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der chriftlichen Liebe in den Seelen diefer Unglücklichen offenbarte. Als die Armenbüchse herumging, gaben eine große Anzahl von den Kolonisten und die Mehrzahl der jungen Leute Almosen. Nach dem Gottesdienste entfernten sich Alle in derselben Ordnung. Ein Jeder lehrte nach seiner Kolonie und nach seiner Wohnung zurück, um eine gefunde und reichliche Mahlzeit einzunehmen.

Jmmer in Gesellschaft des Generals und der bedeutendsten Beamten, nahm ich die Tische der jungen Leute in Augenschein: alle bezeugten laut ihre Freude über den Besuch ihres Beschüßers. Da konnte ich mich nicht embalten, zur General da faserende

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༤༽

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Seit werden. Be in Sofiantinovel beginnigt, und nach dem Tode Cafass Artin's, des Auffchers der Münze, wurde ein Das: Oglu zu dieser wichtigen Stelle ernannt.

Die schismatischen Armenter sind reich und machtig; fie find die Banquiers der Pascha's und haben durch ihre Intriguen und durch das Ansehen, in welchem sie bei den Großen des Reichs stehen, feinen geringen Einfluß gewonnen. Da sie mit dem wirklichen Besiße der Macht zufrieden find, so vermeiden fic es, dieselbe zur Schau zu tragen, und verbergen ihren Stolz unter udis, raclüchtig, erhieidigen Formen. Sie find falsch, bart vor ich die Kolonieen fah, bewunderte ich die außerordentliche man den Straßen Anstrengung, welche deren Einrichtung Ihnen fosten mußte, und Konstantinopels einbergeben, so scheint es, als wollten sie sich beklagte Sie sogar tegen der Mühe, die Sie dabei gehabt hatten. allen Blicken entziehen. Seitdem ich aber die kolonieen fenne, bat meine Bewunderung tigen Wefir, vor dem fie fich bis pure he mehr als Einen mdds Erde neigen, gefturs zugenommen, und mein Mitleid ist gefchwunden. Der Genes Diese Armenier find übrigens sehr begabt, und für den Hans ral reichte mir die Hand, und in seinem Gesichte spiegelte sich del haben sie die innere Befriedigung feiner wohwollenden Seele ab. außerordentlichen Scharfblick für die Wahrs Bon der Von dieser Reife habe ich die innerste Ueberzeugung mitgesscheinlichkeit des Gelingens oder des Verlustes. Man hat sie mit bracht, daß der gedeihliche Zustand der Kolonieen den Kenntnissen, den Schweizern verglichen, aber in dem Eifer, dem Einflusse, der Thätigkeit und der Ausdauer dese eber den Engländern, an die Geite de auf den Handel find stellen. Die Armenier Generals van den Bosch zu verdanken ist, und daß das einzige sprechen das Türkische vortrefflich und wissen alle Schwächen Mittel, ein so weit aussehendes und verwickeltes Unternehmen zu ihrer Herren, deren Stolz, Unwissenheit und Einfalt auf eine einem glücklichen Ende zu führen, das ist, die Leitung einem auss ausgezeichnete Weise auszubeuten. Im Uebrigen find fie mäßig, gezeichneten Manne anzuvertrauen. Dies ist so wahr, daß die. arbeitsam, freigebig, aber freigebig ohne wahre Großmuth und Abwesenheit des Generals in wenigen Jahren den Verfall der nur aus Berechnung. Kolonieen herbeiführte; diese Abwesenheit und die des Capitains van den Bosch waren auch die Ursachen des gegenwärtigen Zustandes der Belgischen Kolonieen, deren Untergang unvermeids lich scheint.

Wenn die Aufgabe vollständig gelöst seyn wird, d. h. wenn die Holländischen Kolonieen, die unter ungünstigeren Umständen eingerichtet wurden, als man glaubt, sich selbst genügen und ihre Bedürfnisse mit ihren eigenen Hülfsquellen bestreiten werden, dann wird der General van den Bosch das Handbuch und das Gefeß. buch der Anstalten der Deffentlichkeit übergeben. Werden diese in Ländern, wo die Umstände günstiger sind, als in Holland, an genommen und von aufgeklärten, menschenfreundlichen und thati: gen Menschen zur Ausführung gebracht, so wird das System des Generals mit ungleich geringeren Schwierigkeiten verwirklicht werden, und vermöge diejer bewundernswerthen Schöpfung wird mit der Zeit eine elende und unnüße Menschenklasse wieder zur Menschenwürde erhoben werden und in der Gesellschaft eine nüßliche Stellung einnehmen.

Túrke i.

Die Raja's in der Türkei.

