Billeder på siden
PDF
ePub

den Wasser füllt. Dieses Waffer wird vermittelt eines Kanals durch das Thal nach der Stadt geleitet und fließt mitten durch die große Straße dem Meere zu. Die Anhöhen zu beiden Seis ten des Thales sind hoch, kahl und so abschüffig, daß man fie nur mit Lebensgefahr erfteigen tönnte. Auf der westlichen Ans höhe, dem sogenannten,,Leiter Berge", steht eine die Stadt beherrschende Batterie mit Kasernen für zwei Compagnieen von der Linie; die Besaßung wird alle sechs Monate abgelöst, binnen welcher Zeit fle gute Erfahrung im Bergdienste machen muß, da sämmtliche militairische Uebungen unten im Thale vor sich gehen. Die Batterie fann von zwei Seiten erstiegen werden, ein in die Quere laufender Weg, der ungefähr eine Englische Meile lang ist, und eine senkrechte Stufenleiter führen beide hins an. Reisende, die von Indien beimkehren und in St. Helena Station machen, versuchen gewöhnlich die Ersteigung der Stus fenleiter, um Jedermann zu beweisen, daß die weichliche Existens im Orient ihre Nerven noch nicht geschwächt hat. Dieses Erpes riment ist für ungeübte Personen wirklich sehr mühsehlig; denn die Höhe kann nicht unter 1200 Fuß betragen, und an einigen Stellen ist der Felsen so mauerfteil, daß man den Schwindel noch mehr als die Auftrengung zu befürchten hat. Die Einwoh ner der Jasel, sowohl Kinder als Erwachsene, klimmen diesen halsbrechenden Pfad mit anscheinend großer Behaglichkeit hinan und herab; doch haben schon mehrere Individuen das Wagestück theuer bezahlen massen. Zwei Soldaten vom liten Regiment, die etwas benebelt waren, versuchten einmal bei einbrechender Nacht, auf der Stufenleiter nach ihrer Kaserne zurückzukehren; allein sie verloren den Schwerpunkt, taumelten ins Thal hinab und wurden zerschmettert weggetragen; ein Dritter Pam mit einigen zerbrochenen Gliedmaßen davon. Der Leiter Berg ender nach dem Innern zu in einem Pik, der die Batterie noch um ein Bes deutendes überragt und auf deffen Gipfel eine schon längst uns benußte Sternwarte angebracht ist.

Ist man zum Seethore hinein gekommen, so hat man gleich die ganze Stadt vor sich liegen. Das zierliche Englische Ansehen von James Town muß Jeden, dessen Erwartungen die unfreundliche Küste getduscht hat, recht angenehm überraschen. Die von dem Seethore gerade aus laufende Hauptstraße ist ungefähr 20 Ellen breit, von welcher Breite 12 Ellen auf den macadamifirten Fahrweg kommen. Zu beiden Seiten ziehen sich gepflasterte und mit Kandsteis nen eingefaßte Trottoir's. Die Häuser, zumeist einstöckig, sind in demselben Style erbaut, wie in den kleinen Städten Englands. Die Fronte hat einen Ueberwurf von weißem Stuck, der ihnen ein hübsches und freundliches Ansehen giebt. Das schönste Gebäude, welches zweistöckig, an jeder Etage mit einem Balkon und an der Fronte mit einer hölzernen Veranda versehen ist, hat man den Offizieren der Garnison eingerdumt; es enthält außer dem ges meinschaftlichen Speise: Saal vortreffliche Wohnungen für zwei oder drei Offiziere. Diesem Gebdude gegenüber liegt der einzige empfehlenswerthe Gasthof der Insel, in welchem die Fremden fast jeden Comfort des Lebens finden. Die Zeche sammt Logis ist auf awei Pfund Sterling den Tag angefeßt; da man aber für dieses Firum Alles haben kann, was der Gasthof zu beschaffen im Stande ist, namentlich auch Wein von allen Sorten und in ungemessener Quantitdt, fo erscheint mir die Summe in Vergleichung mit den Rechnungen vieler heimischen Gasthöfe, nicht übertrieben groß. Auch darf man auf einer so außer dem Wege liegenden Insel billiger Weise keine so wohlfeile Bewirthung (wenn sie vorzüglich seyn foll) erwarten, wie in einer großen Stadt, wo der viel bedeuten dere Verkehr und Umsaß des Geldes bei geringerem Preise mit gleichem Gewinn verbunden ist. Der Eigenthümer des Ganhofs, ein Jude, Namens Salomons, der schon lange auf der Insel ich niedergelassen und jezt die Würde eines Sheriff's von St. Helena bekleidet, treibt auch einen einträglichen Handel mit allen erdenklichen Waaren, von Chinesischem Spielwerk bis zu Schiffs: Vorrdthen jeder Art.

In der Hauptstraße bemerkt man verschiedene Waaren-Lager, die Europdern oder Leuten von Europäischer Abkunft angehören. Die Waaren sollen sämmtlich sehr theuer seyn. Etwa 300 Schritte von dem Seethore entfernt, theilt sich die Hauptstraße in zwei schmalere und weniger zierlich aussehende Straßen: die eine sieht sich eine kurze Strecke weit auf dem Wege, der am Abhang des öftlichen Berges nach dem Innern führt; die andere geht das Thal hinan und dicht am Hospitale des Regiments vorbei. In der leßteren ist ein Basar, auf welchem man wohlfeile Artikel jeder Art zum Verkaufe ausbietet. Unter den Laden der Kleins handler dieses Basars bemerkte ich auch viele Branntwein Schen; Len, die fast nur durch das Militair flott erhalten werden. Die Kasernen stehen auf einer künstlichen Terrasse, welche den kleis nen in dieser Gegend von einer Schleuse kontrollirten Strom überschaut. Sie hat beinahe die Form eines langlichen Vierecks und wird durch eine Reihe quer laufender zweistöckiger Gebäude, in denen die Offiziere wohnen, in zwei so ziemlich gleiche Theile getheilt. Das der Stadt zunächst liegende Stück dient als Parades Plaß; obschon ganz flach, scheint es doch für ein Manöver von fechs Compagnieen faum breit genug. Auf dem anderen Theil der Terrafe erheben sich die Kasernen der Soldaten, die, mit Einschluß der Offizier Wohnungen, drei Seiten des Terrains eins nehmen; fie sind aus Steinen erbaut und haben nur ein Erdges fchoß, erscheinen aber nichtsdestoweniger bequem und komfortabel.

Die ganze Garnison besteht aus sechs Compagnieen Infans terie (jezt das 91ste Regiment) und hundert Wann Artillerie. Ein so kleines Corps ist ohne Zweifel ausreichend, um in Fries denszeiten die Ordnung zu erhalten, aber ganz unfɗbig, einen

feindlichen Angriff abzuwehren. Da nun der Best St. Helena's für uns Englander so lange wichtig seyn muß, als wir unsere Ko lonieen im Osten behalten, so wird im Fall einer Kollision mit anderen Seemachten eine stärkere Besagung nothwendig seyn, widrigenfalls man uns diese Insel nehmen wird, um uns die Schifffahrt nach Indien abzuschneiden. Der Soldat erhält zwei Tage der Woche frisches und die fünf übrigen Tage gefalzenes Fleisch; da er übrigens Vegetabilien aller Art in Ueberfluß ges nießen kann, so hat man noch keine schlimme Wirkungen dieser Menge gesalzenen Fleisches in Erfahrung gebracht. Sehr aus träglich ist es auch für die Gesundheit des Soldaten, daß er fast alle Tage des Jahres Bewegung im Freien haben kann. Dicht an die Kafernen stößt ein Spielplaß, wo die Leute ihre müßige Zeit mit Ballschlagen, Kegelschieben u. f. w. recht angenehm

vertreiben.

