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viertehjährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er: öhung. in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 124.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Modüöbl. Poft - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 16. Oktober

Frankreich.

Die Lohn Literatur der Franzosen.

Schon seit Jahren seufzt der Buchhandel in Frankreich unter Verlegenheit und Mikgeschick; seit einigen Monaten ist das Uebel noch gestiegen. Die Angelegenheiten der Literatur (worunter wie hier besonders Werke der Dichtung und Kunst verstehen) kommen taglich mehr ins Gedränge, und zwar durch eigenes Verschulden. Eine plögliche Revolution hat vor zehn Jahren den Zusammens hang des Wissens und des Gedankens jerrissen, die eben in voller Entwickelung begriffen waren; eine lange Anarchie folgte, in deren Schoß sich wenigstens neue Talente erhoben neben den noch fortlebenden alten. Man glaubte, im Gefolge der sich wier derherstellenden Ordnung auch eine neue literarische Richtung, wohlthuend für das Herz und den Ruhm, zu erblicken; allein in der Literatur, wie in der Politik, zeigen sich immer die inneren Blößen und tiefen Zerstörungen erst dann recht deutlich, wenn von außen die Aufregung gestillt ist.

Unter der Restauration ist gewiß viel und Mannigfaltiges geschrieben worden. Neben wahren Meisterwerken tauchten eine Menge von Werken, besonders in Geschichte und Politik, empor, die mehr oder weniger zweiten Ranges find. Damals verlieh eine fitliche Idee, ein scheinbarer Patriotismus den Schriften eine Art von Hoheit, von welcher geblendet das Publikum, der Schriftsteller und selbst der Kompilator die innere Triebfeder nicht fahen. Beim Sonnenuntergang der Restauration _schon maren jene moralischen Ideen geflohen, die während des Tages geblendet hatten; der größte Theil der Schriftsteller und der Leser fühlte in sich die wahren Triebfedern und legte sie auch Anderen bei; man verhehlte sich und der Welt nicht mehr, daß ungebuns dener Wetteifer der Eigenliebe, das dringende Bedürfniß, zu leben, die eigentlichen Beweggründe des Schreibens waren; die Lohn Literatur stand in ihrer Nacktheit da.,

Indessen müssen wir, um das Uebel kräftiger bekämpfen zu fönnen, zuvorderst die Bedeutung des abschreckenden Wortes näher angeben und uns vor Uebertreibung húten. Die Lohn Literas tur ist schon alt; zu allen Zeiten gab es eine folche. Der größte Theil der gedruckten Bücher verdankt seine Entstehung dem obigen Beweggrunde. Mit den Leidenschaften, den Ueberzeugungen und dem Talente verbunden, hat die Armuth ihren Antheil oft an den edelsten Werken, ja an solchen, die sich als die uneigennusigsten darstellten. Paupertas impulit audax", sagte Horaz, und Le Sage schrieb seinen Gil Blas für den Buchhändler. Indessen waren die schönen Werke des 17ten und 18ten Jahrhunderts im Allge meinen, besonders in Frankreich, Zeugen von Uneigennüßigkeit; und es war eine Art von Zugeständniß im Gegensaß der Ges wohnheiten, welches Boileau dem Racine machte, indem er von ihm sagte:

Je sais, qu'un noble esprit peut sana honte et sans crime
Tirer de son travail un tribut légitime.

Er selbst machte dem Buchhändler Barbin ein Geschenk mit feinen Versen. Bei Boffuet, Fénélon, La Bruyère, bei Montess quieu und Buffon und ihres Gleichen wird man keine Thür ents decken, die sum Magazin des Buchhändlers führt. Voltaire vers nachlässigte seine Bücher zwar nicht, aber dennoch bereicherte er fich nicht durch fie, sondern durch andere Speculationen. Der dürftige Diderot verschenkte auch lieber seine Arbeiten, als daß er fie verkaufte. Bernardin de Saint-Pierre war der Erste, welcher das Schauspiel eines großen Geistes in Handeln mit dem Verleger gab. Beaumarchais fing zuerst an, mit Editionen Pluge Geschäfte zu machen. Im Ganzen war die Würde der Literatur groß genug, um solche einzelne Flecken zu decken. Unter dem Kaiserreiche schrieb man verhdltnißmäßig wenig; unter der Restauration schrieb man viel, aber man folgte, wie wir oben fagten, einer edleren Inspiration, oder glaubte ihr zu folgen. Erst jest ist die Lohn Literatur in ihrer rohsten Gestalt zu sehen.

Dieser Literatur ist es gelungen, die Kritik ganz aus ihrer Stelle zu jagen, sich darin festzuseßen und so zu thun, als wäre fie ganz allein da. Freilich, wer die Erzeugniffe der Zeit mit Acherem Ueberblicke beherrscht, der wird auch noch daneben be: Rehende Literaturen gewahr, welche ernsthafte und ehrenvolle Arbeiten in sich faffen; z. B. jene, welche man die Literatur der Akademie der Inschriften, und jene, die man,,Literatur

1839.

der Univerfitat" nennen fönnte. Aber, man muß es sagen, ohne dem Verdienst dieser Arbeiten zu nahe zu treten, der ganze lites rarische Ruhm einer Nation ist nicht in ihnen. Das rege Leben fucht sich frei und kühn außerhalb Nahrung für die Einbildungs Praft und Aussichten zur Anwendung seines geistigen Vermögens. Dieses freie Feld außerhalb der Schranken einer Alademie und einer Universität war freilich zu jeder Zeit ein Tummelplag für alle Bestrebungen des Geißles; verschiedene Gestalten des schlech ten Geschmacks, seltsamer Moden und lächerlicher Philosophieen zogen unter bunten Farben darüber hin; aber niemals ist es so von Banden bejezt und verwüstet worden, wie jest, von fast organisirten Banden, die es als ihr alleiniges, rechtmäßiges Eigenthum betrachten und ausbeuten, und die auf ihrer Fahne die Inschrift haben:,,Vivre en écrivant." Selbst ernsthafte, ruhmreiche Manner nehmen Theil an diesem Treiben, muntern es auf oder schweigen wenigstens. Wenn hier und da eine ehrs liche Stimme protestirt, so wird sie durch das allgemeine Ge räusch erstickt, und (sollte man's glauben?) der Geist und die Laune Janin's sind die einzigen noch übrigen fühnen Wächter in den herrschenden und lebhaften Fragen der Literatur.