Zweiter Artikel- ga na mugje balk
Die Armenier. Pada koneesee

Der Ursprung dieses Stammes in der Türkei braucht wohl Paum ndher angegeben zu werden; der Name Armenier bezeich net ihn hinlänglich. Dieser orientalische Stamm hat sich frühs zeitig den Osmanen gendhert, und wenn er, der Religion nach, chriftlich ist, so ist er, den Sitten nach, muselmannisch. Die Armenier serfallen in katholische Armenier und in schismatische Armenier. Die Ersteren, welche durch die Bande des Katholisis mus an Rom gefnüpft sind, haben theilweise die Sitten des Orients mit denen des Occidents vertauscht. Ihre Geistlichkeit, die in Rom gebildet ist, hat sie längst mit den Geheimnissen unferer Kultur belannt gemacht. Sie studiren unsere Sprachen, arbeiten in den Comptoiren der Europder, und Manche sind Dols metscher in unseren Kanzelleien. Ihre Frauen verschleiern sich, wenn sie die Straßen Konstantinopels betreten, aber sie siehen fich nicht in die Weibergemacher zurück, wenn ihre Männer Bes suche von Fremden erhalten. Die katholischen Ärmenier sympas thifiren in vielen Punkten mit den Europdern. Die reichsten ders felben find Juweliere und Banquiers, und ihre Macht steigt oder fällt, je nachdem das Glück ihre Beschüßer oder die der schismas tischen Armenier, ihrer erbittertsten Feinde, an das Ruder bringt. Die schismatischen Armenier veranlaßten die schreckliche Vers folgung, welche die katholischen Armenier in Konstantinopel nach der Schlacht bei Navarin zu bestehen hatten. Sie wußten den Schrecken zu benußen, der sich nach der Abreise der Französischen, Englischen und Russischen Gesandten aller Gemüther bemächtigt hatte, und sle überredeten die Pforte, daß die Patholischen Armes nier den Feinden der Türkei als Spione dienten. Als Beweis ihrer Anklage führten sie an, daß dieselben die Kirchen der Frans fen besuchten. Der Divan verurtheilte die katholischen Armenier auf diese Beschuldigung hin, ohne zu bedenken, daß fie diese Tempel besuchten, weil ihnen feine eigene verstattet worden waren. Man verjagte fie aus Konftantinopel und verbannte Ne nach Anatolien. Der Befehl war so streng und wurde so rasch ausgeführt, daß ihnen taum einige Stunden zur Abreise und sum Verkaufe ihres Eigenthums sugestanden wurden. Die Vers bannung würde ohne die großmüthige Verwendung des Generals Guilleminot noch nicht aufgehoben fenn. Diefer gefchickte Diplos mat feste nicht nur die Zurücknahme des Berbannungs, Befehls durch, sondern er bewirkte auch, daß ihnen ihre Häuser zurücks gegeben wurden, und daß sie eine besondere Kirche und einen Patriarchen erhielten. Bis dahin waren die latholischen Armenier dem schismatischen Patriarchen unterworfen gewesen, von dem fie die größten Demüthigungen zu erdulden hatten. Seit einiger

und haben einen würdige Geschicklichkeit; fie wagen Alles

Die Häuser der reichen Armenier sind Paldite, aber der Lurus ist auf das Innere beschränkt von außen fehen sie ärmlich aus. Im Allgemeinen herrschen in den Armenischen Familien noch ganz patriarchalische Siten. Die Bedienten werden wie Kinder des Hauses behandelt. Sie sind in die Geheimnisse ihrer Herren eingeweiht und nehmen an deren Geschäften - Theil. Wenn sie Anlagen zeigen, treten fie oft sogar in das Geschäft ein und heirathen die Tochter. Da die Frauen für untergeordnete Wesen gelten, so können sie nicht einmal Taufzeugen abgeben. Sie werden noch strenger als bei den Türken behandelt, dürfen fich in Gegenwart ihres Mannes oder ihrer Schwiegerdltern nicht ohne besondere Erlaubniß seßen und nie das Wort ergreifen, wenn Fremde zugegen sind. Die Söhne rauchen nie in Gegens wart ihrer Väter und dårfen sich ebenfalls nor feßen, wenn ihnen die Erlaubniß dazu ertheilt worden ist. Die Töchter wer den, ohne befragt zu werden, verheirathet und belommen ihren zukünftigen Gatten nicht vor der Heirath zu Geficht. 553 med

Die Züge der Armenier haben einen finsteren und wilden Ausdruck. Dagegen sind die Frauen sehr håbsch; nur haben sie das Unglück, sehr beleibt zu werden. Ihre Schönheit verwelft früh wegen der häufigen Bader und des unthatigen Lebens, su dem sie verdammt sind. Die Armenier gehen fleißig in die Kirche und unterlassen diese Besuche nur, wenn sie um ihre Aettern trauern. Die Trauer dauert ein Jahr, und während dieser ganzen Zeit dürfen fie das Haus nicht verlaffen. mang Die soismatischen Armenier find dußerst abergläubisch. Sie fasten oft und sehr streng. Außer den großen Fasten beobachten sie noch zehn andere fünftägige Fasten. Rechnet man die Mitts woche und Sonnabende, welche ebenfalls Fasttage sind, hinzu, fo fommen jährlich 202 Fasttage heraus. Während dieser ganzen Zeit genießen sie weder Fleisch, noch Fisch, noch Butter, noch Del, noch Milch, noch Wein. Ihre Priester haben außerdem noch zwei Fastenzeiten, eine jede von funfsig Lagen, die eine vor Weihnachten, die andere vor der Verklärung Christi. Wch, rend dieser beiden Zeitabschnitte dürfen sie aber Eier, Butter und Milch genießen; Mittwochs und Sonntags trinken sie sogar Wein. Die Armenier find sehr mildthätig gegen ihre Glaubenss genoffen, und eine ihrer Weisen, Almofen zu geben, verdient wohl, erwdhut zu werden. Sie behaupten, daß, als ein Theil ihrer Nation nach einem langen Abfalle durch die Predigt des heiligen Gregor Loojavoritisch wieder zum Christenthum belehrt wurde, die Priester, welche von den Opfern der Heiden gelebt hatten, den Heiligen baten, für ihren Unterhalt zu sorgen. rührt von ihrer Bitte, gestattete er ihnen, den Behnten aller Feldfrüchte einzufammeln, und befahl dem Volle, Gott im Namen der Todien Thieropfer darzubringen und das Fleisch den Armen zu vertheilen. Dieser Tradition gemäß opfern die Armenier noch von Zeit zu Zeit einen Ochsen oder ein Lamm für die Seelen der Verstorbenen. Sie führen zuerst die Opferthiere an die Kirchhüren, freuen Salz auf dem Altare aus und beten für die Todten. Hiernach lassen sie die Thiere das Sals freffen und tödten sile. Das Fleisch wird unter die Vrichter, die Armen und die Freunde des Verstorbenen vertheilt. Diese Ceremonie, welche in Armenien und den anderen Provinzen des Türkischen Reichs noch beobachtet wird, ist in Konstantinopel abgekommen.

