als mir zu viel Beschwerde verursachen wolle. Auf solche Weise suchte ich meine Trägheit zu beschönigen, und als mein Gefährte schon dem Gipfel nahe war, irrte ich noch auf den unteren Theilen des Berges umber. Endlich bemerkte ich aber doch, daß ich mir große umwege und viel unnüße Mübe mache, denn ich kam meinem Ziele durchaus nicht näher. Da sah ich meinen Irrthum ein, versuchte es, den Berg gerade hins auf zu klimmen, und von Müdigkeit ganz zerschlagen, erreichte ich meinen Bruder, der sich niedergefeßt und in feine Kleider eingehüllt hatte, um sich vor der Kälte zu schüßen. Als wir uns etwas ausgeruht, machten wir uns wieder auf den Weg und gingen auf dem Plateau umher, auf welchem der Gipfel des Monts Ventour ruht. Unverbesserlich, wie ich war, und in dem felben Irrthum befangen, gerieth ich, als wir unseren hoben Ruhepunkt verlassen hatten, wieder in die unteren Thaler; von neuem trachtete ich danach, mir das hinaufsteigen zu erleichtern, und verlängerte dadurch nur meine Anstrengungen. In Wahrs heit, ich scheute aus angeborener Trägheit die Mühe und Langes weile des Erklimmens; doch die Natur der Dinge ist unverdns derlich, und was man auch thue oder wolle, nie wird man hers absteigend hinaufklimmen; dreimal, ich muß es nur eingestehen, wiederholte ich dieses Mandver und mußte manche Spöttelei von meinem Bruder dafür aushalten, denn ich verbrachte fast zwei Stunden mit solchem Umherirren.

Während dieser unstdten Irrfahrten, als ich gar nicht mehr wußte, welchen Pfad ich eigentlich wählen oder verfolgen follte, fegte ich mich in einem Thale nieder. Da schwang ich mich auf den Flügeln des Gedankens von der Wirklichkeit zu den überfinnlichen Dingen auf und sagte zu mir selbst: Vergif nicht, wie oft Du Dich heute schon beim Ersteigen dieses Berges geirrt hast, und bedenke wohl, daß es Dir eben so gehen kann, wenn es darauf ankommt, Dich zur ewigen Seligkeit aufzu schwingen! Dieses Beispiel diene Dir als Lehre und als Füh rer, um diese wichtige Wahrheit wohl zu faffen, denn Alles, was körperlich und sichtbar ist, begreift sich leicht, aber das Unsterbs liche vermögen alle Anstrengungen unserer Einbildungskraft nicht au durchdringen. Vergiß nicht, daß das ewige Leben hoch erhas ben ist, daß man es nur sehr schwer erringen, nur stufenweise, indem man von Tugend zu Tugend sich erhebt, dahin gelangen kann, so wie man diesen Berggipfel nur erreicht, wenn man von Fels zu Fels klimmt. Das Hohe ist das Ziel von Allem; es ist der Zweck unserer Reise wie unseres ganzen Lebens; Jeder strengt sich an, dahin zu gelangen, aber nur wenige erreichen es. Aber Du betrügst Dich selbst, sprach ich weiter zu mir. Du willst nicht bloß, Du wünschest auch sehnlich; was verhins dert Dich denn also am hinaufsteigen? Es ist der verführerische Reis eines minder schwierigen Weges, auf welchem Du mehr Vergnügen zu finden hoffft und der Dir kürzer scheint. Das ist die Tauschung, die Du Dir selbst bereitest. Aber wenn Du recht lange umbergeirrt fenn, wenn Du Dich unnůß ermüdet haben wirst, in der Hoffnung, dadurch einer unvermeidlichen Anstrengung zu entgehen, dann mußt Du Dich zulest doch ents schließen, zum Gipfel des ewigen Lebens hinaufzuklimmen oder in der Tiefe des Thales der Sünder umherzuirren und endlich darin zu sterben. Diese Betrachtungen rüttelten all' meine Kräfte aus ihrem Schlummer auf. Der Himmel gebe, wenn ich die große Reise antrete, nach der ich mich sehne, daß ich in den Stunden der Ermattung fähig seyn möge, eben so den Eis fer meiner Seele zu beleben, wie es mir heute mit dem meines Körpers gelang.