Die geistvollen, kenntnißreichen und gewissenhaften Schrifts steller, welche in den legten Jahren der Restauration eine fo schöne Rolte gespielt haben, sind mit der Juli - Revolution zur Politik übergegangen und wurden hierdurch der Literatur untreu. Die ehemaligen Mitarbeiter des Globe sind jest Deputirte, Staatsrathe und Minister. Ob der Staat durch diesen Uebertritt ges wonnen hat, ist eine Frage, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen; gewiß aber ist's, daß die Kritik dadurch viel verloren hat. Die philosophische Tribüne, von der herab sie ihr gediegenes Urtheil sprachen, ist nun nicht mehr ein schöner Sammelplay für neue Talente, für aufblühende Hoffnungen; diese fuchen vielmehr jeder feinen eigenen Weg, auf welchem sie den Verirrungen aus gefeßt bleiben, die man uns mit Recht zum Vorwurf macht. Aus diesem Zustand der Dinge muß man die abschreckende Ger stalt der Literatur erklären. Ju einem beklagenswerthen Wett: eifer, einem unlauteren Ehrgeiz begriffen, ist sie fiets geschdftig, verwegen, dringt den verfeinerten Leidenschaften der Civilisation die zugellosen Aeußerungen des rohen Naturzustandes auf, vers nichtet jeden Anflug von Edelmuth in dem Abgrund des Egoiss mus und verdingt ihr bischen Talent schimpflicher Habsucht.

Jeden Tag wird auch das Schreiben und Drucken eine ges ringere Auszeichnung. Bei unseren neuen Gewohnheiten der Oeffentlichkeit, bei den Wahlen und anderen Zusammenkünften findet sich für Jeden, einmal wenigstens in seinem Leben, eine Gelegenheit zu einem Toast, einer Rede, zu einer Aufforderung, furs, sich gedruckt zu sehen. Man ist jest Autor. Hiervon bis zu einem Feuilleton ist nur ein Schritt. Ist dieser gemacht, so will man auch schon im Kreise der Familie, der Freunde durch Prosa und Poesie glänzen, und endlich will man gar diese Familie damit ernähren. Und, aufrichtig gesagt, wer kann in unserer Zeit von sich sagen, daß er nicht eine materielle Nebens absicht beim Schreiben habe? Pascal, als er von der Ruhm, fucht spricht, seßt hinzu:,,Und ich, der ich dagegen schreibe, bin ganz frei davon?" Und ich, der ich gegen Löhn Literatur fchreibe....?

Der gegenwartige Zustand der Tagespresse in Bezug auf die Literatur ist, um die ganze Wahrheit zu sagen, unheilvoll. Es ist dahin gekommen, daß statt der moralischen Idee der einges standene robe Gewinn das Alpha und das Omega der verschiedes nen Journale ist. Die Annonce ist die Seele der Blätter! Die Annonce, von der sie eigentlich leben, macht sie gefällig gegen das annoncirte Buch. Die Annonce ist auch Mitschuldige an dem Todtschlag des Buchhandels. Sie loftet für jedes neue Werk 1000 Franken, bevor der Verleger noch einen Pfennig eins genommen hat. Deshalb muß auch, auf unbarmherziges Drans gen des Verlegers, jedes Werl zu 2 Banden, zu größerem Fors mat ausgerect werden, weil die Gebühren der Ankündigung dieselben bleiben. Die Buchhändler machen so aus einer Anekdote eine Novelle und aus einer Novelle einen langen Roman.

Seit der Einführung der 40 Franken Preffe hat sich die ficts` liche Stellung der Journale um vieles verschlimmert. Die Pers fonnage, von welcher diese kühne Idee ausging, ist von unbestreits barem, aber übel geleitetem Talente. Der Urheber hat andere Journale und das seinige dadurch nur noch mehr von der Annonce

abhängig gemacht. *) Wenn man jest ein Buch gelobt findet, und der Name des Resensenten bürgt nicht für Unparteilichkeit, fo darf man annehmen, der Verleger oder der Autor haben etwas beigetragen, die Kosten der Druckerschwarze zu decken. Als dieses Unwesen anfing, erhob sich nur eine Stimme dagegen, es war die von Armand Carrel, die Anderen, und selbst das die Preffe beherrschende Journal des Débats, folgten der verderblichen Eingebung des Eigennußes; leider folgten selbst die tugendhaften Manner der damaligen Verwaltung der schmachvollen Richtung und unterstüßten ein System, das ohne alle Aussicht auf legitimen Erfolg nur der Corruption Thür und Thor öffnete. Gewiß ifs, daß die Moralität der Presse seit dieser Zeit außerordentlich ges funken ist. Balzac hat neuerlich viele Gemeinheiten auf diesem Felde gesammelt und sie in seinem Romane: Un grand homme de province, auf seine phantastische Weise erzählt. Daß es in der Theater Literatur nicht besser aussieht, braucht man wohl nicht erst zu sagen.

Das Uebel hat schon alle neue Bücher ergriffen; seit zwei Jahren wird nichts mehr verkauft, und der Buchhandelt verhuns gert. Man hat das Publikum so sehr mißbraucht, hat ihm so viel leeres Papier, fo viel Altes für Neues, so viel Geschmacklos fes und Plattes vorgefeßt, daß es buchstäblich stumpf geworden ift. Die Lese, Kabinette kaufen schon nichts mehr. Reulich las man die Reclamationen eines Autors gegen den Gebrauch einiger solcher Kabinette, die aus Sparsamkeit die Romane der Feuilles tons aus den Journalen schnitten und sie so binden ließen, um nicht das Buch noch einmal laufen zu müssen. Der Verfasser schrie laut über diese Dekonomie. Aber was soll man von einer Zeit halten, wo die Leser schon wissen, daß der Roman, den sie jest als Luckenbüßer eines Journals vor sich haben, sicher als selbsts ständiger Herr bald um freundliche Aufnahme bitten wird? und was von einem Schriftsteller, der die Leute öffentlich anklagt, weil sie fich gegen eine Prellerei, die sich von selbst versteht, nach ihrer Weise ein Auskunftsmittel suchen?

Man werfe einen Blick auf die Journale, wie in ihren Feuille tons Alles bis zum Lächerlichen breit ist; welche Mannigfaltigs Peit an gesuchten Phrasen, welche Gezwungenheiten, bombastische Beschreibungen und Langweiligkeiten! Es giebt Schriftsteller, die ihre Romane in Feuilletons nur in Dialogform schreiben, weil auf diese Weise bei jedem Gedanken, oft schon bei einem Worte, eine neue Zeile angefangen werden muß. Run kenne ich einen Schriftsteller, der, wenn er sich zu einem Journal herabläßt, für die Zeile durchaus zwei Franken haben muß und dabei noch Plagt, das er nicht so viel wie Lord Byron erhält. Also oft für ein einziges Wort zwei Franken; das nenne ich doch einmal den wahs ren Werth der Wissenschaft zu schäßen wissen! So seufzt der Buchhandel zwischen den Anmaßungen der Autoren, feinem eiges nen Charlatanismus und dem ausländischen Nachdruck und muß in seinem Verderben noch weiter fortschreiten, wenn den genanns ten Uebeln nicht radikal entgegengearbeitet wird. Nur die drei Fakultäten der Universität: Jurisprudenz, Medizin und Theologie, machen noch mäßige Verlagsgeschäfte.

