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denke, nein! Je mehr wir darauf Anspruch machen, ganz und aufrichtig zu neuen Lehren belehrt zu seyn, um so offener müssen wir die Wahrheit bekennen und unseren Nächsten das Recht lassen, über unsere früheren Zweifel und Irrthümer zu richten. Unter diefer Bedingung allein tönnen fie unseren gegenwärtigen Glaus ben ergründen und richtig würdigen; denn so gering wir auch fenn mögen, Jeder von uns nimmt doch eine Stelle in der Ges fchichte des Jahrhunderts ein. Die Nachwelt schreibt nur die großen Namen auf ihre Tafeln, aber das Webgeschrei, welches wir erhoben, wird nicht in dem Schweigen der ewigen Nacht verklingen; es hat den Wiederhall erweckt; es hat Polemit anges regt; es hat unduldsame Geister herausgefordert, doch nur um ihre Macht zu brechen, und edle Seelen, um ihre Bitterkeit zu mildern; furs, es hat alles das Böse und das Gute hervorgebracht, welches hervorzubringen in seiner Bestimmung lag; denn die Stepfis und die Verzweiflung sind große Krankheiten, welche das Menschengeschlecht erdulden muß, um seinen religiösen Forts fchritt zu vollenden. Der Zweifel ist ein heiliges, unveridhrtes Recht des menschlichen Geistes, der seinen Glauben prüft, um ihn entweder anzunehmen oder zu verwerfen. Die Verzweiflung ist die furchtbare Krists, der gefährliche Paroxysmus desselben. Aber, o Gott! es ist etwas Großes um diese Verzweiflung! Sie ist das glühendste Verlangen der Seele nach Dir, das unvers werfliche Zeugniß Deines Daseyns in uns und Deiner Liebe zu uns, denn wir können die Gewißheit dieses Daseyns und das Gefühl dieser Liebe nicht verlieren, ohne sogleich in eine fürchter liche Nacht voll Entseßen und Todesangst zu versinken. Ich stehe nicht an, zu glauben, daß die Gottheit väterliche Sorge für dies jenigen trage, die, weit entfernt, dieselbe in der Trunkenheit des Lafters zu teugnen, sie vielmehr in den Schrecken der Einsamkeit beweinen; und wenn sie sich für die auf ewig verschleiert, die fie mit frecher Unverschämtheit erklären wollen, so weiß sie sich denen zu offenbaren, die sie in Thränen suchen. In dem seltsamen, Doch herrlichen Gedicht,,Dziady" stehen dem Konrad des Mickies wica in jenem Augenblick Engel zur Seite, wo er sich im Staube waist und Gott lästert, und Byron's Manfred versagt dem Geist des Bösen die Seele, welche der Dämon so lange gepeinigt, die ihm aber in der Todesstunde dennoch entgeht.

Wir müssen also die Ueberzeugung gewinnen, daß wir nicht das Recht haben, die socialen oder religdjen Ideen, die wir eins mal ausgesprochen, wieder zurückzunehmen oder durch eine feige Uebertünchung zu verändern. Wenn es Pflicht ist, einen früheren Irrthum einzugestehen und einen neuen Glauben zu bekennen, so wäre es eine Art von Apostasie, nicht weniger strafbar und verachtungswürdig, als die anderen, wollte man feinen Irrthum leugnen oder verhehlen, um dadurch die verschobenen Theile des eigenen Lebens Gebäudes linkisch an einander zu fügen. Die Wahrheit kann Tempel und Altar nicht nach der Laune oder dem Vortheil der Menschen wechseln; irrt der Mensch, so möge er seine Tauschung eingestehen und der nackten Göttin nicht die Schmach anthun, sie mit dem geflickten Mantel zu bekleiden, den er im Staub des Weges einhergeschleift.

Durchdrungen von der Unantastbarkeit der Vergangenheit, habe ich mich nur des Rechtes bedient, mein Werk in Rücksicht auf die Form zu verbessern; ich habe dies Recht im weitesten Sinne des Wortes geübt, und doch blieb Lelia nichtsdestoweniger das Werk des Zweifels, die Klage des Skeptizismus. Einige haben mir gesagt, daß dieses Buch ihnen wehe gethan; aber ich glaube, daß es einer weit größeren Anzahl wohl gethan hat, denn wer es geles fen und die darin ausgesprochenen Schmerzen mitfühlte, der hat auch gewiß das Bedürfniß empfunden, den Weg zur Wahrheit mit größerem Eifer und Muth aufzusuchen; was aber diejenigen bes trifft, die entweder aus Macht der Ueberzeugung oder aus Vers achtung jeder Ueberzeugung nie etwas Aehnliches gefühlt, fo Tonnte die Lesung dieses Buches ihnen weder wohl noch wehe thun. Es ist möglich, daß Versonen, die in völlige Gleichgültigkeit gegen jeden ernsten Gedanken versunken waren, nach der Lesung von Werken dieser Gattung in sich eine Traurigkeit und einen bis Dahin ungekannten Schauder erwachen fühlten. Doch nach so vielen Werken des sleptischen Geistes, deren ich oben gedachte, Tann Lelia nur einen schwachen Antheil an der Erweckung dieser Zweifelsucht haben. Ueberdies ist eine solche Wirkung ja heilsam, und wenn nur eine einzige Seele aus jener Stumpfheit erwacht, die dem Nichts gleichbedeutend ist, so kömmt wenig darauf an, ob sie sich durch Traurigkeit oder Freude zu erheben strebt. Die Frage, um die es sich für uns in diesem Leben und ganz besons ders in diesem Jahrhundert handelt, ist nicht, in eitlen Vergnús gungen zu erschlaffen, noch unser Hers dem großen Unglück des Zweifels zu verschließen; wir haben etwas Besseres zu thun, wir müssen dieses Unglück bekämpfen und siegreich daraus hervors gehen, nicht bloß um in uns die menschliche Würde zu erhöhen, sons Dern um der folgenden Generation den Weg zu zeigen. Laßt uns also wie eine große Lehre jene erhabenen Blätter aufnehmen, wo Réné, Werther, Konrad, Manfred ihrer tiefen Bitterkeit Worte verleihen; file find mit ihrem Herzblut geschrieben, in ihre brens nenden Thränen eingetaucht, fie gehören mehr der philosophischen Gefchichte des menschlichen Geschlechts an, als ihren poetischen Annalen. Laßt uns nicht erröthen, daß wir mit diesen großen Männern geweint; die Nachwelt, um einen neuen Glauben reis cher, wird sie unter ihre ersten Martyrer zählen.

