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Stadt Arvernum einsogen. Sidonius ward auf das feste Schloß Livia verbannt, dann nach Bordeaur zum König Eurich unter dem Vorwand einer Gesandschaft geschickt, in der That aber, damit man sich seiner Person versichern könne. Aus dem Gefängniß rettete ihn die Fürbitte eines jener Manner, die in den Dienst der Barbaren Häuptlinge traten, ihre Secretaire und Rathgeber wurden und oft der Sache der Civilisation dienten, indem sie den Herrn, den sie sich gewählt, civiliftrten. Ein solches Amt verwaltete Caffiodor bei Theoderich und Leo bei Eurich. Leo war ein Rhetor, ein ehemaliger Studiengenoffe des Sidonius; ihm schickte Sidonius das Leben Apollonius von Tyana; er spricht oft mit pomphaftem Lobe von ihm.

Sidonius wußte fich bald durch seinen Geist viel Einfluß auf den Barbarenkönig zu verschaffen. Er machte für ihn, was er für drei Römische Kaiser gemacht, einen Panegyrikus in Vers fen: Eurich erlaubte ihm endlich, in sein Bisthum zurückzukehren. Hier erwarteten ihn auf seine leßten Tage neue Verdrießlichkeis ten. Zwei Priester, die Anftifter_der_Gothischen Unterdrückung und der Verfolgung, welche die Familien Avitus und Apollinas ris, besonders aber Sidonius, ob ihres Patriotismus zu erfahren hatten, heßten einen Theil des Klerus und des Volks gegen ihn auf. Sidonius scheint seines geistlichen Ranges gewaltsam ents fest worden zu feyn, bis er später, über diese Verfolgungen triumphirend, seinen bischöflichen Stühl wieder einnahm. Er farb im Jahre 489, im Alter von 60 Jahren. 3. 3. Ampère.

Belgien.

Lüttich und seine Denkmäler. Fünfter Artikel.

Der Herzog von Burgund, Philipp der Gute, hatte den Bischof Johann von Hinsberg bewogen, ihn im Haag einst zu befuchen; nach einigen unter Festen und Vergnügungen aller Art verlebten Tagen wollte der Prälat wieder nach Lüttich zurücks Pehren und begab sich daher zum Herzog, um von ihm Abschied zu nehmen. Man fährte ihn in einen großen Saal, wo Philipp sich ganz allein befand; doch statt des freundlichen Empfanges und der Schmeicheleien, womit er sonst immer überhäuft wurde, machte ihm der Herzog, welcher einen Brief in der Hand hielt und sehr erzurnt schien, die heftigsten Vorwürfe: I erfahre hier schöne Dinge von Euch, herr Fürst", sprach Philipp; ift

es wahr, daß Ihr, uneingedent des Versprechens, welches Ihr mir für meinen Neffen, Ludwig von Bourbon, gegeben, ein Bündniß mit meinem größten Feinde, dem König von Franks reich, nachsucht? Send auf Eurer Hut, man spielt nicht unges straft mit mir!"

Johann von Hinsberg wollte einige Worte hervorstottern, aber Philipp hörte ihn nicht an und verließ den Saal, in wels chem der Bischof sehr unruhig zurückblieb. Wenige Augenblicke darauf holte man ihn dort ab und führte ihn in ein Kabinet, wo sich ein Franziskaner: Mönch in Begleitung des Henkers bes fand, der ein schwarzes mit Seide gefüttertes Luch und das bloße Schwert trug.Hochwürdigster Herr", sprach der Priester,,,Ihr habt unserem Herrn nicht Wort gehalten, denn Ihr hattet ihm. versprochen, Eurem Bisthum zu Gunsten seines Verwandten ́zu entsagen. Er gestattet jegt keinen Aufschub mehr, entfaget sur Stunde oder denkt an Euer Seelenheil." Der Bischof, vor Schreck schon halb todt, that Alles, was man von ihm verlangte, und nun ließ man ihn abreifen.

Auf diese Weise gelangte der erst achtzehnjährige Ludwig von Bourbon zur Oberherrschaft über Lüttich; der Papst Kalirtus III., dem Philipp seine mächtige Hülfe gegen die Türfen auficherte, schickte ihm die erforderlichen Päpstlichen Bullen zu; das Doms Papitel wurde aber bei dieser Ernennung gar nicht zu Rathe ges jogen. Diese Regierung ist gewiß eine der bewegteften und dramatischsten in Lüttichs Geschichte. Auf der einen Seite ragen hervor Raes von Heers, Baré von Surlet, Johann von Bille, der Graf von Berlo, Georg Straithe, Vincenz van Bueren, auf der anderen aber Ludwig von Bourbon, von Humbercourt, Ludreig XI. und Karl der Kühne; da giebt es hohe Gestalten ju malen und große Begebenheiten zu erzahlen, wie die Schlacht

sechshundert Franchimonteser.

Ludwig von Bourbon war ein Herr von einnehmendem Aeußeren, von umgänglicher, heiterer Gemüthsstimmung, und er verstand sich ganz vorzüglich auf alle ritterliche Uebungen seiner Zeit; doch war er vergnügungs und geldfüchtig und entfrems dete fich die Herzen der Bürger und der Edlen durch seinen anmaßenden Stolz. Als man ihm bald nichts mehr leihen wollte, erpreßte er Gold durch tausend schmähliche Mittel und ließ selbst schlechtes Geld prägen, dem er einen übermäßig hohen Werth beilegte. Das von allen Seiten bedrdngte Volk rächte sich an dem Fürsten durch Sticheleien und belegte ihn ganz öffentlich mit dem Spignamen des Bischöflichen Bettlers oder des ersten Bettlers des Landes. Von Tag zu Tage steigerte sich die Aufs regung; die Bürger wurden von ihren Tribunen aufgereist, unter denen der berühmte Raes von Heers obenan stand; Ludwig von Bourbon befolgte die treulofen Einflüsterungen seiner Hofleute, so daß jede Aussöhnung fast unmöglich wurde. Andere geheime

Ursachen fachten die Flamme immer mehr an, denn die Könige von Frankreich, welche auf die immer wachsende Macht ihres Vasallen, des Herzogs von Burgund, eifersüchtig waren, den man im Auslande den,,großen Herzog im Westen" nannte, trugen nach ihren Kräften dazu bei, die Unruhen in seiner Nachs barschaft zu befördern, und reizten durch allerhand trügerische Versprechungen den schon so unruhigen Geist der Lütticher immer mehr auf. Im ßle fefter an sich zu ziehen, schloß_Karl VII, mit ihnen 1460 einen Handelsvertrag, kraft deffen sie aus seinem Reiche alle Arten Waaren entnehmen und dafür die ihrigen unter sehr vortheilhaften Bedingungen zum Austausch senden konnten; auch waren sie von dem Heimfallsrecht und allen Abgaben frei. Dieselbe Politik befolgte auch Ludwig XI. und befand sich dabei sehr wohl.