Bundchst gegen den ausländischen Nachdruck, der wohl eine Mitschuld, aber keine Hauptschuld beim Ruin des Buchhandels ist, hat sich die,, Société des Gens de Lettres" gebildet. Die erste Idee dazu ist von Desnoyers ausgegangen. Dieser Schriftsteller von Geist hat, inmitten der allgemeinen Verderbis heit, fein thätiges Streben rein von unedlen Absichten zu erhalten gewußt, und fein Name dient der Gesellschaft gewiß zur Empfehs lung. Nichts ist gerechter, als die Verständigung gelehrter Männer zu gemeinschaftlichen Schritten über ihre Intereffen. Den auss wärtigen Nachdruck kann aber eine Privat: Gesellschaft nicht ers reichen; fie muß auf den inländischen Jagd machen, muß die dies bischen Journale 3. B. gerichtlich zu einem Tribut zwingen. Da aber der einzelne Gelehrte fich mit Verfolgungen der Art nicht befaffen kann, da ihm Zeit, Kraft und oft die Bekanntschaft mit den Schikanen fehlt, so muß ein Agent oder ein permanentes Comité da seyn, seine Angelegenheiten zu vertreten. Aber ist es nicht traurig für die Literatur, daß man zu einer förmlichen Orgas nisation wie die Coalition der Schneidergesellen kommen mußie? Bisher dachte ich mir das literarische Eigenthum ganz einfach so: Man schreibt ein Buch, verhandelt mit dem Verleger, erfüllt gegenseitig die eingegangenen Bedingungen und genießt sein Eigenthum. Wird unterdeffen das Buch in Belgien nachgedruckt, fo ist es ein Unglück und eine Ehre, die der Herausgeber vorhers gesehen hat. Anstatt eines Buches schreibt man Auffage in einem Journale; wird man von einem Blatte nachgedruckt, so ift's die Sache des Journals, fein Recht zu suchen. Diese einfache Polis til des literarischen Eigenthums erregt aber das Mitleiden vieler vornehmer Autoren mehrere unferer 12 (literarischen) Marschalle von Frankreich, wie fie der gegenwärtige Präfis dent der Société des gens de Lettres in einem Briefe öffentlich nennt **), werden die Achseln zucken. Aber so lange unsere Ansicht noch bei den Schriftstellern herrschte, so lange noch feine Coms pagnie bestand, hat auch das Publikum keine Gelegenheit gehabt, einen fo tiefen Blick in das Elend der Literatur zu thun.

Der Verf. føricht hier von Emil v. Girardin, der im Laufe feiner politischen Abenteuer durch ein Duell mit Armand Carrel, in welchem diefer fiel, durch weideutigen Actienhandel und zulezt durch feine befoldete Thätigkeit bei den Wahl-Umtrieben eine traurige Berühmtheit erlangte. Als Staatsmann bat er durch den Erfolg der Wahlen aufgehört, glücklich zu ers scheinen; als Ehemann kann er es wohl an der Seite der liebenswürdigen noch seyn. (Anmerf. d. Ueberf.)'

Delphintan lebe die Journale La Presse und Le Siècle vom 18ten und 19teu

Augußk d. I.

Die Société des Gens de Lettres hat sich aber auch noch vor anderen Nachtheilen zu bewahren. Die Mehrheit entscheidet in solchen Gesellschaften; allein was heißt eine literarische Majoritat? Die Société macht sich anheischig, dem einzelnen Mitgliede beis aufteben, seine Werke unterzubrigen und jungen Mitgliedern die literarische Laufbahn zu eröffnen. Aber wo find die literarischen Bedingungen und die Bürgschaften für Zulassung als Mitglied? Literat kann sich Jeder nennen, und die Gesellschaft kann und wird nicht entscheiden, ob er des Namens würdig ist. Wer da kommen wird, um fich anzuschließen, wird aufgenommen, und man darf ficher seyn, daß die unbedeutendsten und die am wenigften berechtig ten Schriftsteller am lautesten schreien, und daß diese die Majoritat bilden werden. Die Gesellschaft wird demnach bald eine Schrifts fteller Versicherungs-Anstalt seyn, die den Ladel verfolgt und Lob erawingt. Schon sieht man Journale, die sich täglich die gröbsten Injurien sagen, wenn von Politik die Rede ist, in diesem Punkte eng verbündet und im Feuilleton mit einander fraternifiren, wäh rend fie fich oben gegenseitig beschimpfen.

Wenn ich hier so von dieser Societat spreche, so ist es nicht ohne Gefahr. Der ehemalige Gerant der Revue des deux mondes, Herr Bulos, machte vor kurzem den Scherz, er habe es mit zwei Klassen der unlenksamsten Menschen zu thun, mit Komödianten und Schriftstellern. Darauf erschien eine Anzeige in zwei sonst feindlichen Blättern, daß das Comité der Societat sich zu dem bösen Spotter begeben habe, um von ihm einen förmlichen Widerruf zu erlangen! Wir dürfen also nicht mehr sagen, die Literaten fenen indisciplinables, wir müssen vielmehr gestes hen, daß sie zu sehr disziplinirt sind. Wir haben indessen das Vertrauen, daß viele Mitglieder jener Gesellschaft unsere Meinung theilen, und daß sie sich dem Umfichgreifen des Gemeinen wohl widerseßen werden. Ich nenne nur den ersten Präsidenten der Gesellschaft, den erleuchteten Villemain. Er hat diese Würde wahrscheinlich nur deshalb angenommen, um in der literarischen Demokratie mit feiner gewohnten Gewandtheit die Grundsäge der Unabhängigkeit und des guten Geschmacks aufrecht zu erhals ten. Schade, daß er durch eine hohe Stellung) der schönen Gelegenheit entrissen ist, auch hier Gutes zu stiften und Böses zu verhüten.