Und wir, die wir ihre Namen anzurufen und in ihre Fuse Hapfen zu treten gewagt, wie obenem in diefelben geworfen Werten den

matten Refler verehren, den ihr Schatten

Wir wollen danach streben, uns als Kingler su vervollkommnen,

und in diesem Sinne in Demuth unsere Fehler verbessern; vor Allem wollen wir es uns angelegen seyn laffen, als Glieder der menschlichen Familie fortzufchreiten, und zwar ohne thörichte Eitelkeit und heuchlerische Weisheit; laßt uns stets daran denken, daß wir in der Finsterniß umberirrten, und daß wir mehr als Eine Wunde davontrugen, deren Narbe niemals verharrscht.

Holland.

Die Holländischen Armen - Kolonieen.
(Fortseßung.)

In den freien Kolonieen zu Frederick's Dord ist überall dies selbe Ordnung eingeführt. Die Kolonisten sind mit ihren Fami lien und den Waifen in gut gebauten Häusern vertheilt; jede Familie hat ein Stück Land hinter ihrem Hause. Diese Wohnun gen find gewöhnlich Muster der Ordnung und Reinlichkeit. Obs gleich jede Familie ein eigenes Stück Land zur Bebauung erhält, so ist die Art und Methode der Bebauung doch festen und bes fimmten Vorschriften unterworfen. Jede Familie wird als Theil des großen Ganzen betrachtet und muß nach demselben Plane sum allgemeinen Resultate mitwirken. Den Lohn, welchen die Mitglieder der Familien für ihre Arbeit erhalten, können sie nach Belieben verwenden. Was sie zu ihrer Unterhaltung brauchen, empfangen sie für bestimmte_und_mdßige Preise von der Ver waltung oder der Schenke. Die Felder der freien Kolonieen find gut bebaut, aber sie bieten keinen so schönen Anblick wie die von Ommerskans dar; man steht hier nicht so viel Alleen wie in den Zwangs Kolonicen.

In der Kolonie Nr. 1 besuchte ich die Webestühle, 40 der Zahl nach, welche in zwei Zimmern vertheilt sind, wo junge Knaben und Mädchen arbeiten, alle gesund und reinlich. Sie bleiben hier von 5 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends, die Zeit der Mahlzeit und der Erholung abgerechnet. Für ein Stück Leines wand von 32 Franz. Ellen, welches sie gewöhnlich in 21 - 3 Tagen vollenden, erhalten sie 15 Sous. Abends begeben sich diese jungen Leute in die Schule. Morgens und Nachmittags wird dieselbe Schule von Kindern unter dreizehn Jahren besucht, welche, wenn sie dieses Alter überschritten haben und zur Arbeit übergehen, den Unterricht Abends erhalten.

Die Gegend, in welcher sich diese ländlichen Anstalten befin den, ist ohne Widerrede die schlechteste von ganz Holland, und die Lage der Kolonieen, welche von fandigen Ebenen umschlossen find, gewiß die ungünstigste für die Communication wie für den Transport. Der Boden in seiner ursprünglichen Gestalt ist mit einer elenden und einförmigen Vegetation von Heidekraut bedeckt, deffen allmälige Ausrottung kaum eine leichte Lage von Pfanzens erde verschafft, die an den fruchtbarsten Stellen sandig, an den anderen moorartig ist. Die faserige Torflage, welche den Haupts bestandtheil des Bodens bildet, hat bald eine Dicke von 2 oder 3 Fuß, bald eine noch bedeutendere, und ist auf weißem oder roths lichem Thonboden gelagert. Kein Baum, kein Strauch steigt in dieser weiten Ebene auf, die zu immerwährender Unfruchtbarkeit verdammt gewesen wäre, wenn hier die menschliche Betriebsams feit nicht die wunderbarste Umwandlung zu Stande gebracht hatte. In dieser ungünstigen Dertlichkeit, auf diesem unfruchts baren Boden, begann das Wert der Colonisation, welche bewirkt wurde durch 1) Arme von faulem und widerspänstigem Charaks ter, die theile alt, theils kraftlos, alle aber wenig geneigt waren, ihr trages und ungezwungenes Leben mit einem arbeitsamen und maßigen zu vertauschen; 2) durch schwache Kinder aus den Hospizien, die meist zu den ländlichen Arbeiten unbrauchbar waren.

Außer den Uebelstanden, die aus der Unfruchtbarkeit des Bodens und aus der Beschaffenheit der zur Bebauung desselben bestimmten Bevölkerung hervorgingen, lag noch ein anderer in der ifolirten Lage der Kolonieen, welche die Herbeischaffung von Dünger unmöglich machte. Die neuere Landwirthschaft beruht auf dem Prinzipe, daß zu fortlaufenden Aerndten reichlicher Dün: ger erforderlich ist, zu dessen Erzielung viel Vieh gehalten wer den muß, was wieder reiche und fruchtbare Weide vorausseßt. Weide, Vieh und Dünger bilden die landwirthschaftliche Dreiheit, welche ein einziges und untrennbares Ganze ausmacht. Hiers durch wird das fehlerhafte dreijährige System aufgehoben und ein wohl berechneter Wechsel der Bebauung desselben Bodens eingeführt. Dieser verarmt nie, weil der Futterbau einen wes fentlichen Theil der Feldereintheilung bildet und die Mittel zur Befruchtung der Felder gewährt. Aber dieses vortreffliche System, welches die Grundlage der modernen Landwirthschaft ist, sest ein wesentliches und unumgängliches Element voraus, nemlich eine natürliche Fruchtbarkeit des Bodens, auf welchem die Industrie eine künstliche hervorrufen soll. Auf einem von Natur unfruchts baren Boden, der su fern von jedem Wohnsige lag, um thieri schen Dünger zu erhalten, der noch weiter von jeder Waldung entlegen war, aus welcher Pflanzen Dünger hätte gezogen werden tönnen, mußte diefe Aufgabe indeß ungleich schwieriger erscheis nen und selbst den tähnsten Geist entmuthigen. Sehen wir nun, was der General van den Bosch, die Seele der ganzen Unters nehmung, gethan bat und noch that.