Ges

Obgleich die Armenier nicht an das Fegefeuer glauben, fo lassen sie doch Messen für das Seelenheil der Verstorbenen lesen; man wahit dazu vorzüglich den Begräbnistag, oder den fiebenten, funfzehnten, vierzigsten und dreihundertfünfundsechzigßten Tag nach der Beerdigung. Oft wird Weihrauch auf den Grabern verbrannt, vorzüglich Sonnabend Abends; fie vertheilen Almofen nach der Verfügung der Verstorbenen und glauben, daß diese Wildthätigkeit ihrem eigenen Seelenbeile su Gratten komme. Jeper Armenier vermacht vor seinem Tode der Kirche ein Kreuz, auf welchem sein Name eingegraben ist. vedh i:|:ཀཱ Das Streus ftebt in großer Berehrung bei diesem Volke;" fle halten es für einen mächtigen Vermittler. Den Beweis findet man in folgendem Gebere: Auf Fürbitte des heiligen Kreuses, des stillen Vermittlers, erbarme Dich der Seelen der Lodien,

"

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Armenischen Raja's bei der Pforte, er empfängt die Bittschriften und bringt die Befehle der Pforte zur Kenntnis. Von jedem Bisthum erhält er idhrlich einen Tribut in Anerkennung seiner zeitlichen Hoheit, und selbst sein geistliches Oberhaupt durfte, ehe er Russischer Unterthan wurde, fich diesem nicht entziehen. Von diesem Tribut bezahlt er die den Armeniern als Körperschaft auferlegte Lare, und nur der Patriarch von Jerusalem ist in dies fer Beziehung unabhängig und sendet feinen Tribut direkt nach Konftantinopel. Diefer Lettere übt außerdem eine gewisse Ges richtsbarkeit über die ihm untergebenen und trägt die Geburten, Chen und Todesfälle ein.

Bor Alters unterschied sich der Bischof, welcher feinen Sib in der Hauptstadt des Dsmanischen Reiches hatte, in nichts von den anderen Bischöfen; als aber das Bisthum von Konstantinopel zu einem Patriarchat erhoben wurde, übertrug ihm der Katholis fos von Eischmiadfin das Recht, die Zahl der Prälaten ist nicht auf die der bischöflichen Sie ber schränkt, und jedes Klofter, welches ein bestimmtes Individuum zum Oberhaupt zu baben wünscht, gelang vetmittelst eines reichen Geschenks zur Erfüllung seines Bunfches.

Dieses find die geistlichen Einrichtungen des merkwürdigen Voltes, welches, von so verschiedenen Vollstämmen und Relis gionen umgeben, während mehrerer Jahrhunderte eine stark ausges prägte Eigenthümlichkeit zu bewahren gewußt hat.

Die Armenier haben vermöge ihrer ungeheuren Reichthümer einen bedeutenden Einfluß in der Türkei. Wenn diese aber auch ihrer Eigenliebe schmeicheln und ihnen viel Gewalt über das herrschende Volk geben, so werfließt ihr Leben darum doch auf eine traurige und langweilige Weise und wird ganz von nies drigen Leidenschaften in Anspruch genommen. Nie erfchallen Freudentone in einem Armenischen Haufe; nie herrscht Heiterkeit in einem solchen. Ihre Sprache selbst ist streng und rauh und hat keinen Ausdruck für zärtliche und freudige Empfindungen. Die Religion nöthigt sie zu fast beständigem Fasten. Die Pforte rechnet auf ihre Treue und darf darauf rechnen. Ihre religiösen Meinungen trennen fie von allen anderen christlichen Glaubenss bekenntnissen; ihre Sprache steht in keinem Zusammenhang mit anderen; ihre Literatur hat keine tuhmvolle Bergangenheit, und ihr Charakter ist nicht geeignet, Sympathieen zu erwecken. Ihre Sitten endlich sind ganz Türkisch.

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Cis, Konstantinopel, Aghthamar, Jerufalem und im Kloster Eisch

das Haupt der Kirche und heißt Katholikos. Er allein hat das Rechty Bischöfe einzuseßen und das heilige Del, meirone, welches zur Weihe, Ordination u. f. w. gebraucht wird, zu weihen. Die geheime Straft dieses Dels entspringt, wie man sagt, aus einem Bunder, welches im Augenblick der Weihung eintritt: Das Del gerdth von selbst ins Kochen. Die Patriarchen von Eis und Aghthamar haben die Rechte des Katholitos innerhalb ihrer Disses fen. Die Gewalt des Patriarchen von Erschmiadsin wurde von der Nation im Jahre 1441 anerkannt, als das eigentliche Armes nien sich der Gerichtsbarkeit des Sißes von Eis entzog. Seitdem Erschmiadfin an Rußland gekommen ist, hat die Pforte das Band gelöst, welches die Türkischen Armenier an ihr geistliches Dbers haupt knüpfte. Jeßt wird der Patriarch von Cis wieder als Dbers priester betrachtet. Wenn der Katholikos von Erschmiadsin bisher als das geistliche Oberhaupt angesehen wurde, so ist doch der Patriarch von Konstantinopel immer als das seitliche Oberhaupt der Armes nischen Kirche anerkannt worden. Er wird von vierundzwanzig der angefehensten Laien erwählt, und die Wahl fällt immer auf einen Mann, deffen Reichthum, Talente und Einfluß den Anfors terungen dieser bedeutenden Stellung genügen. Die Wahl muß, um gültig au feyn, vom Sultan bestätigt werden.

In Betreff der geistlichen Angelegenheiten steht der Patriarch von Konstantinopel aber keinem anderen Bischofe, aber in politis scher Beziehung hat er einen großen Einfluß. Er repräsentirt die miled

viertchjährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 122.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post- Aemtern.

Literatur des
des Auslandes.

Türke i.

Berlin, Freitag den 11. Oktober

Die Raja's in der Türkei.

Dritter Artikel.

Die Juden.