Herr v. Balzac, der einstimmig an der Stelle des aufgellårs ten Akademikers zum Präsidenten gewählt worden ist, trägt seine starke Phantasie und Einbildungskraft auf diese ernste Sache über. Sein oben berührter Brief über das literarische Eigenthum gränzt ans Fabelhafte. Er schlägt allen Ernstes der Regierung vor, die Werke der 10 oder 12 Marsøälle von Frankreich, mit denen des Verfassers selbst anfangend, zu laufen. Seine Werke schäßt er, auf 2 Millionen. Wir können nichts Besseres thun, als ju glauben, Herr v. Balzac wollte sich über die Tendenz der Gesellschaft selber luftig machen.

Wir wollen zum Schlusse einige Worte der Hoffnung aus; sprechen. Wie groß auch die Auftrengungen der Lohn Literatur find, wie sehr sie auch leider berühmte Namen zu Representanten haben mag, triumphiren wird sie doch nicht. Ihr fehlt die Ins spiration, um auf die Wissenschaft zu wirken. Die Vernichtung ihrer Plane hat man schon an mehreren Unternehmungen ges sehen. So bei dem gigantischen Werte L'Europe littéraire, bei der neuen Chronique de Paris und bei der Preffe zu 40 Franken. Diese Literatur hat Kapitale und Talente, aber die moralische Idee ist ihr fremd, und der Egoismus der einzelnen Mitglieder führte bald den Ruin des Vereins herbei. Indessen müssen bei jedem neuen Versuche diejenigen wachsam seyn, welchen das Schicksal der Wissenschaft am Herzen liegt. Die Redlichen müssen, jeder in seiner Sphdre und Würde, zusammenhalten, sich durch sympathetische Eintracht unterstüßen und so Much ges winnen, um dem Schlechten zu begegnen. Die Lohn Literatur mag fortbestehen; sie lehre in ihr Flußbett zurück, wo sie ihren langsamen Lauf so lange fortfeßen mag, so lange sie Quellen hat; aber man baue ihr Damme, daß sie nicht Feld und Garten überschwemme und den köstlichen Fleiß der gerechten Arbeiter zerstöre. Sainte Beuve.

Die Pariser Fruchthändlerin.

Wenn man Paris durchwandert und jene prächtigen Låden mit vergoldeten Zierrathen, loftbarem Marmor und herrlichen Spiegeln angeßlaunt hat, prunkvoll wie Gesellschafts • Säle, fo daß der verlegene Käufer gar nicht einzutreten wagt, sondern sich mit seinem Gelde wieder entfernt, dann bleibt man mit Vergnůs gen vor dem bescheidenen Kram_der Obßhandlerin stehen.

Ungeachtet des scheinbaren Gewirrs in dem einfachen Laden, waltet doch eine geheime Ordnung in der Aufstellung der Früchte und Gemüse; fie hängen in Büscheln oder stehen in Garben umber, thurmen sich zu Pyramiden auf oder liegen bunt durch einander. Glänzende Mohrrüben, Zwiebeln und lange weiße und grüne Porree Bollen schmücken den Eingang in üppigen Gervins den; weiter unten find je nach der Jahreszeit Bündel von Rüben und Spargel, Gurten und große Kobllöpfe ausgestellt, die gegen ihren aristokratischen Bruder, den sierlichen Blumenkohl, sich sehr ungefchickt ausnehmen. Geschüßt durch diese Art von Wall, ers blicken wir hinter demselben die Schoten und Bohnen in ihren leicht zu sprengenden Hülsen, die Stachels und Johannisbeeren,

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die Kirschen und die Himbeeren, und draußen vor der Thür ruht auf einer alten Bank, als stummer und unzuverlässiger Wächter, ein schwerfälliger Kürbis mit feiner Falstaffs Masse."

Alle diese Schäße sind offen und frei vor den Blicken der Vorübergehenden und so recht handgreiflich für die Diebe ausges breitet, an welche die Fruchthandlerin gar nicht zu denken scheint; ihr edles Vertrauen beschämt die Vorsichtsmaßregeln der Kaufs leute, die ihre Laden mit geheimen Schubfächern und versteckten Pappkastchen versehen, und die fich mit ihren Waaren hinter Eisenstdbe und Drahtgitter flüchten, während die Fruchthandlerin die ihrigen auf offener Straße feilbietet, denn sie benußt Alles zur Ausbreitung ihrer Früchte: die Fensterbretter, die Thürschwelle, die vor dem Laden Rehenden Stühle. Geschäftig wandert fie awischen ihren Schäßen umber und weiß überall Bescheid in diesem Gemüse, Labyrinth; so sehr auch Alles durch einander geworfen ist, greift fie doch blindlings nach dem Verlangten, und ihr Fuß strauchelt nie; und was könnte ihr auch ebles daraus erwachsen? Nur für ihre Eier fürchtet sie das Zerbrechen.

Die Fruchihandelerin ist ein ganz besonderer Menschenschlag von Paris; freilich muß man sie nicht im vornehmen Theile der Haupstadt fuchen. Auf der Chauffée d'Antin, in der Nachbars schaft der Börse und des Vendome Plaßes giebt es auch Gemüses tramer, die fich pomphaft verduriers nennen; so hießen nämlich früher diejenigen Königlichen Küchenbeamten, welche den Salat zu liefern hatten; eine echte Fruchthändlerin aber, wie wir fie im Sinne führen, findet man in den Vierteln von Montmartre und Poiffonniere, St. Denis und St. Martin; sie liebt ganz besonders den Marais und die Vorstädte; dort gedeiht und blüht sie in ihrer appigsten Originalität; ihr wie ihren Gemüsen ist die Feuchtigkeit der engen Straßen zuträglich. Sie ist über die Mittel: jahre des Lebens hinaus, von treuherziger Physiognomie, was for gleich für sie einnimmt, und von ziemlich ansehnlicher Beleibtheit. Sie hat keine so blühende Farbe wie die Austernhändlerin und die Damen der Halle, keinen so festen Blick, keine so mannliche Stimme und kein so herausforderndes Wesen wie diese; fie sieht mehr ländlich und wirthschaftlich aus. Uebrigens ist sie eine Frau von Verstand, thẳtig und hinreichend gewißt; doch verwens det sie weder auf ihre Person noch auf ihre Sprache solche Sorg falt; sie ist nur auf die Schönheit ihres Waaren Vorrathes bedacht. Ihr Kleid hebt ihren Wuchs nicht zum vortheihafteften hervor, das fömmt wohl daher, weil sie eigentlich gar keine Taille hat und jedes Einschnüren umsonst ware; ihre Mermel Streift fie bis zum Ellenbogen herauf, so daß man ihre roth braunen Arme gewahrt; eine weite Schürze, deren blendendes Weiß man gerade nicht rühmen kann, hüllt mit ihrem machtigen Faltenwurf sie ein. Und diesen alltäglichen Pug liebt unsere Fruchthändlerin so sehr, daß sie ihn auch des Sonntags anbes hält; Haube