Das einfachste Mittel, obgleich etwas kostspielig, war, Futter au der Ernährung des Biches aufzukaufen, da das Land nichts hervorbrachte; mit dem Dünger mußte dann der Boden verbess und nach befruchteten Boden abzuwarten. Außer dem hohen fert werden, und es war der Ertrag der Weide auf einem nach

Preise dieses Mittels würde indeß das Resultat doch kaum das

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Laßt man aber den Ginster noch ein Jahr lang stehen und gråbt ihn dann in den Boden ein, so theilt er dem Boden eine hinlängs liche Fruchtbarkeit mit, um ohne Düngung drei abwechselnde Aerndten von Kartoffeln, Hanf und Roggen au geben.

Man sieht hieraus, daß in der Reihenfolge der Bebauung das erste Jahr für Kartoffeln, das zweite für Roggen und Ginster bestimmt ist. Bei der zweiten Bebauung fängt man schon an, die Vortheile der Pflanzens Düngung zu drndien, welche eine dreimalige Bearbeitung mit dem Pfluge erfordert, nämlich eine, um die Pflanze einzugraben, und zwei im Frühling, um die aufgelösten Theile mit der Erde zu vermischen und diese für die Aufnahme der Saat empfänglich zu machen. (Schluß folgt.) Türke i.

Das sicherste Mittel, über die Bildungsfähigkeit der Türken zu entscheiden, ist, unserer Ansicht nach, ein gründliches Studium ihrer Sitten und Einrichtungen. Nur weil man diese noch so wenig kennt, hat man so widersprechende Ansichten über die Zus kunft des Osmanischen Reiches aufgestellt. Man hat einerseits nur das herrschende Volk in Anschlag gebracht und andererseits wieder zu viel Gewicht auf die Raja's und die Verschiedenartigs keit der Bevölkerung gelegt, um daraus den Schluß zu ziehen, daß die Wiedergeburt des Reiches eine Unmöglichkeit sey. Wir werden sehen, inwiefern diese Ansicht begründet ist.

Kampf und Eroberung sind für die Muselmanner nicht nur eine politische Aufgabe, sondern auch eine Mission des religiösen Proselytismus gewesen. Die Völker, die sie ihrer Herrschaft uns terworfen und welche sich nicht zum Islam bekehrten, wurden das her auch in eine politisch untergeordnete Lage verfeßt. Eine breite Scheidewand, die Religion, erhob sich zwischen dem erobernden und dem unterworfenen Volke. Die Eroberer, stolz und begeistert von dem neuen Glauben, der ihr sittliches, bürgerliches und politisches Dafenn durchdrang und welcher der Gewalt der orientalischen Leidenschaften entsprach, konnten die Lehren des Christenthums nicht annehmen. Die Verehrung der Reliquien und Bilder ließ die Christen sogar als Gößendiener in den Augen der Türken ers scheinen. Den Chriften erschien dagegen wieder das Evangelium zu erhaben und göttlich, als daß fie das Gefeß Chrifti mit dem Koran hätten vertauschen sollen. Die Religion wurde nun ein nationales Band, und ein so starkes Band, daß die Zeit und die Verhältnisse es nicht zerreißen konnten, sondern nur noch enger knüpfen mußten.

Judeß war die Herrschaft der Türken nicht tyrannisch, und wenn die besiegten Völker auch ihre politischen Rechte verloren, so blieb ihnen doch die freie Ausübung ihrer Religion, und sie durften sich unter dem Schuße ihrer Herren mit dem Handel und dem Ackerbau beschäftigen. Ihre Kirchen verblieben ihnen. zwar verwandelten die Türken einige in Moscheen, aber sie bes zeigten den Heiligen, denen diese Kirchen geweiht waren, die tiefste Ehrfurcht. So entgingen die Christen dem Drucke, wels cher im Mittelalter fast auf allen besiegten Völkern lastetete. Das Feudals Systém lag weder in den Sitten noch in den Grundsägen der Osmanli's; die Menschen waren nicht an den Boden gebunden, und der Boden gehörte nicht gewissen mächtigen Familien. Nies mals galt in der Türkei das Sprichwort: Kein Land ohne Herrn.

Man hat häufig behauptet, der Islam wdre den Besiegten gewaltsam aufgezwungen worden; dennoch läßt sich leicht nachweis sen, daß nichts dem Geiste des Korans mehr widerspricht. So heißt es in demselben: Ungläubige, ich bete nicht an, was Ihr anbetet, und Ihr betet nicht an, was ich anbete; beobachtet Euer Gefeß, und ich werde das meinige beobachten." - Es existirt ein zu Medina im vierten Jahre der Hedschra zwischen Muham med und den Christen abgeschlossener Bertrag. In diesem vers pflichtet Muhammed sich für sich und seine Nachfolger, den Christen Freundschaft und Schuß zu bewilligen. Der Vertrag von Medina ist im Geiste der größten Duldsamkeit geschrieben und den Christen durchaus günstig. Indeß war diese gute Stimmung Muhammed's nicht von langer Dauer, und bald seigte er sich den Christen feindlich, entweder weil er nicht mehr glaubte, fie shonen zu müssen, oder weil diese den Vertrag zuerst verlegt hatten. Jedoch darf nicht übersehen werden, daß in den Kapiteln des Kerans, wo die Verfolgung der Ungläubigen geboten wird, von Kriegess zeiten und nicht vom Friedenszustande die Rede ist. Im Kapitel der Schlachten, welches die Türken gewöhnlich lesen, wenn sie zum Kampfe gegen die Christen ausziehen, heißt es: Wenn Ihr mit Ungläubigen zusammenstoßet, so schneidet ihnen die Köpfe ab, tödtet fle; haltet fle gefangen, bis 3hr es für angemessen erachtet, ihnen die Freiheit zu schenken oder sie gegen ein Lösegeld auszus liefern, und höret nicht auf, fie zu verfolgen, bis sie die Waffen niedergelegt und sich Euch unterworfen haben." Die Religion schreibt den Muselmannern ihr Betragen gegen die Dichiaurs vor, wenn dieselben sich unterwerfen. Die Kleidung derselben muß sich von der der Gläubigen unterscheiden; fie dürfen keine Kleider von hellen Farben tragen, und selbst ihre Pantoffeln müssen dunkel seyn. Die Dschiaurs stehen den Muselmannern überall nach; Sie müssen der Regierung den Charasch oder die Kopfiteuer bezah len, von welcher nur die Kinder ausgenommen sind. Diese jdhrilch zu entrichtende Steuer ist von verschiedener Höhe, je nach dem Alter und nach dem Vermögen. Der mittiere Ansas ist 40 Piafter, unges