Die Offiziere sind, weil sie andere Neigungen und Gewohne beiten haben, der Langenweile viel mehr ausgefeßt, als die Ges meinen. Die Freuden der Geselligkeit unterbrechen die Monotos nie des Lebens auf Sankt Helena nur selten, und die wilde Er habenheit einer Landschaft verliert, wenn man sie täglich sehen kann, bald ihren Reiz. Glücklich also der, welcher in dem eiges nen Geißte eine Fundgrube immer neuen Genusses besißt und nicht auf Zeitvertreibe gerdth, die eher eine gefährliche Aufregung als eine wohlthätige Anregung sind. In den Monaten Februar, März and April kann man Rebhühner schießen, aber mit Gefähr dung seines Lebens und seiner gefunden Glieder. Da dieses Ges flügel nur an den Abhängen der Berge zu finden ist, so sind wes nigstens zwei Jäger erforderlich, von denen der Eine oben, der Andere unten klopft, damit die Rebhühner allmålig nach der Mitte getrieben werden und endlich zum Auffluge fich bequemen. Dieser Entschluß wird ihnen übrigens schwer, da sie instinkts mäßig zu wiffen scheinen, welche Sicherheit das rauhe und ab schüssige Terrain ihnen gewährt. Eine andere Beluftigung ges währen die Hahnenkämpfe, die hier um so pikanter find, als St. Helena einer besonders schönen, offenbar mit Malaiischem Blute verseßten Klasse von Hähnen sich rühmen kann.

Die eigentliche Jagd muß man sich in St. Helena versagen, da es ganz an Wild fehlt, auch die Insel zu gebirgig ist; dagegen werden Pferde Rennen mit ziemlichem Erfolge angestellt. Im nordwestlichen Theile der Insel, unweit Plantation House, beйns der sich eine sehr gute Rennbahn, und die Pferde, obwohl nicht. von reinstem Geblüte, find starke, ausdauernde Thiere, gewöhn lich 14 bis 15 Hande hoch. Die meisten werden vom Kap hier: her transportirt; aber die auf der Insel geworfenen Pferde schäßt man am höchsten. Ein guter Renner kostet 25 bis 30 Pfund. Treffliche Weidepläße kann man immer zu einem monatlichen ' Preise von sieben Shilling für jedes Pferd miethen, und dabei hat der Eigenthümer die Freiheit, nomadisch mit der Weide zu wechseln.

Die Temperatar der Insel ist im Ganzen so gemäßigt, daß die Schildwachen selbst gegen Ende Oktobers, um welche Zeit die Sonne am Mittage beinahe scheitelrecht steht, nach Sonnens Untergang Tuch Beinkleider und Ueberröcke tragen müssen. Die Hiße erreicht in diesen Breiten zwar nicht eher den höchsten Grad, bis die Sonne den Wendekreis beinahe erreicht hat, indem als dann erst der beständig aus Süd-Ost wehende Passatwind fark erwärmt wird und also die Gluth der Sonne viel weniger mils dern kann. Aber selbst in dieser Periode zeigt das Thermometer durchschnittlich nur 80° Fahrenheit im Schatten; man braucht feine Sonnenstiche zu fürchten, und alle Kühlungs Mittel der Ins dier sind hier unbekannt. Selbst die anwesenden Europäer bes dienen sich nur eines Sonnenschirms, wenn ihre Geschäfte fie nach Aaßen rufen. Der Winter ist so gelinde, daß das Thermos meter felten unter 34° fällt.

Troß dieser Vortheile des Klima's und Bodens, sind die Eins gebornen der Insel ein physisch ausgearteter Menschenschlag, der war alle Farben: Scattirungen, vom Europäischen Weiß bis zum Schwarzbraun des Indiers, aber keinen einzigen physiognos mischen Zug aufweisen kann, aus dem seine Abstammung fic enträthseln ließe. Von der muskelstarken Afrikanischen Race fonnte ich kein Exemplar entdecken; dagegen sah ich mehrere Chinesen und Ostindier, von denen die Ersteren ihrem National; Kostüme getreu bleiben. Alle übrige Bewohner kleiden sich Europäisch; die niederen Stände, obwohl ärmlich gekleidet, halten viel auf Reinlichkeit. Ich flaunte nicht wenig, Viele der farbigen jungen Mädchen, die ihr Haar mit großer Sorgfalt geschmückt hatten, baarfuß geben zu sehen; Einige unter ihnen waren mit fchreckbar langen Füßen gesegnet. Die Reise der hiesigen Damen find überhaupt sehr untergeordneter Art; ich fand die meisten derselben skelettartig mager, ohne Haltung und ohne Grazie in ihren Bewegungen. Dennoch muß ein Englander, der aus Indien Tommt, viele ihrer Gebrechen vergessen, wenn er hört, wie rein und korrekt e feine Muttersprache reden. In diesem Betrachte zeichnet sich St. Helena vor allen übrigen Kolonicen Englande vortheilhaft aus.

Die Spärlichkeit der Lebensmittel muß eine der vornehmsten Ursachen gewesen seyn, die zur phofischen Degradation der Eingebornen beigetragen haben; denn die Hülfsquellen der Infel find für ihre Bevölkerung nicht zureichend, und was von Außen eingeführt wird, ist so theuer, daß der Arme darauf vers zichten muß. Schafe, Hornvieh und wohlfeile Weine werden monatlich in Pleinen Schiffen, welche die Regierung ausschließlich zu diesem Handel bestimmt, vom Kap her nach St, Helena ges bracht; feines Mehl und Zwieback Tommen aus England und

Amerika; und die Insel selbst liefert Geflügel und Vegetabilien aller Art im Ueberflusse. Ich darf hier auch das Bier nicht unerwähnt lassen, welches aus England geschickt wird und für die Besaßung bestimmt ist. Der Brauer desselben, unser Baß in London, hat durch kluge Berechnung die Einflüsse des Tems peraturs Wechsels auf gährende Getränke das rechte Verhältniß des Malzes zum Hopfen in ihrer Vermischung so genau ermits telt, daß die einander widerstrebenden Ingredienzien während des Transportes fich harmonisch vereinigen und ein flares, schmacks haftes Bier geben.

Der nach dem Innern führende Weg geht durch diejenige Straße, welche, nachdem die Hauptstraße sich getheilt, zur Linken Ausläuft. Dieser Weg ist an mehreren Stellen im Zickzack in den Felsen gehauen, font würde er får Fuhrwerke aller Art zu fteil feyn. Die Abhange an den Seiten And an vielen Stellen mit ftacheligem Genist bewachsen, aus dem hin und wieder üppig wucherndes Geranium hervorblickt. Auch gewahrt man einzelne Rafenpläschen und zwergartige Gebüsche; aber die Steilheit der Abdachung und die Natur des Bodens machen jede Art von Anbau unmöglich. (Schluß folgt.)

Rußland.

Kaiser Alexander nach der Besetzung Moskaus durch die Franzosen.

Der General Lieutenant Michailowsky Danilewsky hat seine Darstellungen der Russischen Feldange von 1812 bis 1814 durch ein neues Wert vermehrt, welches die Katastrophe von Moskau sum Gegenstande hat und aber dieselbe viele neue und interessante Aufschluffe giebt. Wir theilen daraus (nach Russischen Journalen) nachstehende kürzere Episode mit.