Immerwährende Unruhen waren die Folgen dieser Intriguen. Die Stadt Dinant, welche fich dem Herzog von Burgund widers feste, wurde von Grund aus zerstört, und flieben Monate waren Arbeiter fortwährend mit ihrer Vernichtung beschäftigt. Auf diese schreckliche Katastrophe folgte die unglückselige Schlacht bei Brusteim den 28. Oktober 1467, wo die Lütticher, trog ihrer Wunder von Tapferkeit, gänzlich beflegt wurden und ihre ausges zeichnetsten Hauptleute verloren. Wenige Tage darauf nahm der Herzog von Burgund Befig von Lüttich, und um feinen Einzug recht glausend halten zu können, ließ er das St. Margarethens Thor einreißen, die Gräben ausfüllen und zwanzig Toisen von der Stadtmauer zerstören; die vornehmsten Einwohner gingen ihm barfuß und im Hemd entgegen; in der Straße St. Severin stand eine doppelte Reihe von Flehenden, an der einen Seite die Priester, an der anderen die Bürger, alle mit unbedecktem Haupt und eine Fackel in der Hand, um dergestalt Abbitte zu thun. Am 26. November 1467 berief Karl der Kühne die Lütticher in den Bischöflichen Palast, wo gewöhnlich die Volkss Verfammslungen gehalten wurden,, nahm dann auf einer Erhöhung am dußersten Ende der geräumigen Halle Plaß und ließ mit lauter und deutlicher Stimme die berühmte Sentens gegen die Res bellen vorlesen, durch welche er alle Vorrechte der Bürger aufhob, diese gänzlich unter seine Oberherrschaft beugte, fie su einer unermeßlichen Geldbuße verdammte und endlich anbefahl, daß die Mauern und Festungswerke Lüttichs und der anderen dazu gehörigen Städte auf ewige Zeiten geschleift werden und die Bürger hinführo nie mehr Vertheidigungs-Waffen tragen sollten. Nach beendigter Vorlesung erhob sich der Kanzler des Herzogs von Burgund, Herr Peter von Gour und von Wedergate, und fragte die Bürger, ob sie gewilligt waren, diesen Urtheilsspruch seines sehr mächtigen Herzogs anzunehmen und denselben treu und offen zu befolgen. Alle erhoben darauf die Hand und riefen: ,,Ja, ja, wir schwören!" Dieselbe Frage wurde dem Bischof und den Domherren vorgelegt und eben so beantwortet.

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Mannigfaltiges.

Die Geschichte der Stuarts. Herr Hipp. Fortoul, ein Französischer Gelehrter, den auch die Leser des,,Magazins“ schon durch mehrfache historische Aufiche kennen, die wir von ihm mitgetheilt, hat jest eine Monographie zur Geschichte des Hauses Stuart herausgegeben. *) Die Geschichte dieses Hauses hat für die Franzosen besonders darum ein so lebhaftes Interesse, weil sie manche Aehnlichkeit mit der Geschichte der älteren Linie der Bourbonen darbietet. Schon in der Restaurations - Periode haben deshalb auch die Forschungen Chateaubriand's und Guizor's über die Stuarts großes Aufsehen gemacht, und besonders die Vorlesungen des Letteren, feine Hinweisung auf die Ereignisse, welche die Revolution von 1688 herbeigeführt, wurden als pros phetische Warnungszeichen angesehen, die sich später nur allzu sehr bewahrt und nicht wenig dazu beigetragen haben, dem Pros feffor Guizot cinen weit über Verdienst bedeutenden Ruf als Staatsmann zu erwerben. Herr Fortoul giebt in seinem Werke die Geschichte der Familie Stuart von ihrem frühesten Auftreten in Schottland bis zu ihrem leßten in Rom als Kardinal verstorbenen Abkömmling. Der Verf. sucht nachzuweisen, daß diese Familie Ponsequent von ihrer ersten in der Geschichte vorkommenden Ers scheinung bis zu ihrem Verschwinden die Idee des frengen Katholizismus und des starren Festhaltens am Hergebrachten vers folgt habe, und daß fie an dieser Idee zu Grunde gegangen sey. Ihre Kämpfe, ihre Schicksale, ihr Unterliegen erscheinen dadurch um so tragischer; es ist, als hätte ein Fatum, das der Ahnherr der Familie herauf beschworen, bis zu dem leßten Sprößling ders selben unabwendbar seine Macht über sie geübt. Man kann, ja man muß die Stuarts tadeln, indem man ihre Geschichte lieft, aber man wird sich dabei auch einer lebhaften Theilnahme nicht enthalten können, einer Theilnahme, die nicht weniger an Bes wunderung als an Mitleiden grdngt.

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vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

ᏗᎴ 118.

für die

Expedition (Friedrichs-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohlöbl. Post - Aemtern.

Literatur des des Auslandes.

Berlin, Mittwoch den 2. Oktober

England.

Shelley's Vorschläge zur Regeneration des Menschengeschlechts.

Der nachstehende Auffah wurde aus Shelley's Queen Mab entlehnt. Es ist diesem an großen Schönheiten so reichen Ges dichte namlich noch ein auf einzelne Verse desselben bezüglicher Anhang in Prosa beigefügt, welcher des Autors reformatorische Ideen in gedrängter Uebersicht enthält. So sehr man auch Shellen bisher in England wegen feiner religiösen, politischen und focialen Meinungen anfeindete, und so sehr diese selbst auch zuweilen den Charakter des Webertriebenen und Utopischen an sich tragen, so muß man doch, wenn man sich übelwollender Vors urtheile entschlagen hat, eingestehen, daß alle Aussprüche dieses seltenen Dichters aus einem großen, für das Wohl der Mensch beit feurig schlagenden Herzen kamen. Er tadelt das Bestehende nicht um irgend eines egoistischen Zweckes willen, sondern weil er im Drange seines vorwärtsstrebenden Geistes, der sich zur Schau der Ideale emporgeschwungen, das Beffere fah und es auf Erden zur Beglückung aller Menschen eingeführt wissen wollte. Wir wählten von seinen Bemerkungen den Theil, in welchem er sich über einige Grund-Elemente feiner Verbesserungss Theorie verbreitet und von der Nothwendigkeit einer Rückkehr zur naturgemäßen Lebensweise spricht. Schade, daß der Stil Shelley's, wie in seiner Poesie, so auch in seiner Prosa, oft dunkel und lax ist.

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Ich glaube, daß die Verdorbenheit der physischen und mos ralischen Natur des Menschen von seiner unnatürlichen Lebens; weise herrührt. Der Ursprung des Menschen liegt, gleich dem Des Universums, von dem er ein Theil ist, in undurchdringliches Dunkel vergraben. Seine Geschlechter hatten entweder einen Anfang, oder sie hatten keinen. Das Gewicht der Evidenz zu Gunsten einer jeden dieser beiden Aunahmen scheint ziemlich gleich, und es ist dieser Punkt auch für die hier aufgenommene Streitfrage völlig bedeutungslos. Die Sprache, welche von der Mythologie beinahe aller Religionen gesprochen wird, scheint zu beweisen, daß der Mensch in irgend einer entfernten Periode die Pfade der Natur verlassen und die Reinheit und das Heil seines Senns unnatürlichen Gelüsten geopfert hat. Die Zeit dieses Ers eignisses scheint auch die irgend einer großen Veränderung in den Klimaten der Erde gewesen zu seyn, mit welcher es in offenbarer Verbindung steht. Die Allegorie von Adam und Eva, wie fie vom verbotenen Baume essen und auf ihre Nachkommenschaft den Zorn Gottes und den Verlust des ewigen Lebens vererben, läßt keine andere Erklärung zu, als daß aus naturwidriger Lebens, art Krankheit und Verbrechen entstanden. Milton war davon so fehr überzeugt und nahm so viel Rücksicht darauf, daß er auf folgende Weise Raphael dem Adam die Folgen seines Ungehor: sams vorhalten läßt:

Unmittelbar vor seinen Blicken
Lag da ein Plaß, verödet, häßlich, finster:
Es schien ein Krankenhaus; darinnen lag
Von Siechen jede Gattung; alle Leiden
Graunvoller Krämpfe, Folterqualen, Wallung
Herskranken Kampfes, aller Fieber-Arten

Konvulsionen, Fallsucht und Katarrh,

Der innre Stein, Geschwüre, Kolikyein,

Damon'sche Tollwuth, melancholisch' Träumen,
Nachtwandler-Wahn, verzehr'nde Atrophie,

Die Vest voll Mordgier, Schwindsucht, Wasserfucht,
Asthma und gliederstreckend' Reißen.