Auf dem Gipfel des Mont Ventour befindet sich eine Ers höhung, die alle übrigen beherrscht, und welcher die Landleute den Namen des ,,hügels der Kinder" gaben, wahrscheinlich weil ihre Stellung ihr das Ansehen der Mutter aller fie umrin genden giebt; auf ihr ist eine kleine Fläche, die wir zur Ruhes sidue benußten.

so schenke mir noch einige Augenblicke Deine Aufmerksamkeit, damit ich Dir das Ende unseres Unternehmens berichten kann. (Schluß folgt.)

Römische Berichte eines Deutschen.

III.

Wer wollte hier nicht gern von Musik schreiben! Nicht die Vögel, die um's Futter fingen, find es allein, die hier den Lengs wald machen. Durch Hof, Haus und Garten flöten den ganzen Tag die hellen Weiberstimmen und haben eine Art dabei, daß Einem, der was auf Musik hält und im lieben Deutschlande sonst des Dinges nicht so gewohnt gewesen, recht das Herz lacht. Mit durchaus nichts Anderem als Vogelsang wüßt' ich dies Singen zu vergleichen und zu bezeichnen, so anstrengungslos, so feck und schnell schlägt's auf, so leicht und schmetternd schalli's, so flüchs tige Passagen wirft's wie spielende Raketen aus, so plößlich und launisch bricht's ab. Ein Geträller, ein Geschwäß, ein Geldch. ser, buscb! ein Lauf die Tonleiter hinauf, hinab, und ein langer lauter Triller und wieder ein Gelächter und Geschwäß. Oder eine halbe Melodie und ein Schelten dazwischen, und dann die andere melodische Hälfte und das Scheltfinale hinterdrein. Dabei ein Stimmanfaß und ein Portamento, ein Aufthun des Mundes und ein Perlen der Tone, daß man schwören follte, es müßte die beste Schule dahinter feyn. Sie ist auch dahinter, die beste, die einzig wahre Schule, dieselbe eben, die im Lenzwald aus dem Ei gekommen. Und das steckt so im Volke, wie die fatte Farbe in der Luft hier. Man begreift die Italianische Oper erst, wenn man diesen Vogelftimmen gehorcht hat. Und man begreift mehr, wenn man dem Sangleben der Italianischen Welt weiter nachs geht. Sang und Leben gehören in ihr zu einander. Und der erstere spukt nicht durch das legtere nur hindurch, wie Göthe's rother Faden durch anfère heutige Literatur, sondern beide scheinen so untrennbar mit einander verwachsen und verschlungen, wie das Rebgewinde mit der Ulmenkrone oder dem Laub der Pappel, um welche der Weinstod rankt. Man trifft ins Herz dieser Ers scheinung, wenn man dem firchlichen Ritual als dem eigentlichen Angelstern der ganzen Sphäre sogleich die Betrachtung zuwendet. Bei der Messe allerdings spielt das Volk eine fumme Rolle, bei anderen liturgischen Handlungen ist ihm ein ähnlicher Antheil gegönnt, wie unseren evangelischen Gemeinden im Choralgefang.

Man darf nur jest gegen Abend in eine der Parochials Kirchen treten und die Novena fingen hören. Nicht das geheim nißvolle Dunkel der Kirchenschiffe, mit welchem die blendende Lichterfülle des Hauptaltars kontrastirt, nicht das feierliche Knieen einer zahlreichen Wenge in dem weiten dammernden Raume, oder wenigstens nicht dies für sich allein vermöchte so heilige Schauer auszugießen; aber des Gesanges ebenmäßiger leiser Wellenschlag, der den Raum nach allen Seiten durchflutet, trägt die Seele unwiderstehlich auf Flügeln der Andacht hin. Wenn man sich umschaut und das Volk sieht, das hier kniet und fingt, so erstaunt man, daß diese gemeinen

Organ befißen fönnen, um jebus eine folde Herrschaft über ihr rohe Hervorschreien, jede widrige Raubheit zu verbannen und gemeinsam ihren Gesang zu einem einzigen Körper zusammenzuschmelzen, ohne doch die Lone im Munde zu zermalmen und die Worte zu vermurmeln.