Wenn die Armenier den Muselmannern durch ihre Sitten nahe stehen, so findet, nach einer Seite hin, noch eine größere Aehnlichkeit zwischen diesen und den Juden statt. Die Religion bildet hier den Berührungspunkt. Die Formel der Einheit Gots tes, welche Muhammed aufgestellt hat, ist von der mosaischen Anschaung nicht unterschieden. Ferner find beide Völker beschnits ten, beide haben einen Abscheu vor den unreinen Thieren, beide dulden keinen Bilderdienst. Die Juden im Orient haben Jahrs hunderte hindurch eine unerschütterliche Anhänglichkeit an die Rabbinischen Sagungen, eine unauslöschliche Abneigung gegen jede Aenderung, sowohl der religiösen Einrichtungen, als auch ihrer Sitten und Beziehungen zu Fremden, offenbart. Sieht man fle, auf ihr Stadtviertel beschränkt, jeden Umgang mit Chriften und Muselmannern vermeiden, Schmach und Schimpf geduldig hinnehmen, ohne anderen Trost als die Zuversicht einer glorreichen Zukunft, so weiß man nicht, ob man sie nicht mehr bemitleiden als verachten foll. Die Türken hassen und verfolgen ste nicht, aber sie verachten sie und lassen sie die Folgen dieser Geringfdgung in fedem Augenblicke empfinden. Die in der Türkei wohnenden Juden sind sehr unwissend, abergläubisch und unduldsam. Sie verstehen sich durchaus nicht dazu, ihren Kindern eine andere Erziehung zu geben, als diejenige, welche der Thats mud geben kann; sie lassen diefelben nicht einmal eine Euros päische Sprache lernen, obgleich diese Kenntniß für sie von gro fer Wichtigkeit seyn müßte, denn die Juden in der Türkei haben feine eigene Sprache und sprechen nur eine verderbte Spanische Mundart. Vor einigen Jahren versuchten philanthropische Proz testanten die Smyrnaer Juden dem unglückseligen Zustande, in welchen, sie ihre Unwissenheit verfest hat, zu entreißen; sie schlu gen den Rabbinern und Gemeinde Vorstehern vor, eine Schule zu eröffnen, in welcher ihre Kinder in den Elementar Gegenstans den unterrichtet werden sollten; sie wollten alle Kosten tragen und den Juden selbst die Leitung übergeben. Die Rabbiner sahen indes in diesem Anerbieten nur eine Schlinge, welche die Christen der Reinheit ihres Glaubens legen wollten, und sie begnügten fich nicht mit einer abschlägigen Antwort, sondern sie thaten auch im Voraus alle Kinder, welche die Schulen der Christen besuchen würden, und die Aeltern derselben in den Bann.

Ich unterhielt mich eines Tages mit dem Ober, Rabbiner über den glücklichen Zustand seiner Glaubensgenossen in Frank reich; um seine Eigenliebe aufzustacheln, hatte ich eine Stelle aus einem Journale überseßt, in welcher alle Juden aufgezählt Burden, die eine bedeutende Stellung in den Wissenschaften, den Künsten und selbst in der Armee errungen hatten. Ich glaubte, ihn überzeugt au haben, aber er antwortete: Die Juden in Europa find Christen, welche durch das Lesen unheiliger Bücher ihr heil verscherzt haben; se genießen die Güter dieser Welt, aber im Paradiese wird kein Plaß für sie jenn."

1839.

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der Unduldsamkeit der Türkischen Juden gegen diejenis gen ihrer Glaubensgenoffen, welde film heltenham berieten, fann man sich kaum eine Vorstellung machen. Vor einigen sich die Steuerpflichtigen und wählen eie Jahre versammeln Jahren wurde ein junger Mann in Konstantinopel durch das wählt are welche vor den Rabbinern zu Rathe gezogen werdent Lefen des neuen Testaments bewogen, sich taufen zu lassen. Sein Vater bemühte fich vergeblich, ihn wieder zum Judenthum zu immer mit der Schrift in der Hand:

belehren. Er allment ist erlogen, oder der Messias ist ner, welchem die Prüfung und Entscheidung aller praktischen

,,Entweder das erschienen." Sein Vater hatte die Grausamkeit, ihn mit den

religiösen Fragen obliegt. Alle diese Rabbiner werden auf Les Gewalt übertragen ist, bedürfen der au Die drei Mitglie denen die vollziehende Gewalt übertragen ist, bedürfen der Bestätigung der Regierung. Eine geistliche Hierarchie ist unter den Juden nicht vorhanden; jede Synagoge ist selbstständig, und der Ober: Rabbiner in Kons ftantinopel hat keinen höheren Rang Rabbiner.

größten Verbrechern susammen in ein Gefangniß (perred laffen; er hatte seinen Sohn sogar bei der Behörde der gräßlich ften Verbrechen angeklagt. Damit war er noch nicht zufrieden und ließ seinem Sohn von Zeit zu Zeit Stockschläge aufzchten. Uns fehlbar würde er den unglücklichen am Ende gemordet haben, wenn ich ein Armenischer Banquier, su deffen Kunde dieser Borfall kam, fich beim Groß Wefir für die Freilaffung des jungen

Mannes verwendet hatte.

Die orientalischen Juden glauben, daß der Thalmud von Gott ausgegangen sen. Ihrer Ansicht nach, besteht kein anderer

Auch in der Türkei halten die Juden die Ehe für ein heiliges Band, und sie zeigen sich in diesem Punkte weit strenger als ihre Glaubensgenossen in Aegypten und Syrien, welchen zwei Frauen gestattet find. Obgleich die iddischen Frauen, dem duseren Anschein nach, auf gleichem Fuße mit ihren Männern stehen

und sie sich nicht in einem solchen Zustande der Unterwürfigkeit befinden, wie die muselmannischen und Armenischen Frauen, so wird doch die Heiligkeit der Ehe sehr häufig verleßt, da der Scheidung nur sehr geringe gefeßliche Schwierigkeiten im Wege stehen. Freilich ist die Scheidung von der Einwilligung beider Gatten abhängig, aber wenn die Frau nicht geneigt dazu seyn follte, so behandelt der Mann sie schlecht, und es bleibt ihr am Ende nichts Anderes übrig, als sich in seinen Willen zu fügen. Im Falle der Scheidung verbleiben die Kinder dem Vater, und es kann daher der Frau nicht schwer werden, eine andere Ehe einzugehen. Die Scheidung gilt bei den Juden für nichts Schimpfs liches, wenn nicht ein Ehebruch die Veranlassung ist.

Dem Rabbinischen Geseze zufolge, kann der Mann seine Frau nach zehnjähriger Ehe verstoßen, wenn sie ihm keine Kins der geboren hat. Die zukünftigen Gatten dürfen sich vor der Verlobung sehen; wenn aber der Kontrakt einmal unterzeichnet ist, so werden sie getrennt und bekommen sich vor der Hochzeit nicht wieder zu Gesicht.