Und wie viele tausend Leiden mehr noch könnten diesem schreck, lichen Verzeichniß beigefügt werden?

Die Geschichte von Prometheus hat hiermit die größte Aehns lichkeit, und obgleich man im Allgemeinen ihre allegorische Be deutung eingeräumt hat, wurde sie doch noch nie genügend ers fidrt. Prometheus stahl das Feuer vom Himmel und ward für dieses Verbrechen an den Kaukasus angeschmiedet, wo ein Geier fortwährend seine Leber verzehrte, welche zur Stillung seines Hungers immer wieder wuche. Hesiod sagt, daß die Menschen vor der Zeit des Prometheus von Leiden frei waren, daß sie sich einer blühenden Jugend erfreuten, und daß der Tod, wenn er endlich kam, sich dem Schlafe gleich näherte und sanft ihre

1839.

Augen schloß. Desgleichen so allgemein war diese Meinung -schreibt Horaz, ein Dichter der Augusteischen Zeit:

Japetus Geschlecht, das kecke,

Verlich den Sterblichen durch bösen Trug das Feuer;

Doch als man aus des Himmels Wohnung

Des Feuers Strahl geraubt, belagerten die Erde

Schwindfucht und neuer Fieber Schaaren;

Und es beschleunigte den Schritt der Tod, der langsam Und spät im Alter sonst sich nahte.

"

Horaz Od. 1. 3.

Wie deutlich ist die Sprache, welche diese Alle führen! Prometheus, der das menschliche Geschlecht vorstellt, brachte irgend eine große Veränderang in der Beschaffenheit seiner Nas tur hervor, er wendete das Feuer zum Zweck des Kochens an und erfand so ein Mittel, um seinen Widerwillen vor dem Grauen der Fleischbänke abzuwehren. Von diesem Augenblick an wurden seine Lebenskräfte von dem Geier der Krankheit aufgefressen. Diese verzehrte sein Wesen unter jeder Gestalt ihres Efels und ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit, indem sie die erschreckenden Vorfälle frühzeitigen und gewaltsamen Todes herbeiführte. Alle Laster entstanden aus dem Untergange der gesunden Unschuld. Tyrannei, Aberglaube, Handel und Ungleichheit wurden damals zuerst bekannt, als die Vernunft vergeblich versuchte, die Jrre fahrten der aufgeregten Leidenschaft zu lenken. Ich schließe diesen Theil der Betrachtung mit einem Auszuge aus Newton's Defence of Vegetable Regimen, woraus ich diese Interpretation der Fabel von Prometheus entlehnt habe. Wenn man derlei Verseßung der einzelnen Begebenheiten in der Allegorie mit in Anschlag bringt, wie sie die Zeit gestalten mochte, nachdem die wichtigen Wahrheiten vergessen waren, welche dieser Theil der alten Mythologie fortzupflanzen beabsichtigte, scheint der Sinn der. Fabel dieser zu seyn: Der Mensch war bei seiner Erschaffung mit der Gabe fortwährender Jugend bekleidet, d. h. er war nicht gebildet, um ein elendes, fieches Geschöpf zu seyn, wie wir ihn jest sehen, sondern sich steter Gesundheit zu erfreuen und gang allmdlig in den Schoß seiner Muttererde zurückzusinken, ohne Krankheit und Mühe. Prometheus lehrte zuerst den Gebrauch thierischer Nahrung (primus bovem occidit Prometheus) und des Feuers, um durch dasselbe jene verdaulicher und schmackhafter zu machen. Jupiter und die übrigen Götter, welche die Folgen dieser Erfindungen vorhersahen, waren erfreut oder erzurnt über die Purssichtigen Pläne des unlängst gebildeten Geschöpfs und ließen es die traurigen Wirkungen derselben in Erfahrung brins gen. Alsbald stellte sich der nothwendige Begleiter der Fleischs Speise (vielleicht aller durch Kochkunst verderbten Nahrung), der Durst, ein; man nahm zum Wasser seine Zuflucht, und der Mensch verscherzte die unschäßbare Gabe der Gesundheit, welche er vom Himmel empfangen hatte; er wurde fiech, sein Daseyn wurde unsicher, und nicht länger mehr stieg er allmdlig in sein Grab." **)

Gerechtes Siechthum folgt auf Schwelgerei,
Und Tod führt seinen Racher ftets herbei;
Die Leidenschaft, entsproffen diesem Blut,
Kehrt' gegen Menschen wild'rer Menschen Wuth.

Nur der Mensch und die Thiere, welche er durch seine Gesellschaft angesteckt oder durch seine Herrschaft verdorben hat, sind siech. Das wilde Schwein, der Auerochs und der Wolf find völlig frei von Krankheit und sterben immer nur entweder durch fremde Gewalt oder durch natürliches Altern. Aber das Hausschwein, das Schaf, das Rind, der Hund sind einer unglaube lichen Menge Unfällen ausgesezt und haben, gleich den Verders bern ihrer Natur, Aerzte, welche durch ihr Elend gedeihen. Der Vorrang des Menschen ist, gleich dem des Satan, ein Vorrang der Qual; und der größere Theil seines Geschlecht, dem Mangel, der Krankheit und dem Verbrechen unterworfen, hat Grund, der schlimmen Verfall zu verfluchen, welcher ihn dadurch, daß er ihn in Stand feßte, seine Empfindungen mitzutheilen, über seine Mitgeschöpfe erhob. Aber die Schritte, die einmal gethan find, fann man nicht mehr umlenken. Das Ganze des menschlichen Wissens ist in der einen Frage: begriffen: Wie können

*) Prometheus tödtete zuerst ein Rind. Plin. H. N. VIII. 57. Rückkehr zur Natur." Cadell, 1811.

die Vortheile der Geistesbildung und Civilisation in Uebereinstims mung gebracht werden mit der Freiheit und den reinen Freuden des Lebens nach der Natur? Wie können wir erlangen die Vors theile und vermeiden die Uebel eines Systems, welches gegens wärtig mit allen Fasern unseres Seyns verwachsen ist? Ich glaube, daß die Enthaltung von thierischer Nahrung und spirituos fen Getränken uns in großem Maße zur Auflösung dieser wichtis gen Frage fähig machen würde.

Es ist wahr, daß geistige und körperliche Entartung zum Theil anderen Abweichungen vom richtigen Wege und von der Natur, als denen, welche die Nahrung betreffen, beigemessen werden müssen. Die von der Gesellschaft gepflegten Uebelstände beziehen sich auf die Verbindung der Geschlechter, woraus das Elend und die Krankheiten unbefriedigten Geschlechtstriebes, genußloser Unzucht und die allzu frühe Pubertät nothwendig ents springen; auf die faulige Atmosphäre volkreicher Städte; die Ausdünstungen chemischer Prozesse; die Einbüllung unserer Kör per in überflüilige Gewänder, die sinnlose Behandlung der Kins alle diese und unzählige andere Ursachen tragen ihr Theil zu der großen Masse menschlicher Uebel bei.