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fahr 10 Franken. Das Gefeß befiehlt übrigens den Muhammes danern, die Tributpflichtigen wohlwollend zu behandeln. In Folge diefes Gebots haben die Raja's nicht nur ihre Religion ausüben und Reichthümer sammeln dürfen, sondern sie sind auch zu den bes deutendsten Stellen der Verwaltung gelangt und haben felbst Sit und Stimme bei den Berathungen ihrer Herren erhalten.

Einen anderen Beweis der Duldsamkeit der Türken mag man in den städtischen Verfassungen suchen, welche sie ihren tributpflichtigen Unterthanen verliehen. Jede religiöse Genoffens schaft wählt jährlich mit Majorität der Stimmen eine gewisse Anzahl von Abgeordneten, und diesen Abgeordneten liegt nicht nur die Oberaufsicht und Verwaltung der Kirchengüter und Hospizien ob, sondern sie entscheiden auch fast alle CivilsProzeffe, üben die Gerichtsbarkeit über ihre Religionsverwandten, verthei len die Abgaben und reprafentiren ihre Kommittenten bei den Behörden. Die Bedeutung dieser städtischen Institution hat freilich in der legten Zeit durch die Mißbräuche, welche in das Regierungs-System der Türkei eingedrungen find, sehr abgenoms men, aber auch in ihrer jegßigen Gestalt ist sie noch von großer Wichtigkeit und würde den Raja's hinlängliche Bürgschaften darbieten, wenn diese städtischen Gewalten, anstatt sich gegenseis tig zu verfolgen, sich zu gemeinsamer Vertheidigung vereinigen wollten. Jede Stadt, jedes Dorf hat seine Abgeordneten. In den großen Städten haben die verschiedenen Genossenschaften einen Hasne (Scha), welcher zu den Bedürfnissen der Regierung mit beiträgt. In Konstantinopel hat jedes Stadtviertel seine besonderen Kommiffarien, welche vom oberen Rathe abhängig sind, in dem die Griechischen und katholischen Armenier durch die Abgeordneten und Patriarchen, die Juden durch die Ober-Rabbiner vertreten find. Die Geistlichkeit jedes Glaubensbekenntnisses übt in der Türkei eine große Gewalt, weil die Regierung einer jeden das Recht einrdumt, die Ungehorsamen in den Bann zu thun. In Kons ftantinopel bekommt kein Raja einen Paß ohne einen Testere (Erlaubnißschein) feines religiösen Oberhauptes. Die Patriarchen haben eine Ehrenwache, und Mahmud bewilligte den Religionss Oberhauptern den Kaiserlichen Orden Nischan.

Da es in der Türkei an allen statistischen Berechnungen fehlt, fo Idßt sich die Zahl der Raja's auch nicht einmal annäherungss weise angeben.

The wir zu einer umständlichen Darstellung der Sitten der tributpflichtigen Völkerschaften in der Türkei übergehen, müssen noch die Baratlis, eine bevorrechtete Körperschaft der Raja's, welche vom Sultan einen Ferman, Berat, erhalten haben, erwähnt werden; fie sind vom Charasch befreit und dürfen gelbe Pantoffeln wie die Muselmänner tragen. Die Baratlis zahlen dieselben Steuern wie die Europcer; sie wahlen Abgeordnete aus ihrer Mitte, sind nicht der Gerichtsbarkeit der Statthalter unterworfen und haben das Recht, sich an den Divan in Konstantinopel zu wenden. Diese Vorrechte sind der Lohn für ausgezeichnete Dienste, die sie dem Staate geleistet haben, oder die Anerkennung einer bedeutenden Stellung im Handelsstande. Diese Vorrechte Find erblich.

Im Türkischen Reiche giebt es außer den Osmanen drei vers schiedene Nationalitäten, welche durch ihre Abstammung, ihre Religion und ihre Sitten sehr bestimmt von einander geschieden find, nämlich die Armenier, die Juden und die Griechen, die wir nach einander in einigen folgenden Artikeln ndher betrachten wollen.

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Mannigfaltiges.

Sydney Smith und die Weisheit der Vorfah, ren. Der Anglikanische Prediger, Herr Sydney Smith, ein Verwandter des bekannten Admirals dieses Namens, genießt in England als Publizist einen bedeutenden Ruf. Einer der Gründer der Edinburgh Review, hat er dieser Zeitschrift viele Jahre lang die glänzendsten Artikel geliefert; diese treten jest zum Theil aus ihrer Anonymitet hervor, indem unter dem Titel The Works of the Rev. Sydney Smith drei Bande gesammelter Abhandlungen über Zustände und Interessen der nächsten Vergangenheit und der Gegenwart erschienen. Obwohl Geistlicher der herrschenden Obwohl Geistlicher der herrschenden Kirche, hat er doch stets das Prinzip unbedingter Glaubenss und Gewissensfreiheit zur Devise sich gewählt. Er war es, der bes reits für die Emancipation der Katholiken schrieb, als diese Maßs regel noch jahrelang vom Parlament zurückgehalten wurde; eben fo find von ihm die ersten Artikel der Edinburgh Review gegen die sogenannte Left und Corporations Alte, und nicht minder hat er zu allen Zeiten einen lebhaften Krieg gegen den Negers handel und die Sllaverei in den Kolonieen geführt. Nur die Methodisten, die Englischen,,Mucker", schloß er von der Liebe aus, mit der er alle Glaubensparteien, alle Menschenracen ums faßte. Um von feiner Denkweise und feinem Styl eine Probe zu geben, theilen wir hier aus einer Abhandlung über England im Vergleiche mit Nord Amerika seine Bemerkungen über die Weisheit unserer Vorfahren" (the wisdom of our ancestors) mit: Die Weisheit unserer Vorfahren, die Weisheit von Menschens altern, die Weisheit der Vorzeit lauter Worte, die uns stets von neuem daran erinnern, wie aus dem Verdrehen und Miss verstehen eines Wortfinnes leicht die abgeschmacktesten Irrthümer entspringen fönnen. Erfahrung ist sicherlich die Mutter der