Zuflucht nehmen und erstaunen, daß fie so gut darin_bedient

werden.
Begreift Ihr jeßt die moralische Wichtigkeit der Frucht
handlerin? Niemand kömmt zu ihr, der nicht einige Worte mit
ihr wechselte; hier ist der Lieblings, Sammelplas aller Diensts
mädchen; durch diese aber werden die Familien Geheimnisse auss
geplaudert und kommen zu den Ohren unserer Freundin. Auf
der Straße, am Fuße jener hohen Häuser sigend, die eine ganze
Welt in sich fassen, sieht und weiß fie Alles; Liebschaften, Zänkes
reien, Skandale aller Art, nichts entgeht ihr, denn die Kunden,
welche ihr ihren Tribut an Liards und Neuigkeiten entrichten,
erzahlen ihr selbst Dinge, die fich außerhalb ihres Horizontes,
in den anstoßenden Vierteln zutragen; auch ist sie die Vertraute
aller Kinderfrauen. Die Fruchthändlerin ist überaus gutmüthig,
ihre Freundschaft ist treu und ihre Gefälligkeit erprobt; mit Eifer
leistet sie jeden kleinen Dienst, den man nur verlangen fann.
Obgleich ihr Handel, der mehr als jeder andere ins Detail geht,
Peinen langen Kredit gestattet, so borgt sie doch mancher armen
Nachbarin einige Liards, ja wohl selbst einige Sous, die für fie
den Werth von Franken haben, und dem dürftigen Arbeiter, den
Witwen und Waisen giebt die gute Seele reichliches Maaß; ein
schönes Almosen, das auf edle und zarte Weise versteckt wird,
wovon Niemand etwas erfährt und wofür ihr nicht einmal ein
„schön Dank“ zu Theil wird, weil diejenigen, denen sie es spens
det, es gar nicht bemerken.

1

Nord - Amerika.

Eine Fahrt von Havre nach New-York.
(Fortseßung.)

Auf dem Verdeck angelangt, fand ich das Meer ziemlich bes wegt und in einen so starken Nebel gehüllt, daß man kaum mehr als hundert Schritt weit sehen konnte. Dieser Nebel war denn auch die Ursache unseres Unglücks. Eine Brigg, Namens,,James Deniston", mit Holz aus dem St. Lorenzbusen beladen, war, in der Richtung nach Südost segelnd, vor unser Schiff gekommen, welches nach Westen segelte, und da man sie des dichten Nebels wegen nicht eher bemerkte, als bis sie ganz nahe war, fonnte man nicht verhindern, daß unser Schiff mit vollen Segeln gegen sie anlief. Unser Bugspriet, die Stange, welche vor dem Schiffe. ist und an welcher auch zwei Segel angebracht sind, war zwischen die beiden Maften der Brigg gerathen, und beide Schiffe hatten fich mit den Tauen und Segeln so in einander verwickelt, daß fie nicht zu trennen waren. Mit jedem neuen Wellenschlage fuhr unser Schiff gegen das andere, und mit schrecklichem Gekrach fing unfer Bugipriet an, das ganze Verdeck der Brigg zu rasiren. Noch einige fürchterliche Stöße, und der Hauptmast der Brigg ging es an den anderen Mast, und auch dieser wankte schon. Die Mannschaft der Brigg hatte sich unterdessen glücklich geretter und auf das Vordertheil unseres Schiffes geflüchtet.

hat man wohl schon bedacht, wie weit iolettegen sich brach zusammen und stürzte_mit allen Segeln ins Wasser. Jebr

erstrecken, welchen wichtigen Einfluß sie auf die Sittlichkeit und
den Handel eines Viertels ausübt? Sie steht mit Allen in Vers
bindung, Alles verkehrt mit ihr. Ohne sie wäre das Viertel gar
nicht bewohnbar; wo sollte man sonst alle Wirthschafts-Vorräthe,
alle die tausend kleinen Lebensbedürfnisse hernehmen und die Tas
gesneuigkeiten erfahren, von denen man doch so gern etwas
weiß? Wie würde es wohl um das Frühstück der Grisetten, des
Studenten, des Handwerkers von jedem Stande und jedem Ges
werbe stehen, ohne das Stück Käse, ohne die Früchte und Nüsse,
welche sie ihnen mit freigiebiger Hand zumißt oder zuzdhit?
Wie wurde das Mittagsmahl der kleinen Hauswirthschaften wohl
ausfallen, ohne die Mobrråben, den Kohl und die Zwiebeln, welche
dem Geschmack des Fleisches so prachtig aufhelfen und der
Brühe Farbe und Würze geben? Der Einwohner von Paris,
der nur Stadt fennt, der nicht weiß, wie das Korn wächst,
feine
noch Aerndte und Weinlese vor sich gehen, belehrt sich
über das Vorschreiten der Jahreszeiten, indem er den Laden der
Fruchthändlerin betrachtet.

Doch verkauft sie auch noch viele andere Dinge; ihre frische Butter, ihr weißer Kafe und ihre Eier sind berühmt, und mit dem Gewürztramer theilt fie die Ehre, die so beliebten Pfeffergurken zu bereiten. Sehet Euch nur um! Hier bangen Fledermische und Besen, hier stehen Töpfe von jeder Gestalt und Farbe, hier würde auch der gute Lafontaine alles Nothige finden:

De quoi faire à Margot pour sa fête un bonquet.

Selbst für die kleinen Vogel is gesorgt; außer dem Vogelkraute,
und was sollte wohl ohne Vogelkraut aus Paris werden?
bangen noch außerhalb des Ladens lange Hirses Mehren und runde
Brodchen, die einige Aehnlichkeit mit unseren Butterkachen haben.
Bei der Fruchthanderieren lomater Deffnung man das einmal
fauft man auch jene kleinen gebrannten
Thon, Gefäße,
Hineingesteckte nicht wieder herausnehmen kann, die Spars
büchsen, welche der Grifette, dem Ladenmädchen, den Kindern
und den fleißigen Handwertern so werth find, diese Sparbüchsen
zu unschuldigen Vergnügungen, welche die Fruchthändlerin für
einen Sou verlauft, und mit denen zu handeln eine so vernünf
tige und fparfame Frau allein würdig ist.