In St. Petersburg hatte man so eben erfahren, daß Kutusoff mit der Armee Moskau gerdumt und es den Franzosen überlassen habe. Der Kaiser Alexander selbst besaß noch keinen offiziellen Bericht über dieses unerwartete Ereignis, bis er nachstehendes Schreiben des Grafen Rostoptschin erhielt:

,,Der Adjutant des Fürsten Kutusoff brachte mir einen Brief, in welchem er von mir PolizeisOffiziere fordert, welche die Armee auf die Heerstraße von Ridfan geleiten follen. Er sagt, daß er mit Bedauern Moskau verlasse. Sire! das Verfahren Kutufoff's ents fcheidet das Schicksal der Hauptstadt und Ihres Reichs. Rußland wird sich entsegen, wenn es die Preisgebung der Stadt erfährt, in der sich die Größe Rußlands longentrirt, in der fich die Afche Ihrer Vorfahren befindet. Ich folge der Armee. Ich habe Alles fortschaffen lassen; mir bleibt nur übrig, das Schicksal meines Baterlandes zu beweinen!"

Da der Brief des Grafen Roftopishin zwei Hauptumstände nicht erklärte: 1) aus welchen Gründen der Fürst Kutusoff nicht vor Moskau noch eine Schlacht lieferte und retirirte, und 2) warum er sich nach Ridsan wandte, welches Leßtere den Kaiser besonders beunruhigte, weil die Straße von Ridsan nicht die rechte war, Die man in militairischer Beziehung einschlagen mußte, so schickte der Kaiser deshalb sogleich den General Adjutanten Fürsten WolConstij (jeßigen Minister des Kaiserlichen Hofes) zu Kutusoff ab. Darauf fährt der Verfasser fort:

am 9. Den anderen Tag nach der Abreise des Fürsten Wollonslij (21) September um 9 1hr Abends kam der Oberst Graf Michaud, vom Fürsten Kutusoff mit dem längst erwarteten Be richt abgeschickt, in St. Petersburg an. Er war über Wladimir und Jaroslawl gereift, inmitten vieler tausend Einwohner, die fich aus Moskau und beffen Umgegend gerettet hatten. Auf biefem Wege", sagt Michaud, von Geburt ein Ausländer, seiner Gesinnung nach aber ein Ruffe,,,waren Alle von einem Ge: Danten befeelt, daß das Vaterland nicht ungerecht bleiben werde, Alle waren von unbegränzter Ergebenheit für den Thron erfüllt. Wechselsweise überließ ich mich bald dem Kummer, beim Ans Blid des fich meinen Augen darstellenden Gemäldes, bald der Freude, als ich den allgemeinen Enthusiasmus und alles das bes merkte, was ich auf jedem Schritt wahrnahm." Michaud wurde ungesdumt dem Kaiser auf Kamennois Ostroff vorgestellt. Aus dem betrübten Gesichte des Gesandten schloß der Kaiser, daß der Bericht kein erfreulicher sen. — „Gewiß find Sie mit traurigen Nachrichten hergeschickt?" waren die ersten Worte des Monars chen.,,Leider mit sehr traurigen. Moskau ist von uns vers laffen worden...." Wie?" unterbrach ihn der Kaiser,,,haben wir etwa eine Schlacht verloren, oder hat man meine alte Haupts kadt ohne Schlacht preisgegeben?",,Leider", antwortete Mis Baud,,,boten die Umgebungen Moskaus kein vortheilhaftes Ter rain sur Schlacht mit einem an Zahl überlegenen Feinde dar, deshalb ist der Oberbefehlshaber überzeugt, daß er eine rettende Maßregel ergriffen, indem er Ew. Majestät die Armee erhalten bat. Der Untergang der Truppen konnte Moskau nicht retten und würde die verderblichsten Folgen gehabt haben. Jeßt, da die Armee alle ihr durch Ew. Majestät bestimmte Verstärkungen erhält, die ich überall auf meinem Wege angetroffen habe, wird fle im Stande feyn, aggressive Operationen zu beginnen, und den Feind zur Reue nöthigen, daß er es gewagt hat, ins Herz Ihres Reiches einzubringen!" If der Feind in Moskau eingerückt?" Ja, Sire; und in diesem Augenblick ist die Stadt bereits in

"

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Asche verwandelt; ich habe sie in vollen Flammen verlassen.“ Thränen stürzten aus den Augen des Monarchen und vers düsterten dieselben! Mein Gott!" rief er aus, welch ein Uns glück!" Betrüben Sie sich nicht, Sire! Ihre Armee verstärkt sich täglich. ...“ Die Worte Michauds unterbrechend, sagte der Kaiser: ,,Aus Allem, was mit uns vorgeht, schließe ich, daß die Vorsehung große Opfer von uns fordert, vorzüglich von mir. 3 bin bereit, mich ihrem Willen zu unterwerfen, aber sagen Sie: was sagten die Truppen, als man meine alte Haupts stadt ohne einen Schuß verließ? Wirkte dies nicht auf den Geist der Soldaten? Bemerkten Sie keine Herabstimmung des Muthes?" -,,Erlauben Sie mir, Sire, zu Ihnen aufrichtig wie zu einem Soldaten zu sprechen?". I fordere dieses immer, jeßt aber bitte ich Sie: verhehlen Sie mir nichts, erzählen Sie mir aufrichtig Alles, was sie wissen?! —,, Sire, ich muß Ihnen bekennen, daß, als ich die Armee verließ, Alle, vom Oberbefehlss haber bis zum leßten Soldaten, in unbeschreiblicher Furcht schwebs ten...." Was fagen Sie? Woher kommt diefe Furcht? It's möglich, daß meine Russen durch das Unglüd niederges drückt find?" Nein, Sire, fie fürchten bloß, daß Sie, in der Gute Ihres Herzens, Frieden schließen möchten; fle brennen vor Bes gierde au tampfen und Ihnen durch ihre Lapferkeit und Aufs opferung ihres Lebens zu beweisen, wie sehr Sie Jhen ergeben find?" Der Kaiser klopfte Michaud auf die Schulter und jagte: Sie haben mein Hers erleichtert; Sie haben mich berus higt. Kehren Sie zur Armee zurück, sagen Sie meinen getreuen Unterthanen, überall, wo Sie durchreifen werden, daß, wenn mir kein einziger Soldat mehr übrig bleiben sollte, Ich meinen treuen Adel und meine wackeren Bauern aufrufen, fie selbst anführen und alle Hülfsmittel meines Reichs in Bewegung feßen werde. Rulhand bietet mir mehr Hülfsmittel dar, als der Feind wähnt. Wenn aber vom Schicksal und von Gottes Vorsehung meinem Geschlecht beschieden ist, nicht mehr auf dem Throne meiner Vorfahren zu herrschen, so werde ich, nachdem ich alle Anstrens gungen erschöpft, mir einen Bart bis hierher wachsen lassen" (mit der Hand auf seine Bruft seigend),,und lieber einwilligen, mich im Innern Sibiriens vom trockenen Brodte zu nähren, als die Schande meines Vaterlandes und meiner wackeren Unters thanen zu unterschreiben, deren Opfer ich zu schäßen verstehe. Die Vorsehung prüft uns; wir wollen hoffen, daß fie uns nicht verlassen werde." Bei diesen Worten fing der Kaiser an, im Zimmer umber zu geben; sein Geficht flammte. Mit raschen Schritten zurückkehrend, drückte er kräftig die Hand des Obersten und fuhr fort:,,Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen jest sage; vielleicht kommt die Beit, wo wir uns dessen mit Vergnügen wieder feber erinnern werden: Rapoleon ober 16, id ober erBeide zugleich können wir nicht regieren. Ich habe ihn kennen gelernt; er foll mich nicht mehr täuschen.“ Sire", antwor, tete Michaud,,,Ew. Majestdt unterzeichnen in diesem Augens blicke den Ruhm Jhres Volkes und die Rettung Europas." ,,Möge Ihre Vorhersagung eintreffen", sagte Alerander;,,beges ben Sie sich zur Ruhe, und senen Sie bereit, zur Armee zurücks zukehren."