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Weisheit, und die Alten haben, wie sich's von selbst versteht, größere Erfahrung als die Jungen. Die Frage ist jedoch, wer find die Alten und wer sind die Jungen? Von Personen, welche zu derselben Zeit leben, hat natürlich die diteste auch die größte Erfahrung; aber bei Generationen von Menschen tritt der umgekehrte Fall ein. Diejenigen, welche zuerst kommen, und das find unsere Vordltern, haben die geringste Erfahrung. Wir haben zu ihrer Erfahrung auch noch die vieler Jahrhunderte hinzugefügt und sind daher, so weit Erfahrung ausreicht, weifer und befähigter, ein Urtheil abzugeben, als fie waren. Richtig wäre es daher, statt zu sagen: wie können wir so anmaßend fenn, unsere Meinung im Widerspruche mit der unserer Vorfah ren zu behaupten, lieber anzunehmen: Pönnen wohl solche junge, ununterrichtete und unerfahrene Leute, wie unsere Vordltern noth wendig doch waren, diese oder jene Sache eben so gut verstanden haben, wie diejenigen, die so viel mehr gesehen, so viel später d. b. langer gelebt und die Erfahrungen so vieler Jahrs hunderte mehr für fich haben? Alle jene Redensarten von der Weisheit unserer Vorfahren beruhen daher lediglich auf einem Mißbrauch von Worten, indem man nämlich Phrasen, die, auf Zeitgenossen angewandt, richtig waren, auch auf fpátere Ges schlechter übertrug. Denn wenn, wie wir oben bemerkt, von lebenden Menschen der älteste die größte Erfahrung hat, so bes fist dagegen von Menschengeschlechtern das älteste immer die geringere Erfahrung. Unsere Vorfahren zur Zeit der Nors mannischen Eroberung waren Kinder an der Brust; zur Zeit Eduard's I. waren fie Schulknaben, unter Elifabeth Jünglinge, Manner unter der Königin Anna, und wir erst sind die graus bartigen, ehrwürdigen Greife, welche alle Erfahrung, die das menschliche Leben an die Hand giebt, aufgespeichert und zu uns ferem Vortheil ausgebeutet haben."

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Unter denselben befanden sich:

Trunkenbolde..

Starke Trinker.

Mdfige Trinker

Zusammen 1232

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Leute, die feine Spirituosa zu sich nahmen 22

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Solche, welche die zehn Gebote auswendig wußten
Verheirathete ...
Unverheirathete..

Solche, die ihre Frauen verloren oder verlassen hatten. . 197 An demselben Gefängnisse war von dessen geistlichem Seelsorger eine Sonntagsschule eingerichtet worden, die im Jahre 1837 von etwa 200 Sträflingen besucht wurde. Alle diejenigen, die gar nicht lefen konnten, mit Ausnahme solcher, die sich für zu alt hielten oder sich zu wenig Fassungskraft zutrauten, wurden vor: zugsweise zugelassen. Außerdem ward den Sträflingen ein regels mäßiger Religions Unterricht ertheilt, und Alle, die daran, so wie an der Sonntagsschule, Theil nahmen, zeichneten sich durch ein ordentlicheres und bescheideneres Betragen aus. In dems selben Gefängnisse, in welchem die Zahl der gleichzeitig darin befindlichen Sträflinge immer etwa 7-900 beträgt, hatten die Lesteren im Jahre 1837 durch eigene Arbeit eingebracht 46,469 Dollars (ungefähr 65,000 Thaler), während der Staat jährlich 25,000 Dollars (ungefähr 35,000 Thaler) sufschießt. Das Ganze loftete alfo 100,000 Thaler, was bei einer Durchschnittszahl von 800 Köpfen 125 Thaler auf den Kopf beträgt. Außerdem aber waren die Arbeiten der Strdflinge bei einem Bau, welcher im Gefängnisse vorgenommen wurde, auf den Werth von 7500 Doll. (ungefahr 10,500 Thaler) berechnet worden, und diefe müffen billigerweise von jenen Kosten in Abzug gebracht werden.

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Frankreich.

Aus dem Leben der Gallo-Römer und der Gothen des fünften Jahrhunderts.

1974 (Nach ben Schriften des Sidonius Apollinaris, von 3. 3. Ampère)

Sidonius Apollinaris, deffen Leben wir (S. Nr. 116 des ,,Magazins") darzustellen versuchten, hatte zwei Fehler, denen wir werthvolle Nachrichten über seine Zeit verdanken; diefe bei, den Fehler find: die Sucht, zu beschreiben, und die Sucht, nach Juahmen. Da die, welchen er nachahmte, viel beschrieben haben, fo glaubte er auch Alles beschreiben zu können. Hat Plinius der Jüngere fein Landhaus in Laurentum beschrieben, so erldßt uns Sidonius auch die Beschreibung des feinigen nicht, und durch biefe und dhnliche Schilderungen bekommen wir eine Vorstellung von dem Landleben eines Gallischen Großen im Sten Jahrhundert. In einer Epistel an feinen Freund Confentius erzählt Sidonius, wie der Tag bei diesem Freunde zugebracht wurde. Erft ging man in die Kirche, dann machte man Besuche in den Nachbars schlössern, aber schon sehr früh, denn um die vierte Stunde, d. h. um zehn Uhr, war man wieder zu Hause; dann folgten die Ländlichen Spiele, welche in diesen reichen Wohnungen üblich waren: Ball, Würfel, das, wie es scheint, ein