Der

Die vergleichende Anatomie lehrt uns, daß der Mensch den fruchteffenden Thieren in jeder Hinsicht, den fleischfressenden in keiner ähnelt; er hat weder Krallen, um seine Beute zu ergreifen, noch auch besondere scharfe Zähne, um die Sehnen zu zerbeißen. Ein Mandarin erster Klasse, mit Nägeln von zwei Zoll Länge, würde diese wahrscheinlich noch unzulänglich finden, um auch nur einen Hafen festzuhalten.

Um der Schwelgerei zu dienen, muß der Stier zu einem Ochsen verstümmelt werden, der Schafbock zu einem Hammel durch eine unnatürliche und unmenschliche Operation, damit die schlaffe Fiber der empörten Natur schwächeren Widerstand leisten möge. Es rührt einzig von der Weichmachung und Veränderung durch das Kochen und die Zubereitung her, daß man im Stande ist, todies Fleisch zu kauen und zu verdauen, und daß der Anblick seines blutigen Saftes und seines rohen grauenvollen Aussehens nicht unerträglichen Ekel und Widerwillen erregt. Laßt den Vertheidiger der thierischen Nahrung sich selbst zwingen zu einem entscheidenden Experimente seiner Lauglichkeit, laßt ihn, wie Plutarch empfiehlt, ein lebendiges Lamm mit seinen Zähnen zers reißen und, seinen Kopf in die Eingeweide desselben tauchend, heinen Durst mit dem dampfenden Blute löschen; noch naß von der Schreckensthat, laßt ihn zurückkehren zu den unwiderstehlichen Trieben der Natur, welche sich gegen sie zu Gericht erheben wollten, und sagen: die Natur hat mich für solch' ein Unterneh, men, wie dieses, gebildet. Dann, und allein dann würde er so Recht daran thun.

Der Mensch gleicht nicht dem fleischfreffenden Thiere. Es giebt keine Ausnahme, wenn eben der Mensch nicht allein eine ist, von der Regel, daß die früchteeffenden Thiere zellenartige Grimmdärme haben.

Der Orang Utang gleicht dem Menschen vollkommen, sowohl in der Ordnung, als auch in der Zahl seiner Zähne. Er hat mit dem Menschen die meiste Aehnlichkeit unter dem Geschlecht der Affen, die sich alle bloß von Früchten nähren. Es giebt keine andere Gattung von Thieren, die von verschiedener Nahs rung leben, bei welchen diese Analogie sich vorfindet. *) Bei manchen früchteeffenden Thieren sind die Hundsadhne weit spiser und hervortretender, als die des Menschen. Auch der menschliche Magen hat mit dem des Orang Utang weit größere ́Aehnlichkeit, als mit dem irgend eines anderen Thieres.

Die Eingeweide des Menschen sind auch denen der pflanzens effenden Thiere gleich, welche eine breite Außenöffnung zum Einschlucken zeigen und weite und zellenartige Grimmdärme haben. Auch das Coecum, obgleich kurz, ist breiter, als das der fleisch; fressenden Thiere; und gerade hier bietet der Orang-Utang wieder feine gewöhnliche Aehnlichkeit dar.

Die Bauart des menschlichen Leibes in jedem wesentlichen Theile ist die eines Geschöpfes, das nur auf vegetabile Nahrung angewiesen ist. Es ist wahr, daß das Widerstreben, von thieris scher Nahrung abzustehen, woran wir durch die Leckerheit dersels ben so lange gewöhnt waren, bei manchen Personen von schwachem Geifte so groß ist, daß es schwerlich besiegt werden dürfte; aber hierin liegt auch nicht im entferntesten ein Beweis für die Zweckmäßigs keit jener. Ein Lamm, welches einige Zeit lang von der Manns schaft eines Schiffes mit Fleisch gefüttert worden war, wies am Ende der Reise seine natürliche Nahrung zurück. Es giebt zahls reiche Beispiele von Pferden, Schafen, vom Rinde und sogar von

Porter verursacht. Unverfälschter Instinkt irrt sich durchaus nie; mals; aber sich für die Zweckmäßigkeit thierischer Nahrung wegen der verderbien Gelüfte zu entscheiden, welche die erzwungene Annahme jener erzeugt, daß heißt einen Schuldigen zum Richter in feiner eigenen Angelegenheit machen; gerade als wollte man bei einer Untersuchung über die Heilsamkeit des Branntweins fich auf einen Trinker von Profession berufen.

Was ist die Ursache krankhafter Aeußerung im animalischen System? Nicht die Luft, welche wir athmen; denn alle Mitges schöpfe in der Natur athmen dieselbe ohne Schaden ein; nicht das Wasser, welches wir trinken, wenn es nicht durch den Mens schen und feine Erfindungen verdorben ist), denn die Thiere trinken es auch; nicht die Erde, auf welche wir treten; nicht der unentßtellte Anblick der Natur in Wald und Feld, oder die Auss dehnung des Himmels und Oceans; nicht das, was wir gemeins fam find oder thun mit den gesunden Bewohnern des Waldes. Rein, etwas, worin wir uns von ihnen unterscheiden; unsere Kleidung, unfere durch Feuer bereitete Speise, so daß unser Ges list nicht länger mehr ein wahres Kriterium für das zu seiner Befriedigung Zweckmäßige ist. Ausgenommen bei den Kindern, bleiben nirgends die Spuren jenes Instinkts zurück, der bei allen anderen Thieren bestimmt, welche Nahrung natürlich, welche es nicht sey; und sie sind so vollkommen verwischt bei den mit Urs theil begabten Erwachsenen unseres Geschlechts, daß es nothwendig geworden ist, Gründe aus der vergleichenden Anatomie zu entleh nen, um zu beweisen, daß wir von der Natur zur Pflanzenkost bestimmt sind.