In fittlicher Beziehung ist gegen das Leben der Juden we nig einzuwenden, denn das Gefeß verpflichtet sie, sich im achts zehnten Jahre zu verheirathen, und die Eingebornen wagen nicht, gegen dasselbe zu verstoßen. Dies ist aber auch eine Hauptursache des unter ihnen herrschenden Elends.

Die Juden in der Türkei betreiben kein Gewerbe, und auch das Land bauen sie nicht, weil es ein fremdes Land ist und sie noch immer in der Erwartung des Messias stehen, der sie nach Judda führen soll. Man findet wohl unter ihnen einige Kaufs Teute und Banquiers, aber ihre außerordentliche Unwissenheit, ihre Unkenntniß der Arithmetik und der Europäischen Sprachen macht ihnen die Konkurrenz mit den Armeniern und den Griechen unmöglich. Sie müssen sich daher mit dem Kramhandel begnügen. Da sie indeß eine große Waaren Kenntniß beißen und sehr ges wandt find, so bedienen sich ihrer viele Kaufleute als Makler.

In der Türkei hat sich eine Selte protestantischer Juden ges bildet, welche Karaiten heißen.*) Diejenigen, welche derselben angehören, werden von den thalmudischen Juden verabscheut und mit dem glühendsten Haffe verfolgt. Die in der Türkei wohnens den Karaiten stehen fast alle unter dem Schuße Desterreichs oder Rußlands; nur in Aegypten bilden sie eine zahlreiche Raja› Ges meinde. Die Karaiten erkennen nur das alte Testament an und verwerfen den Thalmud und die anderen Kommentatoren. Jeder Karait glaubt sich verpflichtet, den Pentateuch selbst abzuschreiben; dieses Buch steht überhaupt in großer Verehrung bei ihnen; fie nehmen alle Vorschriften desselben im wörtlichen Sinne und ers füllen fie mit der größten Gewissenhaftigkeit. Im Allgemeinen find sie sehr redlich, und in Rußland und in Gallizien, wo fich mehrere Kolonieen derselben befinden, stehen sie im besten Rufe. Die Karaiten gestatten die Vielweiberei, heirathen aber gewöhns lich nur Eine Frau. Die Verlobung hat bei ihnen wie bei den thalmudischen Juden dieselbe bindende Kraft wie die Ehe, und die Ceremonien, welche für die Auflösung der einen gebräuchlich sind, werden auch für die der anderen angewendet. Eine Auss nahme wird nur durch den Tod des Vaters der minderjährigen Vers lobten herbeigeführt. In diesem Falle kann die Mutter die Geneh migung der von dem Vater eingegangenen Verpflichtung verweis gern. Den Mitgliedern dieser Seite steht es nicht frei, im Testas ment zum Nachtheile der rechtmäßigen Erben zu verfügen; auch dürfen fie feinem Kinde mehr als dem anderen hinterlassen. Fols gendes ist die Ordnung der Erbfolge unter ihnen: 1) Die Söhne; 2) die männlichen Nachkommen der männlichen Linie; 3) die Löchter; 4) die Kinder der Töchter; 5) der Vater; 6) die Oheime von vaterlicher Seite; 7) die Brüder; 8) die Mutter. Die uns ehelichen Kinder sind ebenfalls erbfähig, wenn die Mutter eine Karaitin war. Der Mann erbt nicht von der Frau, obgleich diese ihm einen Theil ihrer Mitgift schenken kann.

Nach der Behauptung der Rabbinischen Juden ist diese Selte um die Mitte des achten Jahrhunderts entstanden; aber die Kas raiten selbst wollen schon vor der Zerstörung des ersten Tempels erifirt haben; damals hatten fie einen Bund unter dem Namen der,,Gesellschaft der Söhne Juda's" gebildet und erst später sich Karaiten genannt. Die Geschichte dieser Sefte serfällt in drei Hauptabschnitte; die erste wird durch die Flucht ihres Hauptes Simeon Ben Schetak nach Alexandrien und durch die Rückkehr deffelben nach Jerusalem bezeichnet. Der zweite Abschnitt beginnt gegen die Mitte des achten Jahrhunderts, als Anani, ihr Obers haupt, in Babylon war. Der Anfang des dritten Abschnittes fällt inc funfzehnte Jahrhundert, als Eliah Ben Don Davis von Lissabon nach Konftantinopel tam, um eine Verschmelzung der Karaiten und der Rabbinischen Juden zu bewirken. Da sein Plan nicht zur Ausführung tam, gab er ihnen ein Gesesbuch, welches die Grundlage ihrer Einrichtungen bildet.

Frankreich.

Beziehungen zur Gallo, Römischen Gesellschaft, und drittens in ihren persönlichen Beziehungen zu ihm selbst.

Sidonius ist der Erste, der die Barbaren beschrieben hat, denn Salvian donnerte gegen die Welt im Namen der Barbaren und Gottes, beschrieb sie aber nicht. Sidonius dagegen beschreibt fie bis zum Uebermaß. Man lese 3. B. in dem Panegyrikus des Anthemius die Schilderung der Scythischen Völker; die charak teristischen Züge der Tatarischen Race find darin sehr treffend gezeichnet. Einzelnes darin läßt sogar eine genaue und aufmerks fame Beobachtung erkennen:,,Wenn sie zu Fuß sind, erscheinen sie von mittlerer Statur; zu Pferde oder fißend sehen sie sehr groß aus." An einer anderen Stelle drückt er durch eine treffende Hyperbel die Unzertrennlichkeit dieser Völker von ihren Pferden aus:,,Andere Nationen werden vom Rücken der Roffe getragen, diese wohnt darauf.“ Auch sämmtliche Germanische Stämme, die in Gallien eingedrungen waren, schildert er, wie er sie an dem halbwilden Höfe des Eurich gesehen:,,Hier sehen wir den Sachsen mit den blauen Augen zittern, ihn, der nichts als die. Wogen des stürmenden Meeres fürchtet. Hier läßt der alte Silamber, nach seiner Niederlage geschoren, seine Haare aufs neue wachsen. Hier spaziert der Heruler mit den grünlichen Wangen, die fast die Farbe des Oceans tragen, an dessen außersten Rändern er wohnt. Hier beugt der sieben Fuß hohe Burgunder das Knie und fleht um Frieden."