Spiel der eleganten einering ins Bad, dann

streckte man sich auf weiche Kiffen zwischen den Statuen der Masen hin, um zu diniren. Mit dieser Epistel kann man tus ein

Gedicht des Sidonius über das Schloß des

an den Ufern der Garonne verbinden. Das Lob dieser Wohnung wird in Appollo's Mund gelegt, der Bacchus auffordert, sich mit ihm bei Paulinus niederzulaffen. Tros des mythologischen Rahs mens, ist die Beschreibung höchst genau und sorgfältig. Hier wird nicht ein Tag auf dem Lande beschrieben, sondern eine voll ständige Landbefizung, aus Schloß und Zubehör bestehend. 3 fage Schloß, denn der burgus des Paulinus ist befestigt; die ganze Höhe, auf der es liegt, ist von Mauern umgeben und von hohen Thürmen beherrscht. Der Verfasser fügt hinzu, daß diefe Mauern allen Belagerungen widerstehen können; später spricht er von Wallen (propugnacula). Aus diesen für Vergnügen und Schuß zugleich bestimmten Wohnungen find die Burgen und Schlösser des Mittelalters hervorgegangen. Die Schlösser, wie mehrere andere Elemente des modernen Lebens, sind aus den Leßten Zeiten des Römischen Reichs herzuleiten.

1839.

die ausgezeichnetken Männer jeder Art eine Ehre darein, sich mit ihr zu beschäftigen, mochten fie nun ein Amt unter den Römis fchen Kaifern verwalten, oder im Dienst der Barbarenführer Rehen. Die Gothenfönige selbst liebten es, ihre diplomatische Korres fpondens im biühendßen, elegantesten Latein zu führen. Sidonius erzählt uns, daß er besonders gern mit einem feiner Söhne ein dem Menander entlebutes Stück von Tereng gelesen und die Nachahmung mit dem Original verglichen habe.

In der Philofophie rühmt er den Mamertus Claudianus, dessen Platonismus von keiner großen Tiefe feyn konnte, so viel ich aus der Schrift über die Smmaterialitde der Seele, womit er Faustus zu widerlegen suchte, schließen läßt. Sidonius felbft erinnert einen Freund daran, daß sie zusammen die Aristotelischen Kategorieen studirt haben. Außer den Platonikern und Peripas tetilern gab es Epilurder. Man spricht unaufhörlich von ihnen, um fie zu widerlegen; Salvian hatte sie schon bekämpft.

Bei Sidonius ist die Philosophie, wie alles Andere, aur Rhetorik geworden, doch sieht man, daß er die verschiedenen Systeme fannie. Er liebt es, seine Kenntnisse in dieser Besies hung selbst in feine Poefteen, in das Lob des Anthemius, hins einzutragen, Indem er die Studien dieses Kaisers beschreibt, adhlt er die vorzüglichsten Philosophen des Alterthums auf; bei Ariftoteles bedient er fich des merkwürdigen Ausdrucks:,,Die Neye, die Aristoteles mit Hülfe seiner Syllogismen legt. dem Hochzeitsgedicht seines Freundes Paulinus giebt uns Sidos nius, unter dem Vorwand, Paulinus sen ein Weiser, die Ge Alterthums in ein Pantheon, eine Idee, die im Mittelatter oft schichte der Philosophie und versammelt alle Philosophen des vorkommt und wovon Raphael's Schule von Athen" eine ers babene Darstellung ist. 970S 16 hom dug & nou

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In

Durch die Korrespondenz des Sidonius werden wir mit vielen zu seiner Zeit berühmten Gelehrten bekannt, deren Namen ohne ihn der Vergessenheit anheimgefallen wären. Indem er die Einen mit Virgil oder Homer, die Anderen mit Cicero vergleicht, fast er es nicht an jenem übertriebenen Lobe fehlen, das besons ders in Zeiten des Verfalls so reichlich ausgetheilt wird. Er richtet siebzig lobende Verse an Confentius und legt das ganze Alterthum zu seinen Füßen; wer hatte ohne dieses Geschwds ie etwas von Consentius gehört? Ein gewisser Johannes war nach Sidonius' Meinung der einzige Mann, der die Literatur retten fonnte; darum ist sie auch nicht gerettet worden. So wenig aber alle die, welche unser Autor rühmt, sein Lob verdienen, so ist es doch wichtig, zu wissen, daß es damals in Gallien eine große Anzahl Männer gab, die einen lebhaften Briefverkehr unters hielten und eine Art Freimaurerei oder literarischer Kamaraderie bilderen. Man kann diesen leßten Pflegern der alten Literatur einige Sympathie nicht versagen; die Herbstsonnen find blak, aber nach ihnen ist Alles Winter.

Sidonius selbst, tros aller Komplimente, die er feinen Freun den macht, fühlt zuweilen, daß die Literatur ihrem Tode nahe ist. In dieser Hinsicht geht er fortwährend vom Enthusiasmus zur Muthlosigkeit über; bald fagt er: Die Meisten treiben heute