[ocr errors]

Diese überaus interessante Unterredung hat, wie der Verf. versichert, Wort für Wort so stattgefunden, da Graf Michaud unmittelbar nach derselben den Inhalt niedergeschrieben und ein eigenhandiger Brief des Grafen zu dieser Darstellung benußt

worden.

Mannigfaltiges.

Deutscher Wein und Sang in Nord-Amerika. Charles Murray erzchlt in seinen kürzlich erschienenen Reisen in Amerika (Travels in America), daß er in Lexington einen Deutschen kennen gelernt habe, der an der Spiße aller musikas lischen Gesellschaften des Staates Kentucky stehe und jedes Instru ment desselben, von den Kirchen Orgeln bis zu den Klavieren der Schulmeister, kontrollire. Dieser Deutsche Musiker versammelt oft einen Kreis von Freunden zu einer Liedertafel, wo dann die herrlichsten Gesänge Deutscher Dichter und Komponisten mit großer Begeisterung vorgetragen werden. Zur vollständigen Ers weckung der leßteren darf es jedoch auch niemals an einer Bowle echten Rheinweins Punschs fehlen, und Herr Charles Murray ruft bei Erwähnung dieses Nektars aus: D, ihr Mäßigkeitss Gesellschaften, wie viele Gallonen eures nüchternen Thees müßtet ihr hinunterschlürfen, bevor ihr den Enthusiasmus erregen oder die Erinnerungen wecken könntet, die unsere Rheinwein Bowle hervorrief, als das edle Getränk den lange schon seiner Heimath entführten Sohn Deutschlands nach dem Rhein und seinen taus send Sagen und Liedern von Wein, Weib und Sang zurückvers feste!"

Geburts, und Sterbeliste der ganzen Erde. Ein Englischer Statistiker hat ausgerechnet, daß, wenn man die ges fammie Bevölkerung der Erde auf nahe an tausend Millionen annehme, welche durchschnittlich 30 Jahre lebten, dann von den Menschen zur Welt kommen und mit Tode abgehen: In jeder Sekunde..

[ocr errors]

Minute.

1

60

In jeder Woche .. jedem Monat..

[ocr errors][merged small][merged small][merged small][ocr errors]

604,800 2,592,000

Jahre. 31,596,000 946,080,000

...

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er: höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 127.

für die

Expedition (Friedrichs-Straß e Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Pest - Aemtern,

Literatur des Auslande s.

Berlin, Mittwoch den 23. Oktober

1839.

Asien.

Die orientalischen Angelegenheiten.

Für Leser, welche mit Geschmack für auswärtige Geschichte einen erflecklichen Sinn für den Reis politischer Neuheit verbins den, wird obige Ueberschrift verführerisch genug seyn, sich das durch auf Befriedigung irgend einer Seite ihrer Wißbegierde ges faßt zu machen. Vielleicht, glaubt Mancher, ift hier in Erfah rung zu bringen, wann und zu welcher Stunde man den Hafen von Alexandrien verbrennen wird; vielleicht steht hier deutlich geschrieben, glaubt ein Anderer, daß bei den Zwangs Maßregeln, wie kei vielen anderen Regeln, starke Ausnahmen stattfinden; ein Dritter wird Aufschluß vermuthen über den Inhalt der Konfer renzen, die Chosrew Pascha mit den Europäischen Gesandten hat, und ein Vierter endlich möchte gern wiffen, ob die Erschöpfung der Aegyptischen Staats- Kasse, von der die Korrespondenten der Allgemeinen Zeitung schon so lange sprechen, noch nicht erschöpft ift. Doch wir bedauern, den Erwartungen dieser Leser nicht ent, fprechen zu können. Die allwissenden Zeitungsschreiber mögen errathen, was die Großmächte zur Lösung des Räthsels mit der Aegyptischen Sphinx thun werden; die allweisen mögen rathen, was diese Mächte thun sollen; wir mischen uns nicht in diese orientalischen Angelegenheiten, wir theilen hier weder dem Pyramiden Pascha Kronen, noch dem Türkischen Reiche seine langst verlorenen Provinzen zu.

Dennoch wird man sehen, daß obige Ueberschrift dem Ins halte des folgenden Aufsages vollkommen entspricht. Ganz uns blutige, ganz von der Diplomatie fernliegende orientalische An gelegenheiten meinen wir nämlich, und zwar die Studien über Sprachen, Geschichte und Sitten des Worgenlandes, die im Schoße oder durch die thatige Aufmunterung eines edlen Vereins weltberühmter Männer stattfinden und befördert werden.

Im Jahre 1822 bildete sich zu Paris eine Gesellschaft von Gelehrten, wobei Namen wie Silvestre de Sach und Abel Res musat glänzten, zur Beförderung aller Kenntnisse, die entweder im Orient ihre Heimath haben oder sich darauf beziehen. Ihr erster Zweck war, die Sprachenkunde, sowohl des alten wie des neuen Morgenlandes, durch alle mögliche Hülfsmittel allgemeiner zu machen. Zu diesem Ende seßte fie sich in Verbindung mit gelehrten Gesellschaften in Asien selbst, ernannte korrespondirende Mitglieder in Europa und suchte sich Manuskripte aller Art zu verschaffen, um sie auf dem Wege des Druckes vollständig, oder in Auszügen, oder in Ueberseßungen zu verbreiten.

Wenn der Name Gelehrten Republik irgend auf die Verfaffung und Gebrauche von Pflegern der Wissenschaft anwend bar ist, so verdient ihn gewiß die Asiatische Gesellschaft zu Paris. Ihre Einrichtungen waren und sind ganz republikanisch, Kaifer und Könige aber verschmähten es nicht (ich selber dadurch vers herrlichend), fie mit Beifall und Gunst zu krönen.) Ihr erster Ehrenpräsident war ein Fürst, der früher selbst als Privatgelehr ter im Auslande wirkte. Er hat den Sigungen der Gesellschaft persönlich präsidirt und feine Beitrdge als Mitglied fürstlich ges leiftet. Gehdufter Gefchäfte halber er ist nämlich jest König der Franzosen mußte er die Präsidentenstelle niederlegen, aber er ist unter dem Namen,,Protecteur" Mitglied geblieben. Ein von der Gesellschaft durch Stimmenmehrheit gewähltes Conseil mit einem Präsidenten an der Spiße (jeßt Améd. Jaubert)_ist beauftragt, die literarischen Arbeiten, die in den Plan der Ge fellschaft aufgenommen find, zu leiten, die Fonds zu verwalten, die von ihm nüßlich erachteten Schriften drucken, ausziehen, oder übersehen zu lassen: es ertheilt Aufmunterungen; es ernennt die Porrespondirenden Mitglieder ic. Es halt monatlich wenigstens eine Sigung, bei der jedes Mitglied der Gesellschaft Zutritt hat, und giebt in einer Sigung jedes Jahr Rechenschaft von seiner Verwaltung. Seit 1833 giebt die Regierung aus den Fonds des öffentlichen Unterrichts Zuschüsse, welche aber dieses Jahr aus Mangel an Mitteln bei diesem Ministerium ausbleiben mußten.