Blumen und Früchte, Käse, Butter und frische Eier, alles das, werdet 3hr fagen, tann man auch in der Halle laufen; aber die Halle ist so weit, und die Zeit ist in Paris so Poftbar! Der Laden der Fruchthändlerin ist eine kleine in jeber Straße aufs geschlagene Halle; für jeden Hausßland werden hier die Tagess bedürfnisse eingeholt, und selbst die Holzen

Die Deutschen Auswanderer, die sich auf unserem Zwischens deck befanden, kamen Einer nach dem Anderen, bleich wie der Lod, aufs Verdeck, und Alles legte Hand an, wo es nöthig war. Unser Bugspriet, so wie alle Seile am Vordertheil unseres Schiffs, wurden abgehauen, um nur die beiden Schiffe zu trennen. Endlich, nachdem das Aneinanderstoßen derselben wohl eine Vier telstunde gedauert hatte, war die Brigg losgelöst und schwamm davon. Dies Alles mit anzusehen, war ein erhabenes Schauspiel, aber freilich auch der dafür eingefeßte Preis kein geringer. Ich kann kein Bild finden, um den Eindruck zu schildern, welchen die Brigg auf mich machte, als sie so ganz verwüstet dahintrieb, ihre Maßten, die noch kurz vorher mit vollen Segeln stolz in die Lüfte ragten, im Wasser hinter sich herschleppend, ohne Mannschaft, ohne Führer, ganz den Wellen überlassen. Als wir uns in einige Entfernung von derselben gesezt hatten, um nicht noch einmal mit ihr zu karamboliren, wurde ein Boot ausgeschickt, auf wels chem fich der fremde Capitain mit seinem Steuermann an Bord feines Schiffes begab, um deffen Zustand zu untersuchen. Es war für immer verloren! Das Steuerruder zerbrochen, das Schiff leck; nur der Umstand, daß es mit Holz beladen war, vers hinderte sein Untersinken. Der Capitain nahm die nöthigßten Effelten, die Kleider und Lebensmittel der Mannschaft, und als diese an Bord unseres Schiffes waren, kehrte man noch einmal zu dem verlassenen zurück, um dasselbe in Brand zu stecken, weil es aus der angegebenen Ursache nicht untergehen konnte und das her im Nebel noch gegen andere Schiffe hätte laufen können.

Ein neues Schauspiel bot sich nun uns dar, gleichfalls eine zig in seiner Art. Eine Rauchsdule ftieg auf; bald sahen wir die hellen Flammen hochschlagen, und gern hatte ich diesen Ans blick noch länger gehabt, aber man spannte die Segel, und wir entfernten uns von dem Plaße. Bei dieser Gelegenheit Ponnte ich den Charakter der Seeleute ftudiren. Der fremde Capitain, deffen Physiognomie auf den ersten Blick einen gutmüthigen Menschen zeigte, fand auf unserer Kajute und sah nach seinem Schiff; indem ich ihn betrachtete, fiel mir die Stelle aus Schiller's Glocke ein:,, Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe sender noch der Mensch zurück", und ohne seine Miene zu verandern, Rieg er herunter, als uns das Schiff aus den Augen war. Diefe Festigkeit, diese Selbstverleugnung war zu bewundern. 3 habe über den Tod eines Kanarienvogels mehr jammern hören als hier!

wenn die Halle fie im Stich ließ, zu dem einfachernern möchte ich noch mehr"

dieser Begebenheit erzählen,

or von die

aberi tu es in seiner ganzen Größe wiedergeben könnte. Und ich fühle mich einem solchen Ereignisse gegenüber zu schwach, ich welche Seltenheit des Zufalls! Man denke fich den großen Ocean, auf welchem Millionen von Schiffen ungehinderten Spielraum haben, und hier müssen zwei Schiffe gerade auf einem Punkte zusammentreffen. Wären wir um zwei Minuten später an diese Stelle gelommen, so hatte die Brigg uns glücklich pasirtz waren wir dagegen wei Minuten früher an derselben Stelle, fo hätte die Brigg unser Schiff in die Flanke gefaßt, und beide Fahrzeuge waren vermuthlich unrettbar verloren gewesen, denn einerseits würde die Brigg mit ihren 500 Tonnen Last unser Schiff leck gemacht und andererseits sie selbst ihr Vordertheil eingebüßt has ben. Man stelle fich sodann die Verwirrung vor, da auf unserem Schiffe allein 307 Auswanderer waren, dasselbe also mindestens 350 Menschen an Bord hatte. Wo hätten diese in den beiden Bören bleiben sollen. Jeder hätte sich retten wollen, alle Dissis plin würde aufgehört haben, und wahrscheinlich hätten Alle ihr Grab in den Wellen gefunden. Zum Angedenken schreibe ich hier die Stelle nieder, wo diese Gefahr uns drohte: es war unter 47 Grad 21 Minuten nördlicher Breite und 46 Grad 30 Minuten westlicher Länge von Paris.

So wie nun während der Gefahr Alles mit größter Seelens ruhe abgethan wurde, so war nach der Gefahr Alles beschäftigt, den Schaden wieder gut zu machen. Dank dem Baumeister, der das Vordertheil unseres Schiffs fo fest Ponstruirte, daß es der Gefahr troßte. Man untersuchte es und fand nur einen Fuß Wasser darin. Das Vordertheil war allerdings sehr beschädigt, indeß noch so, daß wir ohne Gefahr die Reise fortseßen konnten. In einigen Stunden war ein neues Bugspriet an die Stelle des alten, abgebauenen gefeßt und alles Tauwerk wieder befestigt. Der Schaden, den unser Schiff erlitten hat, wird auf 6000 Franken geschäßt.

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Auf einem Schiffe gleicht ein Tag dem anderen, wenn nicht ein fo ungewöhnlicher Vorfall dazwischentritt, wie er uns begegs nete; ich brauche daher nur den Verlauf eines Tages zu schildern, um eine Vorstellung von unserer ganzen Reife zu geben.

Des Morgens um 8 Uhr wurde geflingelt, und man schickte fich nachgerade sum Aufstehen an. Um 9 Uhr wird wieder ges tlingelt, zum Zeichen, daß das Frühstück servirt ist. Wir seßen uns an die Tafel, welche mit einigen Leisten belegt wird, damit die Speisen beim Schwanken des Schiffs nicht von einer Seite zur anderen rutschen können. Ein Frühstück auf einem Amerikas nischen Paketboot ist anderer Art als ein Deutsches. Wenn man die Tafel sieht, meint man, es solle zu Mittag gegessen werden, fo vielerlei Dinge stehen darauf; es giebt Seßeier, Carbonade, Hammels und Schweinebraten und dergleichen mehr. Man nimmt und ist, wovon und so viel Einem beliebt, und trinkt dazu Thee, Kaffee oder Wein.