Will man dem Gewächs bis auf die Wurzel nachgehen, so muß man einer Kinderlehre Sonntag Nachmittags in der Kirche beiwohnen. Besuche man etwa S. Maria sopra Minerva. Auch hier liegt das kleine Gefindel auf den Knieen, von den Kleinsten bis zu den Erwachseneren, zahlreich genug, die Jungen und die Madchen durch Stellung der Bánke in zwei große Vierecke von einander gesondert, und kingt sein Pater noster her, und die Atti di fede, di speranza, di carità, aus Leibeskräften, aus tiefster vollster Brust, mit einer Lebendigkeit und Frische des Anfassens, mit einer solchen Kinderlust, daß man daran feine eigene Luft hört, obschon das Trommelfell ein wenig in Gefahr geräth. Hat man fich augleich an der Schärfe des Vokalisirens und an der Deutlichkeit des Aussprechens gefreut, so wird diese Freude nicht verringert, wenn nun Alles aufspringt und Plaß nimmt, weil die eigentliche Dottrina beginnt. Das deutliche, bestimmte Spres chen des Italianers wird ihm durch die Natur seiner Sprache felbst auferlegt, und wiederum in dieser selbst liegt die größte Neigung zum Gefange hin. In den liturgischen Stücken steht das Gesprochene auf der Grange des Gefanges, Gesungenes fcheint nur eine gefteigerte Recitation zu seyn, während eigents liches Sprechen und eigentlicher Gesang ganz ungesucht und wie von selbst in einander überspringen und mit einander abwechsein. Dies gilt nicht bloß für Priefter und Chor, auch für das Volk. Vor dem Marien Bilde unter meinem Fenster finden sich jeden Abend zwei Weiber aus dem Hause ein, die, als eine besons dere Devotion, die Litanei, ein Paternoster und Ave für die Benefattori, welche die Lampe mit Del unterhalten, und ein Viva Maria wechfelsweise absingen und zum Theil hersagen. Es find dieselben leichtfertigen Bogelstimmen, es ift derselbe dreiste Ans fas, nur ist der Typus des Gesanges ganz ein anderer, der firchs lich hergebrachte. Das Eigenthümliche liegt in der Einschran Fung der Melodie auf wenige Tone, in wunderlichen Kadenzen auf der Sekunde der Tonart und, was den Vortrag angeht, in einem besonderen Kehlton und einem gewissen Tremuliren ber Endnoten. Die ganze Kinderschaft der Umgegend sammelt fich

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durchflicht sich hier von früh bis spät und von der Wiege bis ans, Grab das Leben mit Gesang und Klang. Selbst das stete Lduten der Glocken in aller feiner Eintönigkeit, ist nur der Pulsschlag dieses Lebens. Und zulest hört man es so wenig wie der Müller seine Mühle. Und die Pifferari und die Litaneien dazu hört man, als hörte man sie nicht, und möchte dem Pythagoras sein Sphären lied einrdumen, das man nicht vernehme, weil darin lebend. Nur wenn man Abends eine unreine Flöte von der Nachbars: stube hören muß und kaum, daß diese verstummt, eine klägliche Guitarre und eine pinselhafte Stimme, welche dazu fingt, daran gewöhnt man sich nimmer und weiß sogleich, daß dies Unkraut im Hesperischen Garten nur aus einer fremden Wurzel, auf einem Deutschen Maler wachsen konnte.