Die Gesellschaft hat zwei Klasjen von auswärtigen Mitglies dern. Mitglieder der ersten Klasse, membres associés étrangers,

*) Ein Schreiben voller Königlicher Huld und Theilnahme an den Bestre bungen der Gesellschaft haben Se. Maj. der König von Preußen an den Präsidenten derselben unterm 26. Oktober 1826 erlaffen; es if im Journal Asiatique dieses Jahres abgedruckt.

ober membres honoraires find diesen Augenblick 52. Die Bedins gungen der Aufnahme sind wohlerworbener Ruhm im Fache der orientalischen Literatur. Durch die Statistik der Mitglieder dieser Klasse kann man sich einen Begriff von der Verbreitung der orientalischen Studien in den verschiedenen Ländern bilden. Wenn man die Verhältnisse genau würdigt, so muß man den günstigsten Schluß für Preußen siehen. Es hat neun Associés dabei: in Berlin drei (Bopp, Jdeler, Wilken), in Bonn drei (Freytag, Lassen, Schlegel), in Breslau einen (Habicht), in Greifswald einen (Kosegarten) und in Halle einen (Gesenius). England hat zwar 15 und Rußland nur eines weniger, aber die Beziehungen dieser Länder zu Aften, in welchem der größte Theil ihrer Unterthanen leben, laffen vielmehr eine Verwunderung zu über die verhältnismäßig sehr geringe Zahl von Mitgliedern. Desterreich schlt zwei Mitglieder (Joseph v. Hammer Purgstall und Graf Castiglioni) und Bayern ein Mitglied (Othmar Frank). Die zweite Klaffe besteht aus Mitgliedern, die schon weniger Schwierigkeiten bei ihrem Eintritt finden. Sie brauchen nur von zwei Mitgliedern zur Aufnahme vorgeschlagen und dann durch Stimmen Mehrheit angenommen zu werden. Man heißt dann membre souscripteur, zahlt 30 Franken jährlichen Beitrag, wofür man das Journal Asiatique gratis und alle auf Kosten der Societắt herausgegebene Werke zu billigeren Preisen erhält.

Wir wollen jest von diesem Journal und von den durch die Gesellschaft publizirten Werken näher sprechen.

Gleich bei ihrer Gründung beschloß die Asiatische Gesellschaft, fich in einer periodischen Schrift unter dem Namen Journal Asiatique ein Organ zu geben. Von 1822 an erschien monatlich ein Hest von 4 Bogen und mehr, und 12 Hefte bildeten 2 Bande. Mit dem Jahre 1828 begann eine seconde série und mit 1836 eine troisième série, aber alle drei Serien find unter dem Einfluffe einer gleich wissenschaftlichen Richtung redigirt. Mit ihm Pann kein Journal früherer Zeit, kein gleichzeitiges eine Vers gleichung bestehen. Die meisten Zeitschriften dieser Art (wie z. B. in Deutschland das treffliche Repertorium der morgenians dischen Literatur von Eichhorn, oder die Orientalische Bibliothek des in späteren Jahren so spisfindigen und aus Eigennus geschwäßigen J. D. Michaelis) sind der biblischen Sprachkunde ausschließlich oder überwiegend zugethan. Die von Jos. v. Hammer herausgegebenen Fundgruben des Orients hatten einen zu beschränkten Kreis von Kräften und Bestrebun gen.) Das Asiatic Journal der Engländer ist eigentlich mehr ein Journal der Ostindischen Compagnie zu nennen, als ein Jours nal für die Erkenntniß des Geistes, wie er sich im Oriente durch Sprache, Sitten und Geschichte ausdrückt. Die Idee der mer Fantilen Zwecke spielt eine größere Rolle darin, als die Entwickes lung dessen, was dem Gedanken, dem Geschmacke und der Vers gangenheit des Orients angehört.**) Als die Gründer des Journal Asiatique fich mit dem ersten Hefte an's Publikum wandten, konnten sie nur die Englische Zeitschrift als etwas der ihrigen dem Namen nach Aehnliches anführen (die Fundgruben waren schon wieder verschüttet) und mit vollem Rechte behaupten, daß fie einem gefühlten Bedürfniß abhelfen. Daß aber neben diesem Journal fein anderes auftrat, wodurch es paralyfirt worden wäre, ist schon ein Beweis seiner Vortrefflichkeit. So sehr auch seit 1822 der Aufschwung der Wissenschaft, besonders in Deutschland, sich diesem Zweige der Literatur mitgetheilt hat und ein größeres Publikum sich dafür interesfirte, so wagte doch der Unterneh mungsgeist nicht, mit dem Pariser Institut rivalisiren zu wollen.

Schon die Sprache, in der es erscheint, hat ihren eigenthums lichen Reis für die Mitarbeiter und Leser dieses Journals. Der Gelehrte, hat er auch nicht genug Eitelkeit, gern seinen Namen in der ganzen civilisirten Welt gelesen zu sehen, so hat er doch Vorliebe für seine Leistung genug, diese überall gebillige oder wenigstens geprüft zu sehen. Französisch aber versteht jest jeder Orientalist; viele Deutsche schreiben darin, sogar mit Elegans, wie dieses von den Mitgliedern Schlegel, Munk u. A. bekannt ist. Wie Ludwig XIV. die Höfe und Diplomaten zur Kenntniß

') Sie erschienen zu Wien 1810-13 und lieferten vieles Schöne von der Hand ihres Herausgebers.

*) Das vor kurzem entstandene Journal: Kunde des Morgenlandes, bei denen Redaction Ewald und Rödiger wirken, übertrifft alle vorherges gangene Zeitschriften dieser Art in Deutschland. Ob es aber so alt wie das Journal Asiatique werden wird, ist leider sehr zu bezweifeln.

der Französischen Sprache gezwungen hat, so zwang in neuerer Zeit Silvestre de Sach die Orientalisten, die Sprache zu lernen, in welcher der große Lehrer des Arabischen las und schrieb. Viele Deutsche Phiolologen wanderten feinetwegen nach Paris, und dies jenigen, welche seine mündlichen Vorträge nicht hören konnten, fonnten doch nicht ohne Benußung seiner Schriften an grind liches Fortschreiten denken. Jedoch es ist nicht die Sprache allein, Durch die es, wie kein anderes Jonrnal, zur Weltverbreitung ges eignet ist, es ist vielmehr der Inhalt, der es so sehr empfiehlt.

Sein vollständiger Titel zeigt schon, daß sein Inhalts Reichs thum nicht durch eine theologische oder profane Richtung begränzt wird. Er ist:,,Journal Asiatique, on recueil de memoires, d'ex. traits et de notices relatifs à l'histoire, à la philosophie, aux langues et à la litérature des peuples orientaux.' Jedes Monats: heft ist in 3 Abtheilungen gesondert. Die erste enthält meist Mittheilungen aus Codices, Abhandlungen über Geschichte, Geos graphie, Poefte, Wissenschaft des Orients, Aufklärungen über so Bieles, was bisher bei seinen verwilderten oder Ur Völkern noch dunkel erschien. In diesem Theile kann man oft das Deutsche Genie glänzen sehen, das mit mehr Kraft auftritt und mit mehr Einsicht über Völker und Dinge spricht, als diejenigen, die durch Autopsie mit ihrem Gegenstande in erfolgreiche Bes rührung fommen. Dem Gelehrten bietet sich hier Gelegen: heit, einen einfachen Gedanken, eine wichtige Bemerkung schnell veröffentlichen zu können, während anderswo der Ges lehrte, der folche alleinstehende Bemerkungen nicht gern untere drücken will, sich zu dem Entschlusse verlocken läßt, sie zu einem ganzen Buche zu verflachen. Das arme Publikum erhält dann statt einiger Göldkörnchen einen Haufen reich mit Papier cins gelegten Goldschaums. Die zweite Abtheilung ist der Krink geweiht, wo aber nur Werke von Bedeutung in Anspruch ge nommen werden; die dritte Abtheilung endlich kündigt alle Ers scheinungen über den Orient in der ganzen Welt an. Diese Ab theilung schon muß das Journal den Gelehrten werth machen, besonders denen, die in Ostindien, im Asiatischen Rußland u. f. w. von der Literatur des Tages fast abgeschnitten sind.