Nachdem man dies Frühstück mit Muße eingenommen, geht man aufs Verdeck und stellt oder legt sich daselbst, wohin man will. Man liegt, plaudert, amüsirt oder ennuyirt sich nach Bes lieben. Auch an Spielen fehlt es nicht. Ein Spiel besonders, ein Gemisch aus Regels, Billards und Damenspiel, war mir ganz neu. An der einen Seite des Verdecks nämlich wird mit Kreide ein numeriries Schema von Feldern gezeichnet; jeder Spieler ers hält dann zwei hölzerne Scheiben von der Größe einer Untertaffe und in der Form von Damenbrettsteinen; man stellt sich etwa funfzehn Schritt von dem Schema entfernt und sucht mit einem Stock oder vielmehr mit einer Stange, die zu dem Spiel gehört, feine Steine auf die Nummern zu spielen, während man fich zugleich bemüht, den Gegner au vertreiben. Wer zuerst oder welche Partie zuerst 40 sabit, hat gewonnen. Außer diesem Spiel unterhielten wir uns noch mit Schießen nach Sturmvögeln, welche wir jeden Tag antrafen, oder man machte gymnastische Uebungen oder schaukelte sich, denn eine Schaufel war auch angebracht, oder man hatte über diesen und jenen zu sprechen, wie dies ja nie fehlt, wo nur wenig Menschen und wenig Stoff au Abwechs felung. Zwischen 12 und 1 Uhr stieg hinunter, wer wollte, und verlangte, was er wollte; denn für das gezahlte Passagiergeld hat man hier die Freiheit, zu verlangen, was und wann man will. Man speist also zum zweiten Frühstück ein wenig Schin ten oder Sardellen mit Effig und Del und trinkt dazu ein Glas Wein oder Porter oder Limonade. Hierauf amüfirt man fich wieder, so gut man fann, bis um 3 Uhr, wo zu Mittag ger speist wird.

Die Mittagstafel ist sehr reichlich beseßt. Nach einer guten Bouillon hat man viererlei Braten, Hammels und Schweinebras ten und zwei verschiedene Sorten Geflügel, as Puten, Enten, Gdnse und Hühner, Alles frisch geschlachtet, da sich auf dem Vordertheil des Schiffes ein großer Stall befindet, in welchem Schweine, Hammel und Federvieh su Hunderten ernährt werden. Auch eine Kuh fehlt an Bord des Schiffes nicht, um au Kaffee und Thee frische Milch zu liefern, und Brod wird um den anderen Tag gebacken. Nachdem man diese Braten, zu welchen natürlich auch verschiedene frische und eingemachte Gemüse gehören, wie grüne Erbfen und dergleichen, verzehrt und dazu ein gut Glas Bordeaurs Wein getrunken hat, kommt der zweite Gang an die Reihe, bestehend aus verschiedenen Puddings und Torten von Blatters oder Butterteig, mit Früchten gefüllt. Hierzu giebt es Burgunder Hermitage, eres, feine Rheinweine und Champagner.

vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 125.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wobüöbl. Post - Acmtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 18. Oktober

1839.

Rußland.

Die Russischen Klöfter.

Von J. G. Kohl.

Für die Klöster ging in Rußland auch, wie für so vieles Alte, die goldene Zeit mit Peter dem Großen zu Ende. Er und nachher Katharina beschränkten die Klöster so viel als möglich, for wohl ihrer Bahl, als ihrem Ansehen und Reichthum nach. Das Land: Eigenthum wurde ihnen völlig genommen, der Besig von Leibeigenen verboten, die Mönche auf bestimmten vom Staat zu empfangenden Sold gefeßt und ihre Macht dadurch so sehr ges schmalert, daß die alten Zaaren, wenn sie wiederkämen, jest feine Spur von einem Solowesloi Kloster finden würden, welches, aufrührerisch gegen ihre Befehle und troßend auf seine zahlreichen Unterthanen, ihren ausgesandten Heeren Jahre lang Widerstand leisten konnte. Aber auch die eindringenden Polen würden fein Troigloi Kloster mehr finden, das heldenmüthig mit ungeheurem Aufwande und gewaltigen Mitteln das Vaterland vertheidigte und einer der festesten Anker Rußlands im schlimmsten Sturme war.

Früher waren die Klöster die festesten und fast die einzigen Festungen, die Rußland hatte, in deren Mauern die Vertheidiger des Vaterlandes gegen Tataren, Polen, Türken Schuß und Rets tung suchten. Seit einem Jahrhundert Anfen sie immer mehr und mehr vor der rasch weiterschreitenden Zeit, hinter der sie surúɗgeblieben, zu völliger Unbedeutendheit herab unbedingt wenigstens zu politischer. Denn ihre kirchliche Bedeutung als Pflanzschulen für die höhere Geistlichkeit werden sie noch so lange behalten, als die jeßige Organisation_der_Geistlichkeit besteht. Doch werden sie wohl immer mehr bloßen Klosterschulen ähnlich werden und ihren Charakter als Size můßiger Einsedler, Gesells schaften verlieren.

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Die drei jeßt noch größten und berühmtesten Klöfter_find: das uralte Höhlen: Kloster in Kiew, das Dreieinigkeits-Kloster bei Moskau und das Alexander, Newsky Kloster in Petersburg. Sie haben alle drei den Ehrentitel „lawra” (Klöster ersten Ranges), wahrend die anderen bloß,,monastir" genannt werden, und ein jedes von ihnen wird als die Residenz eines der drei Metropoliten betrachtet. Das reichste von allen ist das Dreieinigkeits- Kloster (Troitzkaja lawra) bei Moskau. Es hat einen großen Schaß alter ererbier Juwelen und Raritäten und wichtiger historischer Erinnerungen, die ihm noch jest viel eintragen, da sein Ruf durch ganz Rußland geht und viele Pilgrime aus den entferns testen Gegenden heranlockt. Das Höhlen', Kloster in Kiew (Petscherskaja lawra) übertrifft_indeß das vorige noch an Alter und Rang, und wenn auch nicht an kostbaren Raritäten — es war immer den Tataren zu nahe doch an heiligen Reliquien und Leichnamen der Martyrer und Anachoreten, von denen noch jest feine Katakomben gefüllt sind, weil die Lataren sie alle darin ließen. Das Newsky Kloster, das jüngste der Lawra's, wurde gerade durch jene bei den übrigen Klöstern nicht eben sehr bes liebte Namen groß, die sich, obgleich fie viele Klöster aufhoben, doch in die Nothwendigkeit verfeßt sahen, für ihre neue Haupts Stadt wieder wenigstens etwas der Art zu schaffen. Von Peter besigt es den Leichnam des heiligen Alexander Newsky, und von Katharina ein gewaltig großes ihm zu Ehren errichtetes massiv filbernes Monument, dessen ganze Masse auf 40 Centner reines Silber geschäßt wird und darin also das fiiberne Grabmal des heiligen Nepomul in Prag noch bei weitem übertrifft, obgleich nicht in der Schönheit der Arbeit. Das Newsly Kloster zieht feine Haupts Einkünfte ebenfalls, wie das Höhlen Kloster, von den Todten, wenngleich von weit weniger heiligen Todten, die erst mit ihrem Tode Anachoreten wurden. Alles Vornehmste, was in Petersburg seine irdische Rolle zu Ende gespielt hat, pflegt sich theils in den Kirchen, theils auf den Höfen dieses Klokers zur Ruhe zu legen. Und da wird dann eine Zelle für einen solchen Einsiedler mit ungeheuren Preisen bezahlt.