,,Was die Phrenologen besonders zu Gunsten ihrer Wissens schaft anführen, ist der Erfolg, womit man die Prinzipien ders felben auf die Charakterisirung von Individuen angewendet hat. Dr. Gall selbst, heißt es, hat seine Theorie der strengsten Prüs fung unterworfen, und bei mehreren Gelegenheiten war er im Stande, an den dußeren Formen des Kopfes ganz genau das Verbrechen zu bestimmen, um deffenwillen eine Menge Indivis duen eingezogen worden. Dagegen ist bloß die Thatsache anzus führen, daß Menschen mit denselben natürlichen Neigungen, je nach den verschiedenen Umständen, worin sie sich befinden, auch gang verschiedene Verbrechen begehen, und daß Individuen von verschiedener, ja entgegengefeßter Neigung ein und dasselbe Vers brechen begehen, sobald die Umstände sie in eine ähnliche Lage verseßen, ja, daß Menschen oft Verbrechen begehen, wozu fie von Natur gar keine Neigung, vor denen fie vielmehr den tiefften Abscheu haben, sobald die Macht der Verhältnisse sie forts reißt. Der Eine mordet aus reiner Grausamkeit, der Andere, urn einen Posten zu bekommen oder um sich Vermögen zu fbaffen, und ein Dritter, um den Mitwisser eines anderen Bers brechens, das er früher begangen, los zu werden. Ein Mensch fti ehlt lediglich, um sich etwas Fremdes anzueignen, ein Anderer, um feine finnlichen Begierden befriedigen oder seinem Stolz oder Ehrgeiz fröhnen zu können, während so Viele durch die dußerste Roth dazu getrieben werden. Die Geschichte des Menschen in jedem Lande und Zeitalter zeigt, daß neun Zehntel aller Vers brechen eher die Folge verdorbener Erziehung, schlechten Beis spiels, böser Gesellschaft und anderer Umstände sind, in die der Verbrecher hineingerathen, als einer von Natur dem Menschen in harirenden Neigung. Wie verkehrt ist es also, in den Formen des Kopfes einen Maßstab für die Tugenden und Lafter eines Menschen zu suchen oder aus seinen befannten Neigungen und Anlagen seine ganze Lebensgeschichte deduziren zu wollen. Wer, der je über die mannigfaltigen Verhältnisse des Lebens, die Zu falle, die des Menschen Schicksal oft bestimmen, die Versuchun gen, denen er in verschiedenen Lagen ausgefest ist, nachgedacht hat, wird glauben können, daß von den 470 Sträflingen, die Gall in Spandau untersucht, Jeder gerade des Verbrechens schuldig war, wozu er von Natur die stärkste Neigung hatte? Mit demselben Rechte könnten wir glauben, daß jeder Mensch immer nur an der Krankheit stirbt, zu der er von Natur am meisten disponirt ist, und daß Einer, der Anlage zur Apoplerie hat, weder am Fieber sterben, noch im Meer ertrinken oder durch den Bliz umkommen fann."

In der Englischen RomansLiteratur spielen die Witwen eine
eben so ausgezeichnete Rolle, wie im Italichnischen Drama der
Arlechino und seine mimischen Genossen. Und zwar find es
meistens muntere, verschlagene Frauen, die auf jeden heiraths
erfahren im Planemachen, entschlossen, wenn es die Erreichung
fähigen und bescheidenen Mann Jagd machen: fie find kühn und
fich von Entdeckung bedroht sehen, und machen ihre Trauerkleis
eines Ziels gilt; sie wissen ihre Absichten zu verbergen, wenn sie
dung zu einem Blumenbeet, unter welchem die Schlange der
List und Intrigue lauert; fie benußen das Andenken eines todten
Gatten zum Köder für einen lebenden und sind höchst geschwdßig,
luchsäugig und glattaungig. Diesen Charakter hat die Witwe
als humoristisches Genrebild im Allgemeinen, und diesen hat auch
insbesondere die Witwe Barnaby, die Heldin der neuesten Nos
velle der Mistreß Trollope.

Bu den interessantesten Schicksalen dieser Witwe gehören
vorzüglich ihre Heirathsspeculationen, und eine der kühnsten das
von wollen wir hier als Probe des Ganzen den Lesern mittheis
len. Mistreß Barnaby trifft auf einer Badereise in Cheltenham
mit einem Lord zusammen, der ihr eine gute Beute scheint; fie
ruinirt sich halb durch den Aufwand, den sie bei dieser Gelegen
er sich mit seinen Freunden bei seinen Champagners Diners luftig
heit machen muß, und schreibt ihm bogenlange Briefe, worüber
macht. Endlich bekommt das Luftschloß der Witwe einen gewals
tigen Stoß durch Lord Mucklebury's plögliche Abreise nach Lons
don. Er geht und giebt kein Zeichen, sie aber will fich nicht für
ankommt, erfährt sie durch ihren Sachwalter, daß sie keine Hoffs
besiegt erklären und folgt ihm nach. Doch wie sie in London
nung habe, ihr Eingebüßtes wiederzubekommen. Lassen wir jegs
die Eradhlerin selbst sprechen.