In der Wirksamkeit der Asiatischen Gesellschaft spielt die Pus blizirung nuslicher Werke auf ihre Kosten eine Hauptrolle. Manche Werke werden ganz auf ihre Kosten, manche durch ihre Unters ftüßung gedruckt. Erst seit dem Juli dieses Jahres ist die Eins richtung dahin verbessert worden, daß alle diese Werke in gleichem Formate gedruckt werden, so daß man fünftig eine Sammlung von Publicationen hat, die durch Auswahl der Gegenstände wie durch das Aeußere zu einem zusammenhängenden Werke wird. Nach dem am 17. Juni d. 3. gemachten öffentlichen Rapport wird das Conseil von jest an auch firenger bei der Auswahl seyn. Daß diese Bücher den Mitgliedern du mäßigeren Preisen übers tassen werden, haben wir schon gesagt.

Zu den merkwürdigsten Werken dieser Art gehört die Reifes beschreibung des Dr. Schulz (bekanntlich ist dieser ausges zeichnete Deutsche Gelehrte vor einigen Jahren auf seiner Reise in Kurdistan von den rauberischen Einwohnern erschlagen worden) mit kostbaren Kupfertafeln. Sie ist noch nicht beendigt, wird aber nächstens erscheinen und schon in die neue Sammlung auf

genommen werden.

Ein anderes eben fertig gewordenes Werk ist die Geographie des Abulfeda, herausgegeben von Reinaud und Mac Gucuin de Slane. Abulfeda, der erhabene Sultan von Hamat, ist ges wiß der einzige Fürst in der Welt, der sich durch streng wissens schaftliche Gelehrsamkeit einen solchen unsterblichen Namen er worben hat. Seine Geographie war bisher noch nicht vollständig gedruckt, nur einzelne Bande waren herausgegeben und überseßt. Jeßt erscheint sie durch Reinaud und de Slane vollständig, und war nach einer Handschrift von der eigenen fürsts lichen hand des Verfaffers, die sich auf der Pariser Bibliothel befindet. Ein Umstand, schon an sich wichtig, wird für ben wissenschaftlichen Werth noch wichtiger dadurch, daß jest die Genauigkeit der Langens und Breiten Angabe erhöht wird. Nach dem Berichte des Journal Asiatique (Juli, Seite 14) haben die Herausgeber sogar die Quellen des Abulfeda entdeckt, und darunter eine Handschrift, deren er selbst fich bei seiner Arbeit bedient hat. Lebrecht.

A fr ifa.

Sankt Helena, und Napoleon's Grab. (Schluß.)

Meeresspiegel liegt Longwood House, der leßte Aufenthalt jenes Mannes, dessen Königliche Paldste einst fast eben so zahlreich waren, wie die Hauptfddte Europens. Da ich nirgends eine ges naue Beschreibung dieses Gebäudes gefunden habe, so will ich hier mittheilen, was ich selbst an Ort und Stelle beobachtet. Es liegt von Osten nach Westen, hat ungefähr 70 Fuß Lange bei 20 Fuß Tiefe und bestand ursprünglich nur aus einem Erdgeschoß und Dachboden. Als man das Haus zum einstweiligen Aufents halte Napoleon's einrichtete, erhielt es an der Mitte der nords lichen Fronte einen Vorbau, der als Billard Zimmer diente. Dies ser Vorbau steht auf einer drei Fuß hohen Terrasse und ist von einer leichten hölzernen Veranda umgeben, deren Pfeiler die vorragende Traufe zu stüßen scheinen. Da das Billard-Zimmer größer und freundlicher war, als die übrigen Gemächer des Haus fes, so verbrachte Bonaparte hier viele Zeit in Gesprächen mit den Gefährten seiner Verbannung. Jeßteilt es seinem Verfall entgegen. Den BillardsTisch hat man daraus entfernt, und die sonst weißen Wände sind mit unzähligen Namen und Inschriften, größtentheils von Französischen Besuchern, belleckst und bekriselt. Um das Andenken eines Herrschers zu ehren, den sie in seiner Noth im Stiche ließen, verlästern hier die Franzosen das Britische Volk mit den abgeschmacktesten Verseleien und nehmen kleine Fragmente der marmernen Kamins Bekleidung oder Splitter des Fußbodens als Reliquien mit sich fort. Die übrigen Gemacher des Hauses sind in solch einem desolaten Zustande, daß man faum ihre ehemalige Bestimmung enträthseln kann. Die meisten scheis nen jezt von Ratten und anderem häuslichen Ungeziefer in Besig genommen; und selbst diejenige Stube, wo Napoleon's Riesens feele ihrer Hülle sich entwand, ist in einen häßlichen Stall umges wandelt! Das dußere Ansehen des Hauses entspricht dem Inne ren. Mehrere FenstersOeffnungen find an einigen Stellen aus gebaut, und in den Rahmen der übrigen gewahrt man dürftige йeberreste von Glas; denn wo eine Scheibe zerbrochen ist, hat man sie entweder in diesem Zustande gelassen oder das Loch mit einem Strohwisch ausgefüllt. Die Mauern sind so lange vers nachlässigt und dem Wetter ausgefeßt gewesen, daß sie gar keine erkennbare Farbe mehr haben; und der blaßgrüne Schimmel, welcher unter der Traufe hinzieht und hin und wieder bis zum Boden hinab sich erstreckt, beweist, daß der Regen auch durch das Dach seinen Weg findet und die Traufe überflüssig macht. Longs wood House war augenscheinlich immer ein schlechtes Gebdude und wird bald ganz in Trümmern liegen.

Hinter dem Hause, und mit demselben parallel laufend, ist ein großer hölzerner Schuppen für Kühe und Kälber erbaut. Der Raum zwischen beiden ist eingefriedigt und beherbergt eine Menge Geflügel von jeder Sorte. Etwa 60 Ellen von Longwood entfernt, erhebt fich, das neue Wohngebdude, welches man für Bonaparte hatte. Dieser Akt Britischer Großmuth kam, wie viele andere feinesgleichen, au spát; denn als der Bau fertig war, hatte Napoleon's körperlicher Zustand schon in solchem Grade sich verschlimmert, daß er die Strapazen einer Wohnungss Veränderung nicht mehr aushalten fonnte. Ein Capitain außer Diensten und ein Schuhmacher aus James-Town haben das Haus famme dazu gehörigem Grundstück von der Regierung gepachtet, und Jeder, der es von Jnnen betrachten will, muß zwei bis drei Shilling erlegen.

Die Gegend um Longwood gehört zu den ebensten Theilen der Insel und ist gut angebaut. Von dem Hause ab läuft ein Thal in nordwestlicher Richtung dem Meere zu. Bonaparte soll eines Tages in Verkleidung durch dieses Thal zu entkommen ver sucht haben: er war schon bei mehreren Schildwachen glücklich vorüber, als endlich ein wachthabender Unteroffizier ihn erkannte und ihm sogleich, von zweien Soldaten begleitet, in furzer Ents fernung nachfolgte. Sobald Bonaparte sich entdeckt sah, wendete er um und schlenderte langsam wieder zurück. Diesen Vorfall erzählte mir ein Invalide vom 66sten Regimente, der gegenwärs tig einen bei Longwood errichteten Leuchtthurm für Kaufleute dirigirt und damals dicht bei dem Hause auf Wache ftand.