Verbrechen ist Wahnsinn. Wahnsinn ist Krankheit. Wenn die Ursache der Krankheit entdeckt ist, so wird die Wurzel, aus welcher alle Lafter entsprungen, der Art bloßliegen. Alle Ans strengungen des Menschen können von diesem Augenblick an als auf den klaren Vortheil seines Geschlechis abzweckend betrach tet werden. Kein gesunder Geist in einem gefunden Körper ents schließt sich zu einem wirklichen Verbrechen. Nur ein Mensch von heftigen Leidenschaften, blutunterlaufenen Augen und stroßens den Adern kann das Messer des Mordes ergreifen. Das System einer einfachen Nahrung verspricht nicht Utopische Vortheile. Es giebt leine völlige Reform der Geseßgebung, so lange die wilden Leidenschaften und bösen Neigungen des menschlichen Hers sens, denen jene eben ihren Ursprung verdankt, noch nicht besänfs tigt find. Jenes hat es auf die Wurzel alles Uebels abgesehen und ist ein Versuch, welcher mit Erfolg nicht nur von ganzen Nationen, sondern auch von kleinen Gesellschaften, Familien und Individuen gemacht werden kann. In keinem Falle hat die Rückkehr zur Pflanzenkost auch nur das geringste Uebelbefinden verursacht; in den meisten ist es von unleugbar wohlthätigen Kols gen begleitet gewesen. Sollte je ein Arzt geboren werden mit Locke's Genius, so bin ich überzeugt, er würde alle körperliche und geistige Berrüttungen verfolgen bis zu unserer unnatürlichen Lebensart, so deutlich, wie dieser Philosoph all unser Erkennen bis zur sinnlichen Empfindung verfolgte. Welche reiche Quellen von Krankheit sind nicht jene mineralischen und vegetabilischen Gifte, die eben als Heilmittel eingeführt find! Wie viele Tausende find Mörder und Räuber, Fömmler und Haus, tyrannnen, liederliche und verworfene Abenteurer geworden durch den Gebrauch gegohrener Flüssigkeiten; Tausende, welche, waren fie, um ihren Durst zu stillen, beim bloßen Wasser geblieben, nur gelebt hatten, um die Wonne ihrer eigenen unverdorbenen Gefühle zu verbreiten. Wie viele grundlose Meinungen und absurde Einrichtungen haben nicht eine allgemeine Billigung erhalten durch die Trunksucht und Unmäßigkeit Einzelner! Wer wird behaupten, daß die Bevölkerung von Paris, hätte sie ihren Hunger an der immer bestellten Tafel der Pflanzennatur geftillt, ie ihre übermüthige Beiftimmung zu den Proscriptions Listen Robespierre's gegeben haben würde? Könnte ein Geschlecht von Menschen, deren Neigungen nicht durch unnatürliche Antriebe verdorben worden, mit kalter Ruhe auf ein Autodafé hinblicken? Ist es glaublich, daß ein Wesen von Zartgefühl, indem es von seinem Mahl von Wurzeln aufsteht, an blutigen Spielen Vergnüs gen fånde? War Nero ein Mann von mäßiger Lebensweise? Würdet ihr auf seinen von dem unbändigen Hang zum Menschens haß glühenden Wangen milde Gesundheit haben erblicken können? Schlug Muley Ismael's Puls gleichmäßig, war seine Haut sart durchsichtig, strahlten seine Augen von Gefundheit und ihren Reten Begleitern, Frohsinn und Wohlwollen? Obgleich die Geschichte keine dieser Fragen entschieden hat, so würde doch ein Kind nicht anstehen, mit Nein" " zu antworten. Sicherlich sprechen die von alle unterlaufene bare e naparte, feite gelbes Auge und die unaufs hörliche Unruhe feines Nervensystems den Charakter seines ruhes losen Ehrgeizes nicht weniger deutlich aus, als seine Menschens todtungen und feine Siege. Es ist unmöglich, daß Bonaparte, wäre er aus einem Geschlecht von Vegetabilien- Effern entspruns Bourboneneigung der die Macht gehabt hätte, den Thron der zu besteigen. Das Verlangen nach Tyrannei wäre schwerlich im Individuum rege geworden, die Macht, zu tyrannis firen, ihm von einer Gesellschaft, welche weder durch Trunk in Wahnsinn gerathen, noch durch Krankheit unfähig und vernunfts

ibre natürliche Speise anwiderte. Junge Kinder ziehen offenbar Orangen, Aepfel und andere Früchte dem Fleisch der Thiere vor, bis, durch die allmatige Verschlechterung der Verdauungs: Organe, der freie Gebrauch der Vegetabilien eine Zeit lang bedeutende Beschwerden verursacht: eine Zeit lang, sage ich, da es seits her kein Beispiel gab, wo eine Bertauschung fpirituöser Getränke mich hieriider Nahrung mit Begetabilien und reinem Wasser Mildmachung und Verbesserung der Säfte und dem Geifte jenen Frohsinn und jene Spannkraft wiederzuverleihen, welche nach dem jeßigen System unter Funfsig nicht Einer befibt. Liebe zu stars Ten Getränken bringt man Kindern auch nur schwer bei. Wohl Jeder erinnert sich der schiefen Gesichter, welche das erste Glas

zusammengezogenen Brauen, an binge von Fleisch leben leren, fenbar

* Cuvier, Leçons d'Anat. Comp. b. III. S. 469, 373, 448, 465, 490.

* Die Nothwendigkeit, Mittel zur Reinigung des Wassers anzuwenden, um die Krankheiten, welche in civilisirten Ländern durch seine Verderbung entiteben, su verhüten, ist zur Genüge einleuchtend. Slehe Dr. Lambe's Bes richt über den Krebs. Ich behaupte nicht, daß der Gebrauch des Waffers an sich selbst unnatürlich ist, sondern daß der unverdorbene keine Flüssigkeit,

gewesen ware, gewiß nicht übertragen worden. Wahrhaftig, son erschöpfligem Elend ist die Unterdrückung des Instinkts fching indem er ja unfere physische Natur bestimmi; die Rechenkun kann die zahlreichen Quellen des llebelbefindens im civilifirten eben nicht herzählen, keine Untersuchung sie alle aus wittern. Gerade z. B. das gewöhnliche Waffer, dieses anscheis nend unschädli e pabulum, ist, sobald es durch den Schmuß volks reicher Städte werdorben, ein tödtlicher und heimtückischer Zerstö rer.) Wer kann sich wundern, daß alle die Anregungsmittel zur Tugend, welche Gott selbst in der Bibel hinstellt, vergeblicher und von geringerer Wirkung gewesen find, als die Erzählung einer Amme; und daß jene Glaubenssäte, durch welche er die wildesten Neigungen erregt und gerechtfertigt hat, einzig und allein für wesentlich gegolten haben, so lange Christen alle jene Lebensgebräuche tagtäglich ausüben, welche nicht nur die verwor fenen Söhne, sondern auch diese begünstigten Kinder der Liebe des Vaters Aller mit Krankheit und Verbrechen angesteckt haben? Die Allmacht selbst konnte sie von den Folgen dieser Erb, und allgemeinen Sünde nicht erretten.

Es giebt keine Krankheit, weder des Körpers, noch des Geistes, welche die Anwendung der Pflanzenkost und des bloßen Waffers nicht untrüglich gelindert hatte, wo nämlich der Versuch auf vernünftige Weise angestellt wurde. Schwäche wurde allmä lig in Starke, Unwohlseyn in vollkommene Gesundheit umgewans delt: Wahnsinn in all seiner schrecklichen Mannigfaltigkeit, von dem Rasen des gefesselten Tollen bis zu den unberechenbaren Jrra tionalitäten übler Laune, welche eine Hölle im häuslichen Leben erzeugt in eine stille und bedachtige Gemüthsruhe, die allein ein ficheres Unterpfand der künftigen moralischen Reformation der Gesellschaft darbieten dürfte. Bei einem natürlichen System der Nahrungsweise ware hohes Alter unsere lehte und einzige Krankheit; das Ziel unseres Lebens würde weiter hinausgerückt werden; wir würden das Leben genießen und nicht länger Åndere, vom Genusse desselben ausschließen; alle sinnliche Vergnügungen würden weit ausgesuchter und vollkommener seyn; die wahre Empfindung des Seyns wäre dann eine fortgesette Wonne, so wie wir sie jest in einigen wenigen günstigen Augenblicken unserer Jugend empfinden. (Schluß folgt.)

Belgie n.

Lüttich und seine Denkmäler.

Sechster Artikel.