Man staunt, unter dem manierirten Pinsel unseres Dichters so lahne Züge und so lebendige Farben zu finden, und man ahnt nicht, daß die Epistel, der diese Verse entlehnt sind und die an den Rhetor Lampridius, den er Tityrus nennt, gerichtet ist, mit folgenden Versen anfängt, die einen ganz anderen Charakter haben:,,Warum treibst Du mich an, Gesänge zu verlangen von Cyrrha, von den Hyantidischen Kamönen, von den gelehrten Wellen der Helikoniden, die der Fuß des lebhaften, geflügelten Thieres hervorspringen ließ?" u. f, w. Diefe Poesie, der ihr, Inhalt, dem Verfasser zum Troß, eine gewisse Energie giebt, unterzeichnet er: Melibdus...

In dem Panegyrikus des Avitus, der von faden Allegorieen so voll ist, findet er doch noch die Kraft, die Völkerhorden zu schildern, die Attila's Fahnen folgen, und den Sächsischen Sees rauber, der die bldulichen Wogen des Oceans spaltet.

Diesen reinen Barbaren, die noch nicht vom Hauch der Civilisation berührt sind, stellen wir den Barbaren gegenüber, der sich zivilißirt, den Anführer, der bis auf einen gewissen Grad die Haltung eines Römischen Kaisers nachzuahmen sucht. Dies fine den wir in dem Brief, wo Sidonius den kleinen Hof Theoderichs II. in Bordeaux beschreibt. In diesem Brief giebt uns Sidonius einen genauen Bericht über die Art, wie der König den Tag subrachte. Er beginnt ihn damit, daß er Morgens sehr früh mic ben. Arianischen Priestern betet; Sidonius vertraut dem Freunde, er schreibt: " Wenn Du mir das Geheimniß bewahren willst, so will ich Dir erzählen, daß dies mehr aus Gewohnheit als aus Frömmigkeit geschieht." Dann beschäftigt sich Theodes rich mit der Verwaltung des Königreichs: Die lärmende Menge feiner fellbedeckten Trabanten erscheint vor ihm; nachdam er sich überzeugt, daß sie alle da sind, verabschiedet er fle: man hört fie murren und flåstern hinter dem Vorhang, der den König von der Menge trennt, eine Sitte, die den Formen der Kaiserlichen Etis Lette entlehnt ist, um grei Uhr erhebt sich Theoderich um, wie ubr Sidonius fagt, seinen Schaß und seine Stelle zu besichtigen, ein wahres Barbaren. Vergnügen: denn was fennt ein Barbar Schö neres als recht viel Gold und Pferde zu beflgen? Dann folgt. das Banket, wo måßig getrunken wird, was bei Germanen merkwürdig genug ift; nachdem er das Mittagsschläfchen (somnus meridianus) gehalten, spielt Theoderich Würfel, und Sidonius, der keine Gelegenheit unbenust läßt, dem König Komplimente zu machen, versichert, daß er immer Philosoph bleibe, moge er ges winnen oder verlieren. Gleichwohl gesteht er nachher, daß aur rechten Zeit verlieren ein sehr gutes Mittel fen, sich beim König beliebt zu machen, und daß er selbst dies fetten versäume. Dann folgen bis zum Abend wieder Geschäfte; des Abends zerstreut man fch, jeder vollendet den Tag bei seinem Patron. Dieses Bild ist merkwürdig. Die offisielle Religion nimmt einige Minuten des Morgens weg, der Chef umgiebt sich mit den Seinigen, sucht fie aber in gehöriger Entfernung zu halten. Die Audienzen hinter dem Vorhang, bei Tisch, diese Regelmäßigkeit bei den an Unges bundenheit gewöhnten Germanen, dies Alles jeugt von einem ges wiffen Streben nach Civilisation und nach Römischen Sitten; im Schaß oder im Stall finden wir den Barbaren wieder. Endlich dürfen wir nicht vergessen, daß dieser Theoderich, der den Virgil gelesen und deffen Philosophie und Civilitat (civilitas) von Sibos nius gerühmt wird, durch einen Brudermord sich den Weg sum Thron gebahnt hatte und auf gleiche Weise desselben beraubt wurde.

Sidonius schmeichelte nicht bloß dem König, er war auch galant gegen die Königin. Evodius, der sich bei Hofe beliebt Aus dem Leben der Gallo-Römer und der Gothen des aders, einen mit Bilbwert verschenen Beder zu fchenten. Er machen wollte, hatte die Absicht, der Ragabilde, der Gattin Eurich's,

fünften Jahrhunderts. (Schluß.)

Sidonius schildert uns die Barbaren in dreifacher Besies hung: erstens als Barbaren an und für sich; zweitens in ihren

Man vergleiche den Artikel die Karatten" in Nr. 67 des Magazins

verlangte von Sidonius zwölf Verse, wozu Sidonius sehr gern bereit var. Er fängt mit Triton und Galathea an und endet mit einem Compliment über den Teint der Barbaren › Frauen. Die legten Worte find: Glücklich das Getrant, das in den Glanz des Metalls eingeschlossen und durch den noch höheren Glanz der Zuge der Königin verschönert wird. Wenn sie darin ihr Gesicht zu spiegeln würdigt, empfängt das Silber seine Weiße

Stoff ihres Bechers höher, als die Verse des galanten Dichters an der Außenseite.