Die gerade Entfernung Longwood's von James's Town ber tragt nur 14 Miles; aber ein wildes, fast gar nicht zu passirens des Thal, das gegen die See hin fich öffnet und an der anderen Seite wohl zwei Miles weit ins Innere sich erstreckt, liegt zwischen siden. Die Seiten Wande dieses Thales bestehen aus einer grauen und porösen Steinart, die ohne Zweifel vulkanischer Natur ift. Gegen das Land Ende des Thales hin werden diese Ab. hange weniger from, und die ganze Landschaft gewinnt ein freundli cheres Ansehen. Das Auge bt mit Wohlgefallen auf anmuthigen Garten, eingehegten Fluren und fenden Biehheerden; unwills fürlich bleibt man stehen und beschaut n die stille, friedliche, dem Getummel der Welt so weit entrückte Scene; and doch kann der Geist bei den arkadischen Gedanken, die sie wecken follte, nicht lange verweilen: er wird fortgeriffen zu Betrachtungen ganf anderer Natur; denn am dußersten Ende des Thales, beschirmt von Anhöhen, die amphitheatralisch emporsteigen, befindet sich das enge Wette, in dem Napoleon von seinen welterschütternden Thaten ausraht. Keine Poloffale Büßte, keine Pyramide bezeich net den Ort; und so ist es auch am besten. Die Einkünfte eines ganzen Reiches würden ja nicht zureichen, ein Monument zu errichten, das Napoleon's Größe angemessen wåre; und man

war an einem fillen und heiteren Worgen, als ich diesen Weg hinanstieg. Eiwa anderthalb Miles von der Stadt entfernt, blieb ich stehen, um Athem su schöpfen, schaute mich um und fah mit Entzücken das herrlichste Vonorama vor meinen Blicken ausgebreitet. Tief unten lag das schöne That, deffen Teppich von frischem Grün mit den düsteren, drduenden Felsenmassen, die das That beinahe überhängen, lebhaft kontraftirten. Die sierliche Pleine Stadt am Fuße des schüßenden Berges versandte aus jedem Schornstein eine Rauchsdule, die in anmuthigen geringelten Wolks chen durch die reine Atmosphere schwebte; und im Hintergrunde schimmerte durch die geöffneten Felsen der gränzenlose blaue Ocean. Kommt man tiefer ins Innere, fo verliert die Landschaft viel vonzollt seinem Andenken einen würdigeren Tribut, wenn man dem ihrer romantischen Wildheit: das Auge erquickr fich an grånen Feldern und an Wohnhausern, die zum großen Theile den Wohl Rand und fogar den guten Geschmack ihrer Befiger verfänden.

Boden, der die Asche des Gewaltigen deckt, nur durch diese Afche. seine Weihe giebt! Das Grab liegt beinahe weft öftlich und wird durch drei neben einander stehende Flaggen aus grobem

su ihrer Seite umzieht ein einfaches, etwa 4 Fuß hohes eisernes Bitter, in dessen südwestlichem Winkel, 4 bis 5 Fuß von dem Ras sen abstehend, eine Trauerweide wächst. Die Weide hat viel ges, itten und kann nicht eben das schönste Exemplar ihrer Gattung gewesen seyn; aber ihre Stellung und ihr eigenthümliches Aus jehen geben der düster romantischen Scene noch mehr Relief; denn der sehr geneigte Stamm scheint auf dem Gitter zu ruhen, wahs rend die melancholisch überhangenden Zweige ihren Schatten anf das Grab werfen und mit den fröhlichen bunten Blumen, die Rapoleon's Hülle zu entwachfen scheinen, ergreifend kontrastiren. Der Rasen soll o Eitelkeit alles Jrdischen! von dem Küchens Alur der neuen, für den großen Gefangenen bestimmt gewesenen Wohnung genommen seyn.

[ocr errors]

Ein elliptischer Raum um die Grabstätte, deffen größter Durchmesser etwa 35 Fuß beträgt, ist mit hölzernen Palissaden eingefriedigt. Das Gras innerhalb dieses Raumes wird bestdns dig grün erhalten, und Niemand darf ihn ohne besondere Ers laubniß des Gouverneurs betreten, seitdem viele Besucher aus einer Art von Fanatismus manchen Frevel an der Trauerweide begangen haben. Wer jezt noch etwas von dem Baume mits nehmen will, dem steht eine Auswahl junger Schößlinge, die ein vfiffiger Bursche in Töpfen unterhalt, um geringen Preis zu Diensten. Zwar ist keines dieser Reiser ein echter Nachkomme der klassischen Weide; aber eine starke Einbildungskraft wird die Bastarde nicht minder willkommen heißen, als die rechtmäßigen Descendenten. Westlich von der Palissade und dicht daneben sprudelt der kleine Born, dessen herrliches Waffer Napoleon dazu bestimmte, während der Sommers Monate hier sein Lieblings: Pläßchen zu wählen. Man erwartet von jedem Besucher, fen er nun durftig oder nicht, daß er von diesem Wasser trinke, und zu diesem Ende stehen immer einige Humpen an der Quelle in Bereitschaft.

Eiwas nördlich und dicht bei dem Pfahlwerke steht ein höls zérner Schuppen von der Größe und Gestalt eines Schilderhauses, in welchem man_die Verhaltungs-Regeln für Besucher und aus gleich ein Buch findet, worein sie ihre Namen und was ihnen sonst noch beliebt, einschreiben können. Wer Geduld genug bes fißt, manche schwer lesbare Hand zu entziffern, der wird mit vielem Genusse in diesem Buche blättern, wo die Originalität, die Bizarrerie, die Selbstgefälligkeit oder Albernheit der Pilger in verschiedenen Sprachen und in einer Unzahl guter oder schlechter Verse sich offenbart haben und noch offenbaren. Da Alles, was Napoleon betrifft, dem Publikum stets willkommen und interessant feyn wird, so darf ich wohl den Wunsch aussprechen, daß irgend eine dem Unternehmen gewachsene Person_diesen Wust von Einfällen und Ergüssen sichtete und zum Drucke arrangirie. Da das erwähnte Buch jedes Jahr einen neuen Zuwachs an Bemerkuns gen in Reimen und Prosa erhält, so würde auf diesem Wege in periodischer Literatur Artikel, ein Napoleon's Album ins Leben treten.

Das Grab und der dazu gehörige Grund stehen unter der Obhut eines ausgedienten Unteroffiziers, der jedem Ankommenden, mit Aussicht auf ein kleines Trinkgeld, viele gang erstaunliche, obschon fast jedem Menschen bekannte und geläufige Dinge hers erzählt und seine stillen Betrachtungen auf empfindliche Weise ftört; denn wer vertiefte sich nicht gern an einem so hehren Drie in Gedanken an den Eroberer, dessen Laufbahn der eines Kometen glich! Gewiß war es eine große, dem Genius dieses Titanen Der neuesten Zeit bewiesene Huldigung, daß man, selbst als er schon niedergeworfen, von Siegern umringt und von seinen Freunden verlassen war, die Ruhe Europa's nicht eher gesichert glaubte, bis man ihn an einen Felsen im fernen Drean geschmies det wußte! Aber sein Insels Kerler hätte seinem Andenken ges heilige werden sollen. Warum hat man nicht St. Helena nach dem Tode des Titanen verödet, die Zugange serstört, Alles Les bende entfernt und die ganze fürchterliche, unwirthbare Felsens masse für ewige Zeiten, Napoleon's Grab" genannt? (Robert Stuart im U. S. J.)

Frankreich.

Der Französische Beamte. *)

[ocr errors]

Die Beamten in Frankreich find den Schmetterlingen zu vergleichen, deren die Naturforscher so viele Arten zählen. Es giebt unadhlige Abstufungen in der Beamtenwelt, aber dem aufs merkiamen Beobachter werden die vielfachen Aehnlichkeiten, die erstaunlichen Analogieen nicht entgehen. Welcher Abtheilung der weitverbreiteten Hierarchie auch der Französische Beamte anges hören mag, so wird es doch nie schwer halten, die Einwirkung Das Prinzips, unter dem sie alle stehen, das Gemeinschaftliche in ihren weisungen und in ihrem Geschicke herauszufinden.