Das Badehaus, das vor der edlen Wohnung lag, stand in Verbindung mit dem Fluß; es war von zahlreichen Säulen von rubrum antiquum getragen, und das Dach war vergoldet. Das Schloß bestand aus zwei Wohnungen, einer Winter und einer Sommerwohnung, deren jede eine andere Lage gegen Wind und Sonne einnahm; jede hatte ihre Säulenhallen und Bäder: in die Bader der Sommerwohnung stürzte durch Röhren ein Wassers strom aus der Höhe hinab. In der Winterwohnung ward durch Heizungsröhren überall eine fanfte Wärme verbreitet; auch der Schmuck der Künste fehlte in diesen reichen Wohnungen der,,unliterarische Literatur (illitteratissimis litteris vacant), indem Gallo Römer nicht. Sidonius erwähnt in der von ihm beschries benen ein Schlachtgemälde, welches den Kampf des Mithridates mit Lukullus darstellte, und ein anderes, auf dem jene ersten Scenen der Genesis dargestellt waren, die Michel Angelo an dem Plafond der Sirtinischen Kapelle und Raphael an den Gewölben der nach ihm benannten Logen gemalt hat. Auch Bibliotheken waren in diesen Gallischen Villa's, so gut wie Fresten und Ges mälde Galerieen. Sidonius erzählt uns, daß die Bibliothek seines Freundes Ferreolus in Nimes in drei Partieen getheilt war: die erite enthielt nur driftliche Bücher und war für die Frauen bes ftimmt; die zweite enthielt nur profane Bücher für die Männer, und die dritte war eine gemischte Bibliothek von heiligen und profanen Werken für beide Geschlechter. In diesen Bibliotheken wurden literarische und zuweilen theologische Konferenzen gehal ten; man disputirte daselbst über Origenes, der von der Kirche noch nicht verdammt war und beffen religiöse Meinungen die gebildeten Geister Galliens beschäftigten.

er sich selbst einen jener Barbarismen erlaubt, die ihn so sehr betrübten und den Tod der Lateinischen Sprache beweinen ließen; bald rief er, daß in dem Schiffbruch aller gesellschaftlichen Größen die Literatur das Einzige ware, was den Menschen Edles bliebe. Bu anderen Zeiten fah er beffer und urtheilte richtiger; dann sprach er von der Welt, wie von einem erschöpften, ohnmachtigen Greife. Anderswo ruft er denen, die, feiner Meinung nach, aus nahmsweise die Literatur und den Gefchmack noch aufrecht ers halten, zu Wenn Eure kleine Zahl die Reinheit der Sprache nicht vor dem Rost spisfindiger Barbarei rettet, so wird sie bald für immer vernichtes fenn."

Sidonius flammert sich leidenschaftlich an den legten Rest der erlöschenden Kultur. Er dankt einem geriffen Arbogast, daß er in einer der barbarischen Provinsen an der Mosel die Lateinische Sprache aufrecht erhalt:,,Ich freue mich sehr, schreibt er ihm, daß wenigstens in Eurem edlen Hersen noch eine Spur der unters gehenden Liebe zur Literatur vorhanden is." Avers trot Arbogast und der übrigen Freunde des Sidonius, lag die alte Literatur in den Lesten Zügen: er selbst, wie wir sehen, verhehlte sich dies nicht, und bei all' feinem Enthusiasmus hatte er ein geheimes Vorgefühlt von dem Untergang der Lateinischen Literatur.

Dies sind die Hauptzüge aus den Werken des Sidonius, Bie ein Bild von der. damaligen Römischen Gesellschaft geben. Man findet darin die Barbaren im Moment der Eroberung, wie fie die Franzöfifche Civilisation bald angreifen, bald ihren Eins fluß erfahren. Die interessantesten und werthvollsten Particen in Sidonius Werken find die, in welchen von den Barbaren die Rede ist. Das Erscheinen dieser audringlichen Gäste ergriff ihn viel tiefer, als die blassen Helden seiner Panegyriken oder die mythologischen Personen, die er sprechen läßt, und das entschie den Ausgepragte in der Physiognomie feiner Muster theilte sich Briefe

chilbern energico bile dufichere Lage der Gallos Römer und ins besondere der Arvernen den barbarischen Stammen gegenüber, die sich um den Besiß ihres Landes stritten. ,,Eine fldgliche Beute in der Mitte zwischen zwei eifersüchtigen Völkern, vers dachtig den Burgundern, Nachbarn der Gothen, find wir der Wuth derjenigen, die uns angreifen, und der Eifersucht derer, die uns vertheidigen, ausgefeßt." (Schluß folgt.)

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mas Die Holländischen Armen - Kolonieen. (Schluß.) 9.

ant In Betreff des Düngers ist schon bemerkt worden, daß der General van den Bosch hierzu Hammel angeschafft hatte, welche das Heidekraut abweiden und im Winter sich mit wenigem heu begnügen. Dieses Thier gefellte sich also dem Ginster zu, um die Heiden zu befruchten. Zugleich wurden auch noch andere Mittel angewendet, um die Quantitat des Düngers zu vermeh ren. Das Heidekraut wird auf dem Boden der Schäfereien aus gebreitet. Eben so in den Kuhställen. Hier verfährt man auf zweierlei Weise: entweder man bereitet jedem Thiere eine Stren. welche alle Tage nebst den Erkrementen weggenommen wire, oder man bringt einen Ablaufsgraben an, welcher die Exkremente aufnimmt und sie nach außen abführt. Die zweite Methode ist reinlicher, die erste ergiebiger.

Man hat in den Kolonieen vergleichende Erfahrungen über Die Quantität und die Qualität des Düngers angestellt. Es ers giebt sich daraus, daß 100 Hammel eine Quantitat Dünger Liefern, welcher, der Quantität nach, dem von 10 Kühen, der Qualität nach, dem von 15 Kühen gleichlommt. Um einen Mor gen Landes zu befruchten, gebraucht man den Dünger von huns dert Hammeln, oder hundert Menschen, oder funfzehn Kühen, oder funfzehn Pferden. Wir laffen jeßt eine Uebersicht der Bes triebskosten und des Ertrages der Aerndten folgen:

Erstes Jahr. Kartoffelbau.

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Umwühlung des Bodens mit der Hacke in einer Tiefe
von 3 Fuß, macht für den Morgen.
Drei Bearbeitungen mit dem Pfluge
Preis der Ausfaat.

Für das Aussden

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Sämmtliche Kosten für einen Morgen Ertrag der Aerndte von 600 Scheffeln

...

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200 ፡

Verlust 12 Gulden.

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50 Gulden.