Im Grunde verabscheute Sidonius diese Barbaren, und in der ersten Hälfte seines Lebens, als er noch in Lyon unter den Burgundern war, ehe er nach der Auvergne unter die Gothische Herrschaft kam, lobte er einen seiner Freunde, einen Lyoner Dichter, der so eben eine Satire auf diese Burgundischen Könige gemacht, von denen der grausamste und glücklichste, der seine drei Brüder gemordet, von dem heiligen Avitus gepriesen worden. Man freut sich zu sehen, daß es noch Leute gab, die wenigstens durch Satiren diesen erbarmlichen Schmeicheleien entgegentraten. Sidonius selbst hat sich gegen seine Herren einige Epigramme erlaubt, welche furchsam genug den Unmuth des Gelehrten auss gesprochen, den man in feinen Studien gestört hat. Ich", sagt er,,,der ich, unter diese langhaarigen Horden hingeworfen, ge zwungen bin, Germanische Worte zu erwiedern, mit saurem Ses sicht zu loben, was der gefräßige Burgunder finge!... Glücklich deine Augen, deine Naje, deine Ohren... fern von diesen Ries fen, denen faum Alcinous' Küche genügen würde! Doch meine Muse schweigt und hält inne: sie fürchtet, man möchte dies für eine Satire halten." So wird Sidonius aus Klugheit zahm; er unterbricht sich, weil er fürchtet, den Scherz zu weit zu treiben und seinen furchtbaren,,sieben Fuß hohen Patronen", wie er sie nennt, zu mißfallen.

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In seinen Briefen bemerkt man oft dieselbe Klugheit; alle Augenblick legt er sich Schweigen auf oder bedient sich unvers ständlicher Ausdrücke. Er spricht sich nicht über die Personen, von denen er redet, aus, er nennt die, welche er anklagt, nicht. Das ganze Verhältniß des Sidonius und der Literaten überhaupt zu den Barbaren drückt sich vortrefflich in der Phrase aus; Wir machen uns über sie lustig, wir verachten sie, und wir fürchten fie."

Doch so wie wir in der Geschichte seines Lebens sahen, daß ihn das Gefühl seiner bischöflichen Stellung auf eine gewisse Höhe der Energie und des Patriotismus erhob, eben so finden wir auch neben den Schmeicheleien, die er an Theoderich verschwen. det, neben den galanten Versen, die er an Ragahilde richtet, und feinen furchtsamen Scherzen über die großen Barbaren von sieben Fuß, die ihm so viel Angst machen, einmal eine offene und muthige Sprache. Er, der von Natur so wenig zur Begeisterung aufges legt war, wird doch warm, indem er von den Leiden des Landes und der Kirche, von dem Untergang des Glaubens und der orthos doren Tradition spricht.,,In unseren Kirchen", sagt er,,, sieht man nichts als faule Dacher, die auf der Erde liegen, oder Thus ren, die keine Angeln haben; der Eingang zu den Bafililen wird durch wilde Dornhecken versperrt; die Heerden liegen nicht bloß in den Vorhöfen, sondern sie begrafen die Seiten der Altäre."

Die, welche den Musen Almanach von 93 gelesen haben, behaup ten, er sen eben so voll von zuckersüßen Kleinigkenen in diesem furchtbaren Jahre, als in den früheren und späteren. Es giebt taus send Beispiele von diesem Mißverhältniß zwischen einem Theil der Literatur einer Zeit und der Geschichte dieser Zeit. It darum der Say, daß die Literatur der Ausdruck der Gesellschaft ist, wes niger richtig? Ich glaube nicht. Nur ist es nicht genug, daß dies fer Sah so hingestellt wird, er muß auch seiner ganzen Tiefe nach begriffen werden. Die Literatur spiegelt immer die Gesells schaft zurück, aber nicht immer den Theil derselben, der auf der Oberfläche erscheint. Sie drückt oft das aus, was verborgen ist, und in dieser Hinsicht hat oft das Studium der Literatur das meiste Interesse, denn sie sagt uns, was die Geschichte uns vers schweigt. Die Literatur ist nicht bloß ein Herold, der den Triumph der herrschenden Ideen und Gefühle verkänder, sie ist eine Vers traute, die uns mittheilt, was man heimlich gedacht und gefühlt hat, was nicht geräuschvoll ans Tageslicht trat, desto tiefer aber im Inneren verborgen war. Zuweilen offenbart sie nicht die Herrschaft eines Faktums, sondern die Reaction gegen dasselbe. Sie spricht Wünsche, Bedürfnisse aus, ein gewisses Ideal, das die Geister mit sich herumtragen. Auch ist sie nicht immer die Stimme des Moments, in dem sie hervortria; fie ist oft der Nachball des Gewesenen, der leste Seufzer des Untergehenden, der erste Schrei des Werdenden. Gerade in so schrecklichen Zeis ten, wie das 5te und 6te Jahrhundert, fühlt man das Bedürfniß nach einer Literatur, die mit der Wirklichkeit nichts gemein hat, am meisten. So ging es Sidonius und seinen Freunden; sie musten in einer Welt leben, die durchaus verschieden war von der nat au reellen Welt, die sie umgab und erdrückte. Freilich ganz entzieht man sich nie dem Einfluß seiner Zeit, und die Wirklich; keit dringt selbst in die Poesie ein, die von ihr am weitesten ents fernt ist. Daher tragen auch die Werke des Sidonius Apollinas ris das treue Gepräge der gallorömischen Gesellschaft des Sten Jahrhunderts und weihen uns in das geistige, filiche, litera rische und politische Leben jener Zeit ein. 3. 3. Ampère.

Ostindien.

Die Frauen der Hindus. *)

Die meisten Reisenden, die in früherer Zeit Indien besuch ten, haben nichts weniger als günstige Urtheile über sittlichen und geistigen Werth der dortigen Frauen gefällt; allein es vers dient Beachtung und ist kein schwaches Argument zur Vertheis digung des weiblichen Charakters auch in diesem Theile der Welt, daß nur die oberflächlichsten Beobachter, bloße Küstenbes fucher und überhaupt solche, denen jede Gelegenheit zu genauerer Bekanntschaft mit den Eingebornen abgeschnitten war, von dem weiblichen Geschlechte Indiens schlecht und lieblos urtheilen, wahrend Andere, die langere Zeit im Lande verweilten, ihren ftrengen Ton immer mehr herabstimmen, bis der anfängliche bittere Tadel endlich gar in Lob übergeht. Man würde sich sehr tduschen, wenn man den Grund dieses veränderten Urtheils in einer Besserung des Charakters der Frauen suchte; nur die Euro pderinnen haben tausend Wechsel der Mode, der Erziehung und Verfassung durchgemacht, während das Schicksal und die Stellung der Frauen des Östens immer unverändert geblieben sind.