3br gemeinsames Schicksal last fich furs auf folgende Weise bestimmen. Im dreißigsten Jahre heirathet der Beamte, welcher ein Gehalt von 1800 Franken bezieht, eine Srbin, welche ihm 6800 Fr. Zinsen zubringt. Er miethet im Marais oder im Weichbilde von Paris eine Wohnung, deren Miethszins jedoch nicht 400 Fr. übersteigen darf. Von hier aus macht er nun das lich einen Weg von zwei Stunden, um einzuregistriren, Briefe zu kopiren, Aften zu ordnen, Erlaubnißscheine zum Waffentragen, Paffe, Recepiffe's auszustellen, um ferner diejenigen, welche

*) Nach den in fortlaufenden Lieferungen auch jezt noch erscheinenden, bereits früher erwähnten Französischen Sitten: Darstellungen: Les Français, Roeurs contemporains.

[ocr errors]

kommen und abgehen, oder die, welche von der Conscriptions, Steuer bedroht sind, einzutragen, und um Berichte zu machen, wenn diese oder jene Gemeinde eine Brücke, eine Primärschule, eine Kavallerie Garnijon erhalten soll. Oder er muß auch wohl von seinem ledernen Polsterstuhle aus einen Spieler, einen Sträf ling, eine Verschwörung oder Gott weiß was überwachen. Be standig muß er die 38,000 Gemeinden Frankreichs, ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse, ihre Gesinnungen im Auge behalten und auf Alles, was einen Bezug zum Handel, zur Politik, zum öffent lichen Wohlstande, zur Religion, zur Moral, zur Gesundheits pflege hat, mit einem Worte auf Alles aufmerksam seyn. Dies find die Verpflichtungen des Beamten während sechs Stunden des Tages und sechs Tagen in der Woche. Dann kommt der Sonntag. An diesem Tage überläßt er sich der Süßigkeit des Schlafes bis um 10 Uhr und rasirt sich weit später als gewöhn. lich. Um 3 Uhr entflieht er der Abgelegenheit des Marais oder den Anhöhen von Belleville, wandert mit seiner Frau nach Paris, und nachdem er noch zwei Stunden auf und ab spaziert, um sich Appetit au machen, nimmt er bei Richefeu ein schwelgerisches Mahl für 40 Sous ein. Nach dem Essen geht's in die Elysdischen Felder, wenn es Sommer, in das Konzert von Musard, wenn es Winter ist. Um 10 Uhr Abends wird der Rückweg zu Fuße angetreten, und man kömmt nicht lange vor Mitternacht zu Haufe an, denn die Frau ist todmåde. Damit ist der Tag bes schlossen.

Mit der Zeit finden sich auch Kinder ein, mindestens zwei, zuweilen auch drei. Der Beamte verwünscht, verflucht sein ganzes Leben lang den Stand, den ihn sein Vater hat ergreifen lassen; mehr als tausendmal ruft er mit jener Person aus den ,,Fourberies de Scapin" aus: ,,Was sollte ich auf dieser Galeere machen?" und dennoch ist er überglücklich, wenn er am Ende seinen Sohn in dieselbe hineinspannen kann. Dieses ist bis zu der Pensionis rung, von der am Schlusse die Rede seyn soll, der regelrechte Lebenslauf eines verheiratheten Beamten.

Es giebt auch unverheirathete Beamie, und sie bilden sogar die Mehrzahl.,,Wozu soll ich heirathen?" sagt der Junggeselle. ,,Wenn ich eine Ehe aus Neigung schließe, wie empfindlich muß es dann für mich seyn, meiner Frau mit alle Zerstreuungen, nicht den allerliebsten Land, Blumen und Bänder, Perlen und was sonst zum Glücke der Frauen in Paris so unumgänglich nothwendig ist, bieten zu können? Soll dagegen mein Haus stand wie alle andere seyn, wozu wollte ich mich dann fröhlichen Herzens und ohne eine Entschädigung in das Wespennest der fälligen Wechsel, der Modekünstlerinnen, der Ammen und Aerzte stürzen? Sollie man nicht auch anders leben können? Es kommt auf einen Verfuch an." Beweggründe dieser Art, pecuniaires Unvermögen, find es, welche die meisten Beamten zum Jungs gefellenstande verdammen. Ihr Loos ist indeß vielleicht noch trauriger als das ihrer Kollegen, welche sich in das Joch der The geschmiegt haben. Der unverheirathete Beamte ist aller dings glücklich, frei und stolz auf seine Freiheit bis zum Alter von vierzig Jahren. Er speist an der Table d'hôte får 32 Sous, er besucht Konzerte, Schauspiele, ländliche und andere Bälle und erwärmt sich zuweilen am Strohfeuer eines abenteuerlichen Lebens. Aber allmålig wechselt die Scene: der Beamte ist alt geworden, fünfundvierzig Jahre alt, und die Zeit der Täuschungen ist un wiederbringlich vorüber. Er findet weder an Promenaden, noch an Konzerten, weder am Theater, noch an allen möglichen Bällen Vergnügen. Was bleibt ihm jest? Welcher unschädlichen Leidens schaft soll er sich in die Arme werfen? Wie die langen Sommers Morgen und die endlosen Winter Abende ausfällen? Er fühlt sich jest so einfam! Das Wirthshausleben ist so abgeschmackt und fade! 3ft es nicht unerträglich, alle Tage neue Gesichter zu sehen? Wie langweilig! Und welcher Unterschied erst zwischen den safts und kraftlofen Suppen und den mageren Saucen der Wirthshaustafel und der nahrhaften Koft eines Familientisches! Solche Vergleiche bringen eine mächtige Revolution im Leben des chelofen Beamten hervor. Er entfagt der Welt und ihren Freuden, um ein gutes und angenehmes Studium zu ergreifen, um sich einer unschädlichen Grille hinzugeben. Er wird Orni thologe oder Numismatiler, er sammelt Mineralien, Schmetters linge oder Muscheln; er stopft die Kanarienvögel feiner Nachbarn aus und abonnirt auf fünf oder sechs illustrirte Ausgaben. End lich nimmt er eine Haushalterin, speist zu Hause und ordnet 'fein' Leben, so gut es geht.

Merkwürdige Inkonsequenz! Der Staat sollte doch wohl vor allen Dingen die Entwickelung des Familienlebens begunstigen, das eben so sehr eine Bürgschaft des Glücks der Einzelnen wie der Stätigkeit der Gesellschaft ist, und dennoch sind die meisten Beamten in Frankreich gezwungen, ehelos zu bleiben. Man har berechnet, daß die mittlere Summe des Gehalts der Beamten in Frankreich nicht mehr als 1500 Fr. beträgt Und dennoch welches Drangen zum Beamtenstande! Welches Menschengewimmel in en Vorzimmern der Aemtervertheiler! Intriguen, Kabalen, Vers teamdungen, alle Hebel werden in Bewegung gefeßt, um in die Reihe der Glücücßen einzutreten. Da sind die Deputirten, fdmmu liche Deputirten eines der bedeutendsten Departements des Reichs; fle follisitiren beim Minister des Innern oder der Finanzen die ́ Stelle eines Supernumerarius oder Commis mit 1000 Fr. Gehatt. Vielleicht gelingt es ihnen.

Es ist wohl der Mühe werth, hierauf näher einzugehen. Früher waren die Stellungen einiger Beamten wohl geeignet, den Ehrgeiz derjenigen Proletarier zu erregen, welche ihre Er sichung in den gelehrten Anstätten beendet hätten. Junge Beamie

« ForrigeFortsæt »