Von allen Moslauschen Klöstern gilt dasselbe. Auch sie ziehen Den größten Theil ihrer Einfünfte von den Gestorbenen, die sich unter die Schatten ihrer Birkenbdume und Glockenthürme flüchs ten. Der Tod ist der Hauptförderer ihres Lebens, und er, der Alles sonst so häßlich und wüst macht, schmückt diese Klöster mit Dem freundlichsten Schmuch, den sie haben, mit den in Frieden

ruhenden Geschiedenen und deren Monumenten, die überall in malerischen Gruppirungen sich theils dicht um ihre Kirchen herum, wie die Schäfchen um den Hirten, lagern, theils in langen Reihen sich an der inneren Seite der schüßenden Mauern schaaren, theils unter den Hainen trauernder Hängebirken sich labenden Schattens erfreuen. Ach ja, Väterchen, für alle die lebendigen Seelen (Leibs eigenen), die wir hatten, sind uns nun nur diese todten Leiber ges worden. Großer Gou! wir bekommen 24 Rubel Gehalt; wir müßten verhungern, wenn der Sensenmann uns nicht fütterte. Die Todten find unser einziger Troft", sagte mir eine Nonne im Dewitschi Monaftir“ (Mädchen-Klofter) zu Moskau. Und ich bedauerte die Arme; denn das heißt wahrlich Zurückkommen, von solchen Schaße gråbern, wie jene Mönche früher waren, so armselige Todten. gråber zu werden, wie sie nun sind. Sie haben doch immer noch zu viel, insofern fie für das Wenige doch noch weniger thun. Muße und leibliche Pflege ist das, dem die Russischen Mönche am meisten huldigen, d. h. die, welche, wie die Mehrs zahl, in den Klöstern altern, oder die sich in ihrem Alter aus dem Stande der Weltgeistlichen dahin zurückziehen. · Die Talente, welche zu höheren geistlichen Chargen übergehen, und zum größten Theil die Nonnen, haben freilich auch ihre Geschäfte. Wie fleißig die Lesteren für ihr tägliches Brod spinnen und weben müssen, ist indessen leicht wahrzunehmen.

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Die Russischen Klöster waren in ihrer Art auch, wie die West Europäischen Klöster, in früheren Zeiten Size des Lichts und der Gelehrsamkeit, und all' das Wenige, was das alte Baaren Reich an Gelehrsamkeit und Bildung haue, ging aus den Klöstern hervor, in denen nicht nur Neftor's Alt Ruffische Geschichte, sondern auch noch manches andere für Rußland wichtige Buch geschrieben wurde; und erst in neuerer Zeit sind sie, den Universidten, Schulen, Seminarien und geistlichen Akademieen gegenüber, verdunkelt worden, wie eine Dellampe dunkelt und erblaßt, wenn eine helle Gasflamme neben ihr aufflackert.

Die Russischen Klöster sind nie in solchem Sinne abges fchloffene claustra gewesen, wie die so vieler Römisch-katholischer Orden. Sie huldigen alle der nicht sehr strengen Regel des heiligen Bafilius, die - wenn man die Ehelosigkeit ausnimmt eben teine besonders unerträgliche Entsagungen und Kasteiungen auferlegt. Sie haben daher, wenn auf der einen Seite ihnen auch nicht so große Verdienste und ausgezeichnete Leistungen für die Menschheit zu krediren sind, auf der anderen Seite auch nicht solche Unmenschlichkeiten, Mikgeburten und Verbrechen in ihrem Debet stehen. Es lebt sich vielmehr zum Theil in ihnen fo ganz con amore fchummerig und muntlig fort, und sie veges tiren so bis ans Lebens Ende hin, ohne für sich und ihre Mits menschen das Leben zu einer befonderen Plage zu machen.

Besonders weichen die Schlösser der Frauen › Klöster leicht vor jedem leisen Druck, und es muß einem Fremden, der in den katholischen Klöstern kaum bis zum Sprechgiter vordringen Ponnte, recht angenehm auffallen, von den freundlichen Russischen Nonnen überall, selbst zu den geheimsten Winkeln ihrer Zellen, fo gaffreundlich herumgeführt zu werden. Der Reisende kommt in kein Russisches Nonnenkloster, wo er nicht selber die Zahl der Nonnen durch Zahlung ihrer Bettstellen ausfindig machen könnte; freilich geht dann die alte Igamena selber immer mit, als meis dische Wachterin der Sittsamkeit. Ob diese nun deswegen mehr in Gefahr ist, als bei den zwei, und dreifach verriegelten kathos lischen Klöstern, ist noch die Frage. Doch so viel ist gewiß, daß das, was man etwa der Art von Russischen Nonnen hier und da andeuten hört, nicht der Wiedererzchlung lohnt, da wir das in West-Europa Alles hunderttausendmal pikanter und, slandas löser haben.

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Die berahmtesten Nonnen, Klöster find das Weßnesenskische auf dem Kreml, in welchem alle Gemahlinnen der früheren Zaaren begraben liegen, und das Mädchen Kloster, in welches fich die intrigante Schwester Peter's des Großen zurückzog, die wohl wenig die Bedeutung des schönen Namens Sophia fannte, der ihr bei der Taufe als ein unbewährtes Prognostikon gegeben Früher war es häufig, daß sich Prinzessinnen und Zaarinnen so in die Klöster zurückzogen. Jest thun es nicht eins mal mehr die Töchter der bedeutenden Unterthanen. Die Bils dung des Adels ist zu rasch Europäisch geworden, als daß seine Kinder noch auf die Idee lommen könnten wie es doch in katholischen Landen noch häufig vorkommi sich in die so wenig

wurde.

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