,,Mistreß Barnaby beschloß, einen Privatbesuch in Mivart's
Hotel zu machen, in der Hoffnung, daß fie dort Lord Muckleburn
das sie beschaffen konnte, geschmückt, aber etwas weniger Roth,
sehen werde. Nachdem sie sich also mit dem schönsten Kostüm,
als gewöhnlich, aufgetragen, damit der Verräther die Wirkungen
des Kummers sehe, machte sie sich sofort auf den Weg. Als sle
Piccadilly erreicht, rief fie einen Wagen und wurde in wenigen
Minuten vor Mivart's Thür abgefeßt. Ift Lord Mucklebury
hier?" fragte fie in befehlendem Lon den ersten Bedienten, der
Ja wohl, Madame", war die Antwort;
ihr entgegen fam.
Seine Herrlichkeit frühstücken."-,,Ich muß ihn sogleich sprechen,
Ist es eine Verabredung?"
wenn Sie so gut fenn wollen."
Seine Herrlichkeit ist eben im Begriff, abzureifen, und zu fehr
fragte der diskrete Aufwarter, indem er sie scharf ansah...
er schon Zeit haben Ich muß ihn auf der Stelle sprechen!"-
beschäftigt, um Jemanden sehen zu können.",,Für mich wird
Am
Joe",
haben Sie eine Verabredung mit ihm?" wiederholte der
Mann in einem nicht sehr ehrerbietigen Lon.,,Ja wohl, es
besten, Sie lassen seinen eigenen Diener rufen."
ist eine Verabredung", erwiederte die dreiste Witwe.
fagte ein anderer Serviettenmann, den die Erscheinung der Dame
,,Sie thun besser, wenn Sie diesen Sovereign
nehmen", fagte Mrs. Barnaby flüsternd.
herbeigezogen.

Diesen Rath schien der Mann für den beften zu halten; denn er wußte das Geldstück so geschickt in seine Hand zu praktiziren, daß es kaum zu sehen war, gab der Dame einen bedeutungs und schlich über Gänge und Treppen voran, bis er fie an den vollen Blick, der so viel sagen sollte, als: Folge mir!"... Eingang von Lord Mucklebury's Gemächern gebracht. Wahre dem Herrn eben so dankbar belohnt würde, wie von der Dames scheinlich war er in Zweifel, ob der Dienst, den er geleistet, von darum öffnete er nicht erst die Thür, sondern verschwand mit den Worten: Hier ist sein Zimmer" und überließ es Mistres Barnaby, sich selbst zu melden.

Sie zitterte ein wenig, war aber doch noch entschloffen, und nachdem sie einen Moment gewartet, um Athem zu schöpfen, öffnete fie die Thür und trat ein. Der Aufwärter hatte ganz treu berichtet; denn Seine Herrlichkeit hatte wirklich das Frühstück vor sich und war mitten im Packen. Im Morgenrock, mit einer Taffe Kaffee in der einen und einem Schlüffelbund in der andes ren hand, stand er neben seinem Kammerdiener, der vor einem hatte das Geficht der Thür zugewandt und erhob die Augen, als Mantelsack knieend denselben zu schließen bemüht war. Der Lord wartet, gleichwohl behielt er eine Fassung, die feiner Lebensphis sie sich öffnete. Der Anblick, den er bekam, wat gewiß uners losophie Ehre machte.

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ich weiß es nur wirrt....,,Doch erlauben Sie mir, Sie einen Augenblic au fpres Allerdings!.... Sesen Sie sich nur zu gut", erwiederte die Witwe, durch seinen ruhigen Ton ganz vers chen, che Sie abreisen.". auf dies Sopha, Mrs. Barnaby.... Mit welcher Sehnsucht denke ich an jene köstlichen Stunden.... Zum Henker, Rawlins, Du wir die Angeln in Stücke brechen, wenn Du so damit umgeht. Meine theure Lady!.... Ich bin außer mir;. meiner Seele, ich habe nicht einen Augenblick Zeit!"

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