12 Gulden.

10 10

32 Gulden.

Sämmtliche Kosten für die Aerndie Seht man den Kartoffelbau im dritten Jahre fort, so Poftet die Aerndte nur 32 Gulden; nämlich:

Drei Bestellungen mit dem Pfluge... 12 Gulden
Saat und Arbeit bei der Saat. ..... 20:

Die Roggen Aerndte wird 25 Gulden Posten. Die beiden Merndten des dritten und vierten Jahres werden nur 37 Gulden Toften und einen Ertrag von 300 Gulden nebst dem Ginster geben. Die steigende Fruchtbarkeit des Bodens macht ihn geeignet, die vierte Aerndte su geben. Nach diesen Bemerkungen über die hier angewendete Methode wird man leicht einsehen, daß der jeßige Ertrag der Kolonieen das Resultat einer gelehrten Berech nung ist, welche sich auf eine genaue Ermdgung der anzuwens Denden Mittel und des gewünschten Resultates gründet. Man Beht daraus, daß die ersten Bedingungen der dem Boden mitges theilten Fruchtbarkeit der Dünger der Menschen, der Hammet und der Ginster gewesen sind; dasselbe Verfahren wird noch immer angewender.

Vergleicht man das, was diese Ländereien zur Beit ihrer Gründung waren, die Hinderniffe, gegen welche man ankämpfen

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rung, vergleicht man dies Alles mit den in den ländlichen Ans Halten bei der Verbesserung des Bodens, bei der Anordnung der. Arbeiten, in der inneren Verwaltung und der Disziplin der In dividuen bewirkten Resultaten, so kann man wohl sagen, daß verhaltnismäßig wenig zu wanschen übrig bleibt, und daß die fchwere Aufgabe, welche den landlichen Anstalten vorlag, ihrer Lösung ziemlich nahe ist.

Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist es schon ein großer Vortheil, daß die Bettler und Waisen in den Kolonieen unters gebracht werden, von welchem Gesichtspunkt aus man auch sonst die Frage betrachten mag. In der That gelingt es in den Kolo nice, fie für einen Preis su, nábrer und au fleiben, der weit ges ringer ist, als der in allen anderen derartigen Anstalten Hollands erforderliche. Und zu diesem Resultate gelangen die Kolonieen, indem sie den Reichthum des Bodens vermehren, indem sie einen bis dahin unfruchtbaren Boden der Kultur übergeben, indem fle Individuen, welche früher ein müßiges und umherschweifendes Leben führten, gute Erziehung und die Witter, ihr Leben auf eine ehrenwerthe Weife du fristen, an die Hand geben.

Die Wohlthätigkeits Gesellschaften, welche in Holland bestehen, und welche die Aufgabe haben, theils den Armen Unterstübungen zukommen zu lassen, theils allmatig die Armuth zu vermindern, theils auch fahre haben zur Ausführung dieser Plane im 1836 18 Millionen Gulden bestimmt und 14 Millionen wirklich verwendet. Würde diefe Summe zur Einrich tung und Unterhaltung ländlicher Kolonieen gebraucht, so könnten damit 500,000 Arme gekleidet, werden, wobei noch ausgedehnte Ländereien der Stultur In Betreff der Erziehung baben die kolonieen sehr inters Wir laffen hier eine Uebersicht der jungen folgen, welche im Jahre 1836 die von der Wohls. thätigkeits: Gesellschaft errichteten Schulen besuchten:.

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Die Primer: Schulen der Kolonieen find in Betreff der vers schiedenen Unterrichts- Gegenstände und der Methode ganz auf diefelbe Weise eingerichtet, wie die übrigen in Holland, die mit Recht so berühmt find. Die Ordnung, die Disziplin, die Reins lichkeit, die gute Haltung der großen Zahl junger Leute, welche fich in den acht Holländischen (dudlichen Kolonieen befinden, können nur Bewunderung erregen.

Sonntag der 8. Juli war einer von den Tagen, welche ich in den Kolonieen subrachte; das Schauspiel, von dem ich Zeuge war, hat in meiner Seele den tiefsten Eindruck hinterlassen. Jus mitten der endlosen Ebenen, welche mit dem reichen Grün der Gemüsegarten bedeckt sind und welche von Kandlen und Alleen durchzogen werden, steigen die Hauptgebdude auf, in welchen die Waisen und Bettler wohnen; dann sieht man in gleichen Zwischen: räumen, so weit sich die Kolonieen erstrecken, die von den freien Kolonisten und ihren Familien bewohnten Häuser. Die Ankunft des Generals hatte unter der ganzen Bevölkerung die größte Freude erregt. Schon um zehn Uhr fing die Menge an, nach dem Tempel zu stromen, um dem Gott der Barmherzigkeit für die unverhofften Wohlthaten zu danken, mit denen er sie überbduft hatte. Auf verschiedenen Punkten der weiten Ebene spiegelten fich am Horizont die zahlreichen Kolonnen

Zusammenströmen der freien Kolonisten, der welche durch das

und der

Baifen gebildet wurden. Alle waren höchst reinlich gekleider, alle gefund, alle fröhlich und zufrieden. Die diteren und die junges ren Bewohner grüßten den General mit gleicher Ehrfurcht; die fröhlichen Gefichter der Kinder, ihr Lächeln und ihre Beweguns gen seigten die Liebe, welche fe für diefen wohlwollenden Bes chüßer empfanden. Man mußte es gefehen haben, um sich eine Borstellung von dem fröhlichen, belebten Schauspiele zu machen, das sich hier, fern von jeder bewohnten Gegend, inmitten dieser fandigen Fläche barbor.

Der proteftantische Tempel if ein großes, achteckiges Gebäude, um welches oben eine Gallerie herumiduft. In wenigen Augens blicken war der Kaum von Kolonisten und Waisen gefüllt, deren Bereinigung ein schwer zu beschreibendes Bild darbot. Die jun gen Waifenmädchen stimmten ein frommes Lied an. Hierauf folgte bie Prebigt, welche von der ganzen Gemeinde mit der größten Andacht angehört wurde, und wenn ich auch die Hollins bifchen Worte nicht verstand, so konnte ich doch den Eindruck bes urtheilen, den fle hervorbrachten. Mehr als einmal sah ich Thrds nen fließen, und ich konnte auf allen Gesichtern den Ausdruck re ligiöfer Empfindungen wahrnehmen. Ich betrachtete diefes Schaus

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