Die Stadt Lüttich zählte zur Zeit Karl's des Kühnen mehr als 120,000 Einwohner, doch verminderte sich diese Zahl bedeutend durch die harten Bedrückungen und politischen Profcriptionen des Her zoglichen Stellvertreters Humbercourt, der sich in Lüttich auf dem Pont d'Ile wie in einer Festung verschanzte, nur von seinen Gars den begleitet durch die Stadt_ritt und so allen denen Troß bot, die durch seine beständigen Bedrückungen erbittert wurden. Die Freiz treppe, das Symbol der Lütticher Freiheiten, welches aus dem Stadt: wappen schon verbannt war, ließ er vom Latticher Marktplaß nach Brügge bringen und auf der dortigen Börse mit einer für Lüttich schimpflichen Inschrift aufstellen. Als er einst die Stadt verlassen hatte, um sich zum Burgundischen Herre zu begeben, zeigte sich ganz unvermuthet ein zahlreicher Haufe elender, ganz abgemagerter und entstellter Männer vor den Thoren von Lüttich; es waren die Vers bannten, die schon seit Monaten im Ardenners Walde umherirrten und nun ihre Vaterstadt wiedersehen wollten, um wenigstens dort zu sterben. Der Päpstliche Legat verwandte sich für sie, und gewiß hatte derselbe eine Aussöhnung zwischen ihnen und Ludwig von Bourbon zu Stande gebracht, wenn nicht der unbeugsame Stols Karl's des Kühnen dazwischen getreten wäre. Kaum hatte dieser in Peronne erfahren, daß Lüttich seine Thore den von ihm Verbannten geöffnet habe, so beschloß er die Zerstörung der rebellischen Stadt, umzingelte sie am 27. Oftober 1468 von allen Seiten und gab sie der Plünderung und den Flammen preis; 40,000 Manner wurden niedergemeßelt, 12,000 Frauen ertränkt; die ganze Stadt brannte, bis auf einige Kirchen und wenige Wohnun gen von Geistlichen, völlig ab; alle die, welche die Zerstörung ihrer Vaterstadt überlebten, suchten eine Zuflucht in dem Ardens ner Walde, wo fle bis zum Abzuge der Burgundischen Truppen fich versteckten, die fieben Wochen lang ihr Verheerungswerk trieben. Dann sammelten sich die Flüchtlinge wieder und bauten fich um die stehengebliebenen Kirchen an, wie einft in den ersten Zeiten Lüttichs, wo die Gläubigen sich um die Kapelle des heilis gen Cosmus und des heiligen Damian angesiedelt hatten; doch diese Erde, auf welcher fie geboren, gehörte ihnen nicht mehr, fie mußten sie erst zurråckkaufen, bevor ihnen erlaubt ward, dort zu leben.

Nach mehreren Konferenzen mit dem Bischofe hatte der Herzog von Burgund gestattet, daß in der Nähe der St. Lams berts Kirche 24 und bei den anderen Neben Kirchen 12 Häuser für die obdachlosen Geistlichen und 104 für die zum Dienste der Kirche nothwendigen Laien erbaut werden durften. Wahrscheinlich als Dank für diese große Gnade, bewilligte Ludwig von Bourbon dem Herzoge das Recht, von jedem dieser neu erbauten Häuser eine idhrliche Abgabe zu erheben, dann überließ er ihm auch für dreißig Jahre alle Abgaben, welche auf den Waaren lafteten, die durch die Bogen Brücke geführt wurden, und das sich auf ein Dreißigstel des Werthes belief. Außerdem belehnte der Bischof *) Bambe's Berichte über den Krebs.

den Herzog noch für einige Zeiten mit demjenigen Theil des Lütticher Gebiets, der die Stadtinsel heißt, und gestand ihm das Recht zu, hier eine Stadt oder eine Festung ganz nach seinem Belieben zu erbauen. Dafür erließ der Herzog dem Bischofe und dem Kapitel die für dieselben während des Krieges gemachten Ausgaben, welche sich auf mehr als 400,000 Gulden beliefen.

Die Erlaubniß, bauen zu dürfen, welche Karl der Kühne ertheilt hatte, wurde von Jedem aufs eifrigfte benust; es ents standen eine Menge Hätten aus Holz oder Stroh, denn steinerne Häuser wurden erst in späterer Zeit wieder in Lüttich erbaut; Jeder bemächtigte fich des ersten besten Stück Landes, man zahlte dem Burgundischen Statthalter die gebührenden Abgaben und baute dann darauf los, ohne daß man irgend daran dachte, mit seinem Nachbar gleiche Linie zu halten; noch heute bemerkt man in Lüttich die Spuren dieses allgemeinen Wirrwarrs.

Humbercourt, der sich im Insels Viertel förmlich verschanzt hatte, sehte zur Verwaltung der aus ihrer Asche sich wieder ers hebenden Stadt einen aus neun Personen bestehenden Rath ein, welcher ganz vom Herzog abhängig war und nur nach dessen Gefallen handeln dürfte. Unterdessen wuchs die Bevölkerung von Lüttich nach und nach immer mehr, und Humbercourt und der Bischof überfahen es absichtlich, daß man viel mehr Woh, nungen erbaute, als der Herzog eigentlich gestattet hatte; dieser aber, der von der Uebertretung seiner Vorschrift benachrichtigt wurde und schon über die Verzögerung der auferlegten Straf fumme erzürnt war, sandte Abgeordnete nach Lüttich mit dem Befehl, alle überzählige Häufer einreißen zu lassen. Es mußte nun in möglichster Eil Gold aufgetrieben werden, um den Zorn des Siegers zu dämpfen; doch siel der Herzog schon 1477 im Kampfe gegen die Schweizer bei Nancy. Sobald Ludwig von Bourbon den Tod Karl's des Kühnen erfuhr und er sich dadurch seines mächtigen Befchüßers beraubt sah, dachte er auf Mittel, um sich so bald als möglich mit seinen Unterthanen auszuföhnen. Er begab sich also nach Gent zu seiner Nichte Maria von Burs gund, der einzigen Tochter Karl's des Kühnen, und erlangte von der jungen Fürstin für die Lütticher großmüthigen Erlaß aller vom Herzog auferlegten Straffun.men. Sie entfagte dem Besit des Lütticher Insel Viertels, so wie der Oberherrschaft über das ganze Land, und befahl die Zurückgabe aller Dokumente, Freis Briefs und Schriften der Städt, welche nach Bergen gebracht worden waren; doch kam es nicht zu dieser Zurückgabe, weil bald darauf wieder Unruhen in Flandern ausbrachen. Aus Dankbarkeit wiesen die Lütticher alle Anträge zurück, die ihnen der König von Frankreich, Ludwig XI., machte, der sich gegen die Fürstin rüstete; der schlaue und treulose Charakter des Königs stand bei den Lüttichern noch in zu frischem Andenken, und fie wollten nichts davon wissen, den Interessen Frankreichs beizutreten.