Die Phantasie und die Literatur der Gallo-Römer hat die Barbaren in sich aufgenommen. Salvian nimmt von ihrem Erscheinen Gelegenheit, furchtbare Strafreden gegen die allges gemeine Verderbniß zu halten und die Weisheit der göttlichen Vorsehung zu preisen. Sankt Avit zeigt uns das kuriose Vers hältniß der Kirche zu den Barbaren, der Kirche, die sie fürchtet und schont, die Arianischen Fürsten zum katholischen Glauben zu belehren fucht und sich endlich den orthodoren Siegern in die Arme wirft. In Sidonius Schriften sieht man, wie diese Bars baren noch gehaßt, aber immer mehr gefürchtet werden, wie man ihnen laut schmeichelt, sie leise verwünscht und sie wie_im Fluge schildert. Wir lernen sie hier nur durch ihre Gegner fens nen; das Barbarenthum hat sich nicht selber geschildert. Bald wird es allein herrschen; noch einige Jahre, und diefe ganze beidnische Kultur, die so lange geblüht, die selbst die Phantasie. B. Bernier; so Terry, der noch früher (im Jahre 1615) nach der christlichen Schriftsteller, der Bischöfe, der Heiligen beherrscht hat, wird vom Schauplah verschwinden, und nur die Barbarei bleibt zurück mit dem Christenthum; sie wird das Christenthum selbst ergreifen, und die Kirche wird zum großen Theil barbas risch werden. Bis auf Kart den Großen folgt dann ein furchts bares Chaos, aus dem laum ein Schimmer von Civilisation hers vordringt.

Eine Bemerkung, die sich uns bei der Lektüre eines Theils der Sidonischen Werke aufdringt, ist die, daß fie der Zeit und den Umständen, unter denen fie entstanden, so total fremd sind. Wenn man diese Hochzeitsgedichte, diese Episteln, die mit solcher Sorgs falt gefeilt find und deren Inhalt oft so nichtig ist, betrachtet, ist man versucht, zu schließen, daß Einer, der folche Dinge geschries ben hat, in einer ruhigen Zeit gelebt haben muß, wo lein Sturm die Gesellschaft aufregte. Und wie anders ist es in der Wirklich leit! Nie hat sich die Menschheit unglücklicher gefühlt, als in dem Jahrhundert, das mit Alarich anfängt und, nachdem es einen Attila und Genserich erzeugt, mit Klodwig endet. Dieser Kons traft findet sich oft in der Literargeschichte wieder. Als im 16ten Jahrhundert die Schaferliteratur Italiens, das Sonnett, das Madrigal, die Elloge nach Spanien kommen, von wem werden fie eingeführt, wer sind die Verfaffer jener fanften Sonnette, jener schmachtenden Idyllen? Niemand anders, als die Führer der Banden Karl's V. und Philipp's II., die Europa in Schrecken feßten, jener Garcilasso, der sein ganzes Leben hindurch im Felde war, jener Mendoza, der daffelbe Italien, dessen zierliche Poesie er nachahmte, mehrere Jahre lang mit ciferner Ruthe regierte und schonungslos plünderte. Man erstaunt, wie verschieden die Gefühle sind, die man diesen Menschen allein zutraut, von denen, die fle ausdrücken. Mit mehreren anderen Epochen ist es eben so. Nie hat man mehr von der Natur gesprochen, als im 18ten Jahrs bundert, und nie herrschte mehr Lüge und Künstelei als damals.

Die frühesten Europäischen Reisenden beschweren sich auss drücklich darüber, daß se nur mit den verworfensten Individuen aus niedrigen Kasten einigen Verkehr anknüpfen konnten.

So

Indien ging. Letterer schreibt:,,Ueber den Charakter der vors nehmeren Frauenzimmer muß ich mich jedes Urtheils begeben; denn mit diesen kann man nur Bekanntschaft anknüpfen, wenn sie nicht ehrbar oder verarmt find.” Hätte nur jeder in diesem Punkt unerfahrene Reisende seine Unwissenheit so aufrichtig eins gestanden, wie Terry, statt nach eigener Phantasie oder nach falschen Modellen ein Bild zu entwerfen! Tennant, der im Jahre 1796 schrieb, sagt mit Hinweisung auf_folche_unredliche Kunstgriffe vieler Reisenden:,,Diese Seite des häuslichen Lebens bei den Aßaten kennen die Europder schlechter, als irgend eine andere, wie viel auch darüber geschrieben worden ist. Schon der Name des Frauengemachs, Harem (das Verbotene), deutet an, daß alle Fremde, besonders mannliche Individuen, von demselben ausgeschlossen ind. Man darf also die mannig fachen-Erzählungen von den Privilegien, Sitten und Bejd äftis gungen Asiatischer Frauen unbedenklich für Mährchen exklären; denn es fehlte ja den Berichterstattern jede Gelegenheit zu selbst ftandiger Beobachtung."

Ein solcher Reisender war unter Anderen der Hollander Stavorinus, der sich über die Indischen Frauen alio vernehmen läßt: Die Weiber hier zu Lande, obgleich von braunem Teint, haben angenehme Gesichter und find weht proportionir. Ihr Talent zu Intriguen ist eben so groß, als ihre Ucppigkeit. Sie bedienen sich aller erdenklichen Kniffe, um die Herzen ihrer mannlichen Bekannten, besonders wenn sie Ausländer kind, za umstricken. Weibliche Prostitution gilt für keine Schade; es giebt allerwärts privilegirie Drie, wo eine große Zahl feiler Dirnen unterhalten wird." Dies Alles ist mit kritischem Urtheil

Für diejenigen Leser, welche die sogenannten Bajaderen in Deutsch: land gesehen, also die Hindustanischen Frauen bereits von Angesicht zu An gesicht kennen gelernt haben, möchte dieser Artikel von besonderem Interesse jeyn.

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