Am 9. April 1477 berief der Bischof das ganze Volk im Viertel Humbercourt zusammen und las ihnen die authentische Erklärung Maria's von Burgund vor. Wenige Tage darauf stattete der Adel mit dem berächtigten Wilhelm von der Mark, der unter dem Namen des Ebers der Ardennen so bekannt ist, dem Fürsten seinen Dank ab und`ersuchte ihn, alle Körperschaften und Gerechtsame des Landes wiederherzustellen, was Ludwig von Bourbon auch bewilligte. Die Hinsbergische Gesehordnung trat wieder in Kraft, die 32 Gewerke wurden in ihre alten Rechte eingefeßt, und man durfte die Bürgermeister wieder selbst wählen. Diese Maßregeln wurden vom Volke mit lebhaftem Beifall aufs genommen; am meisten aber war es darüber entzückt, daß es ihm gestattet seyn sollte, das Wappen der Stadt Lüttich wieder zurück zu holen, das vor zehn Jahren nach Brügge gebracht worden war. Man sandie zu diesem Zweck eine zahlreiche und glänzende Reiterschaar ab, aus den vornehmsten Familien des Landes ers wählt, deren Nachkommen dafür, zum Gedächtniß des dabei be wiesenen Eifers, alle Rechte und Privilegien der 32 Handwerke der Stadt genoffen, ein Vorzug, der ihnen bis zum Jahre 1789 verblieb. Im Jahre 1478 kamen die Abgeordneten zurück, und man stellte das Palladium der Stadt auf der großen Fontaine, der Violette gegenüber, auf. Noch aber war die Stadt von allen Seiten offen, und sie besaß weder einen Schaß, noch reiche Bürger, die zur Aufführung von Mauern beisteuern fonnten; man forderte daher die Kirchgemeinden auf, jede ein Viertel, so gut es ihnen möglich wäre, zu befestigen, und so entstanden deun nach und nach wieder einige Mauerstrecken; doch wurden diese Arbeiten bald durch neue sehr ernste Unruhen unterbrochen. Wilhelm von der Mark d'Aremberg, der Eber der Ardennen, der insgeheim durch den König von Frankreich aufgereizt war, ftellte fich an die Spiße der Unzufriedenen und Vertriebenen und lehnte fich gegen den Bischof auf; zwar versöhnte er sich für einige Zeit wieder mit ihm und wohnte bei ihm im Bischöflichen Palast, machte sich aber durch seine Anmaßungen und feine Rohheit so verhaßt, daß ihn die Schöffen aus der Stadt verbannten. Um ich dafür zu rachen, stellte er sich an die Spiße von 5-6000 Mann und ging auf Lüttich los, wo er noch viele Anhänger zählte. Bei der Nachricht von seinem Anrücken ließ der Bischof die Stadttruppen und die Bürgerschaft zusammenberufen, beichtete und stellte sich selbst an die Spiße seiner Leute, nachdem er ihnen zuvor Wein hatte reichen lassen. Als er zum Thore von Amers coeur hinabgeritten war, erblickte er den Feind in geringer Ents fernung in den Hohlwegen nahe am Karthäuserkloster aufgestellt; kaum näherte sich der Bischof einem dieser Hohlwege, so sah er sich plöglich von den Bänden des Ebers umrigt: sein wilder Gegner fürste mit aufgehobenem Schwerte auf ihn los;,,Gnade, Gnade, mein Fürst, ich bin Euer Gefangener!" rief der Bischof.

,,Rein, keine Gnade für Dich, treuloser Fürst", erwiederte Wilhelm, hieb ihm in den Hals und befahl einem seiner Beglei ter, ihn vollends zu tödten. Der Körper des Bischofs rollte in eine nahegelegene Pfüße und blieb dort mehrere Stunden im Koth stecken, ohne daß Wilhelm von der Mark ihn zu beerdigen geftattete. Auf so elende Weise endere Ludwig von Bourbon, der während der ersten Hälfte seiner Regierung der Henker seis nes Volles war, später aber gern der Wohlthäter seiner Unters thanen werden wollte, wenn nur seine von den schmachvollsten Jugend Ausschweifungen entnervte Seele sich zu hohem Berufe hatte erheben können. Er hatte anfangs über ein blühendes Land geherrscht und hinterließ bei seinem Tode nichts als Schutthaufen. (J. d. L.)

Frankreich.

Beaumarchais und die Schauspieler seiner Zeit. *)

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Die erste Aufführung des,,Barbiers von Sevilla" hatte bekanntlich dem Autor wenig Ruhm erworben - das Stück war durcbgefallen; ob mit oder ohne Recht, bleibe hier unentschieden. Als Beaumarchais nachmals einen Akt wegstrich, wurde es viers zehn Mal hinter einander aufgeführt, und das Eigenthumsrecht des Verfassers blieb ihm also gesichert. Es entspann sich aber ein Streit zwischen Beaumarchais und den Schauspielern; und die Sache nahm eine für jeden dramatischen Dichter in Franks reich wohlthätige Wendung.

Darf man einigen Nachrichten aus jener Zeit Glauben schens ken, so war die Veranlassung dieses Streites recht seltsam ges wesen. Als der Barbier von Sevilla guten Erfolg hatte, luns digte Beaumarchais, den feine Speculationen reich gemacht, den Schauspielern an, daß er fein Honorar nehmen wolle. Die Schauspieler von ihrer Seite fühlten keinen Beruf, einem Autor an Delikatesse nachzustehen, und schickten ihm, troß seiner Ver zichtleistung, das Geld, welches ihm zufam. Entrüstet über diese unzeitige Großmuth, wollte Beaumarchais nun wenigstens eine Summe zugeschickt haben, deren Empfang sich besser verlohnte. Er verlangte ein viel ansehnlicheres Honorar und erneuerte den alten Krieg wegen der Jahres Logen, den seine Vorgänger zu schldfrig geführt. Die Wichtigkeit der Frage an sich, die bedeus rende Anzahl und der Stand derjenigen Individuen, die dabei intereffirt waren, der Charakter, der Geist und die Lage des Vorkampfers hielten die Aufmerksamkeit des Publikums in großer Spannung. Man erwartete mit Ungeduld, was für Skandal und Klatscherei dieser Prozeß erzeugen würde; es verdient aber Beach, tung, daß Beaumarchais nirgends ernsthafter zu Werke gegangen ist, als hier; seine Diskussionen sind voller Zahlen und statistischer Data, und man erkennt in denselben weit mehr den gewandten und schlauen Finanzier, als den geistreichen und eleganten Schriftsteller.

Nachdem Beaumarchais feinen Federkrieg eröffnet hatte, wollte er die Frage den Rechtsgelehrten und seinen literarischen Mitbrüdern vorlegen. Er lud eine Anzahl dieser Herren zu einem Souper in seiner Behausung, seste ihnen seine Beschwerden aus einander, las ihnen die Korrespondenz vor, welche er in Betreff feines Barbiers mit den Schauspielern geführt hatte, und bat sie um ihre Meinung. Die ganze Gesellschaft billigte seine Verfah rungsweise, und seit jenem Abende rourde Beaumarchais' Hotel ein Ort regelmäßiger Sisungen, cin Bureau der dramatischen Gefeßgebung. Man revidirte die bestehenden Theaters Statuten, man brachte diejenigen, welche die Schauspieler aus bösem Willen unterdrückt hatten, wieder in Kraft; Beaumarchais war Präsident der Societat geworden, und seine Meinung trug immer den Sieg davon.

Das unter Beaumarchais' Auspizien entworfene neue Regles ment wurde dem Herzog von Duras vorgelegt. Dieser Kammers herr theilte es den Schauspielern mit, die ein wahres Zeterge schrei erhoben und betheuerten, daß sie in so harte, ihrer Ehre, wie ihren Intereffen zuwiderlaufende Bedingungen nimmermehr einwilligen könnten. Freilich war das Interesse der guten Leute etwas kompromittirt; allein über Verlegung ihrer Ehre hatten fie nicht zu Plagen, wofern sie nicht diese Ehre in die Unter drückung ihrer Gegner seßten. Der Marschall von Duras erklärte ihnen, man ließe ihnen die Alternative, entweder jenen Bedinguns gen fich zu fügen, oder die Anstellung einer zweiten Schauspieler: Truppe fich gefallen zu lassen. Von diesem Vorschlage noch mehr bestürzt, baten sie um Erlaubniß, über das Memoire diskutirén zu dürfen, und um eine bestimmte Frist, damit sie ihren Gegnern antworten könnten.

Was die Schauspieler bei dieser Fehde am meisten befürchte; ten, war Beaumarchais' stechender Wiß, der ihm in so reichem Maße zu Gebote stand. Sie wehrten sich übrigens mannhaft; Beaumarchais swang sie, wegen der Honorare feines Barbiers mit ihm zu rechnen, konnte aber für die kleinen Logen nichts erlan gen. Stolz auf seine errungenen Vortheile, beschied er seine Kolles gen in Apollo von neuem zu sich, erzählte ihnen Alles, was er für sie gethan, und verkündigte ihnen, daß seine Berechnung für den Barbier von Sevilla hinführo das Muster jeder ähnlichen Berech nung seyn sollte. Die anwesenden Autoren geriethen über das

*) S. Nr. 117 des Magazins.

schöne Ergebnis in solchen Enthusiasmus, daß fie ihrem Amphis trno den Titel eines Wohlthäters der Literatur zuerkannten. Da der Streit, troß der gefälligen Intervention des Mars schalls von Duras, nicht beigelegt werden konnte, so brachte man ihn endlich vor die Herren Edelleute der Kammer, welche bei dem Marschall von Richelieu zusammentraten. Beaumarchais begab sich als Advokat der Autoren ebendahin und verfocht seine Sache in eigener Person; allein hier stand ihm ein gewaltiger Mann des praktischen Rechtes, Herr Gerbin, gegenüber. Der Verfasser des Barbiers konnte der Beredsamkeit seines Gegners nicht viel mehr als bloße Berechnungen enigegenstellen und wurde ganz und gar aus dem Felde geschlagen. Die Partei der Schaus Spieler triumphirte einen Augenblick; aber Beaumarchais, der nicht so leicht den Muth sinken ließ, hielt eine neue Generals Bers fammlung der Autoren und stattete ihnen von seinem Verfahren Bericht ab, ohne die Niederlage, die er erlitten, zu verhehlen. Drei Monate später hatte er durch neue Liften und neue Intris guen die Schauspieler so weit gebracht, daß fie seine Bedingun gen mit einiger Milderung und Modification wirklich annehmen mußten. Die Bühnendichter erfreuten sich in Folge dessen einer regelmäßigen Stellung, eines drei Mal bedeutenderen Honorars und gänzlicher Unabhängigkeit von den Bühnenhelden. C. Loubens.

Bibliographie.

Ed. Schmalz: Traité de la Conservation de L'ouïe. Paris, Londres et Leipzic, 1839. Sec. édit. corrigée et augmentée. Avec III planches gravées. VIII u. S. 56 in 8. Diese Schrift eines als Gehör Arztes sehr vortheilhaft bes Pannten Praktikers zu Dresden ist für Aerzte selbst und noch mehr für Gehörkranke recht lehrreich, weniger durch die anatomischen und physiologischen Seiten des Gegenstandes, als durch die Abs schnitte über die didtische Pflege des Ohres und die Anweisung zum Gebrauche eigenthümlicher Instrumente für die Erleichterung des Gehörs.

Mannigfaltiges.

Der Pariser Buchhändler. Jules Janin entwirft in einem feiner neuesten Feuilletons ein Bild von einem Frans zösischen Buchhändler, ein Bild, das allerdings karrikirt ist, in dem aber doch auch diejenigen Züge leicht zu erkennen sind, die, aus dem Leben gegriffen, den traurigen Zustand des Fran zösischen Buchhandels nur allzu treffend darstellen. ,,Es gab einmal", sagt Janin,,,einen Französischen Buchhandel; es war dies das ehrenvollste, das umfassendste Geschäft der Welt. Der Pariser Buchhändler mußte vor allen Dingen ein Mann seyn, der Geist, Geschicklichkeit und Muth besaß; er mußte den Leidens schaften, den Bedürfnissen, den Abneigungen und den Liebhabe; reien seiner Zeit stets nachspüren und ihnen entgegenkommen. Rasch, wie der Gedanke, mußte sein Ueberblick seyn; was das Publikum morgen verlangen würde, das mußte er gestern schon errathen haben. Vor allen Dingen aber bedurfte er einer Auss` dauer ohne gleichen, um den wenigen Leuten, die noch Bücher lesen, endlich den Glauben an die Berühmtheit seiner Verlags Artikel beizubringen. Wenn wir sagen, es gab einmal einen Französischen Buchhandel, nun ja, so meinen wir, daß die Buchhändler immer mehr verschwinden und verschwinden müssen. Es gab solche Leute, die den täglichen Geburtswehen des moders nen Genies als Hebammen assistirten, die auf ihre Kosten und Gefahr neue Bücher drucken ließen, mit der Aussicht, sie nicht zu verkaufen; die von einem Roman auf ein Geschichtswerk, von dem Geschichtswerke auf ein Drama sich warfen und immer heute ein wenig drmer waren, als vor acht Tagen. Diese armen Ga leerensflaven des literarischen Lebens opferten jenem Geschäft ihre Tage und ihre Nachte, ihre Gesundheit, die Mitgift ihrer Frau, das Brod ihrer Kinder, das Haus ihres alten Vaters. Und wenn sie dann endlich die dicksten Bücher und die größten Repu tationen des Jahrhunderts fabrizirt hatten, so hielten sie mit einemmale inne, denn sie konnten nicht mehr weiter, ihre Kräfte waren erschöpft, ihre Umstände ruinirt, sie hatten sich total zu Grunde gerichtet. Wer an ihnen vorüberkam und die armen Teufel erblickte, die so honett und so unglücklich aussahen, der wollte ihnen helfen; sobald man aber erfuhr: das sind Buchhandler, verschwand auch sogleich alles Mitleiden, und Niemand wollte helfen. Nicht ein einziger Banquier wagte zehn Thaler auf die größten Bücher des neunzehnten Jahrhunderts, die da in der Niederlage des Buchhändlers aufgespeichert sind. Mit Einem Worte, es ist so weit gekommen, daß der Buch handler als der Ausfähige der modernen Gesellschaft erscheint; es ist eine Schande, ihn zu beklagen, ein Verbrechen, ihm die Hand zu reichen; kaum wagt man es, ihn anzusehen, wenn er vorübergeht. Der Unglückliche! Wenn er, anstatt mit aller Ges walt Prosa verkaufen zu wollen, oder Verse, phantastische Ers adhlangen, Romane, Luftspiele und wie das Zeug sonst heißen mag, womit das schöne weiße Papier verdorben wird, lieber den vierten Theil seines Verstandes, seiner Thätigkeit und seiner ehrlichen Haut darauf verwandt hätte, Wein zu verkaufen, oder Del, chemische Feuerzeuge oder Futterkattun, so würde er jest eben so reich seyn, als er arm ist; er würde Mitglied des Stadts raths fenn, Wähler und Capitain der Nationalgarde, nicht mehr uud, nicht weniger.“

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